JudikaturBVwG

W275 2288424-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2024

Spruch

W275 2288424-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2024, Zahl 1364093800/231532927, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 08.08.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab zu seinem Fluchtgrund befragt an, er habe niemanden mehr in Somalia, da er seine biologischen Eltern nicht kenne und seine Pflegemutter bereits verstorben sei. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor dem Hungertod.

Am 15.01.2024 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Im Rahmen dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, als Pflegekind keine Clanzugehörigkeit zu haben und daher diskriminiert sowie ausgegrenzt worden zu sein. Überdies habe er eine Freundin gehabt, die dem Clan der Isaaq angehöre. Sie sei von ihm schwanger geworden, weshalb er nun von ihrem Bruder und Vater verfolgt werde.

Mit oben genanntem Bescheid vom 06.02.2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Am 30.04.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Lebensumständen sowie zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX Er ist Staatsangehöriger von Somalia, ledig und hat keine Kinder. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam. Die Clanzugehörigkeit des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden. Seine Erstsprache ist Somali, er beherrscht diese in Wort und Schrift.

Der Beschwerdeführer ist in Hargeysa, Somaliland (Somalia), geboren und aufgewachsen. In Somalia hat er sieben Jahre die (Koran-)Schule besucht. Er wurde von seiner Pflegemutter, die dem Clan der Isaaq angehörte, großgezogen. Er lebte bis zu seiner Ausreise bei seiner Pflegemutter in seinem Heimatort; die Pflegemutter sorgte durch die Tätigkeit in ihrem Obst- und Gemüsegeschäft für den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers. Auch bei seiner Ausreise konnte er auf finanzielle Unterstützung seiner Pflegemutter zurückgreifen. Die Pflegemutter des Beschwerdeführers ist mittlerweile verstorben.

Der Beschwerdeführer stellte am 08.08.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2024 wurde ihm in Österreich subsidiärer Schutz in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer war bzw. ist in Somalia weder einer (asylrelevanten) Diskriminierung aufgrund seiner (fehlenden bzw. nicht bekannten) Clanzugehörigkeit noch einer sonstigen individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung durch die Familie seiner (vorgebrachten) ehemaligen Freundin ausgesetzt.

Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Somalia (Version 6, Stand 08.01.2024):

Politische Lage

Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 15.5.2023). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2022a).

Somaliland

Im Mai 1991 hat Somaliland die 1960 freiwillig mit Somalia eingegangene Union verlassen und sich als Republik Somaliland wieder für unabhängig erklärt (Schwartz/FPRI 8.11.2021). Somaliland war also schon 1960 ein eigenständiger Staat und möchte diesen Status in den Grenzen der vormaligen Kolonie von Britisch-Somaliland wiedererlangen (Meservey/THF 19.10.2021). Trotzdem wurde das Land bis dato international nicht bzw. nur von Taiwan anerkannt (BS 2022a; vgl. AA 15.5.2023). Die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten bemühen sich in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit (AA 15.5.2023). Die somalische Bundesregierung erachtet Somaliland als einen somalischen Bundesstaat (PGN 10.2020). Somaliland definiert seine Grenzen gemäß der kolonialen Grenzziehung; Puntland hingegen definiert seine Grenzen genealogisch entlang der Siedlungsgebiete des Clans der Darod. Insgesamt ist die Ostgrenze Somalilands zu Puntland nicht demarkiert, und die Grenze bleibt umstritten (EASO 2.2016).

Somaliland regelt Politik, Wirtschaft und Sicherheitsfragen aber seit drei Jahrzehnten vom Rest des Landes getrennt (HIPS 8.2.2022). Das Land verfügt über zahlreiche Zeichen der Eigenständigkeit: Es gibt eine eigene Zivilverwaltung, eigene Streitkräfte, eine eigene Währung (ICG 12.8.2021; vgl. Meservey/THF 19.10.2021), eigene Polizei, ein eigenes – mehr oder weniger funktionierendes – Steuersystem (Spiegel 1.3.2021), eigene Reisepässe und eine eigene Außenpolitik (Meservey/THF 19.10.2021). Somaliland ist eine friedliche und stabile Demokratie (ABC News 5.6.2022). Von Freedom House erhält Somaliland 2023 am Global Freedom Status Index 44 Punkte - fast oder mehr als doppelt soviele wie die Nachbarn Äthiopien (21) und Dschibuti (24); fünfeinhalbmal mehr als Somalia (8); und einen Punkt mehr als Nigeria (FH 13.10.2023).

Somaliland hat schrittweise staatliche Strukturen wieder aufgebaut und hat einen Weg zur Demokratisierung eingeschlagen (BS 2022a). Das Land verfügt über eine funktionierende Regierung (HIPS 8.2.2022) und über eine weitgehend stabile und funktionierende Verwaltung (ICG 10.11.2022). Mit internationaler Hilfe konnten Bezirksverwaltungen und Bezirksräte etabliert werden (STDOK 8.2017). Auf dem gesamten Gebiet wurden Behördenstrukturen geschaffen, auch wenn diese nicht überall voll funktionieren (BS 2022a). Politische Entscheidungen können i.d.R. nahezu auf dem ganzen beanspruchten Gebiet umgesetzt werden (FH 2023b; vgl. BS 2022a), allerdings muss diesbezüglich zuvor die Zustimmung einflussreicher Clanältester eingeholt werden (BS 2022a). Mehrere UN-Agenturen führen gemeinsam eine Ausbildung lokaler Führungskräfte durch. So wurden im Juni 2022 97 gewählte Bürgermeister und Vizebürgermeister einer Ausbildung unterzogen. Hierbei ging es um die Entwicklung von Plänen, Finanzverwaltung, Konfliktlösung und Kapazitätsbildung (UN-Habitat 27.6.2022).

Somaliland hat sich über drei Jahrzehnte die Reputation einer Insel des Friedens, der Demokratie und der Stabilität erworben (Norman/AFRA 3.3.2023). Das Land galt als politisch stabil und friedlich (ABC News 5.6.2022). Die Regierung bekennt sich zu Demokratie und Marktwirtschaft und hat dazu schon einiges beigetragen (BS 2022a). Regierungsausgaben erfolgen relativ klar und transparent (Spiegel 1.3.2021). Mit dem Konflikt um Laascaanood drohen all diese Beschreibungen zu zerfallen (Norman/AFRA 3.3.2023). Allerdings haben die staatlichen Institutionen und die Zivilgesellschaft immer wieder bewiesen, dass sie in der Lage sind, Streitigkeiten mit Verhandlungen und Kompromissen beizulegen (Terlinden/Ibrahim/Böll 27.6.2022). Eine etablierte Tradition politischer Anpassung hat das Land immer wieder vor dem Abgrund eines Konflikts gerettet (Sahan/SWT 31.7.2023).

Politischen Auseinandersetzungen um die Festlegung der Wahlmodalitäten haben das Vertrauen in Präsident Bihi massiv erschüttert (BMLV 1.12.2023). Seine Legitimität hat stetig abgenommen, es gibt eine interne Opposition, eine zornige politische Elite (SNM) und ökonomische Spannungen (AQ21 11.2023). Das Land kämpft mit massiven strukturellen Restriktionen. Der Staatsapparat bleibt schwach und unterfinanziert und das Land ist von einem hohen Maß an Armut geprägt. Der Staat ist von Wirtschaftstreibenden abhängig. Auf allen Ebenen der Verwaltung kommt es zu Korruption und Clanpatronage. Zudem sind staatliche Institutionen – wie erwähnt – hinsichtlich der Umsetzung ihrer Entscheidungen an das Einverständnis einflussreicher Clanältester gebunden. Dabei hat Somaliland aber im Wesentlichen mit Verhandlungen zwischen und mit unterschiedlichen Akteuren gute Erfahrungen gemacht (BS 2022a). So sind Clanälteste bei der Erhaltung des Friedens wichtig; unzählige Male wurden sie eingebunden, um bei meist Ressourcen betreffenden Konflikten zu verhandeln und eine Versöhnung herbeizuführen (Sahan/SWT 1.10.2021).

Demokratie: Einer der größten Erfolge Somalilands ist das regelmäßige Abhalten direkter (NLM/Barnett 7.8.2023), friedlicher und allgemeiner Wahlen (Schwartz/FPRI 8.11.2021; vgl. AA 15.5.2023; ICG 12.8.2021). Diese wurden durch internationale Beobachter regelmäßig als frei und fair beurteilt (BS 2022a). Außerdem ist es schon mehrfach nach Wahlen zu einer friedlichen, demokratischen Machtübergabe gekommen (ABC News 5.6.2022; vgl. Schwartz/FPRI 8.11.2021; Spiegel 1.3.2021). Somaliland verfügt über die relevanten Institutionen, um die Demokratie auch zu verteidigen (Meservey/THF 19.10.2021).

Es gibt ein Zwei-Kammern-Parlament. Das Ober- bzw. Ältestenhaus (Guurti) besteht aus 82 ernannten bzw. indirekt gewählten, das Unter- bzw. Repräsentantenhaus aus 82 gewählten Mitgliedern. Parlamentswahlen waren seit Jahren überfällig und haben am 31.5.2022 schlussendlich stattgefunden (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023b). 1,3 Millionen Wähler waren registriert (Shukri/TEL 3.5.2021). Nur in manchen östlichen Landesteilen konnte die Wahl nicht durchgeführt werden – namentlich in Badhaan und in der Umgebung von Laasqooray, also dort, wo die Verwaltung von Puntland eine stärkere Präsenz zeigt (ICG 12.8.2021).

Diese Wahlen waren ein Meilenstein auf dem Weg der Demokratisierung Somalilands (ICG 12.8.2021). Mehrere europäische Staaten haben die erfolgreichen Wahlen gelobt (EEAS 8.6.2021). Es gab zwar einige Unregelmäßigkeiten (FH 2023b), und die Wahlen verliefen zwar nicht perfekt, doch waren sie frei und fair (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 15.5.2023), glaubwürdig (FH 2023b) sowie friedlich und transparent. Die Oppositionsparteien UCID und Waddani gewannen die Wahl gegen die Kulmiye-Partei des Präsidenten (USDOS 20.3.2023). Im Unterhaus konnte Waddani 31 Sitze gewinnen, die regierende Kulmiye 30 und UCID die übrigen 21. Die beiden Oppositionsparteien sind unmittelbar ein Bündnis eingegangen, und damit hat die Opposition nun die Kontrolle im Unterhaus (ICG 12.8.2021; vgl. HIPS 8.2.2022, FH 2023b). Außerdem stellt die Opposition nun in fünf der sieben größten Städte - darunter Hargeysa - den Bürgermeister (UNSC 10.8.2021). Die meisten Stimmen hat ein relativ unbekannter, junger Angehöriger einer Minderheit errungen. Er hatte seinen Wahlkampf ohne Clanunterstützung und größtenteils mit Werbung auf sozialen Medien geführt (AA 28.6.2022).

Das Oberhaus setzt sich ausschließlich aus Ältesten zusammen. Das Guurti wurde 1993 gebildet und seither - aufgrund unklarer Rechtslage - nicht mehr neu besetzt (ICG 12.8.2021). Verstorbene Älteste wurden durch nahe Angehörige ersetzt – unabhängig von deren Verdiensten (Shukri/TEL 3.5.2021). Im Oktober 2022 hat das Guurti sein eigenes Mandat um fünf Jahre verlängert (FH 2023b). Im Grund ist das Guurti eine mächtige Institution (Shukri/TEL 3.5.2021). Durch diese Institution - aber auch generell - verfügen Clanälteste über eine einflussreiche Rolle in der Politik (FH 2023b). Zudem sind beim Innenministerium 2.700 Sultane [traditionelle Älteste bzw. Clanführer] registriert. Diese erhalten für ihre Beteiligung an den Lokalverwaltungen auch ein Gehalt (UNHRC 6.9.2017).

Auch die Präsidentschaftswahl hatte sich um zwei Jahre verzögert, bevor sie Mitte November 2017 stattfand (FH 2023b). Zum Präsidenten gewählt wurde der Kandidat der regierenden Kulmiye-Partei, Muse Bihi Abdi (USDOS 20.3.2023). Die Wahl wurde von unabhängigen Beobachtern als weitgehend frei und fair bzw. glaubwürdig bezeichnet (BS 2022a; vgl. FH 2023b).

Mit der Beschränkung auf drei politische Parteien soll eine Zersplitterung der Parteienlandschaft entlang von Clans verhindert werden. Lokalwahlen entscheiden darüber, welche drei politischen Parteien für die nächsten Wahlen auf nationaler Ebene zugelassen werden (BS 2022a; vgl. AA 15.5.2023). Die Dauer der Zulassung beträgt zehn Jahre. Nach den Wahlen 2010 wurden die Parteien Kulmiye, Waddani und UCID zugelassen. Politisches Engagement im Rahmen anderer Gruppen wird staatlicherseits beobachtet. Gegebenenfalls werden strafrechtliche Maßnahmen ergriffen (AA 15.5.2023). Die politische Basis von Waddani sind historisch die Habr Yunis, die regierende Kulmiye ist in erster Linie eine Allianz der Isaaq-Clans Habr Awal und Habr Jeclo (Sahan/SWT 31.7.2023).

Verzögerungen im Wahlkalender haben dazu geführt, dass die für die Wahl der Parteien entscheidenden Lokal- und Parlamentswahlen immer wieder verschoben worden sind. Als sie schließlich im Mai 2021 abgehalten wurden, durften keine neuen politischen Vereinigungen um die Wählergunst werben. Die Regierung hat daher schon 2021 eine Ergänzung zum Wahlgesetz eingebracht, unabhängig von sonstigen Wahlen eine landesweite Wahl abzuhalten, um die drei politischen Parteien zu bestimmen, die bei den folgenden Präsidentschaftswahlen zugelassen sein werden. Die Ergänzung wurde vom Supreme Court genehmigt (Sahan/SWT 28.11.2022). In der Folge sind die Lizenzen der letzten drei legalen Parteien im Dezember 2022 ausgelaufen, sodass neue politische Vereinigungen nun berechtigt sind, um den Parteistatus zu konkurrieren (Sahan/SWT 31.7.2023). Die Neu-Registrierung der politischen Zusammenschlüsse als politische Parteien erfolgte ab Juni 2022 (AA 15.5.2023). Im November 2022 wurden neun politische Vereinigungen registriert (Sahan/SWT 28.11.2022). Folgende Parteien sind neben den aktuellen politischen Parteien Kulmiye, Waddani und UCID offiziell zugelassen worden, um an der Neuwahl zugelassener Parteien teilzunehmen: Kaah, People’s Party (Shacabka), Waaberi, Hilaac, Rejo, Barwaako, Mideeye, Ogaal und Horseed. Bei den Zulassungswahlen wird entschieden, welche drei dieser zwölf Parteien in den kommenden zehn Jahren bei Wahlen antreten dürfen. Eine Grundlage zur Zulassung ist es, aus allen sechs Regionen jeweils tausend Unterstützungserklärungen vorweisen zu können. Nicht erreicht haben das Ziel die folgenden politischen Vereinigungen: Iftin, Talo Wadaag, Ubax, Daljir und Misaan (SLST 9.11.2022). Später wurde auch Talo Wadaag zugelassen (SOCOM 21.11.2022).

Eine Wahl zu den drei zugelassenen politischen Parteien fand bisher nicht statt. Laut Gerichtsbeschluss sollen die Parteien direkt gewählt werden. Die Wahl der Parteien und der Präsidentschaft hat sich zu einem kontroversen Punkt entwickelt (AA 15.5.2023).

Aktuelle Lage: Ende 2021 begann die Regierung, auf Änderungen des Wahlkalenders zu drängen, die die für November 2022 geplante Präsidentschaftswahl verzögern würden (FH 2023b). Ab Feber 2022 herrschte Unklarheit und Unruhe über den bevorstehenden Wahlprozess (Terlinden/Ibrahim/Böll 27.6.2022). Wahlverzögerungen sind eigentlich ein fester Bestandteil der somaliländischen Politik ebenso wie vermittelte Kompromisse (ICG 10.11.2022). Bei allen Erfolgen der Vergangenheit, Streitigkeiten friedlich und mit Kompromissbereitschaft beizulegen, war dieser politische Konflikt in derartiger Form noch nie da gewesen (Terlinden/Ibrahim/Böll 27.6.2022).

Folglich kam es aufgrund der verzögerten Wahlen 2022 zu einer politischen Krise, wobei der zunehmend widerspenstige interne Wettbewerb innerhalb der Isaaq-Subclans um den Staat hervorgehoben wird (Norman/AFRA 3.3.2023). Im Zuge des politischen Konflikts gab es immer wieder Demonstrationen, bei denen zum Teil auch Zivilisten getötet und regelmäßig Oppositionsangehörige in Haft genommen wurden (AA 15.5.2023). Bei einer Demonstration am 9.6.2022 setzte die Polizei Tränengas ein. Beide Seiten warfen einander vor, auch scharfe Munition verwendet zu haben. Jedenfalls erlitten mehrere oppositionelle Waddani-Anhänger Schussverletzungen. Die Polizei verhaftete Dutzende Anhänger der Opposition und zwei Journalisten (Terlinden/Ibrahim/Böll 27.6.2022; vgl. Sahan/SWT 21.6.2022). Auch im August 2022 stießen Sicherheitskräfte und Oppositionelle zusammen, fünf Menschen wurden getötet. Clanälteste, einflussreiche Geschäftsleute, religiöse Führer und Vertreter der Zivilgesellschaft haben versucht zu vermitteln - mit wenig Erfolg (ICG 10.11.2022).

Im September 2022 kündigte die Wahlkommission (NEC) an, dass die Präsidentschaftswahl aus "zeitlichen, technischen, und finanzielle Zwängen" verschoben werden muss. Im Oktober 2022 verlängerte das Oberhaus des Parlaments das Mandat von Präsident Bihi bis November 2024. Die wichtigsten Oppositionsparteien Somalilands weigerten sich jedoch, Bihis Präsidentschaft über den ursprünglichen Wahltermin im November hinaus als legitim anzuerkennen (FH 2023b). Die Oppositionsparteien Waddani und UCID haben erklärt, Präsident Bihi nach dem 13.11.2022 nicht mehr als legitimen Präsidenten Somalilands anzuerkennen (GN 14.11.2022).

Zusätzlich lief am 26.12.2022 die Lizenz für die drei laut Verfassung offiziell zugelassenen politischen Parteien aus (SOCOM 26.12.2022; vgl. Sahan/SWT 28.11.2022). Insgesamt sind die drei Parteien immer mehr zu Vehikeln der Claneliten von Isaaq-Subclans geworden. Dahingegen sind die im Land befindliche Darod und Dir keine Teilnehmer am politischen Geschehen, sondern nur Zuschauer (Sahan/SWT 28.11.2022). Die beiden Hauptzweige der Isaaq / Gerhaji bilden die Basis der Oppositionsparteien Waddani und UCID (ICG 10.11.2022), bei Waddani v.a. die Habr Yunis. Die Machtbasis der Kulmiye liegt vorwiegend bei den Habr Awal und Habr Jeclo (Sahan/SWT 5.9.2022). Die letzten vier somaliländischen Präsidenten wurden von Isaaq / Habr Awal, Isaaq / Habr Jeclo und Dir / Samaroon gestellt (ICG 10.11.2022). Führer der Kulmiye erachten Waddani als Vertreterin politischer und wirtschaftlicher Interessen Mogadischus und sehen in der Partei eine existenzielle Bedrohung der somaliländischen Unabhängigkeit (Sahan/SWT 5.9.2022).

Sowohl die Regierungspartei als auch die Opposition betrachten den sich entwickelnden Wahlkalender als zentral für ihr politisches Schicksal, und beide versuchen, ihn zu kontrollieren. Der Kern des Streits betrifft den Zeitpunkt: Präsident Bihi und seine Kulmiye-Partei bestehen darauf, dass die Wahl der politischen Parteien vor der Präsidentschaftswahl stattfindet. Dagegen wollen die Oppositionsparteien Waddani und UCID, dass zuerst die Präsidentschaftswahl abgehalten wird. Ende September 2022 hat die Nationale Wahlkommission erklärt, dass sie für die Organisation der Präsidentschaftswahlen neun Monate brauchen würde und diese damit erst im Jahr 2023 stattfinden können. Aber anstatt diesen Informationen der Wahlkommission zu folgen, hat der Guurti das Mandat der Regierung gleich um zwei Jahre verlängert, womit die Präsidentschaftswahl bis November 2024 verschoben wäre (ICG 10.11.2022). Die beiden Oppositionsparteien halten diese Verlängerung für verfassungswidrig (Sahan/SWT 28.11.2022). Gleichzeitig hat das Oberhaus seine eigene Amtszeit um fünf Jahre auf 2027 verlängert, obwohl sein eigentlich sechs Jahre dauerndes Verfassungsmandat bereits 2003 ausgelaufen war (ICG 10.11.2022).

Die staatliche Wahlkommission hat das Verfassungsgericht in einem Brief aufgefordert, das Wahlrecht zu interpretieren. Danach soll eine Entscheidung über die weitere Vorgangsweise (Präsidentschafts- und Parteienwahl) getroffen werden (MUST 7.7.2023). Das oberste Gericht in Somaliland hat den Brief der Wahlkommission zurückgewiesen. Es hat festgestellt, dass alleine die Wahlkommission für die Festlegung der Abfolge von Wahlen verantwortlich ist (SOCOM 10.7.2023; vgl. SD 10.7.2023). Schließlich haben sich Opposition und Regierung darauf geeinigt, die Präsidentschafts- und Parteienwahlen am gleichen Tag, nämlich am 13.11.2024, abzuhalten. Das hat das aus Ältesten bestehende Vermittlungskomitee Ende August 2023 bekannt gegeben. Auch neugegründete politische Organisationen haben demnach diesem Weg zugestimmt. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung Somalilands (HO 30.8.2023; vgl. SD 30.8.2023). Die Präsidentschaftswahlen werden also fast genau zwei Jahre hinter dem Zeitplan durchgeführt werden. Wahlverzögerungen sind in Somaliland nichts Neues, auch frühere Präsidenten haben von verfassungswidrigen Amtszeitverlängerungen profitiert (Sahan/SWT 31.7.2023).

2023 überschatten Zusammenstöße in Laascaanood (Sool) die meisten innenpolitischen Probleme Somalilands (BMLV 1.12.2023).

Gleichzeitig wächst die salafistische al I’tisaam als sozialer, wirtschaftlicher und religiöser Gegner heran. Die Gruppe agiert jenseits der Clangrenzen und ihre Mitglieder stammen aus dem gesamten politischen Spektrum. Nachdem al I’tisaam mit der Abwahl von Präsident Farmaajo in Mogadischu an Macht verloren hat, verlegt sie ihren Fokus zunehmend auf Somaliland. Die Gruppe erachtet eine Demokratie als Verletzung der Scharia, spricht der Shafi’i-Schule des Islam, der die meisten Somaliländer anhängen, jegliche Legitimität ab und erachtet praktizierten Sufismus als Häresie. Ihr Ziel ist es, die Demokratie in Somaliland zu stürzen und durch einen totalitären islamischen Staat zu ersetzen (Sahan/SWT 5.9.2022).

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2023). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, wird die Lage über die Kontrolle geringer Teilgebiete von Puntland von al Shabaab beeinflusst - und in noch geringeren Teilen vom Islamischen Staat in Somalia - während es hauptsächlich an Clandifferenzen liegt, wenn Puntland tatsächlich keinen Zugriff auf gewisse Gebiete hat. In Süd-/Zentralsomalia ist die Situation noch viel komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (BMLV 1.12.2023).

Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 sind Hargeysa, Berbera, Burco, Garoowe und – in gewissem Maße – Dhusamareb sichere Städte. Alle anderen Städte variieren demnach von einem Grad zum anderen. Auch Kismayo selbst ist sicher, aber hin und wieder gibt es Anschläge. Bossaso ist im Allgemeinen sicher, es kommt dort aber zu gezielten Attentaten. Dies gilt auch für Galkacyo (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer weiteren Quelle sind Baidoa, Jowhar und Belet Weyne diesbezüglich innerhalb des Stadtgebietes wie Kismayo zu bewerten (BMLV 1.12.2023). Laut einer anderen Quelle sind alle Hauptstädte der Bundesstaaten relativ sicher (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023).

Somaliland

Somaliland hat im Vergleich zu anderen Teilen Somalias das größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht (AA 15.5.2023; vgl. ÖBN 11.2022). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt dazu, dass Somaliland viele Fortschritte gemacht hat, dass Peacebuilding, Versöhnung und Staatsaufbau zu den großen Erfolgen gehören, die Somaliland erzielt hat (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Die Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle und Souveränität aus (USDOS 20.3.2023; vgl. BS 2022a) und kann dort regieren und Vorhaben umsetzen. Nur das Randgebiet zu Puntland und einige sehr entlegene ländliche Gebiete sind davon ausgenommen (BS 2022a). Wahlen wurden bisher aber auch in diesen "umstrittenen" Gebieten umgesetzt, die somaliländische Währung findet dort weitgehend Verwendung (Meservey/THF 9.5.2022). Nach wieder anderen Angaben kontrolliert die Regierung den Westen des Landes zu 100 %; im Osten wird ihr Anspruch aber herausgefordert (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Die Sicherheitskräfte können außerhalb der Regionen Sool und Sanaag in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa und Berbera (AA 20.10.2023). Laut Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 muss niemand aufgrund einer vorgeblich schlechten Sicherheitslage den Westen Somalilands verlassen, während im Osten des Landes Blutfehden einen Grund darstellen könnten. Die meisten Migranten verlassen das Land demnach auf der Suche nach wirtschaftlichen Möglichkeiten. Bei Frauen kann auch FGM oder eine bevorstehende Zwangs- oder Frühehe ein Grund sein (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023). Der Staat verfügt abseits der östlichen Gebiete über ein Gewaltmonopol (BS 2022a).

Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clankonflikts (BMLV 1.12.2023). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 gibt an, dass manche Menschen Hargeysa als deutlich sicherer erachten als Nairobi. Die Mitarbeiter der Quelle können sich in Hargeysa jedenfalls frei bewegen. Auch in Berbera ist die Sicherheitslage demnach gut, die Stadt unproblematisch (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine weitere Quelle erklärt, dass Hargeysa und Berbera sichere Städte sind (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Auch Burco ist abseits begrenzter Auswirkungen der Rebellion von Ga'an Libah relativ ruhig (BMLV 1.12.2023). Gemäß Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2013 ist diese Stadt sicher (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle ist die Sicherheit dort hingegen nicht gleich gut, wie in Hargeysa (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Eine weitere Quelle erklärt, dass hinsichtlich der Städte Borama, Hargeysa, Berbera und Burco das größte Sicherheitsrisiko ein Verkehrsunfall ist (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle gibt an, dass in diesen vier Städten - und in den größeren Städten generell - Rechtsstaatlichkeit herrscht. Die Behörden gewährleisten dort demnach die Sicherheit der Bevölkerung, es gibt keine großen Probleme mit Raub oder Mord. Generell ist Kriminalität kein großes Problem im täglichen Leben (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Gemäß einer anderen Quelle stellen Jugendbanden in Hargeysa immer noch ein Problem dar, genauso wie Kleinkriminalität. Es gibt Arbeitslosigkeit und auch Drogenkonsum (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). In der Kriminalstatistik der somaliländischen Polizei für das Jahr 2022 finden sich 27.801 registrierte Delikte. In 5.565 dieser Fälle wurden die Ermittlungen aus Mangel an Beweisen eingestellt, 11.320 wurden in gegenseitigem Einverständnis gelöst, 10.916 vor Gericht abgehandelt und entschieden und 540 befinden sich noch in Untersuchung. Im Jahr 2022 wurden 266 Vergewaltigungen angezeigt, diesbezüglich gab es 280 Beschuldigte. Davon wurden 240 gefasst. Außerdem wurden 60 Personen ermordet, 49 Mörder wurden verhaftet, auf elf Verdächtige laufen Haftbefehle (SD 4.11.2022). Im Jahr 2021 hatte es 89 Morde gegeben, 84 Verdächtige wurden in Haft genommen (SD 4.11.2021).

Anfang August 2022 wurden bei Demonstrationen in Hargeysa, Burco und Ceerigaabo mindestens drei Personen getötet und 89 verletzt (SG 11.8.2022). Nach anderen Angaben kamen mindestens fünf Menschen ums Leben (BAMF 22.8.2022). Unter den Verletzten befanden sich auch über 60 Polizisten. Hundert Personen wurden verhaftet (SG 11.8.2022). Die politische Lage von Präsident Bihi fördert das Aufkommen von Opposition. Es gibt nun wegen der anstehenden Parteiwahlen mehr Gerangel - selbst innerhalb der regierenden Kulmiye. Auch Rohstofffunde im Land können zu den Turbulenzen beigetragen haben. Trotz allem gibt es keine existenzielle Bedrohung für Somaliland (BMLV 14.9.2023).

In Somaliland sind im Jahr 2023 aufgrund von Konflikt und Unsicherheit 232.000 Menschen vertrieben worden: 198.000 in der Region Sool, je 13.000 in Sanaag und Togdheer sowie je 4.000 in Awdal und Woqooyi Galbeed (UNHCR 2023).

Al Shabaab konnte in Somaliland nicht Fuß fassen (ÖBN 11.2022; vgl. JF 18.6.2021). Die Gruppe kontrolliert keine Gebiete in Somaliland (AA 15.5.2023), und es gibt dort auch keine signifikanten Aktivitäten von al Shabaab. Al Shabaab kann dort auch keine Steuern einheben (BMLV 1.12.2023). Mehrere Quellen der FFM Somalia 2023 geben an, dass es seit 2008 keine relevanten terroristischen Angriffe gegeben hat (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023, INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Somaliland hat bemerkenswerte Kapazitäten aufgebaut. Durch die Glaubwürdigkeit der bestehenden Institutionen entstand Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung. Dies wiederum erschwert al Shabaab ihre Operationen (Schwartz/HO 12.9.2021; vgl. MBZ 1.12.2021). Neben formellen nachrichtendienstlichen Netzen gibt es ein informelles Netz an Nachbarschaftswachen (BMLV 9.2.2023). Die Regierung setzt auf Älteste, lokale Behördenvertreter und besorgte Bürger; und darauf, dass diese verdächtige Aktivitäten und Neuankömmlinge bei der Polizei oder beim Geheimdienst melden (JF 18.6.2021). Dementsprechend werden terroristische Pläne immer wieder durch Sicherheitskräfte vereitelt und Operateure der al Shabaab verhaftet (Weiss/FDD 11.8.2021). Und als etwa im November 2019 Kämpfer der al Shabaab aus Puntland in die Garof-Berge im Osten der Region Sanaag vordrangen, wurde dies rasch gemeldet. In der Folge gelang es einer lokalen Miliz und ausgewählten Armee- und Polizeieinheiten al Shabaab zu vertreiben. Ähnliche Vorgänge haben sich Mitte 2021 wiederholt, auch damals wurde der Vorstoß eingedämmt (BMLV 9.2.2023).

Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass man in Somaliland vor al Shabaab einigermaßen sicher ist. Auch wenn es ggf. zu Drohungen kommen kann, mangelt es der Gruppe dort an Kapazitäten und Personal, al Shabaab kann nicht agieren (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle bestätigt dies (BMLV 1.12.2023). Eine andere Quelle der FFM gibt an, dass Hargeysa von al Shabaab möglicherweise als sicherer Hafen genutzt wird (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Al Shabaab verfügt über eine Präsenz, wird aber nicht aktiv (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. MAEZA/STDOK/SEM 4.2023), stellt keine Regeln auf und errichtet keine Checkpoints (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Sporadisch kommt es zu Verhaftungen von Personen, die der Tätigkeit für al Shabaab verdächtigt werden (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023). Es konnten in den konsultierten Quellen keine Informationen gefunden werden, wonach Deserteure von al Shabaab in Somaliland gefährdet wären.

Der Nachrichtendienst von al Shabaab (Amniyat) verfügt in Somaliland über ein Netzwerk an Informanten bzw. unterhält die Gruppe in größeren Städten Schläferzellen. Die Grenzgebiete zu Puntland sind für eine Infiltration durch al Shabaab anfällig. Dort versucht die Gruppe, lokale Clans, die sich von der Regierung diskriminiert fühlen, für sich zu gewinnen (BMLV 1.12.2023; vgl. Weiss/FDD 11.8.2021). Dies gilt etwa für die in Sanaag vorherrschenden Warsangeli. Im nordwestlichen Puntland ist dies der Gruppe teilweise gelungen. In Sanaag hingegen stellen sich lokale Milizen gegen al Shabaab (Weiss/FDD 12.9.2022). Trotzdem konnte al Shabaab in den letzten Jahren fast unmerklich in Somaliland vordringen - insbesondere in der Region Sanaag (ICG 10.11.2022). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 durchqueren Angehörige der Gruppe manchmal den Bezirk Ceerigaabo "in peaceful transit" – in Konvois, mit weißen Fahnen. Die lokalen Gemeinden akzeptieren al Shabaab, es kommt auch zu Eheschließungen (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Gegenwärtig hat die Gruppe mehr Bewegungsspielraum, weil Kräfte der Regierung und der Dhulbahante im Konflikt um Laascaanood gebunden sind (BMLV 14.9.2023). Nach anderen Angaben expandiert al Shabaab aggressiv in die Region Sool. In der Vergangenheit hat die Gruppe wiederholt versucht, bei Wahlen zu Gewalt aufzustacheln. Al Shabaab will Somaliland als Staat, das demokratische System und die Idee einer verfassungsmäßigen Herrschaft delegitimieren (Sahan/SWT 31.7.2023). Die Gruppe wird auch mit dem Aufstand in Laascaanood in Verbindung gebracht (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Nach Angaben von Quellen der FFM Somalia 2023 agieren Angehörige der al Shabaab bei diesem Konflikt in Ostsomaliland aber nicht in ihrer Funktion als ebensolche, sondern als Clanangehörige (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Think/STDOK/SEM 4.2023).

Am 11.9.2022 ist es zu einem der äußerst seltenen Anschläge in Somaliland gekommen. Im Dorf Milxo (Sanaag, Bezirk Laasqoray) kamen fünf Menschen ums Leben, als ein Selbstmordattentäter in einem Teehaus einen Sprengsatz zündete. Niemand hat sich zu dem Anschlag bekannt, eine Täterschaft von al Shabaab wird lediglich vermutet (Weiss/FDD 12.9.2022).

Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährdet (ÖBN 11.2022). Derartige Konflikte konzentrieren sich zudem in den Regionen Sanaag und Sool (ÖBN 11.2022; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023, SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023, INGO-V/STDOK/SEM 5.2023) und sind i.d.R. lokal begrenzt (Omer/STDOK/SEM 4.2023). So bekämpfen sich beispielsweise die Isaaq-Clans der Habr Jeclo und Habr Yunis immer wieder in Ceel Afweyn (Sanaag). Auch innerhalb der Dhulbahante in Sool gibt es Konfliktlinien (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle haben sich die Clankonflikte von Ceel Afweyn bereits vor drei Jahren beruhigt (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 können zwar Männer aus Ostsomaliland von anhaltenden Blutfehden betroffen sein; in Westsomaliland ist die Situation demnach aber anders (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023).

Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten (AA 15.5.2023). Üblicherweise werden Landstreitigkeiten auf traditionellem Wege geklärt - durch Älteste (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023). Die Regierung greift auch in Clankonflikte ein. So hat sie beispielsweise den interkommunalen Konflikt im Gebiet Ali Sahid (Togdheer) beenden können, ein Abkommen zwischen beiden Seiten wurde vermittelt (SLST 27.5.2023). Bei einem anderen Beispiel, bei welchem im Umfeld von Burco fünf Menschen getötet und sechs verletzt worden sind, kam es zu einer Versöhnungskonferenz. Diese wurde von mehreren Ministern Somalilands geleitet (SLST 21.6.2023). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 greift die Regierung in Konflikte hingegen nur dann ein, wenn sie selbst Interesse am Streitgegenstand hat (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Als Normalbürger betroffen ist man durch Clankonflikte v.a. hinsichtlich der Bewegungsfreiheit, weil man die Konfliktgebiete nicht bereisen kann. Grundsätzlich sind nur die involvierten Clans betroffen (Omer/STDOK/SEM 4.2023).

2023 hat sich im Clangebiet der Isaaq / Habr Yunis im Bereich Ga'an Libah (nordöstlich von Hargeysa) eine neue Miliz gesammelt (Sahan/SWT 31.7.2023; vgl. AQ15 8.2023). Die Gruppe besteht aus jungen Männern der Habr Yunis und einigen desertierten Soldaten der Armee (AQ16 9.2023). Dort, im Bereich der Ga'an-Libah-Berge von Go-Dayar (Bezirk Odweyne), sind bei einem Hinterhalt Mitte August 2023 neun Sicherheitskräfte getötet und 17 weitere verwundet worden (RD 12.8.2023; vgl. AQ15 8.2023). Nach Angaben einer Quelle hat sich die bewaffnete Gruppe nach der Entscheidung der Wahlkommission über den Wahlkalender zum Ziel gesetzt, die Regierung zu bekämpfen und die Kontrolle über die eigenen Clangebiete zu übernehmen. Fahrzeuge von NGOs und der Regierung wurden entwendet, Polizeistationen angegriffen. Älteste versuchen, die Unstimmigkeiten auf dem Verhandlungsweg zu lösen (AQ15 8.2023). Es handelt sich bei diesem Konflikt also um Clanpolitik. Es gibt Animositäten gegenüber der Kulmiye hinsichtlich nicht eingehaltener Wahlversprechen (BMLV 14.9.2023). Die Habr Yunis haben noch nie den Präsidenten gestellt. Es geht aber auch um Land (AQ16 9.2023). Eine Quelle erklärt, dass eine Eskalation unwahrscheinlich ist (BMLV 14.9.2023). Eine weitere Quelle berichtet Ende August 2023, dass ein Ältestenkomitee die Auflösung der Rebellenmilizen von Ga'an Libah bei gleichzeitiger Amnestie ausverhandelt hat. Das Komitee wird weitere Schritte überwachen (HO 30.8.2023). Ein Wiederaufflammen dieser "Rebellion" kann allerdings nicht ausgeschlossen werden (BMLV 1.12.2023).

Auch in der Region Awdal gibt es (wieder) Separatisten der Gadabursi, die entsprechenden Bestrebungen wurden von der Diaspora angezettelt. Es kommt zu kleineren Schießereien mit Vertretern des 'Awdal-State'. Auch hier ist eine Eskalation unwahrscheinlich (BMLV 14.9.2023). Für die Separatisten der gibt es abseits der Diaspora keine Unterstützung der Gadabursi vor Ort (AQ21 11.2023; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023; BMLV 14.9.2023), diese sind seit Langem in das politische System Somalilands erfolgreich integriert (AQ21 11.2023).

Östliches Grenzgebiet: Die Grenze zu Puntland ist umstritten (AA 15.5.2023). Entlang dieser Grenze gibt es ein Nebeneinander von puntländischen und somaliländischen Institutionen. Der Streifen reicht 30-50 km nach Somaliland hinein. Sowohl die Polizei als auch die Verwaltungen beider Seiten arbeiten dort Seite an Seite. Im Rahmen von Wahlen und Wählerregistrierung kommt es mitunter zu Spannungen, die sich üblicherweise wieder legen. Keine der Verwaltungen verfügt in diesen Gebieten über die absolute Kontrolle (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Es kommt dort gelegentlich zu Schusswechseln (ÖBN 11.2022). Üblicherweise werden bewaffnete Auseinandersetzungen im Grenzgebiet schnell beruhigt, bevor diese eskalieren (Sahan 29.10.2021). Zuletzt kam es im Jahr 2018 zu teils heftigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen somaliländischen und puntländischen Truppen (AA 15.5.2023). Die Unruhen in Laascaanood zum Jahreswechsel 2022/23 haben die Spannungen zwischen Somaliland und Puntland wieder erhöht (Sahan/SWT 4.1.2023). Trotzdem ist es im Rahmen des Konflikts zu keiner direkten Konfrontation zwischen Puntland und Somaliland gekommen (BMLV 1.12.2023). In Sool werden nahezu alle Orte von der Grenze zu Äthiopien bis über die Linie Xudun-Taleex vom SSC (Dhulbahante-Miliz, siehe Folgekapitel) kontrolliert. Für Buuhoodle wird die Kontrolle als 'gemischt' angegeben (AQ15 8.2023).

Buuhoodle: Am 22.11.2022 kam es im Bezirk Buuhoodle zwischen somaliländischen und puntländischen Truppen zu einem Scharmützel (HO 22.11.2022). Anfang Dezember 2022 hat Somaliland weitere Truppen in dieses Gebiet entsandt (SLST 6.12.2022). Quellen der FFM Somalia 2023 erklären: Es gibt zwar einen somaliländischen Bürgermeister für Buuhoodle, dieser residiert aber nicht in der Stadt. Es gibt dort keine physische Präsenz Somalilands (Omer/STDOK/SEM 4.2023) und dieser Teil des beanspruchten Gebiets steht auch definitiv nicht unter Kontrolle der Regierung (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Einige Kilometer vor Buuhoodle "endet" Somaliland, der letzte von der Regierung kontrollierte Ort ist demnach Qoorlugud (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023). In Buuhoodle wohnen Dhulbahante, die Stadt wird im Wesentlichen von ihnen selbstverwaltet (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023). Die Stimmung ist pro-Puntland. Es gibt dort keine somaliländischen Flaggen, keine somaliländischen Nummerntafeln. Somaliland respektiert diesen Zustand (SECEX/STDOK/SEM 4.2023).

Sanaag: Auf dem Gebiet der Warsangeli sind beide Verwaltungen - jene aus Puntland und jene aus Somaliland - vertreten. Beide sind für die Menschen vor Ort nützlich, die Warsangeli pflegen zu beiden Seiten gute Kontakte. In Laasqoray gibt es ein Militärlager der somaliländischen Armee. Auch in Badhaan gibt es beide Verwaltungen, diese treten nicht in Konflikt miteinander (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Von einer Quelle wird der ländliche Raum von Sanaag bis etwa ein Drittel westwärts der Grenze zu Puntland als von Puntland kontrolliert angegeben. Für die Orte im Nordosten der Region – insbesondere Badhaan und Laasqoray – wird die Kontrolle als 'gemischt' angegeben (AQ15 8.2023). Die Warsangeli sind von der Regierung in Hargeysa und insbesondere von der regierenden Kulmiye enttäuscht. Ob sie noch weiter am 'Projekt Somaliland' partizipieren werden, wird sich bei den nächsten Wahlen zeigen (BMLV 14.9.2023).

Vorfallszahlen: In den somaliländischen Regionen Awdal (571.230), Sanaag (325.136), Sool (478.265), Togdheer (780.092) und Woqooyi Galbeed (1.313.146) leben nach Angaben einer Quelle 3,467.869 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2021 insgesamt zwölf Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei allen zwölf Vorfällen wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2022 waren es 22 derartige Vorfälle (16 davon mit je einem Toten) (ACLED 2023). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und violence against civilians ergeben sich für 2022 folgende Zahlen (Vorfälle von "violence against civilians" je 100.000 Einwohner): Togdheer 0,26; Awdal 0,35; Woqooyi Galbeed 0,38; Sanaag 1,23; Sool 1,88;

Konflikt um Laascaanood/Khatumo-SSC/Dhulbahante

Hintergrund: Dhulbahante finden sich in allen Regierungen: in Somaliland, in Puntland und auch in der somalischen Bundesregierung (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Allerdings hat der Clanführer (Garaad) der Dhulbahante 1993 das Abkommen zur inneren Einigung Somalilands mitunterzeichnet. Bereits 1998 kam es zu Meinungsverschiedenheiten mit der Regierung, Garaad Jama wendete sich nach Puntland, bei dessen Errichtung sich die Dhulbahante beteiligten. Von da an wechselten die Dhulbahante mehrfach die Seite (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Ein Argument, das im Rahmen des Konflikts immer wieder gegen Somaliland ins Feld geführt wurde, ist die Vernachlässigung der Dhulbahante-Gebiete durch die Regierung in Hargeysa (Omer/STDOK/SEM 4.2023) bzw. dass der Clan durch das von Isaaq dominierte Regierungssystem Somalilands sowohl politisch als auch wirtschaftlich an den Rand gedrängt worden ist (Sahan/SWT 19.6.2023). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 gibt diesbezüglich zu bedenken, dass es in Ostsomaliland auch Gebiete der Isaaq gibt, die nicht sehr entwickelt sind. Laascaanood ist demnach besser entwickelt als z.B. Ceerigaabo, das von Isaaq dominiert wird (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Nach anderen Angaben ist Laascaanood ein trotz seines Potenzials ärmlicher Ort (Sahan/STDOK/SEM 4.2023), obgleich wachsende Investitionen aus Hargeysa zur sozioökonomischen Entwicklung der Stadt und der gesamten Region beigetragen haben (Sahan/SWT 19.6.2023).

Eskalation: In den vergangenen Jahren war es in Laascaanood immer wieder zu Morden und Attentaten gekommen, ohne dass die Taten aufgeklärt worden sind. Unter den Opfern fanden sich u.a. Sicherheitsbeamte, Clanälteste, Wirtschaftstreibende und Aktivisten (Sahan/SWT 4.1.2023). Die Attentatsserie begann 2009, es soll seither über 100 Morde gegeben haben. Aktivisten der Dhulbahante argumentieren, dass Somaliland eine große Militär- und Polizeipräsenz in Laascaanood hat, es aber zu keinen bedeutenden Verhaftungen gekommen ist (Norman/AFRA 3.3.2023) und die Regierung nicht für ausreichend Sicherheit sorgt (Sahan/SWT 19.6.2023).

Diesbezüglich ist zu erwähnen, dass es innerhalb der Dhulbahante seit langer Zeit Spaltungen gibt. Zudem hat eine beträchtliche Anzahl der Ermordeten einem Subclan angehört, der weitgehend als pro-somaliländisch gilt (Norman/AFRA 3.3.2023). Gleichzeitig war al Shabaab seit Anfang der 2000er-Jahre in Laascaanood präsent. Somaliland hat der Gruppe eine Reihe von Attentaten und Bombenanschlägen in der Stadt angelastet, es ist auch zu diesbezüglichen Verurteilungen gekommen. Manche Dhulbahante machen hingegen Hargeysa für die Mordserie verantwortlich (Sahan/SWT 19.6.2023). Die Regierung weist jede Verwicklung in diese gezielten Tötungen in Laascaanood zurück (RD 2.1.2023).

Diese unaufgeklärten Morde waren jedenfalls der Funke der Eskalation (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Dies gilt insbesondere für den Mord an einem Blogger bzw. Jungpolitiker der Opposition (Norman/AFRA 3.3.2023; vgl. Sahan/SWT 4.1.2023), einem prominenten Dhulbahante (MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023), im Dezember 2022. In der Folge kam es Ende Dezember 2022 in Laascaanood zu mehrtägigen - mitunter gewaltsamen - Protesten (SD 29.12.2022; vgl. INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Bei den auch über den Jahreswechsel anhaltenden Unruhen sind 20-40 Menschen getötet worden (Sahan/SWT 4.1.2023; vgl. RD 2.1.2023, Norman/AFRA 3.3.2023). Die somaliländische Polizei hat unproportional Gewalt angewendet. Bei den meisten getöteten Personen handelte es sich um Zivilisten, aber auch Angehörige der Sicherheitskräfte befinden sich unter den Opfern (Sahan/SWT 4.1.2023).

Im Zuge der Eskalation in Laascaanood kamen Garaads der Dhulbahante in die Stadt, um die Zukunft des Clans zu diskutieren (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). In der Folge kam es zu einem Abkommen der separatistischen Sool-Sanaag-Cayn-(Khatumo)-Miliz (SSC/Khatumo) mit den Garaads (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Anfang Feber 2023 erklärten Älteste in Laascaanood (Sool), dass sie sich von Somaliland lösen und wieder Somalia beitreten wollen (BAMF 13.2.2023; vgl. INGO-V/STDOK/SEM 5.2023, NLM/Barnett 7.8.2023). Sie erklärten die Autonomie der Gebiete von Sool, Sanaag und Cayn (BMLV 9.2.2023). Begründet wurde der Schritt u.a. mit einem Mangel an Sicherheit sowie ungleicher Macht- und Ressourcenverteilung (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023).

Social Media der Dhulbahante-Diaspora wurden instrumentalisiert, um zu mobilisieren und den Konflikt anzuheizen (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Unmittelbar nach der Autonomieerklärung kam es zu Auseinandersetzungen. Es brachen Kämpfe zwischen Sicherheitskräften Somalilands und lokalen Kämpfern bzw. Clanmilizen aus (BMLV 9.2.2023; vgl. BAMF 13.2.2023). Nach den ersten Zusammenstößen haben sich die somaliländischen Truppen aus der Stadt selbst zurückgezogen, um die Spannungen zu entschärfen (NH 13.6.2023; vgl. Norman/AFRA 3.3.2023). Die Kampfhandlungen dauerten jedoch weiter an, es kam auch zum Einsatz von Artillerie und Steilfeuer (BAMF 27.2.2023; vgl. IO-D/STDOK/SEM 4.2023), zur Zerstörung bzw. Beschädigung von Infrastruktur (Sahan/STDOK/SEM 4.2023), von Gesundheitseinrichtungen, Wasserstellen und Schulen (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Der teils mit ungeeigneten Waffen ausgeführte Artilleriebeschuss auf Laascaanood muss als Störfeuer bewertet werden (BMLV 14.9.2023). Es kann nicht von gezieltem Beschuss gesprochen werden. Teilweise erfolgte er auch mit ungeeigneten Waffen (BMLV 14.9.2023; vgl. NLM/Barnett 7.8.2023).

Trotzdem flüchteten viele Menschen, die Stadt war leer, Straßen - auch jene nach Puntland - und Handel waren unterbrochen (Think/STDOK/SEM 4.2023; vgl. MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023). Von 6.2. bis 27.2. sind mindestens 112 Menschen - darunter auch Zivilisten - getötet und 500 verwundet worden (BAMF 27.2.2023). UN-Angaben zufolge sind im Zeitraum 8.2.-7.6. bei dem Konflikt 36 Zivilisten getötet und mehr als 270 verletzt worden (UNSC 15.6.2023; vgl. BAMF 26.6.2023). Insgesamt bleibt schwer einzuschätzen, wie viele Menschen getötet worden sind (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Gerade zu Beginn war der Konflikt unzweifelhaft intensiv (Sahan/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Think/STDOK/SEM 4.2023, INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Dies hat sich später geändert, es wurde kaum noch gekämpft. Beide Seiten bezogen feste Positionen (Sahan/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Think/STDOK/SEM 4.2023).

Die somaliländische Armee hat den Ort Tukaraq und mehrere Stützpunkte in Laascaanood an die Milizen verloren (SMN 6.3.2023). In Tukaraq gehen nun Checkpoints von Puntland und der SSC fließend ineinander über (NLM/Barnett 7.8.2023). Trotzdem war Laascaanood Stand Anfang August 2023 von drei Seiten eingeschlossen. Auch die direkte Route nach Garoowe war blockiert, die Versorgung und Reisende nahmen den Umweg über den Süden (NLM/Barnett 7.8.2023). Die somaliländische Armee stand 2 km außerhalb der Stadt (MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023). Immer wieder betätigte sie sich mit sporadischem Artilleriebeschuss (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023; vgl. MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023).

Am 25.8.2023 eroberte SSC-Khatumo den wichtigen Militärstützpunkt in Gooja'ade in der Nähe von Laascaanood. Bei den Kämpfen wurden Dutzende somaliländische Soldaten getötet, Hunderte weitere als Kriegsgefangene genommen. Dieser Rückschlag für die somaliländische Armee hat das Risiko eines umfassenden Krieges in den östlichen Gebieten Somalilands rapide erhöht. Auf beiden Seiten kommt es zu Zeichen der Eskalation (Sahan/SWT 18.9.2023). SSC-Khatumo hat am 28.8.2023 angekündigt, die Feindseligkeiten einzustellen. Gleichzeitig wollen die Separatisten ihre Kräfte aus Laascaanood zurückziehen und die Rückkehr der Bewohner ermöglichen. Zudem wurde betont, dass man keinesfalls auf das Territorium anderer Clans vordringen wird (HO 29.8.2023). Ursprünglich hatten die Dhulbahante den Abzug Somalilands aus allen Teilen von Sool und Sanaag gefordert (NH 13.6.2023). Die Dhulbahante werden die Grenze zu Isaaq-Gebieten aber nicht überschreiten (BMLV 14.9.2023). Zu Gefechten und Kampfhandlungen kam es auch am 9. und 11.10. sowie am 22.11.2023 (BMLV 1.12.2023). Rebellen von SSC-Khatumo haben ein Dorf der Isaaq / Habr Jeclo niedergebrannt, Zivilisten wurden getötet. Der Handel in Richtung Somaliland/Berbera bleibt weiterhin unterbrochen (AQ21 11.2023).

SSC-Khatumo - "Bundesstaat" und innere Spannungen: Bis zum aktuellen Konflikt wurden SSC und Khatumo immer nur von Handlangern der Diaspora betrieben. Die Führung lag immer bei der Diaspora. Diesmal konnte man aber den Clanführer der Dhulbahante für sich gewinnen, der neben der traditionellen Rolle nun auch eine politische Rolle beim SSC innehat (BMLV 14.9.2023). Die Erklärung von SSC-Khatumo zu einem neuen somalischen Bundesstaat bedeutet jedenfalls, dass sowohl die Ansprüche Somalilands als auch frühere Ansprüche Puntlands auf das Territorium abgelehnt werden (NH 13.6.2023). Allerdings wird nur die Region Sool vorwiegend von Dhulbahante bewohnt. "SSC" bezieht sich aber auf drei Teile, die einen Bundesstaat Somalias ausmachen sollen. Anders als in Sool, gibt es in Sanaag nur wenige Dhulbahante, hingegen viele Isaaq und Warsangeli. Und im Bezirk Caynaabo ("Cayn") wohnen laut einer Quelle v.a. Isaaq (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Folglich repräsentiert SSC-Khatumo nur einen Teil von Togdheer und einen Teil der Region Sool, steht aber jedenfalls nicht für Sanaag, für die Warsangeli (BMLV 14.9.2023).

Stig: In der Vergangenheit gab es bei den Dhulbahante immer interne Brüche (AQ21 11.2023). Grundsätzlich handelt es sich bei SSC-Khatumo historisch immer schon um eine kleine Fraktion der Dhulbahante, die mehrfach versucht hat, einen eigenen Bundesstaat zu schaffen. Früher kam und ging diese Bewegung. Nun aber versucht sie, an Relevanz zu gewinnen. Sie hat einen lokalen Konflikt mehr oder weniger in Geiselhaft genommen, militarisiert und von der Diaspora in den USA und Kanada aus vorangetrieben - u.a. mit Social Media (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Dabei spricht der SSC nach wie vor nur für einen Teil der Dhulbahante (BMLV 14.9.2023), auch wenn es anfangs den Anschein gemacht hat, als würde sich der Clan einigen (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Tatsächlich ist er uneinig (Omer/STDOK/SEM 4.2023), und hinter dem sogenannten "Council of Elders" steht nur ein Teil der Dhulbahante. Laut einer Quelle der FFM 2023 schaut sich der größere Teil des Clans den Konflikt aus der Distanz an (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Nicht alle wollen einen eigenen Bundesstaat; manche wollen ein Teil Puntlands werden, einige wenige unterstützen den Verbleib bei Somaliland - v.a. Dhulbahante aus dem westlichen Teil von Sool (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Im Juli 2023 hat SSC-Khatumo bzw. haben die Garaads einen 45-köpfigen Rat eingesetzt. Dieser soll für eine Übergangsperiode von zwei Jahren die Führung übernehmen (NLM/Barnett 7.8.2023). Die Stadt Laascaanood wird (Stand Mai 2023) nicht von einer Zivilverwaltung, sondern von Ältesten geführt (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Laut einem Experten versuchen die Rebellen, eine zivile Verwaltung aufzubauen. Diese wird demnach auf Dhulbahante, Fiqishini (Hawiye) und Gabooye aufgeteilt (AQ21 11.2023).

Ein Teil des Geldes für den SSC stammt aus der Diaspora (BMLV 14.9.2023; vgl. Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Möglicherweise spielen auch Rohstofffunde in den Ausläufern der Golisberge eine Rolle (seltene Erden, Lithium, Beryllium), wodurch eine fremde Macht als Geldquelle in Frage kommen könnte (BMLV 14.9.2023).

SSC-Miliz: Im Zuge der Kampfhandlungen haben sich um SSC-Khatumo laut einer Quelle 10.000-12.000 lose organisierte Kämpfer gesammelt. Viele kommen von auswärts und haben seit Jahren keinen Fuß mehr nach Laascaanood gesetzt. Soldaten der Bundesarmee, der Sicherheitskräfte Puntlands und der somaliländischen Armee desertieren entlang der Clanlinien, um sich SSC-Khatumo bzw. Clanmilizen anzuschließen. Beim Ausbruch der Kämpfe strömten verschiedene Clanmilizen der Dhulbahante und später der breiteren Harti-Gemeinschaft (zu der auch die Dhulbahante und Majerteen gehören) nach Laascaanood. All diese Kräfte, die nominell als 'SSC' gelten, schlossen sich entlang der Subclans zu verschiedenen Einheiten zusammen. So gibt es Milizlager der Yahye (Dhulbahante), der Isse Mohamud (Majerteen) der Ugaadhyahan (Dhulbahante), der Osman Mohamud (Majerteen) und so weiter. Dementsprechend gibt es auch kein gemeinsames Kommando (NLM/Barnett 7.8.2023). Seitens der Warsangeli beteiligen sich nur einzelne Kämpfer (BMLV 14.9.2023; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023). Die Kämpfer der SSC dienen aus eigener Motivation, sie sind Freiwillige, die keinen Sold, keine Ausbildung und auch keine Angelobung erhalten (NLM/Barnett 7.8.2023). Ursprünglich hatte die SSC um die Unterstützung nicht nur der Harti, sondern aller Darod angesucht - also der höchsten Clanebene. Diesbezüglich sind wieder die Isaaq sehr sensibel, denn hier kommen Erinnerungen an die Zeit von Siyad Barre auf. Die Zerstörung Hargeysas 1988 wurde von Barre - einem Darod - initiiert, der die Unterstützung aller Darod genoss (Omer/STDOK/SEM 4.2023).

Flüchtlinge: Anfang 2023 sind 185.000-200.000 Menschen – hauptsächlich Frauen, Kinder und ältere Menschen – in die umliegenden Dörfer von Laascaanood geflohen (NH 13.6.2023; vgl. MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023, INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Die meisten Zivilisten waren im Feber 2023 aus der Stadt geflohen (NLM/Barnett 7.8.2023). Mehrere Quellen bestätigen Anfang Oktober 2023, dass die Mehrheit der Vertriebenen nach Laascaanood zurückgekehrt ist (CEDOCA 10.10.2023), eine Quelle spricht von 80 % (AQ21 11.2023).

Kriegsgefangene: Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass Somaliland die Kämpfer des SSC als Terroristen erachtet (IO-D/STDOK/SEM 4.2023), Laut einer anderen Quelle werden die Gefangenen gut behandelt und vermutlich nicht vor Gericht gestellt, sondern nach Ende des Konflikts freigelassen (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Die SSC hat angekündigt, Kriegsgefangene in Einklang mit islamischem und Gewohnheitsrecht sowie mit internationalen Normen zu behandeln. Jene Kriegsgefangenen, die ‘Kriegsverbrechen’ verübt haben, werden demnach vor Gericht gestellt (HO 29.8.2023).

Puntland ist für SSC-Khatumo die Lebensader, von dort kommen Waffen und Versorgung (NLM/Barnett 7.8.2023). Dies geschieht aber eher verdeckt, eine Konfrontation von Darod gegen Irir (Isaaq + Hawiye) wäre eine gefährliche Eskalation (AQ16 9.2023). Zu den militärischen Anführern des Aufstandes zählen auch mehrere Offiziere puntländischer Sicherheitskräfte "in Karenzierung" (AQ21 11.2023). Hinsichtlich einer Unterstützung von SSC-Khatumo ist Puntland gespalten; einige unterstützen die Idee, andere wollen diese Landesteile lieber in Puntland inkorporieren. Dies gilt auch für die politische Spitze: Der Vizepräsident ist ein Unterstützer von SSC-Khatumo, der Präsident ist es nicht (IO-D/STDOK/SEM 4.2023).

Somalische Regierung: SSC-Führer nennen hinsichtlich ihrer Ziele zwei Prioritäten: Freiheit der Dhulbahante von den Isaaq, Einheit Somalias. Noch im August bewertet eine Quelle, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass die Bundesregierung dem SSC-Khatumo relevante Unterstützung zukommen wird lassen (NLM/Barnett 7.8.2023); und noch im September 2023 hat ein Experte angegeben, dass es seitens der Bundesregierung keine Bereitschaft gibt, SSC-Khatumo als Bundesstaat anzuerkennen (BMLV 14.9.2023). Auch eine Quelle der FFM Somalia 2023 sah dies so (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Eine Anerkennung könnte im Süden dazu führen, dass sich auch dort Clans für neue, SSC-ähnliche und Clan-homogene Bundesstaaten einsetzen werden (NLM/Barnett 7.8.2023). Zudem ist unklar, wie die Warsangeli (Sanaag) dazu stehen. Sie werden sich nicht geschlossen auf SSC-Khatumo einlassen (BMLV 14.9.2023). Der Suldan der Warsangeli hatte ursprünglich angegeben, sich nicht an diesem Konflikt beteiligen zu wollen. Die Mehrheit dieses Clans steht außerhalb von SSC-Khatumo (Omer/STDOK/SEM 4.2023; vgl. AQ21 11.2023). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 gibt an, dass die Warsangeli lediglich 'moralisch' auf der Seite der Dhulbahante stehen (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Die Bundesregierung hat SSC-Khatumo bislang lediglich als "local administration" anerkannt (BMLV 1.12.2023).

Ethnische Spannungen bzw. Diskriminierung aufgrund des Konflikts um Laascaanood – Ergebnisse der FFM Somalia 2023 (4.-5.2023):

Isaaq und Dhulbahante sind eng miteinander verwoben. Es sind die zwei am stärksten durch Mischehen verbundenen Clans in Somalia. Alleine in Hargeysa gibt es 60-70 % Mischehen. Hier erkennt man die Clans nicht einmal an ihrem Dialekt - weil sie eben so durchmischt sind (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Dhulbahante sind in Hargeysa sehr präsent (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023).

Im Rahmen des Konflikts um Laascaanood wurden Familien auf die Zerreißprobe gestellt (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). V.a. zu Beginn des Konflikts gingen die Emotionen hoch (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Manche Dhulbahante sahen die Verlustzahlen der Kämpfe im Osten und befürchteten, dass an ihnen Rache genommen werden wird (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass sich Dhulbahante stigmatisiert gefühlt haben, und deshalb Hargeysa verlassen haben (MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle macht für diese Ängste grundsätzlich auch Social Media verantwortlich. Zitat: "In den ersten Wochen ging es auf den Sozialen Medien verrückt zu. Ehefrauen sagten auf TikTok: 'Ich lasse mich von meinem Mann scheiden, weil er ein Dhulbahante ist.'" (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Auch die Diaspora der Dhulbahante hat ihren Teil dazu beigetragen, indem sie auf Social Media Angst geschürt hat. Eine eigene Cyber-Gruppe hat gezielt Propaganda und falsche Narrative verbreitet (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Als die Kämpfe in Laascaanood begonnen haben, gab es vereinzelte Berichte über Vorfälle gegen Dhulbahante. So soll in Burco eine junge Frau von anderen jungen Frauen verprügelt worden sein. Auch aus Hargeysa kamen derartige Berichte (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). So entstanden immer größere Spannungen und schließlich verließen manche Dhulbahante die Städte (Omer/STDOK/SEM 4.2023), flohen aus Borama, Burco (Scholar/STDOK/SEM 5.2023; vgl. INGO-V/STDOK/SEM 5.2023) oder Hargeysa - aus Angst. Sie wollten kein Risiko eingehen (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023). Viele von denen, die gegangen sind, gingen nach Jijiga (Äthiopien), Garoowe, Bossaso, Galkacyo und Ceerigaabo (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Die meisten Dhulbahante sind aber geblieben (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023).

Die Situation hat sich später beruhigt, die Emotionen gingen nach unten (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Intellektuelle oder Studenten haben öffentlich gefordert, dass Dhulbahante nicht diskriminiert werden sollen (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Jene, die geblieben sind, wurden nicht wirklich zum Ziel (Scholar/STDOK/SEM 5.2023; vgl. MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023). Nach anderen Angaben werden Dhulbahante mitunter angefeindet (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle betont, dass den Dhulbahante nichts geschehen ist. Der Quelle ist kein einziges Beispiel bekannt, wo es diesbezüglich zu Racheakten gekommen wäre (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023). Auch eine weitere Quelle betont, dass die Bedrohungssituation für Dhulbahante nicht real ist (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Wieder eine weitere Quelle erklärt, dass es für Dhulbahante weder in Hargeysa noch in Burco oder Borama Probleme gibt (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023), eine andere stellt das Fehlen von Problemen für Hargeysa fest (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Und noch eine weitere Quelle erklärt (Zitat): "Es gibt in Hargeysa keine Repressionen gegen Dhulbahante. Sie sind zu sehr durchmischt [intermingled]." (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Weitere Quellen erklären, dass Dhulbahante in Hargeysa nicht angegriffen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023) bzw. belästigt werden (MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023). Insgesamt gibt es laut einer Quelle keine grobe Diskriminierung von Dhulbahante, die in Hargeysa leben. Selbst in der somaliländischen Armee gibt es demnach Dhulbahante (Scholar/STDOK/SEM 5.2023).

Eine Quelle berichtet hingegen, dass es vorkommen kann, dass Dhulbahante von „normalen“ Menschen beschimpft werden - z.B. am Arbeitsplatz (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Mehrere Quellen haben außerdem davor gewarnt, dass sich die diesbezügliche Lage verschlechtern könnte (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vgl. SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023, SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Drei Quellen betonen, dass Rache durchaus im Raum steht - v.a. wenn die Kämpfe weiter andauern (Scholar/STDOK/SEM 5.2023; vgl. MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023, SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023). Laut einer Quelle wird es dann in erster Linie im Osten von Somaliland zu Rachemorden kommen. In den Gebieten östlich von Burco gibt es zwischen den Isaaq und den Dhulbahante eine lange Geschichte an Rachemorden. In Hargeysa ist so etwas demnach lediglich in Einzelfällen vorstellbar (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Allerdings verändert sich die Perzeption in der Bevölkerung, das - von der Regierung geförderte - Narrativ des „Wir gegen alle anderen“ ist stärker geworden. Und diese Haltung richtet sich nun auch gegen die Dhulbahante (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Dementsprechend fühlen sich nun Dhulbahante auf Isaaq-Gebiet unsicher bzw. unwohl (Omer/STDOK/SEM 4.2023; vgl. SECEX/STDOK/SEM 4.2023) - und umgekehrt (Omer/STDOK/SEM 4.2023).

Betroffen sind neben den Dhulbahante auch andere Clans. Eine Quelle berichtet, dass ihre puntländischen Mitarbeiter in der Vergangenheit in Hargeysa nie Probleme gehabt hätten. Nun aber würden diese immer öfter belästigt (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Andererseits haben einige Isaaq Garoowe verlassen (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle berichtet, dass sie Mitarbeiter aus anderen Teilen Somalias aus Somaliland abgezogen hat, weil diese sich bedroht fühlten. Das Ansehen von Somalis aus anderen Landesteilen verändert sich in Somaliland. Somalische Akteure werden für den Konflikt in Laascaanood verantwortlich gemacht (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023).

Allgemeine Menschenrechtslage

Somaliland

In der Verfassung von Somaliland ist der Schutz der Menschenrechte ebenso verankert wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 28.6.2022, S. 21). In den Zentren von Somaliland herrscht im Wesentlichen Rechtsstaatlichkeit, und die Polizei und andere Behörden arbeiten halbwegs gut. In den abgelegen Gebieten des Landes sorgen lokale Autoritäten für Recht und Ordnung. In diesem Kontext werden die Rechte von Frauen und lokalen Minderheiten oft nur unzureichend gewährleistet (BS 2022, S. 19).

Zu Somaliland liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich extralegaler Tötungen oder systematischer Verfolgung sowie zu willkürlichen Festnahmen und Verschwindenlassen vor. Vorwürfe dieser Art werden nicht erhoben (AA 28.6.2022, S. 21f). Bei Human Rights Watch werden für das Jahr 2021 lediglich die Verhaftung von sieben Oppositionskandidaten und sieben Journalisten im Vorfeld der Wahlen sowie die Deportation von 1.750 Personen aus dem South West State als für Somaliland relevante Kritikpunkte hervorgehoben (HRW 13.1.2022). Freedom House berichtet, dass es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen und überlangem Gewahrsam ohne Anklage kommt (FH 2022b, F2). Mit Stand November 2022 zeichnet sich ein eher negativer Trend im demokratischen Bereich und im Menschenrechtsbereich ab, mit Toten bei Demonstrationen und der Verhaftung von Journalisten und Oppositionellen (ÖB 11.2022, S. 17). So haben die Sicherheitskräfte etwa zum Jahreswechsel 2022/23 bei Unruhen in Laascaanood überproportional Gewalt angewendet, mehrere Menschen wurden getötet (Sahan 4.1.2023).

Minderheiten und Clans

Der Clan ist die relevanteste soziale, ökonomische und politische Struktur in Somalia. Er bestimmt den Zugang zu Ressourcen sowie zu Möglichkeiten, Einfluss, Schutz und Beziehungen (SPC 9.2.2022). Dementsprechend steht Diskriminierung in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke haben (AA 28.6.2022, S. 11). Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt (BS 2022, S. 10). Selbst relative starke Clans können von einem lokalen Rivalen ausmanövriert werden, und es kommt zum Verlust der Kontrolle über eine Stadt oder eine regionale Verwaltung. Meist ist es die zweitstärkste Lineage in einem Bezirk oder einer Region, welche über die Verteilung von Macht und Privilegien am unglücklichsten ist (Sahan 30.9.2022).

Clanälteste dienen als Vermittler zwischen Staat und Gesellschaft. Sie werden nicht einfach aufgrund ihres Alters gewählt. Autorität und Führungsposition werden verdient, nicht vererbt. Ein Clanältester repräsentiert seine Gemeinschaft, ist ihr Interessenvertreter gegenüber dem Staat. Innerhalb der Gemeinschaft dienen sie als Friedensstifter, Konfliktvermittler und Wächter des Xeer. Bei Streitigkeiten mit anderen Clans ist der Clanälteste der Verhandler. Al Shabaab installiert oft Älteste, welche die Gruppe repräsentieren. Er wird so zum Bindeglied zwischen der Gemeinschaft und al Shabaab. So werden zuvor legitime Strukturen in Geiselhaft genommen (Sahan 26.10.2022).

In ganz Somalia sehen sich Menschen, die keinem der großen Clans angehören, in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz (UNHCR 22.12.2021, S. 56) und für ökonomische sowie politische Partizipation (UNHCR 22.12.2021, S. 56; vgl. BS 2022, S. 23). Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt - trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten (BS 2022, S. 23). Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung (UNHCR 22.12.2021, S. 56). Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (UNOCHA 14.3.2022).

Recht: Die Übergangsverfassung und Verfassungen der Bundesstaaten verbieten die Diskriminierung und sehen Minderheitenrechte vor (UNHCR 22.12.2021, S. 56). Weder das traditionelle Recht (Xeer) (SEM 31.5.2017, S. 42) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (SEM 31.5.2017, S. 42; vgl. ÖB 11.2022, S. 4). Allerdings sind Angehörige von Minderheiten in staatlichen Behörden unterrepräsentiert und daher misstrauisch gegenüber diesen Einrichtungen (ÖB 11.2022, S. 4). Von Gerichten Rechtsschutz zu bekommen, ist für Angehörige von Minderheiten noch schwieriger als für andere Bevölkerungsteile (FIS 7.8.2020, S. 21). Auch im Xeer sind Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson eng verbunden mit der Macht ihres Clans (SEM 31.5.2017, S. 31). Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige aber möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen einem andern Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen. Diese Resilienz-Maßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet (DI 6.2019, S. 11). Aufgrund dieser Allianzen werden auch Minderheiten in das Xeer-System eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya (Kompensationszahlung) bei (SEM 31.5.2017, S. 33). Gemäß einer Quelle haben schwächere Clans und Minderheiten trotzdem oft Schwierigkeiten – oder es fehlt überhaupt die Möglichkeit – ihre Rechte im Xeer durchzusetzen (LIFOS 1.7.2019, S. 14).

Angehörige von Minderheiten stehen vor Hindernissen, wenn sie Identitätsdokumente erhalten wollen - auch im Falle von Reisepässen (UNHCR 22.12.2021, S. 58).

Politik: Politische Repräsentation, politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament sind um die verschiedenen Clans bzw. Subclans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren - und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel (ÖB 11.2022, S. 3). Dies bedeutet, dass den vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zusteht, während kleinere Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze erhalten (ÖB 11.2022, S. 3; vgl. USDOS 12.4.2022, S. 31f; FH 2022a, B4). Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert (FH 2022a, B4). Sie werden von relevanten politischen Posten ausgeschlossen und die wenigen Angehörigen von Minderheiten, die solche Posten halten, haben kaum die Möglichkeit, sich für ihre Gemeinschaften einzusetzen (SPC 9.2.2022). So ist also selbst die gegebene, formelle Vertretung nicht mit einer tatsächlichen politischen Mitsprache gleichzusetzen, da unter dem Einfluss und Druck der politisch mächtigen Clans agiert wird. Die 4.5-Formel hat bisher nicht zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clan-bezogenen Gleichberechtigung beigetragen (ÖB 11.2022, S. 4).

Gesellschaft: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 12.4.2022, S. 41; vgl. AA 28.6.2022, S. 14; FH 2022a, F4). Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – nicht aber systematisch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 28.6.2022, S. 14). Zudem sind die Systeme gegenseitiger Unterstützung bei ihnen weniger gut ausgebaut, und sie verfügen über geringere Ressourcen (Sahan 24.10.2022) und erhalten weniger Remissen (Sahan 24.10.2022; vgl. SPC 9.2.2022). Die mächtigen Gruppen erhalten den Löwenanteil an Jobs, Ressourcen, Verträgen, Remissen und humanitärer Hilfe. Schwache Gruppen erhalten wenig bis gar nichts. Bei der Hungersnot 1991 waren die meisten Hungertoten entweder Digil-Mirifle oder Bantu. Dies gilt auch für die Hungersnot im Jahr 2011. Ein Grund dafür ist, dass humanitäre Hilfe von mächtigeren Clans vereinnahmt wird (Sahan 24.10.2022). Dementsprechend stehen Haushalte, die einer Minderheit angehören, einem höheren Maß an Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung gegenüber. Meist sind Minderheitenangehörige von informeller Arbeit abhängig, und die allgemeinen ökonomischen Probleme haben u.a. die Nachfrage nach Tagelöhnern zurückgehen lassen. Dadurch sind auch die Einkommen dramatisch gesunken (UNOCHA 14.3.2022).

Gewalt: Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans - oft unter Duldung lokaler Behörden (USDOS 12.4.2022, S. 41). In Mogadischu können sich Angehörige aller Clans frei bewegen und auch niederlassen. Allerdings besagt der eigene Clanhintergrund, in welchem Teil der Stadt es für eine Person am sichersten ist (FIS 7.8.2020, S. 39).

Al Shabaab: Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab gezielt Kinder von Minderheiten entführt (BS 2022, S. 19; vgl. ÖB 11.2022 S. 6). Gleichzeitig nützt al Shabaab die gesellschaftliche Nivellierung als Rekrutierungsanreiz – etwa durch die Abschaffung der Hindernisse für Mischehen zwischen "noblen" Clans und Minderheiten (ICG 27.6.2019, S. 7f). Dementsprechend wird die Gruppe von Minderheitsangehörigen eher als gerecht oder sogar attraktiv erachtet (DI 6.2019, S. 11; vgl. ÖB 11.2022, S. 4). Al Shabaab hat sich die gesellschaftliche Benachteiligung von Gruppen zunutze gemacht (Sahan 24.10.2022). Ein überproportionaler Teil von al Shabaab setzt sich aus Angehörigen der am meisten marginalisierten Gruppen Somalias zusammen (Sahan 30.9.2022). Fehlender Rechtsschutz auf Regierungsseite ist ein weiterer Grund dafür, dass Angehörige von Minderheiten al Shabaab beitreten (FIS 7.8.2020, S. 21). Missstände treiben ganze Gemeinden in die Arme von al Shabaab. Sie suchen ein taktisches Bündnis – haben dabei aber keine dschihadistische Vision, sondern wollen ihre Rivalen ausstechen. Al Shabaab nimmt derartige Spannungen gerne auf und verwendet sie für eigene Zwecke (Sahan 30.9.2022). Aufgrund der (vormaligen) Unterstützung von al Shabaab durch manche Minderheiten kann es in Regionen, aus welchen al Shabaab gewichen ist, zu Repressalien kommen (ÖB 11.2022, S. 4f).

Bevölkerungsstruktur

Somalia ist eines der wenigen Länder in Afrika, wo es eine dominante Mehrheitskultur und -Sprache gibt. Die Mehrheit der Bevölkerung findet sich innerhalb der traditionellen somalischen Clanstrukturen (UNHCR 22.12.2021, S. 56). Somalia ist nach Angabe einer Quelle ethnisch sehr homogen; allerdings sei der Anteil ethnischer Minderheiten an der Gesamtbevölkerung unklar (AA 28.6.2022, S. 11/14). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85 % der Bevölkerung eine ethnische Herkunft (USDOS 12.4.2022, S. 40). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (GIGA 3.7.2018). Es gibt weder eine Konsistenz noch eine Verständigungsbasis dafür, wie Minderheiten definiert werden (UNOCHA 14.3.2022; vgl. NLMBZ 1.12.2021, S. 44). Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6 % bis hin zu 33 %. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren (NLMBZ 1.12.2021, S. 44; vgl. SEM, 31.5.2017, S. 12). Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 18.4.2021, S. 12). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017, S. 5).

Insgesamt ist das westliche Verständnis einer Gesellschaft im somalischen Kontext irreführend. Dort gibt es kaum eine Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre. Zudem herrscht eine starke Tradition der sozialen Organisation abseits des Staates. Diese beruht vor allem auf sozialem Vertrauen innerhalb von Abstammungsgruppen. Seit dem Zusammenbruch des Staates hat sich diese soziale Netzwerkstruktur reorganisiert und verstärkt, um das Überleben der einzelnen Mitglieder zu sichern (BS 2022, S. 34). Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, S. 8).

Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017, S. 5). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, "noble" Clanfamilien sind meist Nomaden:

Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.

Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.

Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).

Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.

Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle sind eine weitere Clanfamilie (SEM 31.5.2017, S. 10). Vor dem Bürgerkrieg der 1990er war noch auf sie herabgesehen worden. Allerdings konnten sie sich bald militärisch organisieren (BS 2020, S. 9).

Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017, S. 25). In Mogadischu verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen (FIS 7.8.2020, S. 38ff).

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017, S. 5). Insgesamt gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI 4.4.2016, S. 9). Zudem gewinnt die Mitgliedschaft in einer islamischen Organisation immer mehr an Bedeutung. Dadurch kann eine "falsche" Clanzugehörigkeit in eingeschränktem Ausmaß kompensiert werden (BS 2022, S. 25).

Somaliland

Große Clans in Somaliland: In der Region Awdal wohnen v. a. Angehörige der Dir/Gadabursi und Dir/Issa. In den Regionen Woqooyi Galbeed und Togdheer wohnen v. a. Angehörige der Isaaq-Subclans Habr Jeclo, Habr Yunis, Idagala und Habr Awal. In der Region Sool wohnen v. a. Angehörige der Darod/Dulbahante (Taleex, Xudun, Laascaanood), Isaaq/Habr Yunis (Xudun, Laascaanood) und Isaaq/Habr Jeclo (Caynabo). In der Region Sanaag wohnen v. a. Angehörige der Darod/Warsangeli (Lasqooraay, Ceerigaabo), Isaaq/Habr Yunis (Ceerigaabo) und Isaaq/Habr Jeclo (Ceel Afweyn) (EASO 2.2016, S. 72ff). Die einzelnen Clans der Minderheiten der Berufskasten in Somaliland werden unter dem Begriff "Gabooye" zusammengefasst (Muse Dheriyo, Tumal, Madhiban, Yibir) (UNHRC 28.10.2015, Abs. 43; vgl. SEM 31.5.2017, S. 16).

Wie in den restlichen Landesteilen bekennt sich die Verfassung zum Gebot der Nichtdiskriminierung (AA 28.6.2022, S. 12). In Somaliland sind Mitbestimmung und Schutz von Minderheiten vergleichsweise gut ausgeprägt (GIGA 3.7.2018). Nach anderen Angaben besteht offiziell kein Minderheitenschutz (ÖB 11.2022, S. 18). Der Eindruck entsteht, wonach Somaliland zunehmend zentralisiert wird und im Sinne spezifischer Clans agiert, während andere Clans marginalisiert bleiben (BS 2022, S. 39).

In Somaliland sind die Clanältesten der Minderheiten jedenfalls gleich wie jene der Mehrheitsclans offiziell anerkannt, und die Minderheiten sind in den politischen Parteien vertreten. Einige Älteste (Suldaan) der Gabooye sind im Oberhaus des Parlaments (Guurti) vertreten (SEM 31.5.2017, S. 48). Bei den Wahlen im Mai 2021 wurden Minderheitenangehörige ins somaliländische Unterhaus gewählt (EEAS 8.6.2021) - darunter ein Abgeordneter der Gabooye. Der neue Sprecher des Unterhauses gehört – wie auch der vorige – zum Clan der Dulbahante (ICG 12.8.2021, S. 4/7). Der stellvertretende Vorsitzende der Somaliland Human Rights Commission gehört einer Minderheit an, außerdem hat der Präsident einen eigenen Berater für Minderheitenfragen (USDOS 12.4.2022, S. 32).

Im Alltag spielt die Clanzugehörigkeit eine große Rolle (AA 28.6.2022, S. 12). Große Clans dominieren Politik und Verwaltung, wodurch kleinere Gruppen marginalisiert, gesellschaftlich manchmal diskriminiert werden. Ihr Zugang zu öffentlichen Leistungen ist schlechter (FH 2022b, B4/F4). Dies trifft v.a. auf die Gabooye zu. Diese leiden unter sozialer und wirtschaftlicher Benachteiligung und werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Eine systematische Verfolgung findet allerdings nicht statt (ÖB 11.2022, S. 18). Im Justizsystem treffen Minderheitenangehörige allerdings auf Vorurteile (FH 2022b, F4), und es kann vorkommen, dass Vergehen gegenüber Minderheiten-Angehörigen seitens der Polizei nicht nachgegangen wird. Sie werden von den somaliländischen Gerichten in den letzten Jahren aber mehrheitlich fair behandelt, es kommt zu keiner systematischen Benachteiligung durch Polizei und Gerichte. Die offizielle Anerkennung von Gabooye-Suldaans hat zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Ihr gesellschaftlicher Ruf hat sich dadurch generell verbessert. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Im Xeer (traditionelles Recht) haben Gabooye zwar ihre Rechte (SEM 31.5.2017, S. 40ff), es kann aber vorkommen, dass Mehrheitsclans aufgrund ihrer Machtstellung Kompensationszahlungen nicht tätigen (GIGA 3.7.2018).

Beispiel Sanaag: In Ceerigaabo leben alle Gabooye (ca. 500 Haushalte) außerhalb des Stadtzentrums. Der Besuch einer Grundschule ist in Sanaag möglich; doch hinsichtlich höherer Bildung stehen Gabooye oft vor finanziellen Hindernissen. In der Verwaltung der Region arbeitet nur ein Gabooye; zwei arbeiten bei Lokalräten (UNSOM 22.6.2022).

Mischehen werden stigmatisiert (FH 2022b, G3), von den Clans Isaaq und Darod vehement abgelehnt, vom Clan der Dir eher akzeptiert (SEM 31.5.2017, S. 45). Gleichzeitig kommen Mischehen im clanmäßig homogeneren Norden tendenziell seltener vor, als im stärker durchmischten Süden (ÖB 11.2022, S. 4).

Es gibt einige NGOs, die sich explizit für Minderheiten einsetzen. Hinsichtlich berufsständischer Gruppen sind dies u.a.: Daami Youth Development Organization (DYDO), Somaliland National Youth Organization (SONYO Umbrella), Ubax Social and Welfare Organization (USWO), Voices of Somaliland Minority Women Organization (VOSOMWO) (SEM 31.5.2017, S. 43);

Es kommt nur sporadisch zum Aufflammen bewaffneter Clanauseinandersetzungen, welche über kleine Schusswechsel hinausgehen. In der Regel folgt ein Aufruf der Regierung an die betroffenen Ältesten, eine Konfliktlösung herbeizuführen. Bei einer weiteren Eskalation schreiten Sicherheitskräfte ein, und die Regierung versucht, das Problem eigenständig zu lösen. Dieser Ansatz ist nicht immer erfolgreich (BFA 8.2017, S. 101).

Relevanter und von größerer Auswirkung ist das System der Blutrache. Hier können selbst Personen betroffen sein, die nach Jahren in der Diaspora nach Hause zurückkehren. Während Sicherheitskräfte in größere Clankonflikte eingreifen, tun sie dies bei Blutfehden nur selten bzw. ist ein Eingreifen nicht möglich. Gleichzeitig sind Polizisten selbst Angehörige eines Clans, was die Sache erschwert (BFA 8.2017, S. 101).

Angehörige anderer Clans in der Position als Minderheit, Clanlose

Auch Angehörige starker Clans können zu Minderheiten werden. Dies ist dann der Fall, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ein anderer Clan dominant ist. Dies kann Einzelpersonen oder auch ganze Gruppen betreffen. So sehen sich beispielsweise die Biyomaal als exponierter Dir-Clan in Südsomalia manchmal in dieser Rolle. Generell gerät eine Einzelperson immer dann in die Rolle der Minderheit, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Die Position als "Gast" ist schwächer als jene des "Gastgebers". Im System von "hosts and guests" sind Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als "Gäste". Dieses System gilt auch für IDPs (SEM 31.5.2017, S. 11f/32f).

Diskriminierung: In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus. Diskriminierung erfolgt etwa auch beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Gerichtsverfahren (USDOS 12.4.2022, S. 40). Angehörige eines (Sub-)Clans können in von einem anderen (Sub-)Clan dominierten Gebiete auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 18.4.2021, S. 12). In Mogadischu ist es im Allgemeinen schwierig, Menschen die dort aufgewachsen sind, nach Clans zu differenzieren. Es gibt keine äußerlichen Unterschiede, auch der Akzent ist der gleiche. Selbst anhand von Namen lassen sich die Menschen nicht einmal ethnisch zuordnen, da vor allem arabische Namen verwendet werden (UNFPA/DIS 25.6.2020).

Ashraf und Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status. Beide Clans werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil-Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014, S. 46f/103).

Für eine Person ohne Clanidentität ist gesellschaftlicher Schutz nicht vorhanden. Dies führt nicht automatisch zu Misshandlung, fördert aber die Vulnerabilität. Sollte eine Person ohne Clanidentität und ohne Ressourcen zurückkehren, wird es im gegenwärtigen somalischen Kontext für diese physisch und wirtschaftlich sehr schwierig, zu überleben (ACCORD 29.5.2019, S. 2f). Allerdings gibt es laut Experten bis auf sehr wenige Waisenkinder in Somalia niemanden, der nicht weiß, woher er oder sie abstammt (ACCORD 31.5.2021, S. 37/39f). Das Wissen um die eigene Herkunft, die eigene Genealogie, ist von überragender Bedeutung. Dieses Wissen dient zur Identifikation und zur Identifizierung (Shukri 3.5.2021).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Entscheidung Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung (S. 7 der Niederschrift der Verhandlung). Der Beschwerdeführer hat kein Identitätsdokument vorgelegt. Diese Feststellungen gelten somit ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Religionszugehörigkeit, zum Familienstand, zur Herkunft, zu den Sprachkenntnissen, zur Schulbildung des Beschwerdeführers sowie zu seiner Pflegemutter und deren Clanzugehörigkeit stützen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften sowie gleichbleibenden Angaben im gesamten Verfahren (vgl. etwa AS 54ff; S. 7ff und 15f der Niederschrift der Verhandlung), auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Somali sowie auf die Kenntnis der geografischen Gegebenheiten Somalias. Aufgrund der – wie nachstehend ausgeführt – überwiegend allgemeinen und teilweise nicht übereinstimmenden Angaben zu seiner Abstammung bzw. Clanzugehörigkeit war eine entsprechende Negativfeststellung hinsichtlich seiner Clanzugehörigkeit zu treffen. Die Feststellung zur Finanzierung seiner Ausreise durch seine Pflegemutter beruht auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (S. 15 der Niederschrift der Verhandlung).

Das Datum der Antragstellung ergibt sich ebenso wie die Gewährung subsidiären Schutzes aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, stützt sich auf seine Angaben in der mündlichen Verhandlung (S. 5 der Niederschrift der Verhandlung). Die Feststellung zur Arbeitsfähigkeit beruht auf dem Umstand, dass eine Arbeitsunfähigkeit nicht behauptet wurde und auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen ist

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ist aus nachstehenden Gründen nicht glaubhaft und es ist nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer in Somalia individuell und konkret aufgrund bestimmter in seiner Person gelegener Eigenschaften bedroht oder verfolgt worden ist bzw. im Fall einer Rückkehr eine solche (asylrelevante) Verfolgung zu befürchten hätte.

Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen seiner polizeilichen Erstbefragung zu seinen Fluchtgründen befragt noch vor, nunmehr keine Familienangehörigen in Somalia zu haben; zudem habe er Existenzängste und Angst vor dem Hungertod (AS 20). Abgesehen davon, dass diesem Vorbringen durch die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigen Rechnung getragen wurde, erwähnte der Beschwerdeführer diese Befürchtungen im weiteren Verfahren nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen Fluchtgründen, sondern wechselte sein Fluchtvorbringen vielmehr aus und stützte es im Wesentlichen auf seine vermeintliche Clanlosigkeit und die (vorgebrachte) verbotene Liebesbeziehung zu einer Clanangehörigen der Isaaq; er selbst gehöre keinem Clan an, weil er als Säugling von seiner Pflegemutter gefunden worden und deshalb ein Waisenkind sei (AS 55ff; S. 7ff der Niederschrift der Verhandlung).

Es wird im vorliegenden Fall nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung nicht in erster Linie auf die Fluchtgründe des Beschwerdeführers bezog und diese nur in aller Kürze angegeben sowie protokolliert wurden. Dass der Beschwerdeführer jedoch in der Folge vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung andere Fluchtgründe als in der Erstbefragung vorbrachte und diese in weiterer Folge teilweise auf Mutmaßungen stützte, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar und zumindest als (weiteres) Indiz für ein insgesamt nicht glaubhaftes Fluchtvorbringen zu werten.

Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung an, dass er keinem Clan angehöre, weil er ein uneheliches (Waisen-)Kind sei; aus diesem Grund sei er in der Schule diskriminiert worden (AS 56; S. 7f der Niederschrift der Verhandlung). Während er in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesbezüglich behauptete, von seiner Pflegemutter vor einer Moschee gefunden worden zu sein, gab er in der mündlichen Verhandlung hingegen an, dass sie ihn in einer Moschee seines Wohnbezirks gefunden und mitgenommen habe (AS 54; S. 8 der Niederschrift der Verhandlung). Überdies betonte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, ein „uneheliches Kind“ zu sein. Auf Nachfrage, ob seine Pflegemutter je darüber gesprochen habe, ob seine leiblichen Eltern verheiratet gewesen seien, behauptete er, dass seine Eltern, wären sie verheiratet gewesen, ihn nicht „weggeschmissen“ hätten (S. 14 der Niederschrift der Verhandlung). Hierbei stellt der Beschwerdeführer jedoch lediglich Mutmaßungen auf, da er – befragt nach seinen leiblichen Eltern – festhielt, weder über sie als Personen und ihren Aufenthalt noch über den Grund für das Weggeben Bescheid zu wissen; auch seine Pflegemutter habe keine Informationen diesbezüglich gehabt. Dieser Schilderung fehlte es zudem an eigenpsychischen Vorgängen des Beschwerdeführers sowie etwa an Gesprächsinhalten mit der Pflegemutter; der Beschwerdeführer gab lediglich an, dass er mit vierzehn oder fünfzehn Jahren von seiner Pflegemutter erfahren habe, dass sie ihn gefunden habe (vgl. S. 8f der Niederschrift der Verhandlung).

Folgt man den Angaben des Beschwerdeführers, dass er ein Waisenkind sei, ist dennoch nicht automatisch von einer Clanlosigkeit auszugehen. In gegenständlichem Fall verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass eine Person ohne Clanidentität grundsätzlich höherer Vulnerabilität ausgesetzt ist bzw. sein kann. Allerdings führt dies nicht automatisch zu Misshandlung und gibt es in Somalia laut Experten bis auf sehr wenige Waisenkinder niemanden, der seine Abstammung nicht kennt, weil das Wissen um die eigene Herkunft überragende Bedeutung in hat (siehe diesbezüglich die zugrunde gelegten Länderberichte). Dem Beschwerdeführer gelang es insgesamt nicht, die näheren Umstände zu seiner familiären Herkunft bzw. seinem Aufwachsen glaubhaft und widerspruchsfrei darzulegen, weshalb weder eine konkrete Clanzugehörigkeit noch eine Clanlosigkeit des Beschwerdeführers zweifelsfrei hervorging. Überdies ist nicht nachvollziehbar, weshalb er zu den Personen der Pflegeeltern, etwa deren Charaktereigenschaften und Gewohnheiten, keine einschlägigen Informationen preisgab, obwohl er erst im Alter von vierzehn oder fünfzehn Jahren davon erfahren habe, dass seine Pflegemutter nicht seine leibliche Mutter sei. Die Pflegemutter gehörte dem Clan der Isaaq an, weshalb angesichts der entsprechenden Dominanz dieses Clans in der Heimatregion des Beschwerdeführers und aufgrund der überwiegend allgemeinen sowie unschlüssigen Ausführungen des Beschwerdeführers, auch unter Verweis auf die zitierten Länderberichte, insgesamt von keiner (asylrelevanten) Verfolgungsgefahr auf Grundlage einer vermeintlich fehlenden Clanzugehörigkeit des Beschwerdeführers auszugehen war.

Auffallend war weiters, dass die vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstmals vorgebrachte Liebesbeziehung mit einer Angehörigen der Isaaq im Zuge der Beschwerdeverhandlung nicht umfassender und detailreicher geschildert wurde, vielmehr mussten die Geschehnisse rund um die Liebesbeziehung jeweils einzeln (wiederholt) erfragt werden. Überdies stimmten die wenigen Details, die in den Angaben des Beschwerdeführers erhalten waren, nicht überein: Während er in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch behauptete, dass der Bruder der Freundin ihn und das Mädchen gemeinsam gesehen und daraufhin den Beschwerdeführer am Bauch verbrannt habe (AS 56), führte er in der mündlichen Verhandlung aus, dass er in Ohnmacht gefallen sei, weil der Bruder ihn geschlagen und getreten hätte (S. 10 der Niederschrift der Verhandlung). Überdies divergierten seine Angaben auch hinsichtlich der vermeintlichen Verfolgung seitens des Bruders und Vaters der Freundin. Einerseits behauptete er in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch, vom Bruder und Vater der Freundin, wobei letzterer ein Polizist sei, zu Hause aufgesucht, aber nicht gefunden worden zu sein (AS 57). Andererseits gab er in der Beschwerdeverhandlung an, dass nur der Bruder von der heimlichen Beziehung gewusst habe (S. 12 der Niederschrift der Verhandlung). Die sodann vorgebrachte Behauptung, dass der Beschwerdeführer während der Erstbefragung erschöpft gewesen sei und deshalb die Verfolgung seitens der Familie des Mädchens nicht explizit vorgebracht habe (AS 60 und AS 148), erweist sich angesichts der Anzahl an Unstimmigkeiten somit lediglich als Schutzbehauptung, zumal sich die Ausführungen hinsichtlich der Beziehung und der vermeintlichen Schwangerschaft auch auf gänzlich allgemeine Angaben beschränkten. Zudem geht aus den Länderberichten hervor, dass selbst sogenannte Mischehen in Somalia mittlerweile kein großes Problem mehr darstellen, nur sehr selten zu Gewalt führen und nach einer gewissen Zeit sogar Akzeptanz erfahren.

Der in der mündlichen Verhandlung erstmals beanstandeten, nicht erfolgten Rückübersetzung der polizeilichen Erstbefragung ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung ausdrücklich versicherte, den Dolmetscher zu verstehen (AS 17 und AS 21) und nach erfolgter Rückübersetzung mit seiner Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift des Protokolls bestätigte. Überdies hatte der Beschwerdeführer – selbst unter Berücksichtigung der behaupteten fehlenden Rückübersetzung der polizeilichen Erstbefragung – sowohl im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch in der mündlichen Verhandlung erneut ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe ausführlich darzulegen.

Schlussendlich relativiert auch die Aussage des Beschwerdeführers, eine Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhoben zu haben, weil sein Sozialarbeiter ihm gesagt habe, eventuell einen „besseren“ Status zu bekommen (S. 6 der Niederschrift der Verhandlung), eine asylrelevante Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers. In einer Gesamtschau der dargelegten beweiswürdigenden Erwägungen sowie unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte der Beschwerdeführer den von ihm vorgebrachten Fluchtgrund nicht glaubhaft machen.

Die Feststellung, wonach das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit nicht konkret vorgebracht wurde und Hinweise für eine solche Verfolgung auch amtswegig nicht hervorgekommen sind, ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine Hinweise auf das Vorliegen einer solchen Verfolgung vorgebracht hat bzw. nicht einmal ein Hinweis auf eine solche amtswegig zu ersehen war.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben.

Dem Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderberichten eingeräumt; er ist diesen nicht substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig.

3.2. Zu A) Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zuge-hörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der Genfer Flüchtlingskonvention ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 mwN). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055; vgl. auch VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, mwN).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Herkunftsstaates bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Herkunftsstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (vgl. etwa VwGH 25.09.2018, Ra 2017/01/0203; 26.06.2018, Ra 2018/20/0307, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Herkunftsstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 12.06.2018, Ra 2018/20/0177; 19.10.2017, Ra 2017/20/0069). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der „Glaubhaft-machung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne der ZPO zu verstehen. Es genügt daher, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, das heißt er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichtes vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2018/19/0262; vgl. auch VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0237-0240, mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer keine (drohende) Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht habe. Mit dieser Beurteilung ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – wie beweiswürdigend dargelegt – im Ergebnis im Recht.

Da sich aus den Verfahrensergebnissen auch sonst keine konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete (drohende) Verfolgung in seinem Herkunftsstaat ableiten ließ, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (vgl. z.B. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0149, mwN).

Rückverweise