JudikaturBVwG

W261 2283539-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Europarecht
18. Januar 2024

Spruch

W261 2283539-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 17.11.2023, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 22.03.2023 erstmals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) und legte ein Konvolut an medizinische Befunden bei.

2. Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 01.08.2023 erstatteten Gutachten vom 02.08.2023 stellte die medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen

1. Z. n. Aorta Aneurysma mit Z.n. suprakoronarem Einsatz der Aorta ascendens 10/2018. Position 05.03.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung (EVO), Grad der Behinderung (GdB) 40 %

2. Impingementsyndrom linke Schulter, Z. n. OP 2017, Position 02.06.01 der Anlage der EVO, GdB 10 % und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 von Hundert (in der Folge v.H.) fest.

3. In dem über Ersuchen der belangten Behörde erstellten Gutachten aufgrund der Aktenlage vom 28.08.2023 kommt ein medizinischer Sachverständiger und Facharzt für Augenheilkunde zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer unter einem Pseudoexfoliationsglaucom beider Augen, Zustand nach Glaukom-Operation rechts, Zustand nach Cataract-Operation beidseits, Position 11.02.01 der Anlage der EVO, GdB 20 % und einen Gesamtgrad der Behinderung vom 20 v.H. fest.

4. In der vom befassten medizinischen Sachverständigen für Allgemeinmedizin erstellten Gesamtbeurteilung vom 17.09.2023 kommt dieser zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer an folgenden Funktionseinschränkungen leidet:

1. Z. n. Aorta Aneurysma mit Z.n. suprakoronarem Einsatz der Aorta ascendens 10/2018. Position 05.03.02 der Anlage der EVO, GdB 40 %

2. Pseudoexfoliationsglaucom beider Augen, Zustand nach Glaukom-Operation rechts, Zustand nach Cataract-Operation beidseits, Position 11.02.01 der Anlage der EVO, GdB 20 %

3. Impingementsyndrom linke Schulter, Z. n. OP 2017, Position 02.06.01 der Anlage der EVO, GdB 10 %

und einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. leidet. Das Leiden 1 werde durch die Leiden 2 und 3 nicht erhöht, da keine wechselseitige negative Leidensbeeinflussung bestehe.

5. Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer diese Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 22.09.2023 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte diesem eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.11.2023 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. fest. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie bei.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass seine Aorta Aneurysma eigentlich schon lebensbedrohlich gewesen sei, sowie die Operation sei auch nicht einfach und mit einem großen Risiko verbunden gewesen. Im März 2022 habe er dann die Glaukom-Operation. Danach seien noch viele Kontrollen und auch neuerliche Operationen erforderlich gewesen, weil da einiges schiefgelaufen sei. Seine Augen würden ihm nach wie vor Probleme machen, er müsse ständig den Augenarzt besuchen. Er bitte daher, dass seine Unterlagen noch einmal durchgesehen werden würden. Der Beschwerdeführer legte der Beschwerde keine ärztlichen Befunde bei.

8. Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 29.12.2023 vor, wo dieser am 02.01.2024 einlangte.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am selben Tag eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 22.03.2023 bei der belangten Behörde ein.

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Anamnese:

Laut Angaben des Beschwerdeführers und vorliegenden Befundberichten sei er im Jänner 2023 an der Augenklinik in XXXX an beiden Augen „Grauen Star" operiert worden sowie im Februar 2023 an einem „Grünen Star" am rechten Auge. Es seien ihm vor kurzem die Nähte entfernt worden. 2018 sei er aufgrund eines Aortenaneurysmas operiert worden, aufgrund einer Verletzung der linken Schulter 2017 an der Schulter.

Derzeitige Beschwerden:

Durch die Aortenoperation sei er so müde geworden, die Medikation sei schon umgestellt worden, aber durch die Veränderung habe sich nichts verbessert. Er habe Probleme mit dem Grünen Star. Der Druck des Auges passe jetzt wieder halbwegs, nach dem Nähteentfernen hätte er aber kurzzeitig ein Fremdkörpergefühl gehabt. Er hoffe, dass das jetzt wieder besser werde.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Concor, Monopost AU, Lisinopril, Cosopt, Ezeruso, TASS

Sozialanamnese:

53-jähriger Antragsteller, verheiratet, kinderlos. Schulbildung: 4 Klassen Volksschule, 4 Klassen Hauptschule, Maurerlehre abgeschlossen. Als Hilfspolier tätig. Führerschein vorhanden, Auto wird gefahren.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Befundbericht Physikalische Medizin Krankenhaus XXXX vom 25.10.2017: AS linke Schulter mit Slap repair, subakromiale Dekompression 10/2017

Entlassungsbefund der Unfallabteilung des Krankenhauses XXXX vom 08.10.2017: Verletzung des Muskels und der Sehne des Caput longum des Musculus biceps brachii, subakromiales Impingementsyndrom links. Operationen: Arthroskopie links

Entlassungsbefund der Herzchirurgie Krankenhaus XXXX vom 30.10.2018: Aorta ascendens Aneurysma, Ausschluss einer signifikanten koronaren Herzerkrankung, arterielle Hypertonie, chronischer Nikotinabusus, Hypercholesterinämie, Zusteller Meniskusentfernung linkes Knie, Deltoideussehnenriss. Maßnahmen: Suprakoronarem Ersatz der Aorta ascendens 10/2018.

Genehmigung einer Reha

Entlassungsbefund Sonderkrankenanstalt Rehabilitationszentrum XXXX vom 09.01.2019: Diagnosen: Z.n. Aorta ascendens Aneurysma (I 72.9) mit Z.n. suprakoronarem Ersatz der Aorta ascendens am 10.10.2018, Wundheilungsstörung mit E. coli, Z.n. tachykarden Vorhofflimmern postoperativ bei normaler links Ventrikelfunktion, arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, chronischer Nikotinabusus.

Entlassungsbefund der chirurgischen Abteilung des Krankenhaus XXXX vom 11.02.2022: Cholecystolithiasis - laparaskopische Cholezystektomie am 09.02.2022.

Lungenfachärztlicher Befund vom 11.03.2022: Lungenfunktion zeigte normale Werte. Zigarettenkonsum muss deutlich reduziert werden.

Internistischer Befundbericht vom 06.03.2022: Stabiles postoperatives Ergebnis der Aorta ascendens, mäßiggradiges zentrolobuläres Lungenemphysem, gering vermehrtes lymphatisches Gewebe perihilär bds., chronischer Nikotinabusus, Z.n. CHE 02/22, Vitamin- D-Mangel, Z.n. Aorta ascendens Aneurysmaoperation 10/2018, Ausschluss einer KHK 09/2018, Hyperlipidämie, Glaukom bds., arterielle Hypertonie und chronischer Nikotinabusus.

Röntgen Befund vom 29.06.2022: MRT der Nieren: Komplizierte Nierenparenchymzyste am kranialen Nierenpol links. CT-Abdomen: Unsicher über Densität am kranialen Nierenpol link.s

CT LWS und Sacrum: Vom 26.11.2022: Degenerative Veränderungen, sonst unauffällig.

Ambulanzkarte der Innere Medizin Krankenhauses XXXX vom 20.11.2022 Kreuzschmerzen, kann sich nicht mehr rühren. Lumbago.

Entlassungsbefund der Augenabteilung Krankenhaus XXXX vom 20.02.2023: HT-Entgleisung nach Katarakt Operation rechts, Pseudoexkoriation Glaukom, beidseitiges Glaukom nach Operation.

Visus RA 16.01.2023: 0,8; 3.2.2023 0,25; 20.2.2023 HB pos.

LA 16.01.2023: 1,0 Diagnosen: AT-Entgleisung nach Cataractop rechts Pseudoexfoliationsglaucom, beidseitig. Glaucoma operatum (Goniotrepanation), Z.n., rechtes Auge.

Internistischer Befundbericht vom 15.02.2023: Stechende Schmerzen paraumbilikal rechts in Observanz.

Befund der Augenabteilung des KH XXXX vom 20.02.2023: Multiple Tropfenunvertraeglichkeiten Z n. Goniotrepanation re. 3/2022 Z.n. Cat-OP bds.

23.01.2023 Goniorevision rechts.

Befund der Augenabteilung des KH XXXX vom 02.03.2023: Z n. Goniotrepanation re. 3/2022 Z.n. Cat-OP bds. 23.01.2023

Goniorevision rechts 02.03.2023: Visus c.c. RA 0,2, RA VKZ +, EKN temp. und oben, großes Kolobom bei 11h, Siki oben flach FD: kleine Papille, keine Ablatio.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: Gut.

Harn und Stuhl unauffällig, Nikotin: 10 Zigaretten/Tag, Alkohol: Gelegentlich.

Ernährungszustand: Gut.

Größe: 183,00 cm Gewicht: 76,00 kg

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput: bland. Collum: bland, Schilddrüse o.B. Cor: HT rein, rhythmisch, normofrequent Thorax: unauffällig. Pulmo: leicht spastische RG, sonorer Klopfschall. Abdomen: Hepar und Milz n.p., keine Defence oder Druckdolenz. Blande Narbe.

Obere Extremitäten:

Schulter-, Ellenbogen, Handgelenke und Finger frei beweglich, Faustschluss bds. möglich.

Wirbelsäule: Im Lot, FBA 30cm, SN und RT bland, Lasegue negativ.

Untere Extremitäten:

Zehen- und Fersengang bds. möglich, Beine können von der Unterlage gehoben werden. Einbeinstand bds. möglich. Hüftgelenke: bds. bland. Kniegelenke: bds. bland

Sprunggelenke: Flexion/Extension normal, keine Schwellung Haut: keine Auffälligkeiten

Neurologisch: Visusminderung rechts, sonst unauffällig Sonstiges: keine Auffälligkeiten

Gesamtmobilität - Gangbild:

Der Beschwerdefürher ist in gutem AZ und EZ, kommt sauber und adäquat gekleidet pünktlich ohne Begleitung zur Untersuchung, keine Einschränkung der Mobilität. Gangbild durchaus sicher, raumgreifend, keine Gehhilfe.

Status Psychicus:

Voll orientiert, Antrieb und Affizierbarkeit normal, Stimmung ausgeglichen.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Zustand nach Aorta Aneurysma mit Zustand nach suprakoronarem Einsatz der Aorta ascendens 10/2018

2. Pseudoexfoliationsglaucom beider Augen, Zustand nach Glaukom-Operation rechts, Zustand nach Cataract-Operation beidseits

3. Impingementsyndrom linke Schulter, Zustand nach OP 2017

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v. H.

Das Leiden 1 wird durch die Leiden 2 und 3 nicht erhöht, da keine wechselseitige negative Leidensbeeinflussung besteht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 02.08.2023, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 01.08.2023, eines Facharztes für Augenheilkunde aufgrund der Aktenlage vom 26.08.2023 und der vom befassten medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Allgemeinmedizin am 17.9.2023 erstellten Gesamtbeurteilung.

Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinischen Gutachter setzen sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorbringt, dass die Operation im Zusammenhang mit seinem Aorta Aneurysma lebensbedrohlich gewesen sei, so ist dem entgegen zu halten, dass die Operation gut verlaufen ist und es der Sinn von Operationen ist, dass sich der Gesundheitszustand einer Person verbessert, wie dies beim Beschwerdeführer auch nachweislich eingetreten ist. Es steht jedoch auch unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer nach wie vor Beschwerden im Zusammenhang mit diesem Aorta Aneurysma hat. Dieser Umstand fand insoweit Berücksichtigung im medizinischen Sachverständigengutachten, als dieses Leiden mit einem GdB von 40 % eingestuft wurde. Würden keine Beschwerden und Einschränkungen mehr bestehen, so hätte der medizinische Sachverständige dieses Leiden mit einem geringeren Grad der Behinderung eingestuft. Es gibt jedoch in den vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Befunden keinen Hinweis darauf, dass mit diesem Leiden Funktionseinschränkungen fortgeschrittenen Grades verbunden wären, welche eine höhere Einschätzung dieses Leidens gerechtfertigt hätten.

Bei der Einstufung des Augenleidens, welches der Facharzt für Augenheilkunde als Leiden 2 mit einem GdB von 20 % feststellte, berücksichtigte dieser die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vorgebrachten Operationen ebenso, wie den Umstand, dass der Beschwerdeführer nach wie vor Beschwerden nach diesen Operationen hat. Auch hier gilt: Würden diese Beschwerden nicht vorliegen, wäre es nicht zu einer Feststellung eines GdB von 20 % gekommen. Auch bei diesem Leiden gibt es, unabhängig von den subjektiven Beschwerden des Beschwerdeführers keinen Hinweis darauf, dass die Sehschärfe des Beschwerdeführers schlechter ist, als diese vom medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Augenheilkunde festgestellt wurde.

Der Beschwerdeführer ist damit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgericht bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit der vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

„§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41 (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46 Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung beträgt 12 Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1 Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2 (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3 (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4 (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen. (2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

...“

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Das Leiden 1, der Zustand nach Aorta Aneurysma mit Zustand nach suprakoronarem Einsatz der Aorta ascendens 10/2018, stufte der medizinische Sachverständige richtig im oberen Rahmensatz der Position 05.03.02 der Anlage der EVO mit einem GdB von 40 % ein, wobei dieser die Wundheilungsstörung und den Zustand nach tachykarden Vorhofflimmern postoperativ bei normaler Linksventrikelfunktion ebenso berücksichtigte wie die arterielle Hypertonie und die Hyperlipidämie.

Das Leiden 2, das Pseudoexfoliationsglaucom beider Augen, den Zustand nach Glaukom-Operation rechts, den Zustand nach Cataract-Operation beidseits, stufte der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Augenheilkunde nach Position 11.02.01, Tabelle Kolumne 5, Zeile 1 der Anlage der EVO richtig mit einem GdB von 20 % ein, wobei der medizinische Sachverständige die Minderung der Sehschärfe beider Augen berücksichtigte.

Das Leiden 3, das Impingementsyndrom linke Schulter, Zustand nach OP 2017, stufte der medizinische Sachverständige richtig nach dem fixen Rahmensatz der Position 02.06.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 10 % ein.

Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung die seitens der belangten Behörde eingeholten medinzischen Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 02.08.2023, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 01.08.2023, das Aktengutachten eines Facharztes für Augenheilkunde vom 26.08.2023 und die Gesamtbeurteilung, erstellt vom befassten Sachverständigen aus dem Fachbereich der Allgemeinmedizin vom 17.09.2023, zu Grunde gelegt.

Der medizinische Sachverständige stellt in der Gesamtbeurteilung vom 17.09.2023 fest, dass das Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 nicht erhöht wird, da keine wechselseitige negative Leidensbeeinflussung besteht, woraus sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. ergibt.

Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde vorgebrachten Beschwerdegründe waren nicht geeignet, die durch die medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes zu belegen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere die von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, wovon eines auf einer persönlichen Untersuchung beruht, wobei auf die im Verfahren vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingegangen wird, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Rückverweise