Spruch
I419 2274518-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ALGERIEN, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.06.2023, Zl. XXXX , zu Recht:
A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis V wird als unbegründet abgewiesen.
II. Die Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII) beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA einen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz betreffend die Status des Asyl- (Spruchpunkt I) und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Algerien (Spruchpunkt II) als unbegründet ab, wobei es keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz erteilte (Spruchpunkt III), eine Rückkehrentscheidung erließ (Spruchpunkt IV) und feststellte, dass die Abschiebung nach Algerien zulässig sei (Spruchpunkt V). Ferner aberkannte das BFA einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt VI) und stellte fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII). Die in Spruchpunkt VI aberkannte und in der Beschwerde beantragte aufschiebende Wirkung der Beschwerde wurde von Amts wegen zuerkannt (BVwG 11.07.2023, I419 2274518-1/4Z).
2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, der Beschwerdeführer sei seit 22 Jahren hier und vollständig integriert. Er beherrsche die deutsche Sprache auf sehr gutem Niveau und sei in der Lage, seinen eigenen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Seine Heimat sei Österreich. Er habe vielfältige soziale Kontakte in Österreich und die Unterstützung österreichischer Staatsbürger.
Aufgrund seiner ausgeprägten westlichen Lebensanschauung wäre er im Fall einer Abschiebung in Gefahr, als fremdartig wahrgenommen zu werden. Die heimatlichen Behörden seien ihm gegenüber schutzunfähig und möglicherweise auch schutzunwillig. Er verfüge über kein adäquates soziales Auffangnetz in seiner Heimat und würde in eine ausweglose Lage geraten. Eine Verletzung des Art. 2 bzw. 3 EMRK würde im gegebenen Fall der Abschiebung jedenfalls vorliegen, was diese unzulässig mache.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zunächst wird der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Mitte 40 und Staatsangehöriger Algeriens. Er wurde in der Stadt Annaba in der gleichnamigen Provinz geboren, weist nach eigenen Angaben keine Schulausbildung auf, ist Muslim, Araber und ledig. Seine Identität steht nicht fest. Außer Arabisch spricht er Französisch und etwas Englisch sowie Deutsch. Berufsausbildung hat er behauptetermaßen keine. Berufserfahrung hat er auf Baustellen, in einem Restaurant und als Kfz-Mechaniker gesammelt.
Im Herkunftsstaat lebte er gemeinsam mit seinen inzwischen verstorbenen Eltern, sowie drei Brüdern und zwei Schwestern, die nun zwischen 30 und Anfang 50 sind und sich weiterhin in Algerien aufhalten. Der Beschwerdeführer hat zu ihnen nach eigenen Angaben keinen Kontakt.
Im Mai 2001 entschloss er sich, den Herkunftsstaat zu verlassen und gelangte über Italien illegal nach Österreich, wo er am 17.10.2001 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, den das BAA (nach einer Behebung mit Zurückverweisung) im August 2009 zur Gänze abwies. Den Folgeantrag aus der Schubhaft von Mai 2010 wies es im selben Jahr zur Gänze rechtskräftig ab und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung.
Mittels Hungerstreiks erreichte der Beschwerdeführer seine Entlassung aus der Schubhaft wegen Haftunfähigkeit am 26.05.2010. Nachdem er im April 2012 wieder aufgegriffen, festgenommen und einvernommen wurde, ordnete die BPD XXXX die neuerliche Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung an. Im selben Monat vernahm sie ihn zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Wieder mittels Hungerstreiks erreichte der Beschwerdeführer seine Entlassung aus der Schubhaft wegen Haftunfähigkeit am 18.04.2012.
Im Oktober 2013 wurde der Beschwerdeführer bei der Kontrolle eines Wettbüros neuerlich aufgegriffen und dann aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes angezeigt.
Mit Ladungsbescheid vom 10.08.2016 wurde der Beschwerdeführer für den 31.08.2016 vor dem BFA zur Mitwirkung im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates geladen. Trotz Zustellung der Ladung an seine Rechtsvertretung am 12.08.2016 leistete er der Ladung nicht folge, weshalb das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates abgebrochen werden musste.
Im Juli 2017 wurde der Beschwerdeführer neuerlich im Zuge einer Polizeikontrolle aufgegriffen. Das BFA ordnete mit Mandatsbescheid die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an. Die Beschwerde dagegen wies dieses Gericht ab (BVwG 13.09.2017, W186 2169929-1).
Ende September 2017 wurde der Beschwerdeführer der algerischen Delegation vorgeführt. Im November 2017 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen, weil ein Heimreisezertifikat nicht erlangt werden konnte. Mitte Jänner 2018 stellte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers einen Antrag, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu dulden, da die Abschiebung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheine.
Daraufhin wurde der Beschwerdeführer vom BFA mit Ladungsbescheid vom 31.01.2018 für den 02.03.2018 zum Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete geladen. Am 23.02.2018 griff ihn die Polizei in einem Wettlokal XXXX auf, dem Termin beim BFA am 02.03.2018 blieb der Beschwerdeführer indes unentschuldigt fern, woraufhin das BFA dem Beschwerdeführer mitteilte, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte zurückzuweisen. Anfragen des BFA, ob der Beschwerdeführer in Deutschland, der Schweiz, Italien oder Slowenien bekannt sei, ergaben keine Hinweise auf seine Identität.
Im Dezember 2022 wurde der Beschwerdeführer abermals polizeilich in XXXX aufgegriffen, einer Personenkontrolle unterzogen und festgenommen. In der am folgenden Tag durchgeführten Einvernahme vor dem BFA stellte der Beschwerdeführer den nun vorliegenden Asylfolgeantrag. Am nächsten Tag verließ er die Unterkunft und entzog sich dem Verfahren, das darauf eingestellt und im folgenden Jahr fortgesetzt wurde, nachdem der Beschwerdeführer einem Anwalt Vollmacht erteilt und sich nach dem MeldeG angemeldet hatte.
Er war im Bundesgebiet, von den Meldungen im Polizei-Anhaltezentrum (zusammen 143 Tage) abgesehen, wie folgt gemeldet:
Von 27.12.2001 bis 26.07.2004 mit Hauptwohnsitzen in Niederösterreich, von 28.12.2004 bis 05.04.2005 mit Hauptwohnsitz in XXXX , von 06.09.2006 bis 06.12.2007 mit Hauptwohnsitz in XXXX und seit 02.01.2023 mit Hauptwohnsitz in XXXX sowie von 04.11.2013 bis 27.01.2014 und von 27.07. bis 12.10.2016 mit einer Kontaktstelle nach § 19a MeldeG („Obdachlosenmeldung“).
Demnach hatte er insgesamt rund 16 Jahre lang keine gemeldete Unterkunft. Das BFA geht davon aus, dass der Beschwerdeführer seit 2001 hier lebt. Seit Jänner 2023 wohnt er gemeinsam mit einem befreundeten Österreicher und drei weiteren Mitbewohnern in einer Mietwohnung der Gemeinde. Wann und wie oft er sich von März 2018 bis Dezember 2022 im Inland aufhielt, steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer ist gesund, in keiner Behandlung und ohne Einschränkung arbeitsfähig. Er bezieht seit Ende 2022 keine Leistungen der Grundversorgung mehr und verfügt über kein bekanntes Vermögen oder regelmäßiges Einkommen. Mehrfach wurden Verwaltungsstrafen wegen des illegalen Aufenthaltes über ihn verhängt, strafgerichtlich ist er unbescholten. Er besuchte Deutschkurse und hat am 09.05. sowie am 15.09.2023 die Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt, beim zweiten Mal erfolgreich. Er ist im Inland mehrfach und eingestandenermaßen der Schwarzarbeit nachgegangen, aber nie einer angemeldeten Beschäftigung.
Die Abschiebung des Beschwerdeführers scheitert bisher an seinen nichtzutreffenden Angaben zur Identität, derentwegen eine Delegation des Herkunftsstaates ihn zwar (aus sprachlichen Gründen) als ihren Staatsangehörigen anerkannte, aber anhand der Daten nicht identifizierten konnte und daher kein Heimreisezertifikat erteilte.
In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen; er weist neben seinen Mitbewohnern einen der Aufenthaltsdauer entsprechenden Bekanntenkreis im Inland auf. In Algerien leben seine Geschwister, mit denen er aktuell nicht in Kontakt ist; ansonsten hat er dort noch Onkel, aber keine Angehörigen seiner Kernfamilie mehr.
1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:
Algerien ist nach § 1 Z. 10 HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Im angefochtenen Bescheid wurden die aktuellen Länderinformationen zu Algerien mit Stand 17.05.2023 zitiert. Betreffend die aktuelle Lage sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Länderinformationen von Relevanz und werden festgestellt:
1.2.1 Allgemeine Menschenrechtslage
Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar (AA 11.7.2020). Algerien ist den wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Laut Verfassung werden die Grundrechte gewährleistet (AA 18.1.2023). NGOs kritisieren zunehmende Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs-, und Pressefreiheit (AA 18.1.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Weitere bedeutende Menschenrechtsprobleme sind Folter oder grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch Angehörige der Sicherheitskräfte; willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen; politische Gefangene; schwerwiegende Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz und der Unparteilichkeit sowie rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre (USDOS 20.3.2023). [...]
1.2.2 Bewegungsfreiheit
Die Verfassung garantiert Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, diese Rechte werden jedoch von der Regierung in der Praxis eingeschränkt (USDOS 20.3.2023). Nach anderen Angaben können die meisten Bürger innerhalb des Landes und ins Ausland relativ frei reisen (FH 11.4.2023). Die Verfassung gewährt den Bürgern „das Recht, ihren Wohnsitz frei zu wählen und sich im gesamten Staatsgebiet zu bewegen“. Unter Berufung auf die Terrorgefahr verhinderte die Regierung touristische Überlandfahrten zwischen den südlichen Städten Tamanrasset, Djanet und Illizi (USDOS 20.3.2023). [...]
1.2.3 Grundversorgung
Algerien ist als flächenmäßig größtes Land des afrikanischen Kontinents ein bedeutender ökonomischer Akteur. Bestimmend für die Wirtschaft sind die Förderung und der Export von Erdöl und -gas. Eine Diversifizierung steht aber schon länger auf der politischen Agenda. Angesichts der Energiekrise in Europa hat die Bedeutung Algeriens als verlässlicher Lieferant nochmals zugenommen. Algerien möchte diese Position im Energiesektor langfristig sichern. Dazu gehört neben Modernisierung und Ausbau der bestehenden Öl- und Gasinfrastruktur der Aufbau einer auf erneuerbaren Energiequellen basierenden Produktion von Wasserstoff (ABG 2.2023). Die Wirtschaftsleistung war in den letzten zehn Jahren aufgrund der hohen Öl- und Gaspreise recht solide. Obwohl weitere Finanzreformen angekündigt wurden, ist die Wirtschaft nach wie vor stark von den Kohlenwasserstoffen abhängig und daher anfällig für internationale Preisschocks, wie sie in den letzten Jahren aufgetreten sind. Erdöl macht etwa 30 % des BIP aus (BS 23.2.2022).
Die steigende Öl- und Gasnachfrage und die steigenden Preise führten 2021 zu einem kräftigen Aufschwung bei der Erdölproduktion und den Exporten, wodurch sich der Finanz- und Außenfinanzierungsbedarf drastisch verringerte. Die Erholung in den Nicht-Erdöl-Segmenten der Wirtschaft blieb jedoch unvollständig, während die Inflation stieg. Angeführt vom Öl- und Gassektor wuchs die algerische Wirtschaft in den ersten neun Monaten des Jahres 2021 um 3,9 % im Vergleich zum Vorjahr, nachdem sie 2020 um 5,5 % geschrumpft war (WB 14.4.2022).
Die algerische Wirtschaft wuchs im Jahr 2022 um 3,1 %. Die wirtschaftlichen Entwicklungen des flächenmäßig größten Landes Afrikas sind jedoch von der globalen Energienachfrage und der Entwicklung der Öl- und Gaspreise abhängig, denn Algerien gehört zu den weltweit wichtigsten Produzenten von Erdöl, Erdgas und Flüssigerdgas. Algeriens Wirtschaft wird auch künftig stark von Öl und Gas abhängen, da diese Branche etwa 60 % der Steuereinnahmen und 90 % der Exporteinnahmen des Landes ausmacht. Algerien will allerdings seine Energie-Abhängigkeit reduzieren und die Wirtschaft diversifizieren, um langfristiges Wachstum zu ermöglichen (WKO 28.4.2023).
Im Jahr 2023 soll sich die algerische Wirtschaft positiv entwickeln und voraussichtlich um 3 % wachsen. Man erwartet für 2023 einen Anstieg der Erdgasförderung um 6,6 % aufgrund der wachsenden europäischen Nachfrage. Die Getreideproduktion soll in der kommenden Saison um 38 % auf 3,3 Mio. Tonnen steigen und die Industrie, der Bausektor und die Dienstleistungsbranche werden voraussichtlich von erhöhten Investitionen und ausländischem Interesse profitieren (WKO 28.4.2023).
Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Das Land hat - als eines von wenigen Ländern - in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25 % auf 5 % erreicht. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB 11.2020). Algerien hat ein relativ gut ausgebildetes Sozialsystem, dieses ist allerdings von einigen Unausgewogenheiten geprägt, z. B. Ungleichheiten zwischen formal Angestellten und im informellen Sektor Tätigen. Eine Alterspension ist rechtlich für 100 % der Bevölkerung vorgesehen, tatsächlich beziehen konnten diese im Jahr 2018 aber nur 59 %. Arbeitslosengeld existiert im formalen Sektor, es ist aber vergleichsweise niedrig (DI / DTDA 2020).
Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien- und im Süden des Landes auch der Stammesverband für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren "Selbsthilfegruppen" in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 11.7.2020).
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln war bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speiseöl gelten im Jänner 2011 eingeführte Preisdeckelungen und Steuersenkungen (AA 11.7.2020). In einer in drei großen algerischen Städten mit einem repräsentativen Sample im Oktober 2022 durchgeführten Umfrage zur sozio-ökonomischen Lage gaben 51,8 % der Befragten an, dass es ihnen gelingt, ihren Haushalt trotz der aktuellen Lebensmittelpreise ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen, 38,5 % können sich gerade so mit Lebensmitteln versorgen und nur 9,2 % können ihren Haushalt kaum oder gar nicht mit Lebensmitteln versorgen. Etwas schwieriger ist die Situation beim Kauf von grundlegenden Konsumgütern wie Kleidung oder Schuhen: 42,6 % der Befragten sind in der Lage, ihren Haushalt mit diesen Gütern zu versorgen, 45,1 % schaffen es gerade so, und 2,1 % können ihren Haushalt kaum oder gar nicht mit diesen Gütern versorgen (STDOK 3.1.2023).
Die Prognosen für die Entwicklungen am algerischen Arbeitsmarkt sind ungünstig, die Arbeitslosigkeit steigt. Dies ist nicht nur auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, sondern auch auf sinkende Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft und einer politischen Krise in 2019. Die Gehälter im öffentlichen Sektor sind höher als in der Privatwirtschaft. Allgemein steigen die Reallöhne in Algerien langsamer als das allgemeine Preisniveau (ABG 2.2023).
Die Arbeitslosigkeit (15 - 64-Jährige) lag 2022 bei 11,6 %, die Jugendarbeitslosigkeit (15 - 24-jährige) 2022 bei 29,0 % (WKO 4.2023). Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit (ÖB 11.2020). Schwer zu beziffern ist der informelle Sektor, der laut UN-Quellen (inoffiziell) auf bis zu 60 % geschätzt wird (ÖB 11.2020), nach anderen Angaben arbeiten 38 % der Algerier im informellen Sektor (DI / DTDA 2020).
Das staatliche Arbeitsamt Agence national d’emploi / ANEM (http://www.anem.dz/) bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen (z. B. http://www.tancib.com/index.php?page=apropos). Seit Feber 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. In manchen Regionen stellt der Staat kostenlos Land, Sach- sowie Geldmittel zur Verfügung, um landwirtschaftliche Unternehmungen zu erleichtern. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht, und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB 11.2020).
Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 22.11.2022).
Migrantinnen und Migranten können bei der freiwilligen Rückkehr aus Österreich nach Marokko durch die BBU (Rückkehrberatung und Organisation der Reise), bzw. IOM (Organisation der Reise im Falle von vulnerablen Personen oder Personen mit legalem Aufenthaltstitel in Österreich), nach Bestätigung der Kostenübernahme durch das BFA, unterstützt werden. Freiwillige Rückkehrer/innen aus Österreich nach Marokko haben zudem die Möglichkeit, nach Bestätigung der Projektaufnahme durch das BFA und Erfüllung der Teilnahmekriterien, am Reintegrationsprojekt Frontex JRS teilzunehmen (IOM 27.7.2023).
Das Reintegrationsprogramm „Frontex − Joint Reintegration Services“ (FX JRS) bietet Rückkehren, in Kooperation mit einer lokalen Partnerorganisation Unterstützung bei Ihrer Reintegration in Ihr Heimatland an. Das Post-arrival Paket im Wert von € 615 dient der unmittelbaren Unterstützung nach der Ankunft in Marokko. Es beinhaltet folgende Sofortleistungen: Nach der Begrüßung am Flughafen durch einen Reintegrationspartner und des Airports Pick-up, wie auch Unterstützung bei der Weiterreise (Organisation und Kostenübernahme), erhalten Rückkehrer u. a. eine Pre-Paid SIM-Karte, Hygieneartikel (Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, Shampoo, etc.), eine Flasche Wasser, ein warmes Essen (auch als Gutschein möglich), altersgerechtes Spielzeug für Kinder. Zudem wird eine temporäre Unterkunft für bis zu drei Tage nach der Ankunft bereitgestellt und nach Bedarf auch unmittelbare medizinische Unterstützung (BMI 2023).
Des Weiteren sollte die rückkehrende Person keine oder weniger Sofortleistungen benötigen, erhält sie den anteiligen Betrag der € 615 vom lokalen Partner in bar ausbezahlt (BMI 2023).
Zur längerfristige Reintegrationsunterstützung, erhalten Rückkehrer ein Post-return Paket in der Höhe von Euro 2.000. Davon Euro 200 als Bargeld und Euro 1.800 in Form von Sachleistungen auf Grundlage eines Reintegrationsplans, der mit Hilfe der lokalen Partnerorganisation in den ersten sechs Monaten nach der Rückkehr erstellt wird. Zu den angebotenen Sachleistungen des Post-return Pakets gehören unter anderem: Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens, Bildungsmaßnahmen, Trainings, Unterstützung beim Eintritt in den Arbeitsmarkt, bei der Einschulung von Kindern, wie auch rechtliche und administrative Beratungsleistungen, Familienzusammenführung, Unterstützung im Zusammenhang mit Wohnen und Haushalt (Einrichtung) und medizinische und psychosoziale Unterstützung (BMI 2023).
1.2.4 Rückkehr
Die illegale Ausreise, d. h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Art. 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 11.2020; vgl. AA 11.7.2020). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und / oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA [Anm.: ca. 126 - 378 Euro] vor (ÖB 11.2020).
Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, werden mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge („harraga“) sieht das Gesetz Haftstrafen von zwei bis zu sechs Monaten und zusätzliche Geldstrafen vor. In der Praxis werden zumeist Bewährungsstrafen verhängt (AA 11.7.2020).
Eine behördliche Rückkehrhilfe ist der ÖB nicht bekannt. Ebenso sind der Botschaft keine NGOs bekannt, die solche Unterstützung leisten. Es gibt in Algerien 10.000 angemeldete Vereine, die meisten davon sind Wohltätigkeitsvereine - es ist allerdings nicht bekannt, ob von diesen spezielle Rückkehrhilfe geleistet wird. Generell kann davon ausgegangen werden, dass Familien zurückkehrende Mitglieder wieder aufnehmen und unterstützen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (1.000-2.000€) durch Frankreich, für Personen, die freiwillig aus Frankreich ausgereist sind. Ähnliches gibt es in unterschiedlicher Höhe auch für andere EU-Staaten (ÖB 11.2020).
Algerien erklärt sich bei Treffen mit EU-Staatenvertretern immer wieder dazu bereit, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststehe, dass es sich um algerische Staatsbürger handle. Nachfragen bei EU-Botschaften bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert, allerdings ist der Rhythmus relativ langsam, angeblich maximal 5-10 pro Tag, bzw. auch pro Woche. Algerien behauptet, dass dies auf die insgesamt vielen Rückübernahmen aus zahlreichen Staaten zurückzuführen ist, weil die Aufnahmebehörden sonst überlastet wären. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB 11.2020).
1.3 Zum Fluchtvorbringen:
1.3.1 Algerien ist nach § 1 Z. 10 HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Im angefochtenen Bescheid wurde darauf und auf das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Algerien verwiesen, aus dem unter 1.2 zitiert wurde.
1.3.2 Erstbefragt hat der Beschwerdeführer angegeben, er habe Algerien verlassen, weil es keine Arbeit gebe und das Land nicht schön sein. Im Fall einer Rückkehr habe er kein Leben mehr dort, sein ganzes Leben sei hier in Österreich.
1.3.3 Beim BFA brachte er vier Monate später vor, im Jahr 2021 nach Österreich gekommen zu sein und hier Asyl beantragt zu haben. Dieser Antrag sei abgelehnt worden. Er habe sich damals auch nicht darum gekümmert. Jetzt habe er nochmals Asyl beantragt, weil er seit 22 Jahren in Österreich lebe. Er sei nie ausgereist, nicht straffällig geworden und habe keine Probleme hier. Er wolle einen humanitären Aufenthalt und brauche nur eine Arbeitsbewilligung. Er sei keine Gefahr für Österreich, sondern wolle nur arbeiten.
Er habe keine weiteren Fluchtgründe. Er habe sein ganzes Leben hier verbracht und fühle sich sehr wohl hier. Er sei in Algerien nie persönlich verfolgt oder bedroht worden und habe auf der ganzen Welt keine Probleme.
1.3.4 In der Beschwerde wird darüber hinaus behauptet, er wäre aufgrund seiner ausgeprägten westlichen Lebensanschauung im Falle einer Abschiebung in Gefahr als fremdartig wahrgenommen zu werden. Zur allfälligen Gewährung subsidiären Schutzes sei festzustellen, dass die allgemeine Sicherheitslage und die persönliche Situation des Beschwerdeführers, der über kein adäquates soziales Auffangnetz in seiner Heimat verfüge, eine Rückkehr nicht zuließen.
1.3.5 Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat aus nicht asylrelevanten Gründen verlassen und hält sich aus keinen asylrelevanten Gründen außerhalb des Herkunftsstaates auf. Es liegt kein Hinweis darauf vor, dass er dort aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung verfolgt wurde oder verfolgt werden würde.
Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen über eine ihm drohende Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr. Auch sonst ergaben sich im Verfahren keine diesbezüglichen Hinweise.
Er hat den Herkunftsstaat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, da er Arbeit und ein besseres Leben suchte, was er beides im Herkunftsland nicht zu finden glaubte. Im Fall der Rückkehr fürchtet er in Algerien Armut. Andere Gründe für die Ausreise hatte er nicht.
1.3.6 Eine nach Algerien zurückkehrende Person, bei der keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Dem Beschwerdeführer drohen nach seiner Rückkehr keine Verletzung der EMRK, keine ausweglose Lage und keine willkürliche oder strukturelle Gewalt. Es droht ihm auch keine existentielle Notlage wegen Armut oder Arbeitslosigkeit.
3.7 Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es existieren keine Umstände, die einer Abschiebung entgegenstünden.
2. Beweiswürdigung
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des Verwaltungsaktes des BFA. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Sozialversicherung (AJ-WEB) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.
Im Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer das Zeugnis der Integrationsprüfung vorgelegt. Betreffend sonstige Merkmale der Integration wie die Herkunft der Mittel zu seinem Unterhalt oder die Finanzierung seiner Unterkunft gab er auf Anfrage keine Auskunft.
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen konnten anhand der Angaben des Beschwerdeführers beim BFA, der Registerabfragen und der anderen Aktenteile getroffen werden. Da der Beschwerdeführer im beschwerdeverfahren nur das Zeugnis der Integrationsprüfung vorlegte, kann davon ausgegangen werden, dass andere neue Integrationsmerkmale nicht entstanden sind.
Die weiteren Feststellungen, insbesondere zum Verfahren, ergeben sich aus dem Akteninhalt der früheren Verfahren des BFA und dem Erkenntnis im Schubhaftverfahren zu W186 2169929-1. Das Einreisejahr und mehrere folgende Aufenthalte des Beschwerdeführers sind durch Anmeldungen im Zentralen Melderegister belegt. Ferner ergibt sich aus dem Fremdenakt, dass er bis 2018 regelmäßig von der Polizei im Bundesgebiet aufgegriffen wurde und Behördenkontakt hatte, was darauf schließt, dass er sich grundsätzlich (auch) in Österreich aufhielt. Dafür, dass sich der Beschwerdeführer von März 2018 bis Dezember 2022 im Bundesgebiet aufhielt, finden sich allerdings keine Hinweise. Dem Akt ist dazu nichts zu entnehmen, und auch der Beschwerdeführer hat keine Unterlagen oder Urkunden vorgelegt, die auf einen Aufenthalt in Österreich schließen ließen. Demnach steht nicht fest, wann und wie oft sich der Beschwerdeführer seit März 2018 bis Dezember 2022 im Inland aufhielt.
2.2 Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation vom 17.05.2023 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, und auf jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
In der Beschwerde wird aus den Länderberichten zitiert und auf die Situation im Herkunftsland eingegangen; damit wird den Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.
2.3 Zum Fluchtvorbringen:
2.3.1 Der Beschwerdeführer behauptet im vorliegenden Folgeverfahren, seinerzeit habe er Algerien verlassen, weil es keine Arbeit gegeben habe und das Land nicht schön sei. Den Folgeantrag habe er gestellt, weil er wegen seiner ausgeprägten westlichen Lebensanschauung im Fall einer Abschiebung in Gefahr wäre, als fremdartig wahrgenommen zu werden. Dagegen würde er auch keinen hinreichenden Schutz der Behörden erwarten können.
Es wurde weder substantiiert, was der Beschwerdeführer an seiner „Lebensanschauung“ als westlich einordnet, noch konkretisiert, warum er ihretwegen als fremdartig wahrgenommen werden sollte. Schon gar nicht ergibt sich aus dem Vorbringen oder den Länderfeststellungen, welche Nachteile Männer mit der – behaupteten – „ausgeprägten westlichen Lebensanschauung“ im Herkunftsstaat gemäß der behaupteten Befürchtung zu erwarten hätten.
Ein nachvollziehbares Vorbringen betreffend eine Furcht vor Verfolgung liegt damit nicht vor, bereits ohne bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit auch noch nach § 13 Abs. 5 BFA-VG auf die mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers einzugehen, der sich zuerst dem Verfahren entzog und im Beschwerdeverfahren keine Auskunft zu Sozialkontakten etc. gab.
Somit liegen keine Hinweise auf eine Verfolgung vor, die er dort deswegen oder sonst aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung erlitten oder zu befürchten hätte. Gegen private Verfolgungen wäre zudem aus dem Umstand, dass es sich um einen sicheren Herkunftsstaat handelt, auf eine grundsätzlich bestehende staatliche Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden zu schließen. (Vgl. VwGH 29.11.2021, Ra 2021/22/0220, Rz 13, mwN)
Den Länderfeststellungen lässt sich auch nicht entnehmen, dass aus anderen Gründen anzunehmen wäre, dem Beschwerdeführer stünde Asyl oder subsidiärer Schutz zu. Die Feststellungen in 1.3.6 ergaben sich aus den Länderfeststellungen in Zusammenschau mit denen zur Person des Beschwerdeführers.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):
3.1.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgungs- oder Bedrohungsgefahr vorbrachte. In der behaupteten und nicht weiter konkretisierten „Gefahr“, als fremdartig wahrgenommen zu werden, kann eine solche jedenfalls nicht erblickt werden.
Wie die Feststellungen zeigen, hat der Beschwerdeführer keine Verfolgung oder Bedrohung glaubhaft gemacht, die asylrelevante Intensität erreicht. Da auf eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers auch sonst nichts hinweist, ist davon auszugehen, dass ihm keine Verfolgung aus in den in der GFK genannten Gründen droht.
Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, sind ebenso wie persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der GFK.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):
3.2.1 Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn der Antrag in Bezug auf den Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.
3.2.2 Angesichts der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Gesundheit und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers hegt das Gericht entgegen dem Beschwerdevorbringen betreffend die Rückkehrsituation keine derartigen Bedenken.
Es mag sein, dass der Beschwerdeführer keine sozialen Kontakte mehr in seiner Heimat hat, ferner auch, dass er derzeit keinen Kontakt mit seinen Geschwistern pflegt, jedoch folgt daraus nicht, dass es ihm deshalb unmöglich wäre, als erwachsener Mann eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Den Länderfeststellungen ist außerdem zu entnehmen (oben 1.2), dass die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist.
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage wie allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Verdacht auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.
3.2.3 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde, insbesondere vor dem Hintergrund seiner jahrelangen Sozialisierung dort, seiner dabei erworbenen Sprachkenntnis und seiner Arbeitsfähigkeit samt der damit erworbenen Praxis in mehreren Berufen.
Das gilt somit auch dann, wenn eine Unterstützung durch die Angehörigen des Beschwerdeführers ausbleibt, weil er arbeitsfähig ist, Arabisch spricht und Berufserfahrung hat. Inzwischen weist er auch Schreib- und Lesekenntnisse auf sowie weitere Sprachkenntnisse, was den Wert seiner Arbeitskraft nur verbessern konnte. Seine Kenntnis des lokalen Arbeitsmarktes ging ihm dabei nicht verloren, weshalb er diesen nutzen kann.
Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.
3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III):
3.3.1 Im Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht erteilt werde.
Nach § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz in drei Fallkonstellationen zu erteilen, nämlich (jeweils unter weiteren Voraussetzungen) nach mindestens einem Jahr der Duldung (Z. 1), zur Sicherung der Strafverfolgung gerichtlich strafbarer Handlungen und zur Geltendmachung oder Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche im Zusammenhang mit solchen Handlungen (Z. 2) sowie bei Gewaltopfern, die glaubhaft machen, dass die Erteilung dieser Aufenthaltsberechtigung zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z. 3).
3.3.2 Von den alternativen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 liegt hier keine vor und wurde vom Beschwerdeführer auch keine behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.
3.4 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV):
3.4.1 Nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Das gilt nur dann nicht, wenn diese wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist. Konkret legt § 9 Abs. 1 BFA-VG fest, dass - u. a - eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreift, nur zulässig ist, wenn sie zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.
3.4.2 Die Beurteilung, ob eine Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (VwGH 17.11.2020, Ra 2020/19/0139, mwN).
3.4.3 Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind nach § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:
Die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z. 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z. 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z. 3), der Grad der Integration (Z. 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z. 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z. 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z. 7) sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z. 8).
Im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu berücksichtigen ist, dass der Beschwerdeführer kein Familienleben hat und kaum ein Privatleben im Bundesgebiet. Er reiste hier zwar erstmals 2001 ein und hielt sich bis zur Entscheidung über den ersten Asylantrag im Jahr 2009 rechtmäßig in Österreich auf, allerdings versuchte er seine bevorstehende Abschiebung dadurch zu vereiteln, in dem er im Jahr 2010 aus der Schubhaft einen zweiten Asylantrag stellte, den das BFA im selben Jahr abwies.
Der Beschwerdeführer wurde bereits mehrere Male in Schubhaft angehalten, tauchte jedes Mal nach seiner Entlassung im Bundesgebiet unter und konnte mangels behördlicher Meldung lediglich durch polizeiliche Zufallskontrollen aufgefunden werden. Mehrfach entkam er der Schubhaft, indem er mittels Hungerstreiks seine Haftfähigkeit beseitigte. Seit 2001 weist er zwar behördliche Meldungen auf, war aber dazwischen Monate oder Jahre unbekannten Aufenthaltes war, zusammengerechnet 16 Jahre. Das Verhalten des Beschwerdeführers lässt den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer ohne das mehrfache Aufgreifen durch die Polizei weiterhin möglichst lange im Inland bleiben und sich vor den Behörden verbergen hätte wollen. Seine Identität ist nach wie vor unbekannt, und er verletzte mehrmals seine Mitwirkungspflicht, so auch 2018, als er dem Ladungsbescheid zu seinem Duldungsantrag keine Folge leistete, weshalb das BFA davon ausging, dass er nicht im Bundesgebiet aufhältig war und daher auch nicht geduldet werden konnte.
Von seinen erfolglosen Asylverfahren abgesehen hatte er nie ein Aufenthaltsrecht, sodass dem Beschwerdeführer zu jeder Zeit die Unsicherheit seines Aufenthalts bewusst war. Dieser beruht auf Basis dreier unbegründeter Asylanträge sowie der Missachtung seiner Ausreisepflicht. Die lange Aufenthaltsdauer war nur dem Umstand zuzuschreiben, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam und – nachdem er sich verborgen gehalten hatte – nun einen weiteren Folgeantrag stellte. Dafür, dass er sich seit 2018 bis zur gegenständlichen Asylantragstellung durchwegs in Österreich aufhielt, haben sich im Verfahren – abgesehen von seiner Behauptung – keine Hinweise ergeben. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, tauchte er 2018 abermals unter und wurde 2022 polizeilich aufgegriffen. Selbst wenn dennoch von ein durchgehender inländischer Aufenthalt angenommen wird, wie das BFA ihn feststellte, ist dabei die Rechtsprechung zur erforderlichen minimalen Integration in diesem Zeitraum zu beachten.
3.4.4 Der Verwaltungsgerichtshof geht nämlich davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist. Nur wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bzw. die Nichterteilung eines humanitären Aufenthaltstitels ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. (VwGH 25.05.2023, Ra 2021/21/0007, Rz 20, mwN)
Umgekehrt hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden können. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung, Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (wie etwa das AuslBG), eine zweifache Asylantragstellung, unrichtige Identitätsangaben, sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren, sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften. (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, Rz 13, mwN)
3.4.5 Vorliegend fehlt zwar eine strafgerichtliche Verurteilung, nach den Feststellungen hat der Beschwerdeführer jedoch mehrfach gegen das AuslBG verstoßen, ferner mehrere Verwaltungsstrafen wegen des unrechtmäßigen Aufenthalts aufzuweisen, nunmehr drei erfolglosen Asylanträge gestellt, monatelang und jahrelang die Anmeldung seiner Unterkünfte nach dem MeldeG unterlassen und vor allem seit langem und bis heute durch unrichtige Identitätsangaben die Erlangung eines Reisedokuments für seine Abschiebung vereitelt.
Er ließ es nicht nur immer wieder und bis ins nunmehrige Beschwerdeverfahren an der erforderlichen Mitwirkung fehlen, sondern bewies mehrfach mittels Hungerstreiks, dass er bereit war, alle Mittel einzusetzen, um den Erfolg der behördlichen Tätigkeit zu vereiteln.
3.4.6 Angesichts der Wohngemeinschaft und der vor 11 Monaten bestandenen Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau A2 kann daher zwar nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer die Zeit überhaupt nicht genützt hätte, um sich sozial zu integrieren (beruflich hat er es bisher versäumt), allerdings erreicht das Ausmaß seiner Integration in Abwägung mit dem angeführten Fehlverhalten kaum nennenswertes Gewicht gegenüber den für die Verweigerung eines Aufenthaltstitels (der bei Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung zu erteilen wäre) sprechenden Umständen im Sinn der zitierten Rechtsprechung.
Es würde eine Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, welche die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer nachdem er seit 2009 seiner Ausreisepflicht nicht nachkam und durch Folgeanträge, Untertauchen, Hungerstreiks etc. die Behörden an der Durchsetzung seiner Pflicht hinderte, erfolgreich auf ein Privat- oder Familienleben berufen könnte. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.
3.4.7 Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und mehr als zwei Jahrzehnte verbracht hat, familiäre, sprachliche und kulturelle Verbindungen, speziell seine Geschwister. Er kann aufgrund seines Alters sowie seiner Arbeitsfähigkeit und -erfahrung legale Erwerbsmöglichkeiten ergreifen, Kontakte aus der Zeit vor seiner Ausreise auffrischen und neue knüpfen.
Diese Umstände sprechen für eine Rückkehrentscheidung, dazu das öffentliche Interesse daran, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind, auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.
Damit liegt demnach ein solcher Fall vor, in dem ausnahmsweise trotz einem (weit) mehr als zehnjährigen Aufenthalt nicht vom Überwiegen der persönlichen Interessen auszugehen ist. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne des § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden. Die Beschwerde dagegen erweist sich somit als unbegründet.
3.5 Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V):
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.
Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Algerien einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Auch fehlt es an jedem Indiz, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde, in seinem Leben bedroht, in seiner Unversehrtheit beeinträchtigt oder gar getötet zu werden.
Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Algerien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre.
Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Algerien zumindest notdürftig leben zu können. Er spricht Arabisch, hat im Herkunftsstaat über zwei Jahrzehnte gelebt und dort auch seine Sozialisierung erfahren, auch im Berufsleben. So kann er vorhandene Sozialkontakte nutzen und neue knüpfen, selbst wenn die familiäre Unterstützung durch Geschwister wider Erwarten ausbleibt. Somit wird er im Falle seiner Rückkehr, selbst wenn es sich um Hilfstätigkeiten handelt, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt bestreiten können.
Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann als im Herkunftsstaat, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Zudem besteht in Algerien keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.
Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass dort das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht substantiiert behauptet.
Eine der Abschiebung nach Algerien entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.
Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet. Die Beschwerde war daher auch betreffend die Spruchpunkt V abzuweisen.
3.6 Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII):
3.6.1 Mit dem im Verfahrensgang angeführten Teilerkenntnis hat dieses Gericht der Beschwerde die (vom BFA in Spruchpunkt VI aberkannte) aufschiebende Wirkung zuerkannt.
3.6.2 Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Bereits unmittelbar aus § 55 Abs. 1a FPG ergibt sich, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens nach § 18 BFA-VG durchführbar wird. Ferner bestimmt § 55 Abs. 4 FPG, dass das Bundesamt von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen hat, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
3.6.3 Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das BFA die aufschiebende Wirkung unter anderem dann aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (§ 18 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG). Das ist vorliegend nach den Feststellungen der Fall. Da der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aber inzwischen zuerkannt wurde, war eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen festzulegen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu asylrelevantem Vorbringen und zur Relevanz des Privat- und Familienlebens bei Rückkehrentscheidungen.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.
Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der relevante Sachverhalt ist vollständig erhoben und weist, zumal ein Vorbringen betreffend Änderungen trotz Einräumung einer Frist dafür unterblieb, die gebotene Aktualität auf.
Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422, mwN).
Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.