Spruch
W231 2269903-1/4Z
W231 2269918-1/5Z
W231 2269906-1/4Z
W231 2269900-1/4Z
W231 2269909-1/4Z
W231 2269913-1/4Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK als Einzelrichterin über die Beschwerden von (1) XXXX , geb. XXXX , (2) XXXX , geb. XXXX , (3) mj. XXXX , geb. XXXX , (4) mj. XXXX , geb. XXXX , (5) mj. XXXX , geb. XXXX und (6) mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, alle vertreten durch die BBU GmbH, gegen jeweils Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2023, Zl. (1) XXXX , (2) XXXX , (3) XXXX , (4) XXXX , (5) XXXX und (6) XXXX :
A)
Die Verfahren werden gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in den Rechtssachen C-608/22 und C-609/22 über die mit Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.09.2022, Ra 2021/20/0425 und Ra 2022/20/0028, vorgelegten Fragen ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die BF stellten am 17.07.2021 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.
Im Zuge der Erstbefragung am selben Tag gab BF1 an, er stamme aus Afghanistan, Provinz Kabul, sei mit XXXX (BF2) (traditionell) verheiratet, habe vier minderjährige Söhne, nämlich XXXX (BF3), XXXX (BF4), XXXX (BF5) und XXXX (BF6). Er sei Tadschike und Sunnit. Seine Muttersprache sei Dari. Er habe keine Schule besucht und sei zuletzt als Bauhilfsarbeiter tätig gewesen. In Afghanistan würden ihn ihm unbekannte Personen umbringen wollen, weil er „für die Amerikaner gearbeitet habe“ (AS 22). Aus diesem Grund hätten seine Familie und er Afghanistan vor zwei Jahren verlassen.
BF2 gab im Zuge der Erstbefragung am 17.07.2021 an, sie stamme aus Afghanistan, Provinz Kabul, sei mit XXXX (BF1) (traditionell) verheiratet, habe vier minderjährige Söhne, nämlich BF3, BF4, BF5 und BF6. Sie sei Tadschikin und Sunnitin. Ihre Muttersprache sei Dari. Sie habe neun Jahre die Grundschule besucht und ihr zuletzt ausgeübter Beruf sei Hauslehrerin. Zum Fluchtgrund befragt sagte BF2 aus, ihr Ehemann habe mit ausländischen Truppen in Kabul zusammengearbeitet und sei aus diesem Grund von drei unbekannten Personen zusammengeschlagen worden. Aus diesem Grund habe er vier Tage im Spital verbracht und danach gemeinsam mit BF2, BF3, BF4, BF5 und BF6 Afghanistan verlassen.
I.2. Im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde am 08.02.2022 gab BF1 weiter an, er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und spreche zusätzlich zu Dari auch Pashtu und ein wenig Urdu. Er sei der gesetzliche Vertreter von BF3, BF4, BF5 und BF6 im gegenständlichen Verfahren und wolle nicht, dass seine minderjährigen Kinder durch das BFA befragt werden. BF1 habe mit seiner Familie auf der Insel Lesbos gelebt. Die BF seien legal und in Besitz von afghanischen Reisepässen mittels Flugzeug nach Österreich geflogen. Er habe Griechenland aufgrund der schlechten Lage und aufgrund des Umstandes, dass seine Kinder dort keine Schule besuchen hätten können, trotz eingeräumten Schutzstatus verlassen.
BF2 sagte im Zuge der Einvernahme vor der Behörde am 08.02.2022 aus, sie sei Paschtunin, habe Griechenland verlassen, weil sie dort keine Unterstützung erhalten hätten. Außerdem hätten ihre Kinder dort keine Schule besuchen können.
I.3. Nach Durchführung des dargestellten Ermittlungsverfahrens wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz mit Bescheiden des BFA vom 14.03.2022 gem. § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die BF nach Griechenland zurückzubegeben hätten (Spruchpunkt I.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruckpunkt II.) und gem. § 61 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 wurde gegen die BF die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge sei gem. § 61 Abs. 2 FPG 2005 ihre Abschiebung nach Griechenland zulässig (Spruchpunkt III.).
I.4. Am 30.03.2022 erhoben die BF, alle vertreten durch die BBU GmbH, fristgerecht Beschwerde gegen die Bescheide des BFA.
I.5. Mit Beschluss des BVwG vom 11.04.2022 wurde den Beschwerden gem. § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben.
I.6. Im Zuge der erneuten Einvernahme vor dem BFA am 05.09.2022 wiederholten BF1 und BF2 ihre Fluchtgründe.
I.7. Nach Durchführung des dargestellten Ermittlungsverfahrens wurden die Anträge von BF1 bis BF6 auf internationalen Schutz mit Bescheiden des BFA vom 20.02.2023 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), den Anträgen bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005) stattgegeben (Spruchpunkt II.) und den BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 5 iVm Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).
Gründe für die Zuerkennung von Asyl lägen nicht vor, das Fluchtvorbringen wurde aufgrund widersprüchlicher Angaben dazu als unglaubwürdig gewertet. Es sei den BF aufgrund der aktuellen Lage in Afghanistan allerdings der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.
I.8. Am 24.03.2023 erhoben die BF, alle vertreten durch die BBU GmbH, fristgerecht Beschwerden gegen Spruchpunkt I. BF2 gab u.a. an. Sie habe in Afghanistan ein Kopftuch tragen müssen, habe diesen jedoch in Österreich abgelegt und sei glücklich darüber.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zu den BF:
Die BF sind afghanische Staatsbürger, gehören der sunnitischen Richtung des Islam an und sprechen muttersprachlich Dari.
BF1, BF2, BF3, BF4, BF5 und BF6 stammen aus Afghanistan, Provinz Kabul, und haben ihr Herkunftsland 2019 in Griechenland verlassen. Am 18.09.2020 wurde ihnen der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Griechenland zuerkannt. Am 17.07.2021 stellte die Familie die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
BF2 ist eine weibliche Person und mit BF1 (traditionell) verheiratet. BF1 und BF2 sind die leiblichen Eltern der minderjährigen BF3, BF4, BF5 und BF6.
BF3, BF4 und BF5 sind im schulpflichtigen Alter.
BF1 und BF2 sind in Österreich strafrechtlich unbescholten. BF3, BF4, BF5 und BF6 sind strafunmündig.
II.1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage in Afghanistan stützen sich (auszugsweise) auf die Länderinformation der Staatendokumentation zu Afghanistan, Version 10, 28.09.2023:
Politische Lage (letzte Änderung 21.09.2023)
Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.06.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 01.06.2023). Sie bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“ (USIP 17.08.2022; vgl. VOA 01.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem „islamischen Recht und den afghanischen Werten“ regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweisen bestimmen (USIP 17.08.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.06.2023).
Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan übernahmen die Taliban auch schnell staatliche Institutionen (USIP 17.08.2022) und erklärten Haibatullah Akhundzada zu ihrem obersten Führer (Afghan Bios 07.07.2022a; vgl. REU 07.09.2021a; VOA 19.08.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 08.09.2021; vgl. DIP 04.01.2023). Haibatullah hat sich dem Druck von außen, seine Politik zu mäßigen, widersetzt (UNSC 01.06.2023) und baut seinen Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene auch im Jahr 2023 weiter aus (UNGA 20.06.2023). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass andere in Kabul ansäßige Taliban-Führer die Politik wesentlich beeinflussen können. Kurz- bis mittelfristig bestehen kaum Aussichten auf eine Änderung (UNSC 01.06.2023). Innerhalb weniger Wochen kündigten die Taliban „Interims“-Besetzungen für alle Ministerien bis auf ein einziges an, wobei die Organisationsstruktur der vorherigen Regierung beibehalten wurde (USIP 17.08.2022) - das Ministerium für Frauenangelegenheiten blieb unbesetzt und wurde später aufgelöst (USIP 17.08.2022; vgl. HRW 04.10.2021). Alle amtierenden Minister waren hochrangige Taliban-Führer; es wurden keine externen politischen Persönlichkeiten ernannt, die überwältigende Mehrheit war paschtunisch, und alle waren Männer. Seitdem haben die Taliban die interne Struktur verschiedener Ministerien mehrfach geändert und das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters wiederbelebt, das in den 1990er-Jahren als strenge „Sittenpolizei“ berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.08.2022). Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (ICG 24.08.2021; vgl. USDOS 12.04.2022a), wobei weibliche Angestellte aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben (BBC 19.09.2021; vgl. GD 20.09.2021). Die für die Wahlen zuständigen Institutionen, sowie die Unabhängige Menschenrechtskommission, der Nationale Sicherheitsrat und die Sekretariate der Parlamentskammern wurden abgeschafft (AA 26.06.2023).
Der Ernennung einer aus 33 Mitgliedern bestehenden geschäftsführenden Übergangsregierung im September 2021 folgten zahlreiche Neuernennungen und Umbesetzungen auf nationaler, Provinz- und Distriktebene in den folgenden Monaten, wobei Frauen weiterhin gar nicht und nicht-paschtunische Bevölkerungsgruppen nur in geringem Umfang berücksichtigt wurden (AA 20.06.2023) […].
Die neue Regierung wird von Mohammad Hassan Akhund geführt. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Führungszirkels der Taliban, der sogenannten Rahbari-Schura, besser bekannt als Quetta-Schura (NZZ 08.09.2021; vgl. REU 07.09.2021b, Afghan Bios 18.07.2023a).
Stellvertretende vorläufige Premierminister sind Abdul Ghani Baradar (AJ 07.09.2021; vgl. REU 07.09.2021b, Afghan Bios 16.02.2022) der die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten in Doha vertrat und das Abkommen mit ihnen am 29.02.2021 unterzeichnete (AJ 07.09.2021; vgl. VOA 29.02.2020), und Abdul Salam Hanafi (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 07.07.2022b), der unter dem ersten Taliban-Regime Bildungsminister war (Afghan Bios 07.07.2022b; vgl. UNSC o. D. a). Im Oktober 2021 wurde Maulvi Abdul Kabir zum dritten stellvertretenden Premierminister ernannt (Afghan Bios 18.07.2023b; vgl. 8am 05.10.2021, UNGA 28.01.2022).
Weitere Mitglieder der vorläufigen Taliban-Regierung sind unter anderem Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerkes (Afghan Bios 04.03.2023; vgl. JF 05.11.2021) als Innenminister (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 04.03.2023) und Amir Khan Mattaqi als Außenminister (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 01.03.2023) welcher die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinten Nationen vertrat und im ersten Taliban-Regime unter anderem den Posten des Kulturministers innehatte (Afghan Bios 01.03.2023; vgl. UNSC o. D.b). Der Verteidigungsminister der vorläufigen Taliban-Regierung ist Mohammed Yaqoob (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 04.05.2023), dem 2020 der Posten des militärischen Leiters der Taliban verliehen wurde (Afghan Bios 04.05.2023; vgl. RFE/RL 29.08.2020). Auch hohe Beamte auf subnationaler Ebene, darunter Provinzgouverneure, Polizeichefs, Abteilungsleiter, Bürgermeister und Distriktgouverneure, wurden in weiterer Folge ernannt (UNGA 28.01.2022; vgl. 8am 05.10.2021).
Nach ihrer Machtübernahme kündigten hochrangige Taliban-Führer eine weitreichende Generalamnestie an, die Repressalien für Handlungen vor der Machtübernahme durch die Taliban untersagte, auch gegen Beamte und andere Personen, die mit der Regierung vor dem 15.08.2021 in Verbindung standen (USDOS 12.04.2022a; vgl. UNGA 28.01.2022). Es wird jedoch berichtet, dass diese Amnestie nicht konsequent eingehalten wurde, und es kam zu willkürlichen Verhaftungen, gezielten Tötungen und Angriffen auf ehemalige afghanische Regierungsmitarbeiter (ANI 20.07.2022; vgl. USDOS 20.03.2023, UNGA 28.01.2022).
Sah es in den ersten sechs Monaten ihrer Herrschaft so aus, als ob das Kabinett unter dem Vorsitz des Premierministers die Regierungspolitik bestimmen würde, wurden die Minister in großen und kleinen Fragen zunehmend vom Emir, Haibatullah Akhundzada, überstimmt (USIP 17.08.2022). Diese Dynamik wurde am 23.03.2022 öffentlich sichtbar, als der Emir in letzter Minute die lange versprochene Rückkehr der Mädchen in die Oberschule kippte (USIP 17.08.2022; vgl. RFE/RL 24.03.2022, UNGA 15.06.2022), was Experten als ein Zeichen für eine Spaltung der Gruppe in Bezug auf die künftige Ausrichtung der Herrschaft in Afghanistan bezeichnen (GD 06.07.2022). Seitdem sind die Mädchenbildung und andere umstrittene Themen ins Stocken geraten, da pragmatische Taliban-Führer dem Emir nachgeben, der sich von ultrakonservativen Taliban-Klerikern beraten lässt. Ausländische Diplomaten haben begonnen, von „duellierenden Machtzentren“ zwischen den in Kabul und Kandahar ansäßigen Taliban zu sprechen (USIP 17.08.2022), und es gibt auch Kritik innerhalb der Taliban, beispielsweise als im Mai 2022 ein hochrangiger Taliban-Beamter als erster die Taliban-Führung offen für ihre repressive Politik in Afghanistan kritisierte (RFE/RL 03.06.2022a). Doch der Emir und sein Kreis von Beratern und Vertrauten in Kandahar kontrollieren nicht jeden Aspekt der Regierungsführung. Mehrere Ad-hoc-Ausschüsse wurden ernannt, um die Politik zu untersuchen und einen Konsens zu finden, während andere Ausschüsse Prozesse wie die Versöhnung und die Rückkehr politischer Persönlichkeiten nach Afghanistan umsetzen. Viele politische Maßnahmen unterscheiden sich immer noch stark von einer Provinz zur anderen des Landes. Die Taliban-Beamten haben sich, wie schon während ihres Aufstands, als flexibel erwiesen, je nach den Erwartungen der lokalen Gemeinschaften. Darüber hinaus werden viele Probleme nach wie vor über persönliche Beziehungen zu einflussreichen Taliban-Figuren gelöst, unabhängig davon, ob deren offizielle Position in der Regierung für das Problem verantwortlich ist (USIP 17.08.2022).
In seiner traditionellen jährlichen Botschaft zum muslimischen Feiertag Eidal-Fitr sagte Haibatullah Akhundzada, sein Land wünsche sich positive Beziehungen zu seinen Nachbarn, den islamischen Ländern und der Welt, doch dürfe sich kein Land in deren innere Angelegenheiten einmischen. Er vermied es, direkt auf das Bildungsverbot von Mädchen und die Beschäftigungseinschränkungen von Frauen einzugehen, sagte jedoch, dass die Taliban-Regierung bedeutende Reformen in den Bereichen Kultur, Bildung, Wirtschaft, Medien und anderen Bereichen eingeleitet habe, und „die schlechten intellektuellen und moralischen Auswirkungen der 20-jährigen Besatzung“ seien dabei, zu Ende zu gehen(AnA 18.04.2023; vgl. BAMF 30.06.2023).
Anfang Juni 2023 wurde berichtet, dass es Anzeichen dafür gibt, dass die Taliban die Stadt Kandahar zu ihrem Stützpunkt machen würden. Dies wird als ein Zeichen für den schwindenden Einfluss der gemäßigteren Taliban-Mitglieder in der Hauptstadt Kabul gesehen, während das Regime seine repressive Politik weiter verschärft. In den letzten Monaten haben Vertreter des Regimes Delegationen aus Japan und Katar nach Kandahar eingeladen, anstatt sich mit anderen Beamten in Kabul zu treffen. Der oberste Sprecher der Taliban, Zabihullah Mudschahid, und ein zweiter Informationsbeauftragter aus Nordafghanistan, Inamullah Samangani, wurden von ihren Büros in Kabul nach Kandahar verlegt (WP 05.06.2023; vgl. BAMF 30.06.2023).
Bisher hat noch kein Land die Regierung der Taliban anerkannt (TN 30.10.2022; vgl. REU 15.06.2023), dennoch sind Vertreter aus Indien, China, Usbekistan, der Europäischen Union, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Kabul präsent (TN 30.10.2022). Im März 2023 gab der Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid bekannt, dass Diplomaten in mehr als 14 Länder, unter anderem Iran, Türkei, Pakistan, Russland, China und Kazakhstan, entsandt wurden, um die diplomatischen Vertretungen im Ausland zu übernehmen (PBS 25.03.2023; vgl. OI 25.03.20232).
Im Mai 2023 traf sich der Außenminister der Taliban, Khan Muttaqi, mit seinen Amtskollegen aus Pakistan und China in Islamabad. Im Mittelpunkt des Treffens stand die Einbeziehung Afghanistans in den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor (OPEC) sowie die Situation von Frauen in Afghanistan (AnA 05.05.2023; vgl. VOA 06.05.2023).
Frauen (letzte Änderung: 28.09.2023)
Bereits vor Machtübernahme der Taliban war die afghanische Regierung nicht willens oder in der Lage, die Frauenrechte in Afghanistan vollumfänglich umzusetzen, allerdings konnten Mädchen grundsätzlich Bildungseinrichtungen besuchen, Frauen studieren und weitgehend am Berufsleben teilnehmen, wenn auch nicht in allen Landesteilen gleichermaßen (AA 26.06.2023). Es gab eine Reihe von Gesetzen, Institutionen und Systemen, die sich mit den Rechten von Frauen und Mädchen in Afghanistan befassten. So hatte beispielsweise das Ministerium für Frauenangelegenheiten mit seinen Büros in der Hauptstadt und in jeder der 34 Provinzen des Landes die Aufgabe, „die gesetzlichen Rechte der Frauen zu sichern und zu erweitern und die Rechtsstaatlichkeit in ihrem Leben zu gewährleisten“ (AI 7.2022).
In den letzten zwei Jahren haben die Taliban Beschränkungen für Frauen eingeführt, die sie an der aktiven Teilnahme an der Gesellschaft hindern (HRW 26.07.2023; vgl. UN Women 15.08.2022, ACLED 11.08.2023). Rechte von Frauen und Mädchen auf Bildung, Arbeit und Bewegungsfreiheit wurden eingeschränkt (HRW 26.07.2023; vgl. ACLED 11.08.2023, UN Women 15.08.2023) sowie das System zum Schutz und zur Unterstützung von Frauen und Mädchen, die vor häuslicher Gewalt fliehen, zerstört (HRW 26.07.2023). In den 15 Monaten seit ihrer Machtübernahme haben die Taliban auch eine Vielzahl an Dekreten und Anordnungen zur Kontrolle des Verhaltens und der Bewegungsfreiheit von Frauen erlassen (HRW 12.01.2023; vgl. AA 26.06.2023, UN Women 15.08.2023). Die verschiedenen Anordnungen und Dekrete der Taliban werden willkürlich umgesetzt, einige wurden verschriftlicht, andere mündlich weitergegeben, und alle werden interpretiert, je nachdem wer das Sagen hat (Rukhshana 28.11.2022). Menschenrechtsorganisationen beschuldigen die Taliban, sie würden versuchen, Frauen aus dem öffentlichen Leben und in den häuslichen Bereich zu drängen (RFE/RL 03.01.2023; vgl. UN Women 15.08.2023).
Darüber hinaus haben die Taliban Mechanismen zur Überwachung der Menschenrechte, wie die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission, aufgelöst (AIHRC 26.05.2022; vgl. OHCHR 10.10.2022) und spezialisierte Gerichte für geschlechtsspezifische Gewalt und Unterstützungsdienste für die Opfer abgeschafft (OHCHR 10.10.2022).
Ab Mitte Jänner 2022 werden sukzessive Vertreterinnen der seit August 2021 vor allem in Kabul aktiven Protestbewegung durch die Sicherheitskräfte der Taliban festgenommen (AA 26.06.2023; vgl. HRW 12.01.2023), und es gibt Berichte über Haftbedingungen, u. a. zu Misshandlungen und sexuellen Übergriffen, auch wenn diese schwer zu verifizieren sind (AA 26.06.2023). Kabul gilt als wichtiger Ort des zivilen Widerstands gegen die Taliban. Seit der Machtübernahme durch die Taliban verzeichnet ACLED in Kabul mehr Demonstrationen mit Beteiligung von Frauen als irgendwo sonst im Land (ACLED 11.08.2023). Die Taliban-Behörden reagierten auch vermehrt mit Gewalt auf Demonstranten und setzten scharfe Munition ein, um diese aufzulösen (HRW 12.10.2022; vgl. GD 02.10.2022, ACLED 11.08.2023). Berichte über Verhaftungen von Menschenrechtsaktivistinnen setzten sich über das Jahr 2022 hindurch fort (AI 16.11.2022; vgl. HRW 20.10.2022, Rukhshana 04.08.2022). So wurden beispielsweise Ende 2022 mehrere Frauen aufgrund der Teilnahme an Protesten gegen das Universitätsverbot verhaftet (BBC 22.12.2022; vgl. RFE/RL 22.12.2022) und Proteste gegen die Schließung von Schönheitssalons im Juli 2023 gewaltsam aufgelöst (RFE/RL 19.07.2023).
Im Mai 2022 erließen die Taliban beispielsweise einen neuen Erlass, der eine strenge Kleiderordnung für Frauen festschreibt. Sie dürfen das Haus nicht „ohne Not“ verlassen und müssen, wenn sie es dennoch tun, den sogenannten „Scharia-Hijab“ tragen, bei dem das Gesicht ganz oder bis auf die Augen bedeckt ist. Die Anordnung macht den Mahram (den „Vormund“) einer Frau - ihren Vater, Ehemann oder Bruder - rechtlich verantwortlich für die Überwachung ihrer Kleidung, mit der Androhung, ihn zu bestrafen, wenn sie ohne Gesichtsverschleierung aus dem Haus geht (AAN 15.06.2022; vgl. USIP 23.12.2022, HRW 12.01.2023).
Die Taliban schränkten in weiterer Folge auch die Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen zunehmend repressiv ein. Zunächst ordneten sie an, dass Frauen und Mädchen auf Langstreckenreisen von einem Mahram begleitet werden müssen (Rukhshana 28.11.2022; vgl. AA 26.06.2023, HRW 12.01.2023). Während des Jahres 2022 untersagten die Taliban Frauen auch den Zutritt zu Turnhallen, öffentlichen Bädern und Parks (RFE/RL 16.12.2022). Frauen und Mädchen erklärten gegenüber Amnesty International, dass angesichts der zahlreichen und sich ständig weiterentwickelnden Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit jedes Auftreten in der Öffentlichkeit ohne einen Mahram ein ernsthaftes Risiko darstelle. Sie sagten auch, dass die Mahram-Anforderungen ihr tägliches Leben fast unmöglich machten (AI 7.2022; vgl. Rukhshana 28.11.2022). Die zunehmende Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Frauen hat ihre Möglichkeiten, Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung zu erhalten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, Schutz zu suchen und Gewaltsituationen zu entkommen, erheblich beeinträchtigt (OHCHR 10.10.2022; vgl. DROPS/WPS 30.09.2022).
Die Taliban gehen auch 2023 immer härter gegen die Rechte von Frauen und Mädchen vor, wie jüngste Anordnungen zeigen, darunter die Entlassung von Frauen aus Kindergärten und die Schließung aller Schönheitssalons, die eine wichtige Quelle für die verbleibende Beschäftigung von Frauen und ein seltener Ort waren, an dem Frauen und Mädchen Gemeinschaft und Unterstützung außerhalb ihrer Häuser finden konnten (HRW 26.07.2023).
Anmerkung: Mahram kommt von dem Wort „Haram“ und bedeutet „etwas, das heilig oder verboten ist“. Im islamischen Recht ist ein Mahram eine Person, die man nicht heiraten darf, und es ist erlaubt, sie ohne Kopftuch zu sehen, ihre Hände zu schütteln und sie zu umarmen, wenn man möchte. Nicht-Mahram bedeutet also, dass es nicht Haram ist, sie zu heiraten, von einigen Ausnahmen abgesehen. Das bedeutet auch, dass vor einem Nicht-Mahram ein Hijab getragen werden muss (Al-Islam TV 30.10.2021; vgl. GIWPS 8.2022). [...]
Politische Partizipation und Berufstätigkeit von Frauen
Nach der Machtübernahme der Taliban äußerten viele Experten ihre besondere Besorgnis über Menschenrechtsverteidigerinnen, Aktivistinnen und führende Vertreterinnen der Zivilgesellschaft, Richterinnen und Staatsanwältinnen, Frauen in den Sicherheitskräften, ehemalige Regierungsangestellte und Journalistinnen, die alle in erheblichem Maße Schikanen, Gewaltandrohungen und manchmal auch Gewalt ausgesetzt waren und für die der zivile Raum stark eingeschränkt wurde. Viele waren deshalb gezwungen, das Land zu verlassen (UNOCHA 17.01.2022; vgl. HRW 24.01.2022). Frauen wurde jeder Posten im Kabinett der Taliban verweigert, das Ministerium für Frauenangelegenheiten ist nicht mehr tätig, und der frühere Sitz des Ministeriums in Kabul wurde in das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters umgewandelt, das in den 1990er-Jahren als „Sittenpolizei“ berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.08.2022) und für seine diskriminierende Behandlung von Frauen und Mädchen berüchtigt ist (AI 7.2022).
Die Beschäftigung von Frauen ist seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 stark zurückgegangen (ILO 07.03.2023; vgl. FH 1.2023). Die International Labour Organization (ILO) schätzte, dass im vierten Quartal 2022 25% weniger Frauen einer Beschäftigung nachgingen als im zweiten Quartal 2021 (ILO 07.03.2023). Die Taliban erließen Dekrete, die es afghanischen Frauen untersagten, für NGOs (OHCHR 27.12.2022; vgl. HRW 26.07.2023) und die Vereinten Nationen (NH 08.06.2023; vgl. HRW 26.07.2023) zu arbeiten. Infolgedessen stellten fünf führende NGOs ihre Arbeit in Afghanistan ein. Care International, der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) und Save the Children erklärten, sie könnten ihre Arbeit „ohne unsere weiblichen Mitarbeiter“ nicht fortsetzen. Auch das International Rescue Committee stellte seine Dienste ein, während Islamic Relief erklärte, es stelle den Großteil seiner Arbeit ein (BBC 26.12.2022; vgl. GD 26.12.2022). Zwar konnten einige NGOs Ausnahmeregelungen für ihre weiblichen Mitarbeiter erwirken, und weibliche Beschäftigte des Gesundheits-, Bildungs- und Innenministeriums durften bisher weiterarbeiten, doch die Beschäftigungsaussichten von Frauen wurden stark eingeschränkt (NH 08.06.2023).
Viele der Frauen, die weiterhin arbeiten, empfinden dies aufgrund der von den Taliban vorgeschriebenen Einschränkungen in Bezug auf ihre Kleidung und ihr Verhalten als schwierig und belastend (AI 7.2022). So müssen seit Mai 2022 Nachrichtensprecherinnen vor der Kamera ihr Gesicht verhüllen, sodass nur noch ihre Augen zu sehen sind (AI 7.2022; vgl. GD 19.05.2022). Mehrere Frauen, die im öffentlichen und privaten Sektor arbeiten, gaben an, dass sie stichprobenartig von Mitgliedern der Taliban in Hinblick auf ihre Kleidung und ihr Verhalten kontrolliert wurden (AI 7.2022). Auch die Vorgabe der Taliban, nach welcher sich Frauen in der Öffentlichkeit nur in Begleitung eines Mahram bewegen dürfen, hat Auswirkungen auf ihr Berufsleben (FH 1.2023; vgl. WPS 26.09.2022).
Die von den Taliban verhängten Arbeitsbeschränkungen haben zu einer verzweifelten Situation für viele Frauen geführt, welche die einzigen Lohnempfängerinnen ihrer Familien waren, was durch die humanitäre und wirtschaftliche Krise in Afghanistan noch verschärft wird (AI 7.2022).
Experten erwarten, dass die strengen Beschränkungen der Taliban für Frauen, die außerhalb ihres Hauses arbeiten, auch die verheerende wirtschaftliche und humanitäre Krise in Afghanistan verschärfen wird (RFE/RL 03.01.2023). So schätzt das United Nations Development Programme (UNDP), dass die Einschränkungen der Erwerbstätigkeit von Frauen zu wirtschaftlichen Verlusten von einer Milliarde USD führen werden, das entspricht rund 5% des afghanischen BIP (AA 26.06.2023; vgl. UNDP 01.12.2021).
Viele Frauen arbeiten in der Heimarbeit, was einen weiteren Rückgang der Beschäftigung von Frauen verhindert hat (ILO 07.03.2023). Frauen, die von zu Hause aus arbeiten, z. B. in handwerklichen Berufen, werden von den Taliban oder anderen traditionellen religiösen und lokalen Führern in Afghanistan nicht eingeschränkt (NH 08.06.2023).
Bildung für Frauen und Mädchen
Nachdem die Taliban im August 2021 die Macht in Afghanistan übernommen hatten, verhängten sie ein Verbot der Sekundarschulbildung für Mädchen (USIP 13.04.2023; vgl. AI 07.08.2023, AA 26.06.2023. Am 23.03.2022, als die Schülerinnen der weiterführenden Schulen zum ersten Mal nach sieben Monaten wieder in die Klassenzimmer zurückkehrten, gab die Taliban-Führung bekannt, dass die Mädchenschulen geschlossen bleiben würden (HRW 12.01.2023; vgl. BBC 21.12.2022, HRW 20.12.2022). Aktuell sind weiterführende Schulen für Mädchen in sechs von 34 Provinzen teilweise geöffnet, die Mehrheit der Mädchen ist damit vom Zugang zu weiterführenden Schulen ausgeschlossen (AA 26.06.2023). In der Provinz Balkh blieben die weiterführenden Schulen für Mädchen jedoch geöffnet, allerdings wurde offenen Schulen in Balkh und anderswo mit der Schließung gedroht, wenn sie sich weigerten, die immer strengeren Kleidervorschriften einzuhalten (HRW 27.04.2022). Neben der Provinz Balkh blieben Mädchenschulen auch in den Provinzen Kunduz, Jawzjan, Sar-e-pul, Faryab und Daikundi geöffnet (AMU 01.01.2023).
Ende Dezember 2022 verkündeten die Taliban schließlich ein Verbot für Frauen, Universitäten zu besuchen (HRW 20.12.2022; vgl. USIP 13.04.2023, FH 1.2023). Der Bildungsminister der Taliban verteidigte die Entscheidung und gab an, dass das Verbot notwendig sei, um eine Vermischung der Geschlechter an den Universitäten zu verhindern, und weil er glaube, dass einige der unterrichteten Fächer gegen die Grundsätze des Islam verstießen. Auch sagte er, dass die Studentinnen die islamischen Vorschriften ignoriert hätten, u. a. über die vorgeschriebene Kleidung, und auf Reisen nicht von einem männlichen Verwandten begleitet worden seien (RFE/RL 22.12.2022: vgl. FR24 22.12.2022). Proteste gegen die Entscheidung der Taliban, den Frauen den Zugang zu Universitäten zu verwehren, wurden mit Gewalt beendet und mehrere Personen wurden festgenommen (RFE/RL 22.12.2022; vgl. RFE/RL 24.12.2022, BBC 22.12.2022).
Im August 2023 hielten die Taliban afghanische Studentinnen davon ab, das Land zu verlassen, um in Dubai zu studieren. Die Taliban begründeten dies damit, dass die Studentinnen keinen Mahram dabei hatten (BBC 28.08.2023; vgl. VOA 23.08.2023), wobei berichtet wurde, dass auch jene Studentinnen, die einen Mahram dabei hatten, nicht fliegen durften (VOA 23.08.2023). [Anmerkung: s. Überkapitel für eine Begriffserklärung von „Mahram“].
Damit kann ein afghanisches Mädchen höchstens die 6. Klasse, das letzte Jahr der Grundschule, absolvieren (NPR 22.12.2022, vgl. UN Women 15.08.2023), abgesehen von den oben genannten Ausnahmen (AA 26.06.2023; vgl. HRW 27.04.2022). Bedenken wachsen, dass die Taliban die Bildung von Mädchen komplett verbieten könnten, da folgend auf das Verbot für Frauen, Universitäten zu besuchen, nun auch über Entlassungen von Lehrerinnen berichtet wird, die Mädchen in den ersten sechs Schuljahren unterrichten (NPR 22.12.2022). Die Taliban teilten in einem Brief des Taliban-Bildungsministers am 08.01.2023 jedoch mit, dass staatliche Mädchenschulen bis einschließlich der 6. Klasse und private Lernzentren für denselben Altersbereich weiterarbeiten sollen, ebenso alle Koranschulen (Madrassas) für Mädchen ohne Altersbeschränkung. Auch wies der Minister die Behörden in Provinzen an, wo solche Einrichtungen geschlossen wurden, diese wieder zu öffnen. Es wird jedoch auch darauf verwiesen, dass Mädchenschulen ab der 6. Klasse „bis auf weiteres“ nicht zugelassen sind (Ruttig T. 11.01.2023).
Anders als während der ersten Taliban-Herrschaft gibt es nicht mehr sehr viele geheime Mädchenschulen, da die Angst, entdeckt zu werden, zu groß ist. Manche Schulmädchen versuchten, mithilfe von Radio Azadi, dem afghanischen Ableger des US-Senders Radio Liberty, weiter zu lernen. Zu festen Uhrzeiten gebe es dort zum Beispiel Chemie- und Mathe-Unterricht, nach Klassenstufen unterteilt. Dies ist nach Meinung einer afghanischen Menschenrechtsaktivistin zwar eine Hilfe, jedoch keine Lösung (AI 07.08.2023).
Frauenhäuser, sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt, Zwangsehe
Geschlechtsspezifische Gewalt ist ein allgegenwärtiges Problem in Afghanistan. Sie ist das Ergebnis komplexer Ungleichheiten und kultureller Praktiken, die in Verbindung mit Armut und mangelndem Bewusstsein dazu führen, dass Frauen den Männern untergeordnet werden und keine Unterstützung erhalten oder selbst aktiv werden können (UNPF 27.12.2021). Seit dem Sommer 2021 werden in Afghanistan, einem Land mit einer der höchsten Raten von Gewalt gegen Frauen weltweit, viele der grundlegendsten Rechte von Frauen eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt. Afghanische Frauen haben auch eine deutliche Verschlechterung des Zugangs zu koordinierten, umfassenden und hochwertigen Dienstleistungen für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt zu verzeichnen. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach diesen Diensten höher als je zuvor (AI 7.2022; vgl. UNAMA 29.12.2022, UNPF 24.10.2022). Zuvor hatten viele Frauen und Mädchen zumindest Zugang zu einem Netz von Unterkünften und Diensten, einschließlich kostenloser Rechtsberatung, medizinischer Behandlung und psychosozialer Unterstützung. Das System hatte zwar seine Grenzen, aber es half jedes Jahr Tausenden von Frauen und Mädchen. Diejenigen, die in die Schutzräume kamen, blieben je nach ihren besonderen Bedürfnissen oft monatelang oder jahrelang dort und erhielten eine Ausbildung in beruflichen Fähigkeiten oder andere Möglichkeiten, ein langfristiges Einkommen zu erzielen. In einigen Fällen wurden die Überlebenden auch dabei unterstützt, eine neue Unterkunft zu finden (AI 7.2022).
Als die Taliban die Macht in Afghanistan übernahmen, brach das Netz zur Unterstützung von Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt - einschließlich rechtlicher Vertretung, medizinischer Behandlung und psychosozialer Unterstützung - zusammen (AI 07.2022). Schutzräume für Frauen wurden geschlossen (AA 26.06.2023; vgl. FH 1.2023, UNPF 24.10.2022), und viele wurden von Taliban-Mitgliedern geplündert und in Beschlag genommen. In einigen Fällen belästigten oder bedrohten Taliban-Mitglieder Mitarbeiter. Als die Unterkünfte geschlossen wurden, waren die Mitarbeiter gezwungen, viele überlebende Frauen und Mädchen zu ihren Familien zurückzuschicken. Andere waren gezwungen, bei Mitarbeitern der Unterkünfte, auf der Straße oder in anderen schwierigen Situationen zu leben (AI 07.2022; vgl. RFE/RL 06.09.2021). Die neue, von den Taliban geführte Regierung Afghanistans hat sich noch nicht zu ihrer Politik in Bezug auf Frauenhäuser geäußert. Da die Taliban die Frauenhäuser jedoch zuvor als „Bordelle“ gebrandmarkt hatten, befürchten Aktivisten, dass die militante islamistische Gruppe sie verbieten wird (RFE/RL 06.09.2021).
Anfang Dezember 2021 verkündeten die Taliban ein Verbot der Zwangsverheiratung von Frauen in Afghanistan (AP 03.12.2021; vgl. AJ 03.12.2021, AI 07.2022). In dem Erlass wurde kein Mindestalter für die Eheschließung genannt, das bisher auf 16 Jahre festgelegt war. Die Taliban-Führung hat nach eigenen Angaben afghanische Gerichte angewiesen, Frauen gerecht zu behandeln, insbesondere Witwen, die als nächste Angehörige ein Erbe antreten wollen. Die Gruppe sagt auch, sie habe die Minister ihrer Regierung aufgefordert, die Bevölkerung über die Rechte der Frauen aufzuklären (AP 03.12.2021; vgl. AJ 03.12.2021). Berichten zufolge sind Frauen und Mädchen allerdings einem erhöhten Risiko von Kinder- und Zwangsheirat sowie der sexuellen Ausbeutung ausgesetzt (AA 26.06.2023; vgl. AI 07.08.2023). NGOs führen dies auf Faktoren zurück, von denen viele direkt auf Einschränkungen durch bzw. das Verhalten der Taliban zurückzuführen sind. Zu den häufigsten Ursachen für Kinder-, Früh- und Zwangsverheiratung seit August 2021 gehören die wirtschaftliche und humanitäre Krise, fehlende Bildungs- und Berufsperspektiven für Frauen (AI 07.2022), das Bedürfnis der Familien, ihre Töchter vor der Heirat mit einem Taliban-Mitglied zu schützen (AI 07.2022; vgl. RFE/RL 14.12.2022), Familien, die Frauen und Mädchen zwingen, Taliban-Mitglieder zu heiraten und Taliban-Mitglieder, die Frauen und Mädchen zwingen, sie zu heiraten (AI 07.2022).
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Die Identität der BF ergibt sich aus den im verwaltungsbehördlichen Verfahren getätigten Angaben dazu sowie den vorgelegten Unterlagen.
Die Staats- und Religionszugehörigkeit der BF beruhen ebenso auf ihren diesbezüglich glaubwürdigen Angaben im Verfahren.
Die Feststellungen zu den Antragstellungen in Österreich und Griechenland ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus den vorliegenden EURODAC-Treffern in Zusammenschau mit den Angaben der BF. Dass der Familie in Griechenland am 18.09.2020 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Antwortschreiben Griechenlands vom 12.10.2021 (AS 53 von GZ 2269903-1).
Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF1 und BF2 folgt aus dem aktuellen Auszug aus dem Strafregister.
II.2.2. Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation zur politische Lage und für Frauen im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Es handelt sich dabei um Berichte diverser anerkannter staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen bzw. Organisationen und bieten diese ein in inhaltlicher Hinsicht grundsätzlich übereinstimmendes und ausgewogenes Bild zur Situation in Afghanistan. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Dass sich seit der Veröffentlichung der hier wiedergegebenen Länderberichte allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums in diesem Fall verneint werden.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen keine gegenteiligen Bestimmungen enthalten sind, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A) Aussetzung des Beschwerdeverfahrens
Gemäß § 38 AVG ist die Behörde – sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen – berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Gemäß § 17 VwGVG ist § 38 AVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anwendbar.
Auf der Grundlage des § 38 AVG können Verfahren bis zur (in einem anderen Verfahren beantragten) Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ausgesetzt werden; eine dem EuGH zur Klärung vorgelegte Frage des Unionsrecht kann nämlich eine Vorfrage iSd § 38 AVG darstellen, die zufolge des im Bereich des Unionsrechts bestehenden Auslegungsmonopols des EuGH von diesem zu entscheiden ist (vgl. VwGH 14.04.2021, Ra 2020/19/0379, VwGH 11.11.2020, Ro 2020/17/0010 und VwGH 19.12.2000, 99/12/0286).
Mit Beschlüssen vom 14.09.2022, Ra 2021/20/0425 und Ra 2022/20/0028, legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
„1. Ist die Kumulierung von Maßnahmen, die in einem Staat von einem faktisch die Regierungsgewalt innehabenden Akteur gesetzt, gefördert oder geduldet werden und insbesondere darin bestehen, dass Frauen
die Teilhabe an politischen Ämtern und politischen Entscheidungsprozessen verwehrt wird,
keine rechtlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um Schutz vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt erhalten zu können,
allgemein der Gefahr von Zwangsverheiratungen ausgesetzt sind, obgleich solche vom faktisch die Regierungsgewalt innehabenden Akteur zwar verboten wurden, aber den Frauen gegen Zwangsverheiratungen kein effektiver Schutz gewährt wird und solche Eheschließungen zuweilen auch unter Beteiligung von faktisch mit Staatsgewalt ausgestatten Personen im Wissen, dass es sich um eine Zwangsverheiratung handelt, vorgenommen werden,
einer Erwerbstätigkeit nicht oder in eingeschränktem Ausmaß überwiegend nur zu Hause nachgehen dürfen,
der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen erschwert wird,
der Zugang zu Bildung - gänzlich oder in großem Ausmaß (etwa indem Mädchen lediglich eine Grundschulausbildung zugestanden wird) - verwehrt wird,
sich ohne Begleitung eines (in einem bestimmten Angehörigenverhältnis stehenden) Mannes nicht in der Öffentlichkeit, allenfalls im Fall der Überschreitung einer bestimmten Entfernung zum Wohnort, aufhalten oder bewegen dürfen,
ihren Körper in der Öffentlichkeit vollständig zu bedecken und ihr Gesicht zu verhüllen haben,
keinen Sport ausüben dürfen,
im Sinn des Art. 9 Abs. 1 lit. b Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung) als so gravierend anzusehen, dass eine Frau davon in ähnlicher wie der unter lit. a des Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie beschriebenen Weise betroffen ist?
2. Ist es für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten hinreichend, dass eine Frau von diesen Maßnahmen im Herkunftsstaat allein aufgrund ihres Geschlechts betroffen ist, oder ist für die Beurteilung, ob eine Frau von diesen - in ihrer Kumulierung zu betrachtenden - Maßnahmen im Sinn des Art. 9 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95/EU betroffen ist, die Prüfung ihrer individuellen Situation erforderlich?“
Im Beschwerdefall handelt es sich um ein Verfahren um die Zuerkennung von internationalem Schutz. Den BF wurde seitens des BFA der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begehren die BF die Zuerkennung des Status der Asylberechtigen.
Es handelt sich bei BF2 um eine weibliche afghanische Staatsangehörige, somit um eine Person, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Staatsangehörigkeit und der zum Entscheidungszeitpunkt vorherrschenden Situation für Frauen in ihrem Herkunftsstaat den vom Verwaltungsgerichtshof oben zitierten Maßnahmen ausgesetzt sein könnte.
Es stellt sich daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren als Hauptfrage auch konkret die Frage, ob die Kumulierung dieser Maßnahmen, die in Afghanistan von einem faktisch die Regierungsgewalt innehabenden Akteur (Taliban) gesetzt, gefördert oder geduldet werden, im Sinn des Art. 9 Abs. 1 lit. b Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung) als so gravierend anzusehen sind, dass die BF2 davon in ähnlicher wie der unter lit. a des Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie beschriebenen Weise betroffen ist.
Auch die zweite an den Gerichtshof der Europäischen Union gestellte Frage, nämlich ob es für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten hinreichend ist, dass BF2 als Frau in Afghanistan allein aufgrund ihres Geschlechts betroffen ist, oder für die Beurteilung, ob eine Frau von diesen - in ihrer Kumulierung zu betrachtenden - Maßnahmen im Sinn des Art. 9 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95/EU betroffen ist, die Prüfung ihrer individuellen Situation erforderlich ist, ist gegenständlich maßgeblich.
Im konkreten Fall käme die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten in Betracht, würde der Gerichtshof der Europäischen Union die erste an ihn gestellte Frage bejahen. Weiters ist auch die Beantwortung der zweiten an den Gerichtshof der Europäischen Union gestellten Frage, inwiefern alleine das Geschlecht maßgeblich ist oder die Prüfung der individuellen Situation erforderlich ist, für die Frage der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten im gegenständlichen Beschwerdeverfahren maßgeblich.
Aus den dargestellten Gründen kommt daher der Beantwortung der zitierten Vorlagefragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union im Beschwerdeverfahren wesentliche Bedeutung zu. Somit liegen die Voraussetzungen für die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zum Vorliegen der Vorabentscheidung vor.
BF1 ist der Ehemann von BF2. BF3, BF4, BF5 und BF6 sind die leiblichen, minderjährigen leiblichen Kinder von BF2. Zwischen BF1, BF2, BF3, BF4, BF5 und BF6 liegt ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG 2005 vor und daher sind auch die Verfahren von BF1, BF3, BF4, BF5 und BF6 auszusetzen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.