JudikaturBVwG

W126 1416173-4 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
30. August 2024

Spruch

W126 1416173-4/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Sabine FILZWIESER-HAT als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Nepal, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2023, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.06.2024, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 12.08.2022 mittels Formblatt einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. Gleichzeitig stellte er einen Antrag auf Heilung eines Mangels gemäß § 4 AsylG-DV.

2. Mit Verbesserungsauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2022 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, seinen Antrag gemäß § 55 AsylG binnen vier Wochen persönlich zu stellen, in deutscher Sprache ausführlich zu begründen und ein gültiges Reisedokument sowie eine Geburtsurkunde vorzulegen.

3. Mit Schriftsatz vom 19.10.2022 gab der Beschwerdeführer eine ergänzende Begründung zu seinem Antrag ab und verwies betreffend des Nichtvorliegens eines Reisepasses auf seinen Antrag gemäß § 4 AsylG-DV.

4. Mit Parteiengehör des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.08.2023 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG abzuweisen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zu erlassen. Ihm wurde die Möglichkeit geboten, dazu binnen vierzehn Tagen eine Stellungnahme abzugeben.

5. Mit Schriftsatz vom 31.08.2023 gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab und legte Unterlagen hinsichtlich seiner Integrationsbemühungen vor.

6. Mit im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Sein Antrag vom 10.02.2019 (richtigerweise: 12.08.2022) auf Heilung eines Mangels nach § 8 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG-DV wurde gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV abgewiesen (Spruchpunkt V.).

7. Gegen den am 14.09.2023 rechtswirksam zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht am 10.10.2023 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Er legte dabei Unterlagen hinsichtlich seiner Integrationsbemühungen vor.

8. Am 18.06.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner rechtsfreundlichen Vertretung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nepal und wurde am XXXX geboren. Er bekennt sich zur hinduistischen Religionsgemeinschaft und spricht muttersprachlich Nepali.

Er stammt aus XXXX (Nepal), wo er im Familienverband aufwuchs und bis zu seiner Ausreise lebte. Zu seinen im Heimatort wohnhaften Eltern und seinem Bruder hat er regelmäßig Kontakt. Er besuchte in Nepal die Schule, studierte von 2003 bis 2005 in Kathmandu Wirtschaft und ist arbeitsfähig. Er ist nicht verheiratet, hat keine Kinder und leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen.

1.2. Zum Gang des bisherigen Verfahrens:

Der Beschwerdeführer verließ mit seinem Reisepass, den er später an einen Schlepper übergab, seinen Herkunftsstaat und reiste am 04.10.2010 irregulär ins österreichische Bundesgebiet ein. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.10.2010 und mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.04.2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 04.10.2010 gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG abgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg cit. aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes erwuchs am 20.04.2012 in Rechtskraft.

Am 12.02.20216 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Duldungskarte, da seine Abschiebung aus tatsächlichen, nicht von ihm zu vertretenden Gründen unmöglich erscheine. Mit Aktenvermerk des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer eine bis zum 15.11.2018 gültige Karte für Geduldete erteilt. Sein am 12.10.2018 gestellter Antrag auf Verlängerung der Duldungskarte gemäß § 46a Abs. 5 FPG wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.04.2020 gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 3 Z 3 FPG und mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.12.2021 abgewiesen. Der Beschwerdeführer setzte nicht die ihm zumutbaren Schritte, um von der nepalesischen Botschaft in Wien ein Ersatzreisedokument zu erhalten.

Obwohl der Beschwerdeführer im April 2012 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde, stellte er am 12.08.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG, der mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl abgewiesen wurde.

1.3. Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer hat keine im Bundesgebiet aufhältigen Verwandte oder Familienangehörige. Er hat seit 2017 eine nepalesische Lebensgefährtin, deren am 12.08.2022 gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2023 bzw. mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.06.2024 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen wurde, weil gegen sie am 16.04.2021 eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und sich hinsichtlich ihres Privat- und Familienlebens seither kein geänderter Sachverhalt ergeben hat.

Der Beschwerdeführer spricht ein wenig Deutsch und absolvierte bisher keine Deutschprüfungen. Er hat in Österreich einen Freundeskreis, abgesehen von seiner Lebensgefährtin verfügt er über keine engen sozialen Bindungen. Er spendete in den Jahren 2015 bis 2019 jeweils EUR 60,- an den XXXX und ist Mitglied des Vereins XXXX . Er arbeitete im Bundesgebiet als Zeitungszusteller, war vom 06.03.2012 bis 31.5.2012 und von 9.10.2012 bis 31.01.2013 als gewerblich selbständiger Erwerbstätiger sozialversicherungsrechtlich gemeldet und ging ansonsten keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht zum Entscheidungszeitpunkt Leistungen aus der Grundversorgung. Von seinem beinahe vierzehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet hielt er sich eineinhalb Jahre rechtmäßig auf. Er ist strafgerichtlich unbescholten und verletzt seit 20.04.2012 die ihn treffende Ausreiseverpflichtung, indem er sich weigert, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

1.4. Zur maßgeblichen Lage in Nepal werden nachfolgende Feststellungen getroffen:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt (BMEIA 22.1.2021). Nach der erfolgreichen Durchführung der Parlaments- und Lokalwahlen sowie der Arbeitsaufnahme der neuen Amtsträger im Frühling 2018 befindet sich Nepal in einer Konsolidierungsphase. Die politische Lage bleibt fragil. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie verursachen vereinzelt Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden (EDA 21.12.2020). Es kommt vereinzelt zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ [Generalstreiks, welche von kommunalen Akteuren oder politische Parteien ausgerufen werden können]. Diese Protestaktionen können das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders in Terai ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 12.1.2021).

Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch (AA 12.1.2021).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 13 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2020 wurde eine Person durch terroristische Gewalt getötet. Im Jahr 2021 wurden bis zum zum 24.1.2021 keine Opfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 24.1.2021).

Während es in der Vergangenheit Anlass zur Besorgnis über Maßnahmen der Indischen Grenzsicherheitskräfte im unmittelbaren Grenzgebiet gegeben hat, haben sich diese vereinzelten Vorfälle in letzter Zeit nicht intensiviert. Jedoch haben die offensiven Tätigkeiten durch chinesische Grenztruppen entlang der nördlichen Grenze zur autonomen tibetischen Region Chinas zugenommen. Berichten zu Folge fanden grenzüberschreitende Aktionen durch chinesische militärische Kräfte statt (BS 29.4.2020).

Nepal und Indien:

Der Nachbar Indien spielt durch die geographische und kulturelle Nähe für Nepal traditionell eine große Rolle. Neu-Delhi unterstützte das Land auf dem Weg zur Mehrparteien-Demokratie und sendete 2015 als erstes große Mengen Hilfsgüter in die Erdbebenregion. Die Hilfe ist dabei nicht ganz selbstlos (DW 4.4.2018). Nepal ist mit seinem „großer Bruder“ sehr eng verbunden (GIZ 1.2021), auch wenn seit 2015 eine stetige Schwächung der Beziehungen zwischen Indien und Nepal stattfindet (GW 2021).

Nepal beansprucht strategisch wichtiges Terrain im Himalaya, das auch von Indien beansprucht wird. In dem betroffenen Gebiet sind seit Jahrzehnten indische Truppen stationiert. Nepal veröffentlichte 2020 eine neue Landkarte, die das beanspruchte Gebier Nepal zuordnet, nachdem Indien begonnen hatte, eine neue Straße durch das umstrittene Gebiet zu bauen. Einen Grenzvertrag, den das Land mit dem damaligen britischen Kolonialreich Indien 1816 geschlossen hatte, interpretieren beide Länder zu ihrem Vorteil. Indien ist auch mit China in Grenzstreitigkeiten verwickelt (DS 18.6.2020)

Nepal und China:

Die Beziehungen zwischen China und Nepal haben sich in den letzten Jahren intensiviert (BS 29.4.2020). Nepal wendet sich zunehmend an China als Partner und verstärkt die Investitions- und Handelsbeziehungen, einschließlich der Einbindung an Chinas „Belt and Road“-Initiative (HRW 13.1.2021).

Ein gemeinsames Projekt zwischen China und Nepal sieht derzeit den Bau einer Eisenbahnlinie vor, die die westliche Region Tibets mit Nepal verbinden soll. Dieses Projekt war eines von mehreren bilateralen Abkommen, die während des Besuchs des nepalesischen Premierministers Khadga Prasad Sharma Oli in Peking im Juni 2018 unterzeichnet wurden (BS 29.4.2020). Darüber hinaus wird kolportiert dass im Oktober 2019 Abkommen über ein „System zum Grenzmanagement“ und einem Abkommen zur „Gegenseitigen juristischen Hilfe bei Kriminalfällen“ zwischen den beiden Staaten ausgehandelt wurden (GSTF 21.2.2020; vgkl. HRW 13.1.2021). Andere Quellen berichten, dass zwischen Nepal und China kein solches Auslieferungsabkommen besteht, aber seit Oktober 2019 eine gemeinsame Erklärung zur Bekämpfung von Kriminalität existent ist (BAMF 13.1.2021; vgl. BW 16.10.2019).

Die geografische Lage Nepals erfordert eine Politik der guten Nachbarschaft und einen entsprechenden Ausgleich der Interessen des Binnenstaates gegenüber den beiden Großmächten (GIZ 21.2021b; vgl. ORF 31.7.2020).

Allgemeine Menschenrechtslage

Der ohnehin schwache Staatsapparat und die geringe Leistungsfähigkeit der Justiz sorgen dafür, dass Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz auch weiterhin nicht verwirklicht werden. Aspekte der Verfassung von 2015 wie etwa ein uneingeschränktes Begnadigungsrecht des Präsidenten tragen dazu bei, dass die politische Elite nur selten mit Konsequenzen für illegale Handlungen rechnen muss (BS 29.4.2020). Es wurde versäumt, gut dokumentierte Fälle von Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit des Bürgerkrieges strafrechtlich zu verfolgen (BS 29.4.2020; vgl. HRW 20.11.2020). Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 1.2021b). Die beiden Übergangsjustizbehörden, die Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) und die Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons (CIEDP), haben über 60.000 Beschwerden erhalten, aber keine der beiden Kommissionen hat irgendwelche der vorgebrachten Fälle abgeschlossen. Die Regierung hat es verabsäumt, auf Bedenken einzugehen, wonach es den beiden Kommissionen an Unabhängigkeit mangle. Im Januar [2021] wurden neue Kommissare für beide Gremien ernannt (HRW 13.1.2021).

Zu weiteren Menschenrechtsproblemen gehören unrechtmäßige oder willkürliche Tötungen, Folter, willkürliche Inhaftierung, Blockaden von Internet-Seiten, Verleumdung, Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigung, übermäßig restriktive Gesetze gegenüber Nichtregierungsorganisationen (NGO), Korruption, Menschenhandel, frühe und erzwungene Heirat, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen, insbesondere von gebietsansässigen Tibetern, sowie der Einsatz von Zwangs-, Pflicht- und Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 10.2020).

Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige „unberührbarer Kasten“ (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 1.2021; vgl. AI 10.2020). Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Kaste, der sozialen Klasse, der Ethnie, der sexuellen Orientierung oder der Religion sind weit verbreitet (USDOS 11.3.2020; vgl. IHR 17.8.2019). Zuverlässige Daten über die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten liegen nicht vor, doch wird über Benachteiligungen Angehöriger sexueller Minderheiten berichtet (USDOS 11.3.2020). Nepal hat es verabsäumt, wichtige Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte und der Bekämpfung anhaltender Diskriminierung umzusetzen (AI 10.2020).

Die Durchsetzung der geltenden Gesetze gegen Zwangsarbeit ist uneinheitlich und die soziale Wiedereingliederung der Opfer bleibt schwierig. Die Ressourcen, Inspektionen und Abhilfemaßnahmen stellen sich ungenügend dar und die Strafen bei Rechtsverletzungen sind nicht ausreichend, um Verstößen vorzubeugen (USDOS 11.3.2020).

Hunderttausende Menschen, fast 70 Prozent der Betroffenen des Erdbebens von 2015, leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25 Prozent der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende Betroffene nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.2.2018).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht Bewegungs- und Reisefreiheit, aber auch das Recht auf Emigration und Rückkehr vor. Eine Ausnahme bilden Flüchtlinge; diese müssen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit oft gesetzlich geregelte Einschränkungen hinnehmen, die aber nicht einheitlich durchgesetzt werden. Die Regierung stellt seit 20 Jahren keine Ausweisdokumente für tibetische Flüchtlinge mehr aus. Es gibt Berichte über Vertriebene aus Tibet, die aufgrund fehlender Personaldokumente an Kontrollpunkten von der Polizei schikaniert oder zurückgeschickt werden (USDOS 11.3.2020). Es gibt zehn formale Ein- und Ausreisepunkte, von denen der Flughafen Kathmandu der einzige internationale Flughafen ist (DFAT 1.3.2019).

Um Frauen vor Menschenhandel oder Misshandlung zu schützen, führte die Regierung für Frauen ein Mindestalter von 24 Jahren für Auslandsreisen zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung ein. Diese Regelung wird jedoch von NGOs und Menschenrechtsaktivisten als diskriminierend und kontraproduktiv empfunden, da so Frauen auf informellem Weg über die indische Grenze migrieren, was sie anfälliger für Menschenhandel macht (USDOS 11.3.2020).

In Folge der schweren Erdbeben im Jahr 2015 gibt es im ganzen Land weiterhin Schäden an der Infrastruktur und unpassierbare Straßen. In Nepal kommt es vereinzelt zu kurzfristig ausgerufenen „Bandhs“ (Zwangsstreiks), mit Blockaden bzw. Straßensperren (AA 12.1.2021).

IDPs und Flüchtlinge

Die Folgen des Erdbebens von 2015 und seine Nachbeben haben Millionen von Menschen obdachlos gemacht. Viele vom Beben betroffene Binnenvertriebene leben auch weiterhin in Lagern oder improvisierten Siedlungen. Durch die Regierung wurden Hilfsmaßnahmen und Maßnahmen für eine freiwillige Rückkehr ergriffen. Doch werden diese Maßnahmen nicht vollständig umgesetzt, da Problemstellungen wie ungelöste Land- und Eigentumsfragen, fehlende Staatsbürgerschaft oder Eigentumsdokumente sowie Sicherheitsbedenken zur Rückkehr bestehen (USDOS 3.2.2021).

Das Gesetz sieht weder die Feststellung von individuellen Flüchtlings- oder Asylansprüchen noch einen umfassenden rechtlichen Rahmen für den Flüchtlingsschutz vor. Die Regierung hat eine große Anzahl von Tibetern als Flüchtlinge anerkannt und die Umsiedlung bestimmter bhutanischer Flüchtlinge ins Ausland unterstützt. Nachdem der Dalai Lama 1959 nach Indien ins Exil gegangen war, erkannte die nepalesische Regierung Tibeter als Flüchtlinge an und registrierte sie durch die Ausstellung von Flüchtlingszertifikaten (Refugee Certificates - RCs), die fortan als offizielles Ausweisdokument gilt, dem Inhaber erlaubt, sich in Nepal aufzuhalten und zu reisen (aber nicht, Eigentum zu besitzen, Arbeit zu suchen, eine höhere Ausbildung zu absolvieren oder ins Ausland zu reisen). Die Polizei akzeptiert RCs generell als gültigen Identitäts- und Aufenthaltsnachweis (DFAT 1.3.2019). Jedoch erkennt die Regierung Tibeter, die nach 1990 ins Land kamen, nicht mehr als Flüchtlinge an (USDOS 11.3.2020; vgl. DFAT 1.3.2019).

Auch andere im Land befindliche, von UNHCR als Flüchtlinge und Asylsuchende anerkannte Personen aus Pakistan, Myanmar, Afghanistan, Sri Lanka, Bangladesch, Somalia, Iran, Irak und der Demokratischen Republik Kongo verweigert die nepalesische Regierung weiterhin die Anerkennung als Flüchtlinge (USDOS 11.3.2020).

Grundversorgung und Wirtschaft

Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 1.034 US-Dollar pro Jahr ist Nepal eines der ärmsten Länder der Welt. Die instabile politische Situation, der Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften und die schwache Infrastruktur behindern die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Eine anhaltend hohe Inflation vermindert die Kaufkraft der Bevölkerung. Im Index of Economic Freedom 2020 nimmt Nepal den 139. Platz unter 180 Ländern ein (GIZ 1.2021c).

Mit dem 2006 eingeleiteten Friedensprozess haben sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft Nepals zwar insgesamt verbessert, das Investitionsklima leidet aber unter gesetzlicher Überregulierung. Der defizitäre Staatshaushalt und der steigende Schuldendienst geben weiter Anlass zur Sorge. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum bewegte sich in den letzten Jahren zwischen zwei und vier Prozent und war damit zu niedrig, um die Armut substanziell zu reduzieren. Wirtschaftliche Reformagenda und Armutsbekämpfung stellen große Herausforderungen an die junge Republik. Die instabile politische Lage hemmt wichtige Investitionen der öffentlichen Hand und wirkt sich negativ auf das Geschäftsklima aus. Die Entwicklung Nepals wird durch immer Naturkatastrophen - wie Überschwemmungen und Erdrutsche - gebremst. Das Erdbeben vom April 2015 hat die Infrastruktur im Kathmandu-Tal und anderen betroffenen Landesteilen schwer beschädigt (GIZ 1.2021c). Etwa 20 Prozent aller Gebäude, die 2015 beschädigt wurden, sind der Hilfsorganisation Plan International zufolge bis heute nicht repariert. Geldmangel und administrative Hürden erschweren den Wiederaufbau (SZ 24.4.2020).

Neben den Folgen des verheerenden Erdbebens brachten Blockaden wichtiger Handelsrouten die Wirtschaft zum Erliegen. Die Parteien und politische Gruppierungen unterschiedlichster Ausrichtung rufen immer wieder zu Streiks auf. Diese wirken sich negativ auf alle wirtschaftlichen Sektoren aus, von der Großindustrie bis hin zu kleinen und mittelständischen Unternehmen. Bürokratie und unzureichende Infrastruktur beeinträchtigen das Investitionsklima und damit die wirtschaftliche Entwicklung (GIZ 1.2021c).

Die wirtschaftliche Entwicklung Nepals ist schwer von der Coronakrise getroffen. Eine strenge Ausgangssperre hat vier Monate lang das öffentliche Leben in Nepal weitgehend lahmgelegt. Zahlreiche Menschen kamen in eine finanzielle Notlage. Zwei wichtige Einnahmequellen brechen dem Staat weg: Die Überweisungen nepalesischer Arbeitsmigranten, die geschätzt zwischen 26 und 30 Prozent des BIP ausmachen, und die Einnahmen aus dem Tourismussektor (GIZ 1.2021c).

Es existieren keine zuverlässigen Erhebungen zur Arbeitslosigkeit. Die offizielle Erwerbslosenquote ist relativ niedrig (2019: 1,4 Prozent) (WKO 10.2020). Die politische Instabilität und die schwere wirtschaftliche Krise treiben weiterhin Massen von jungen Nepalesen ins Ausland. Wegen der offenen Grenzen ist die Migration ins Ausland nicht dokumentiert. Schätzungen gehen davon aus, dass heute vier bis fünf Millionen Nepalesen im Ausland arbeiten. Rund die Hälfte davon dürfte sich in Indien aufhalten. Der Rest vor allem in Malaysia und den Golfstaaten (GIZ 1.2021c). Mit der zunehmenden Emigration ist die Rekrutierung von Arbeitskräften zu einem lukrativen Geschäft geworden. Über 800 sogenannte „Manpower Companies“ werben über lokale Agenten Arbeitswillige in den Dörfern an und organisieren Reise, Ausreisepapiere und Verträge mit den Arbeitgebern in den Zielländern. Die große Mehrheit der Arbeitsmigranten sind junge Männer. Der Anteil der Frauen hat mit der steigenden Nachfrage nach Hausangestellten in den Golfstaaten im letzten Jahrzehnt zwar zugenommen, Frauen machen aber erst etwa 10 Prozent der Arbeitskräfte im Ausland aus (GIZ 1.2021b).

Nepal verfügt außer den familiären sozialen Netzwerken über kein Wohlfahrtssystem. In bestimmten Fällen sind NGOs bemüht, diese Lücke zu füllen, aber deren Tätigkeit ist sehr stark vom jeweiligen Standort und von internationalen Spenden abhängig, somit können nicht die gleichen Leistungen im ganzen Land angeboten werden. Es gibt nur vereinzelt Privatinitiativen; die öffentlichen Sozialdienste sind rückständig und unzureichend (BS 29.4.2020).

Kinderarbeit ist nach wie vor ein weit verbreitetes Problem in Nepal (UNHRC 4.1.2021).

Rückkehr

Das Gesetz gewährt nepalesischen Staatsbürgern Reisefreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Rückkehr (USDOS 11.3.2020).

Ausgenommen von diesen Rechten sind die meisten Flüchtlinge, deren Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes durch entsprechende Gesetze eingeschränkt ist. Die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen im Land werden nicht einheitlich durchgesetzt. Die Regierung arbeitete mit dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen (USDOS 11.3.2020).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf dem aktenkundigen Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.04.2012 sowie dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.12.2021 und den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.06.2024. Dasselbe gilt hinsichtlich der Feststellungen unter 1.1. zu seiner Person.

2.2. Der bisherige Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes.

Dass der Beschwerdeführer am 04.10.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, der sowohl vom Bundesasylamt als auch in zweiter Instanz vom Asylgerichtshof abgewiesen wurde, war dem aktenkundigen Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.04.2012 zu entnehmen. Die Feststellungen dazu, dass sein Aufenthalt von November 2017 bis November 2018 geduldet wurde, sein Antrag auf Verlängerung seiner Duldungskarte vom 12.10.2018 jedoch in erster sowie in zweiter Instanz abgewiesen wurde, ergeben sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.12.2021. Anhand des dabei rechtskräftig festgestellten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht die ihm zumutbaren Schritte setzte, um von der nepalesischen Botschaft in Wien ein Ersatzreisedokument zu erhalten. Das Bundesverwaltungsgericht führte in seinem Erkenntnis nämlich aus, dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen konnte, dass es aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich gewesen wäre, die nepalesische Botschaft in Wien aufzusuchen und die Ausstellung von Reisedokumenten zu beantragen. Er erbrachte keinen Nachweis, jemals bei der nepalesischen Botschaft in Wien gewesen zu sein und nahm keine Rückkehrhilfe des Vereins XXXX in Anspruch, obwohl ihm dies vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl explizit aufgetragen bzw. empfohlen wurde. Er organisierte auch nicht die Übersendung von identitätsbezeugenden Dokumenten durch seine Familie in Nepal, weshalb er an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes erforderlichen Schritten nicht ausreichend mitwirkte. So gab er in der Beschwerdeverhandlung ausdrücklich an, dass es laut seiner Eltern eine Kopie seines Reisepasses in Nepal gebe, die sie ihm nicht geschickt hätten, weil ihm dies bei der Erlangung von Reisedokumenten nichts bringen würde. Er konnte jedoch nicht nachvollziehbar begründen, warum er sich diese nicht „sicherheitshalber“ dennoch zukommen habe lassen. Auch die Tatsache, dass er erst am 12.10.2022 eine „Passport Application Form“ ausfüllte, ändert an der Einschätzung nichts, dass er in den letzten Jahren nicht alle ihm zumutbaren Schritte zur Erlangung von Reisedokumenten setzte.

Es steht unstrittig fest, dass der Beschwerdeführer trotz des Bestehens einer Rückkehrentscheidung am 12.08.2022 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK stellte, der mit im Spruch angeführten Bescheid abgewiesen wurde.

2.3. Dass der Beschwerdeführer keine im Bundesgebiet lebende Verwandte oder Familienangehörige hat, brachte er in der Beschwerdeverhandlung vor. Es war festzustellen, dass er eine in Österreich aufhältige nepalesische Lebensgefährtin hat, weil er dies im Verfahren durchgehend behauptete. Dass der von ihr gestellte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen wurde, weil gegen sie eine aufrechte Rückkehrentscheidung besteht, war aufgrund des aktenkundigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.06.2024 zu GZ XXXX festzustellen.

Der Beschwerdeführer konnte in der Beschwerdeverhandlung an ihn gerichtete, nicht übersetzte Fragestellungen in einfachem Deutsch beantworten, weshalb festzustellen war, dass er ein wenig Deutsch spricht. Er brachte zwar vor, er habe bereits Deutschkurse besucht, behauptete jedoch nicht, bereits Prüfungen positiv absolviert zu haben. Aufgrund seines langen Aufenthalts und der Vorlage von drei Empfehlungsschreiben war davon auszugehen, dass er in Österreich einen Freundeskreis hat. Es ist nicht hervorgekommen, dass er über seine Lebensgefährtin hinausgehende enge sozialen Bindungen hat und behauptete er dies nicht. Dass der Beschwerdeführer von 2015 bis 2019 jährlich EUR 60,- an den XXXX spendete und Mitglied eines nepalesischen Kulturvereins ist, war den von ihm vorgelegten Unterlagen zu entnehmen.

Er brachte in der Beschwerdeverhandlung vor, er habe in Österreich bereits als Zeitungszusteller gearbeitet und dabei etwa EUR 500,- pro Monat verdient, weswegen seine Tätigkeit als Zeitungszusteller festgestellt wurde. Er behauptete in der Beschwerdeverhandlung zwar, er habe das Gewerbe angemeldet, legte aber diesbezüglich keine Bestätigung des zuständigen Magistrats vor. Dass er vom 06.03.2012 bis 31.5.2012 und von 9.10.2012 bis 31.01.2013 als gewerblich selbständiger Erwerbstätiger sozialversicherungsrechtlich gemeldet war, ergibt sich aus einem aktuellen Sozialversicherungsdatenauszug, ebenso dass er derzeit nicht beschäftigt ist. Da er nicht erwerbstätig ist, in Österreich weder einen Aufenthaltstitel noch eine Arbeitsbewilligung hat und einer amtswegig vorgenommenen Einsichtnahme ins Betreuungsinformationssystem des Bundes zu entnehmen war, dass er zum Entscheidungszeitpunkt Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, war festzustellen, dass er nicht selbsterhaltungsfähig ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass seine Lebensgefährtin monatlich etwa EUR 600,- bis 700,- verdient, zumal dieses Einkommen unterhalb dem Existenzminimum liegt und er ihr gegenüber keinen Rechtsanspruch auf etwaige Unterhaltsleistungen hat. Anhand eines aktuellen Strafregisterauszugs war festzustellen, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten ist.

Dass er sich seit seiner Einreise im Oktober 2010 lediglich eineinhalb Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt, war festzustellen, weil sein Asylverfahren im April 2012 rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde und demnach sein Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG seit diesem Zeitpunkt nicht mehr besteht. Anhand des vorliegenden Verwaltungsaktes und eines Auszugs aus dem Zentralen Fremdenregister seht unstrittig fest, dass ihm seither keine Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde. Dass sein Aufenthalt für ein Jahr geduldet wurde, ist nicht mit einem rechtmäßigen Aufenthalt gleichzusetzen. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen und er aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde, erwuchs am 20.04.2012 in Rechtskraft, weshalb aufgrund der Tatsache, dass er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehrte bzw. nicht die ihm zumutbaren Schritte setzte, um ein Reisedokument zu erlangen, festzustellen war, dass er seither die ihn treffende Ausreiseverpflichtung beharrlich verletzt.

2.4. Die fallbezogenen Feststellungen zur Lage in Nepal stützen sich auf die im Zuge der Ladung zur Beschwerdeverhandlung ins Verfahren eingeführten Länderinformationen der Staatendokumentation vom 10.02.2021. Die Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Nepal ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Ausführungen zu zweifeln. Der Beschwerdeführer ist den Berichten in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten und hat eine fallrelevante wesentliche Änderung nicht behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II.:

3.1.1. Zu den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen:

Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK“ betitelte § 55 AsylG lautet wie folgt:

„§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens iSd Art. 8 MRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120 mwN).

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt.

In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen neben den zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienleben bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Als Kriterien hiefür kommen in einer Gesamtbetrachtung etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Intensität und die Dauer des Zusammenlebens bzw. die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Sich bei der Prüfung allein auf das Kriterium der Abhängigkeit zu beschränken, greift jedenfalls zu kurz (vgl. VwGH vom 26.1.2006, Zl. 2002/20/0423). Das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben ist nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Beziehungen beschränkt, sondern erfasst auch faktische Familienbindungen, bei welchen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben. Auch eine aufrechte Lebensgemeinschaft fällt unter das von Art. 8 EMRK geschützte Familienleben (VwGH 09.09.2013, Zl. 2013/22/0220 mit Hinweis auf E vom 19.03.2013, Zl. 2012/21/0178, E vom 30.08.2011, Zl. 2009/21/0197, und E vom 21.04.2011, Zl. 2011/01/0131).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187; vgl. auch VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN). Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216, mwH); allerdings hat der Umstand, dass der Aufenthaltsstatus des Fremden ein unsicherer war, nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 253).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet – unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände – ein großes Gewicht verleihen (vgl. VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100, mwN). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. zuletzt VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325; auch VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249; 30.08.2011, 2008/21/0605; 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; 30.06.2016, Ra 2016/21/0165).

Nach der Judikatur des VwGH ist aber auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer. (VwGH 17.10.2016 Ro, 2016/22/0005; 23.02.2017 Ra2016/21/0340).

Ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale können gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 10. November 2015, Ro 2015/19/0001; B 3. September 2015, Ra 2015/21/0121; B 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (zB AuslBG, E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062; B 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. B 20. Juli 2016, Ra 2016/22/0039; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), unrichtige Identitätsangaben, sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165), sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. E 31. Jänner 2013, 2012/23/0006). Eine Mitberücksichtigung einer zwischenzeitlichen Ausreise wurde vom Verwaltungsgerichtshof nicht beanstandet (VwGH 26.03.2015, Ra 2014/22/0078).

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Auch der Verfassungsgerichtshof verweist darauf, dass ein allein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken könne. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfSlg. 19.086/2010 mwH).

Dem Umstand, dass der Aufenthaltsstatus des Fremden ein unsicherer war, kommt zwar Bedeutung zu, er hat aber nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 253). Allerdings ist der Umstand zu berücksichtigen, dass der Inlandsaufenthalt überwiegend unrechtmäßig war (Hinweis E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 11. November 2013, 2013/22/0072).

Im Rahmen der Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch der Frage, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann, eine Bedeutung zukommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119 mwN).

3.1.2. Abwägung im gegenständlichen Fall:

Der Beschwerdeführer hat keine im Bundesgebiet aufhältigen Verwandte oder Familienangehörige, sodass er in Österreich kein schützenswertes Familienleben hat und es unter diesem Aspekt nicht zu einer Verstärkung seines Interesses am Verbleib in Österreich kommt. Seine Lebensgefährtin ist ebenso nepalesische Staatsangehörige und verfügt, wie bereits festgestellt, im Bundesgebiet über kein Aufenthaltsrecht. Gegen sie besteht eine aufrechte Rückkehrentscheidung und wurde ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.06.2024 zurückgewiesen, weshalb sie verpflichtet ist, das Bundesgebiet zu verlassen. Der Beschwerdeführer könnte also mit dieser gemeinsam in den Herkunftsstaat zurückkehren. Demnach besteht kein aufrechtes Familienleben nach Art. 8 EMRK, dass durch die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG verletzt werden könnte.

Hinsichtlich des Privatlebens ist zunächst auszuführen, dass der Beschwerdeführer zum Aufenthalt in Österreich nur auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz, der sich letztlich nicht als begründet erwiesen hat, berechtigt gewesen ist.

Seine Aufenthaltsdauer ist mit beinahe vierzehn Jahren jedenfalls als lang zu werten, sodass ihr ein entsprechend schweres Gewicht zugunsten des Beschwerdeführers zukommt. Diese lange Aufenthaltsdauer ist aber dadurch stark relativiert, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers lediglich bis zur rechtskräftigen Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz im April 2012 rechtmäßig war. Somit hält er sich nunmehr seit zwölf Jahren illegal in Österreich auf. Seit rechtskräftigem negativen Abschluss seines Asylverfahrens im April 2012 verstößt er fortlaufend gegen die gegen ihn ergangene Ausweisung, die den Befehl an ihn darstellt, das Bundesgebiet zu verlassen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass ein beharrliches illegales Verbleiben nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt, sodass das Gewicht seiner Aufenthaltsdauer trotz ihrer Länge nur abgeschwächt zu tragen kommt. Da er nach wie vor Verwandte hat, die sich in Nepal aufhalten und zu diesen ein Kontakt besteht, ist davon auszugehen, dass es ihm in den letzten zwölf Jahren möglich gewesen wäre, mehr für die Erlangung eines Heimreisezertifikates, wie etwa die Beschaffung von identitätsbezeugenden Dokumenten im Original, zu unternehmen. Dies wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.12.2021 auch rechtskräftig festgestellt.

Weiters wird seine Aufenthaltsdauer dadurch maßgeblich relativiert, dass er nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens im April 2012 wusste, dass er keine Berechtigung dazu hat, in Österreich zu bleiben und sämtliche Integrationsschritte in dem Wissen um seinen illegalen Aufenthalt setzte.

Es wird zwar nicht verkannt, dass sich der Beschwerdeführer insofern um eine Integration bemühte, als er ein wenig Deutsch spricht, in Österreich Freunde hat und in der Vergangenheit zumindest versuchte, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren, indem er Zeitungen zustellte. Dennoch absolvierte er trotz seines vierzehnjährigen Aufenthaltes bisher keine Deutschprüfungen und ist seine Tätigkeit als Zeitungszusteller darüber hinaus jedenfalls nicht als maßgebliche Integration am österreichischen Arbeitsmarkt zu werten. Er spendete zwar von 2015 bis 2019 jährlich einen Betrag von EUR 60,-, dies liegt jedoch bereits fünf Jahre zurück und ist nicht ersichtlich, dass er sich nach wie vor ehrenamtlich engagiert. Dass er Mitglied des Vereins XXXX ist, vermag zu seiner Integration in Österreich nichts Wesentliches beizutragen, zumal es sich dabei um einen nepalesischen Kulturverein handelt. Zu Lasten des Beschwerdeführers ist zuletzt zu werten, dass er derzeit keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht sowie Leistungen aus der Grundversorgung bezieht und demnach nicht selbsterhaltungsfähig ist.

Mangels Erkrankung des Beschwerdeführers oder Hervorkommens sonstiger entsprechend beachtenswerter Umstände sind keine zusätzlichen, für die Schutzwürdigkeit seines Privatlebens sprechenden Aspekte hervorgekommen.

Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.1.2001, 2000/18/0251).

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften manifestieren, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers, welcher sich in dem Bewusstsein um die Unrechtmäßigkeit seines Aufenthalts seit zwölf Jahren weigert, das Bundesgebiet zu verlassen und eine besondere Verfestigung in Österreich nicht aufgezeigt hat.

Hinzu kommt im gegenständlichen Fall, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden und insbesondere prägendsten Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, dort sozialisiert wurde und somit mit den kulturellen Traditionen und Gepflogenheiten seines Heimatlandes vertraut ist. Er ist in Nepal geboren, absolvierte dort die Schule sowie ein Studium und spricht mit Nepali eine anerkannte Landessprache. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig, weshalb davon auszugehen ist, dass er durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit imstande ist, seine Existenz zu sichern. Es leben zum Entscheidungszeitpunkt seine Eltern sowie sein Bruder im Herkunftsstaat und hat er zu diesen nach wie vor Kontakt.

3.1.3. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet den persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt, weshalb sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG zu Recht abgewiesen wurde.

3.1.4. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen wird, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56, 57 AsylG zurück- oder abgewiesen wird. Demnach erließ das Bundesamt in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu Recht eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer, weshalb seine Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. als unbegründet abzuweisen war.

3.2. Zur Zulässigkeit der Abschiebung:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Dies entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Dies entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG.

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung liegt nicht vor.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da keine Umstände vorgebracht wurden, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung nach Nepal im Sinne des § 50 FPG ergeben würden. Wie bereits ausgeführt, verbrachte der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens in Nepal, wurde dort sozialisiert, spricht eine Landessprache als Muttersprache und verfügt über eine Schul- sowie Universitätsbildung. Zudem halten sich die Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Nepal auf, sodass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen. Der Beschwerdeführer wird dadurch auch bei einer Rückkehr imstande sein, durch Erwerbstätigkeit seine Existenz zu sichern.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat für zulässig erklärt.

3.3. Zur Erteilung einer Frist für die freiwillige Ausreise:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit vierzehn Tagen festgelegt worden.

3.4. Zur Abweisung des Antrags auf Heilung eines Mangels:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG-DV sind folgende Urkunden und Nachweise – unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 – im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen:

1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);

2. Geburtsurkunde;

3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;

4. Erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG-DV sind die nach § 8 bei dem amtswegigen Verfahren oder der Antragstellung erforderlichen Urkunden und Nachweise der Behörde jeweils im Original und in Kopie vorzulegen.

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG zulassen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 4 Abs. 2 AsylG-DV hat die Behörde, wenn sie beabsichtigt, den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Der Beschwerdeführer stellte gleichzeitig mit seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sowie erneut mit Schreiben vom 19.10.2022 gemäß § 4 AsylG-DV einen Antrag auf Heilung des Mangels, dass es ihm nicht möglich sei, Reisedokumente im Original vorzulegen. Die belangte Behörde wies den Antrag auf Mängelheilung gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 iVm § 8 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG-DV in Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids zutreffenderweise ab, weil gegenständlich die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG-DV nicht vorliegen.

Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen dazu bzw. erbrachte keinen Nachweis darüber, dass es ihm nicht möglich ist, Reisedokumente oder seine Geburtsurkunde im Original aus dem Herkunftsstaat zu beschaffen. Da sich seine Eltern sowie sein Bruder nach wie vor in Nepal aufhalten und er zu diesen Kontakt hat, ist nicht auszuschließen, dass er sich Dokumente zur Beschaffung eines Reisedokumentes hätte zukommen lassen können. Demnach liegt kein Heilungsgrund nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV vor. Wie in Abschnitt 3.1. ausführlich dargestellt, überwiegt das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet in einer Gesamtschau sein persönliches Interesse am Verbleib in Österreich und liegt durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des nach Art. 8 EMRK geschützten Privat- und Familienlebens in Österreich nicht vor, weshalb der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV nicht erfüllt ist.

Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids war demnach als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchteil B)

Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu die zu Spruchpunkt A) zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Entscheidungsfindung im gegenständlichen Fall war nicht von der Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage abhängig, sondern handelt es sich um einzelfallbezogene Beurteilungen im vorliegenden individuellen Fall. Bei Interessenabwägungen nach Art. 8 EMRK handelt es sich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (z.B. 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 12.10.2016, Ra 2016/18/0039).

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