Spruch
W158 2266457-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL als Vorsitzende und die Richter Dr. Martin MORITZ und Mag. Volker NOWAK als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Helml Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, gegen das Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 20.12.2022, GZ: FMA- XXXX , in einer Angelegenheit des AIFMG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.03.2023 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Das Strafverfahren wird gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Das hier angefochtene Straferkenntnis vom 20.12.2022 der Finanzmarktaufsicht (in Folge: FMA), dem Beschwerdeführer (in Folge: BF) zugestellt am 28.12.2022, richtet sich gegen den BF als Beschuldigten und enthält folgenden Spruch:
„I. Sehr geehrter Herr XXXX ,
Sie waren vom 13.04.2017 bis 16.07.2021 Geschäftsführer der im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien zu FN XXXX eingetragenen XXXX GmbH mit Sitz in XXXX . Sie haben gemäß § 9 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), BGBl Nr. 52/1991 idgF zu verantworten, dass die XXXX GmbH jedenfalls im Zeitraum von 15.07.2019 bis 16.07.2021 ohne die erforderliche Konzession der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) gem. § 4 Abs 1 AIFMG, BGBl Nr. 135/2013 idgF, oder die erforderliche Registrierung bei der FMA gem. § 1 Abs 5 Z 1 AIFMG, BGBl Nr. 135/2013 idgF, einen AIF im Volumen von € 2,8 Millionen verwaltet hat.
Dies durch die Verwaltung des Genussrechtskapitals, das durch die Emission von unverbrieften und nachrangigen Genussrechten mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2023 laut Kapitalmarktprospekt vom 05.07.2017 über das öffentliche Angebot von Genussrechten eingesammelt wurde (siehe Genussrechtsbedingungen laut Punkt 2.1.3. des Kapitalmarktprospektes vom 05.07.2017, die einen integrierten Bestandteil dieses Straferkenntnisses darstellen).
Die Genussrechte gewähren eine Beteiligung am Gewinn der XXXX GmbH. Das Genussrechtskapital dient der direkten Unternehmensfinanzierung der XXXX GmbH. Den Genussrechtsinhabern kommen keine Mitspracherechte zu, sodass die XXXX GmbH den Geschäftsbetrieb, in welchen das Genussrechtskapital investiert wird, selbst lenkt. Eine gem. § 4 Abs 1 AIFMG, BGBl Nr. 135/2013 idgF erforderliche Konzession wurde seitens der FMA an die XXXX GmbH nicht erteilt. Auch wurde die gem. § 1 Abs 5 Z 1 AIFMG, BGBl Nr. 135/2013 idgF erforderliche Registrierung bei der FMA nicht vorgenommen.
II. Die XXXX GmbH haftet gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die über den Beschuldigten verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 60 Abs 1 Z 1, § 4 Abs 1, § 1 Abs 5 Z 1 AIFMG, BGBl Nr. 135/2013 idgF.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von 20.000 Euro, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen gemäß § 60 Abs. 1 AIFMG iVm §§ 16, 19, 44a VStG
Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft): -
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
• 2.000 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro);
• 0 Euro als Ersatz der Barauslagen für -
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 22.000 Euro .“
I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 17.01.2023, in der u.a. beantragt wird, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den Bescheid ersatzlos zu beheben.
Begründet wird die Beschwerde auf das Wesentlichste zusammengefasst damit, dass die Prozesskostenfinanzierung und die dazu notwendigen Vorarbeiten entgegen der Ansicht der FMA sehr wohl eine operative Tätigkeit der XXXX GmbH (in Folge: der Gesellschaft) darstellen. Außerdem würde keine festgelegte Anlagestrategie verfolgt werden. Darüber hinaus habe die Gesellschaft bereits im Juli 2019 den verfahrensgegenständlichen Vertrieb eingestellt, das öffentliche Angebot zurückgenommen und keine Zeichnungsanträge mehr angenommen habe.
I.3. Am 01.02.2023 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.4. Am 07.03.2023 hielt der entscheidende Senat eine mündliche Verhandlung ab, in der neben dem gegenständlichen Verfahren 2266457-1 auch die Verfahren 2245399-1, 2252667-1 und 2240383-2 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden wurden. Die Verfahren 2245399-1, 2252667-1 und 2240383-2 waren der erkennenden Gerichtsabteilung zuvor am 31.10.2022 mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses neu zugewiesen worden, nachdem die ursprünglich zuständige Leiterin der Gerichtsabteilung W107 in den Ruhestand übergetreten war.
In dieser Verhandlung wurden der BF, ein Zeuge sowie die belangte Behörde gehört. Der BF hielt im gegenständlichen Verfahren seine Beschwerde vollinhaltlich aufrecht. Er verzichtete auf eine sofortige mündliche Verkündung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.
I.5. Eine Stellungnahme des BF inklusive Urkundenvorlage langte am 14.03.2023 am Bundesverwaltungsgericht ein. Diese wurden der belangten Behörde zur Kenntnis übermittelt.
I.6. Am 20.03.2023 legte die belangte Behörde eine Stellungnahme vor, auf die der BF am 30.03.2023 replizierte.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der FMA und den Gerichtsakt sowie Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.03.2023.
II. Feststellungen
Der BF war von 13.04.2017 bis 16.07.2021 Geschäftsführer der XXXX , welche eine im Firmenbuch zu XXXX eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Wien ist. Sie verfügt über keine Konzession der FMA.
Im Kapitalmarktprospekt vom 05.07.2017 über das öffentliche Angebot von Genussrechten führt die Gesellschaft aus, dass sie insbesondere in folgenden Bereichen tätig ist:
„- Prozesskostenfinanzierung (aktuell wurden/werden zB über 4.000 Anfragen im Bereich Rückabwicklung von Lebensversicherungen bearbeitet und an kooperierende Rechtsanwälte weitergeleitet)
- (eingeschränkte) Vorabprüfung relevanter Unterlagen und Sammlung/Aufbereitung für die jeweiligen kooperierenden Rechtsanwälte
- Zurverfügungstellung von Kontakten zu Rechtsanwälten / Weiterleitung der Aufträge an die jeweiligen kooperierenden Rechtsanwälte
- Marketingaktivitäten für die Bewerbung des Unternehmens (wie zB Onlinemarketing auf sozialen Medien und Suchmaschinen, Roadshows, klassische Werbekampagnen)
- Aufbau und Ausbildung der selbständigen Vertriebspartner (derzeit über 280 österreichweit)“
Auf der von der BF betriebenen Website wurde das Geschäftsmodell der Prozessfinanzierung zum Entscheidungszeitpunkt der FMA wie folgt beschrieben:
„Was ist Prozessfinanzierung?
Bei der Prozessfinanzierung (auch: Prozesskostenfinanzierung) handelt es sich um eine juristische Finanzdienstleistung. Der Prozessfinanzierer übernimmt im Falle einer positiven internen Vorprüfung die notwendigen Kosten einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Verfolgung privater oder gewerblicher Ansprüche auf Basis des Prozessfinanzierungsvertrages. Die XXXX übernimmt im Falle des Abschlusses eines Prozessfinanzierungsvertrages als Prozessfinanzierer das Prozesskostenrisiko inklusive Anwalts-, Begutachtungs- und Gerichtskosten.
Muss ich Kosten für ein verlorenes Verfahren tragen?
Entsprechend dem Prozessfinanzierungsvertrag wird das Prozessrisiko vom Prozessfinanzierer übernommen. Im Regelfall sind davon Honorarzahlungen an den beauftragten Rechtsanwalt, Kostenzahlungen an die Gegenpartei, Kosten für eingeholte Gutachten sowie allenfalls (vorprozessuale) Barauslagen (Sachverständigen- Zeugengebühren) umfasst.“
Die Genussrechtsbedingungen laut Kapitalmarktprospekt vom 05.07.2017 lauten auszugsweise wie folgt:
„GENUSSRECHTSBEDINGUNGEN
der [BF] (als ‚EMITTENTIN‘)
1. Präambel […]
1.2. Die EMIITENTIN beabsichtigt die Emission von Genussrechten (die ‚GENUSSRECHTE‘) im Gesamtnennbetrag von EUR 10.000.000,00 (das ‚GENUSSRECHTSKAPITAL‘). Die rechtliche Ausgestaltung der GENUSSRECHTE ist in diesen Genussrechtsbedingungen normiert.
1.3. Die GENUSSRECHTE stellen eine schuldrechtliche Vermögensbeteiligung der Genussrechtsberechtigten an der EMITTENTIN dar und gewähren eine nachrangige Beteiligung an deren Gewinn sowie an deren Unternehmenswert.
1.4. Genussrechtsberechtigte sind am wirtschaftlichen Erfolg der EMITTENTIN beteiligt (vgl. Punkt 6), Genussrechtsberechtigte tragen deshalb das unternehmerische Risiko der EMITTENTIN mit. Ausdrücklich festgehalten wird, dass die EMITTENTIN keinerlei Gewährleistung, Garantie oder sonstige Zusage abgibt. dass das Geschäftsmodell oder die Bemühungen der EMITTENTIN erfolgreich sein werden.
2. Erwerb und Ausgabe der Genussrechte, Einzahlung
Die GENUSSRECHTE können durch natürliche oder juristische erworben werden. Ein Angebot auf Erwerb eines GENUSSRECHTES kann durch Unterzeichnung eines entsprechenden Zeichnungsscheins/Angebotsschreibens und dessen Übermittlung an die EMITTENTIN (Angebot) an deren Geschäftsadresse gestellt werden. Ebenso ist es möglich, über eine bestimmte, von der EMITTENTIN auszuwählende Crowdfunding-Plattform (kurz ‚Plattform‘ oder ‚Website‘) ein Angebot auf Erwerb) eines solchen GENUSSRECHTES an die EMITTENT'N zu stellen. […]
2.2. Die Annahme durch die EMITTENTIN erfolgt durch Übermittlung einer Annahmeerklärung (per Brief oder E-Mail an die vom Genussberechtigten bekanntgegebene Adresse) binnen 14 Tagen ab Einlangen des Angebots des Genussberechtigten bei der EMITTENTIN. Die Annahme steht im freien Ermessen der EMITTENTIN. […]
2.3. Interessenten können während der Gültigkeit des Kapitalmarktprospektes bzw. während der auf der jeweiligen Website angezeigten Frist Angebote zum Erwerb von GENUSSRECHTEN abgeben. […]
2.4. Der vom Genussrechtsinhaber gezeichnete Beteiligungsbetrag muss mindestens EUR 1.000,00 betragen.
2.5. Die Ausgabe der GENUSSRECHTE erfolgt zum Nennbetrag (100 %). Auf die ausgegebenen GENUSSRECHTE wird von der EMITTENTIN kein Agio erhoben.
2.6. Die Einzahlung des Genussrechtsbetrags hat innerhalb von 14 Kalendertagen nach Einlangen der Annahmeerklärung gemäß Punkt 2.2. beim Genussrechtsberechtigten auf das Konto der EMITTENTIN zur Gänze frei von Bankgebühren, Kosten und Spesen zu erfolgen, widrigenfalls die EMITTENTIN die Annahmeerklärung widerrufen kann. Sofern die Zahlungsmodalität auf der Plattform anders geregelt ist, kommen im Falle der online-Zeichnung die dort genannten Bestimmungen zur Anwendung. […]
3. Art der Genussrechte, Genussrechtsregister
3.1. Die GENUSSRECHTE werden nicht verbrieft, sind unbesichert und nachrangig.
3.2. Die EMITTENTIN wird die Genussrechtsberechtigten in einem nicht öffentlichen Genussrechtsregister erfassen. In das Datenregister werden folgende Daten des Genussrechtsberechtigten eingetragen: […]
4. Laufzeit
Die Laufzeit der GENUSSRECHTE ist befristet bis zum 31.12.2023.
5. Fixe (Mindest-)Verzinsung der Genussrechte
5.1. Jeder Genussrechtsberechtigte erhält jedenfalls zumindest die Mindestverzinsung in Höhe von 4% p.a. des gezeichneten Beteiligungsbetrages.
5.2. Die Zinsen sind grundsätzlich endfällig. Dies bedeutet, dass es erst im Fall jeder Vertragsbeendigung zu einer rechnerischen Ermittlung und Auszahlung der bis dahin vereinbarungsgemäß aufgelaufenen Zinsen kommt, wobei auch Zineszinsen gewährt werden. Die Zinsen sind als Teil des Rückzahlungsbetrages gemeinsam mit der Rückzahlung des Beteiligungsbetrages, der Auszahlung einer allfälligen Gewinnbeteiligung und Unternehmenswertbeteiligung zur Zahlung fällig (vgl. Punkt 7.5.). […]
6. Gewinnbeteiligung
6.1. Die GENUSSRECHTE verkörpern eine Beteiligung am Gewinn der EMITTENTIN. […]
7. Rückzahlung des Genussrechtskapitals, Auszahlung, Unternehmenswertbeteiligung
7.1. Bei Ablauf der Laufzeit der GENUSSRECHTE, im Falle der Auflösung und Liquidation der EMITTENTIN oder für den Fall, dass das Genussrechtskapital aus sonstigen Gründen vor Ablauf der in Punkt 4. festgelegten Laufzeit zurückgezahlt wird, haben die Genussrechtsberechtigten Anspruch auf Rückzahlung des GENUSSRECHTSKAPITALS zum Buchwert zuzüglich der bis dahin aufgelaufenen Zinsen (Punkt 5.), einer Gewinnbeteiligung (Punkt 6.) und einer Unternehmenswertbeteiligung (Punkt 7.4) (gesamt kurz ‚Rückzahlungsbetrag‘) […]
8. Gesellschafter- und Mitwirkungsrechte
8.1. Das GENUSSRECHT gewährt keinen Anteil am Kapital der EMITTENTIN und keinerlei Verwaltungsrechte im Hinblick auf die EMITTENTIN, insbesondere kein Recht auf Teilnahme und kein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der EMITTENTIN sowie keine über diese GENUSSRECHTSBEDINGUNGEN hinausgehenden Informationsrechte. […]
9. Rangrücktritt, Nachrangigkeit
9.1. Bei diesen GENUSSRECHTEN handelt es sich um eine nicht besicherte, nachrangige Verbindlichkeit (Schuld) der [BF] […]
9.2. Vereinbarung qualifizierter Nachrangigkeit
Der Genussrechtsberechtigte erklärt hiermit ausdrücklich und unwiderruflich die uneingeschränkte qualifizierte Nachrangigkeit aller seiner Forderungen gegenüber der EMITTENTIN aus diesem Genussrechtsvertrag mit der Maßgabe, dass der Genussberechtigte den von ihm geleisteten Beteiligungsbetrag, eine Verzinsung, eine allfällige Gewinnbeteiligung und eine Unternehmenswertbeteiligung so lange nicht, auch nicht teilweise, fordern kann, als
- dies bei der EMITTENTIN einen Grund zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens darstellen würde; und/oder
- ein negatives Eigenkapital bei der EMITTENTIN gegeben ist oder die (teilweise) Auszahlung an den Genussberechtigten dazu führen würde. Sofern eine Auszahlung des Rückzahlungsbetrages aus den in diesem Punkt 9. genannten Gründen (Nachrangigkeit) nicht erfolgt, ist die Auszahlung zur nächstmöglichen Gelegenheit, an dem die Auszahlungsvoraussetzungen erfüllt sind, zu leisten und wird der Rückzahlungsbetrag bis dahin mit dem Zinssatz gemäß Punkt 5. verzinst.
9.3. Rangfolge der Forderungsbefriedigung
Forderungen gegen die EMITTENTIN werden daher in folgender Rangfolge beglichen – Gläubiger des zweiten oder dritten Ranges können nur bedient werden, wenn die Gläubiger der jeweils vorhergehenden Gruppe vollständig befriedigt wurden:
- Allgemeine Gläubiger – erster Rang: Da die EMITTENTIN eine Nachrangigkeitsvereinbarung nur mit den Genussrechtsberechtigten abgeschlossen hat, bedeutet dies, dass alle übrigen Gläubiger der EMITTENTIN gegenüber den Genussberechtigten (siehe ‚zweiter Rang‘) und Gesellschaftern/Eigenkapitalgeber (siehe ‚dritter Rang‘) vorrangig bedient werden.
- Genussrechtsberechtigte – zweiter Rang: Die Forderungen von Genussrechtsberechtigten gegen die EMITTENTIN werden gegenüber den Forderungen der Gesellschafter/Eigenkapitalgeber (siehe ‚dritter Rang‘) vorrangig befriedigt. Innerhalb der Gruppe der Genussrechtsberechtigten besteht Gleichrangigkeit.
- Gesellschafter/Eigenkapitalgeber – dritter Rang: Sollten Gesellschafter der EMITTENTIN oder sonstige Eigenkapitalgeber gegen die Gesellschaft Forderungen (zum Beispiel Gesellschafterdarlehen, etc.) haben, so sind diese Forderungen gegenüber jenen allgemeiner Gläubiger und der Genussrechtsberechtigten nachrangig gestellt.
9.4. Konsequenzen der qualifizierten Nachrangigkeit
Kommt es somit – aus welchen Gründen auch immer – zu einer Insolvenz oder Liquidation der EMITTENTIN, erfolgt eine Befriedigung des Genussrechtsberechtigten erst dann, wenn sämtliche andere Gläubiger der EMITTENTIN, denen gegenüber seitens der Gesellschaft keine Nachrangigkeit besteht, zuvor vollständig befriedigt worden sind. Im Falle einer Insolvenz der EMITTENTIN ist der Totalverlust der Investition des Genussberechtigten daher der Regelfall.
9.5. Keine Beantragung eines Insolvenzverfahrens
Der Genussrechtsberechtigte erklärt hiermit gemäß und im Hinblick auf § 67 Abs. 3 Insolvenzordnung, dass er eine Befriedigung seiner Forderungen aus diesem Genussrechtsvertrag erst nach Beseitigung eines negativen Eigenkapitals (§ 225 Abs. 1 UGB) oder im Fall der Liquidation nach Befriedigung aller – nicht nachrangig gestellten – Gläubiger begehrt und dass wegen dieser Verbindlichkeiten kein Insolvenzverfahren eröffnet zu werden braucht.
9.6. Risiko-/Chancenausgleich
Die qualifizierte Nachrangigkeit dieses Genussrechts ist wesentlicher Bestandteil dieses Genussrechtsvertrags und somit dieser Emission. Die Genussberechtigten erhalten zum Ausgleich dafür eine angemessene Verzinsung gemäß Punkt 5. bzw. einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung gemäß Punkt 6. sowie zusätzlich eine Unternehmenswertbeteiligung gemäß Punkt 7.4.“
Laut Kapitalmarktprospekt dient das Genussrechtskapital der direkten operativen Unternehmensfinanzierung. Als Anlageziel wird „allgemeine Unternehmensfinanzierung“ definiert. Ausdrücklich wird festgehalten, dass eine ordentliche Kündigung des Genussrechtsvertrags vor Ende der Laufzeit nicht möglich ist.
Die Gesellschaft als Prozesskostenfinanziererin übernimmt die notwendigen Kosten einer (außer-)gerichtlichen Verfolgung privater oder gewerblicher Ansprüche und trägt das volle Prozesskostenrisiko der geführten Verfahren. Im Erfolgsfall erhält die Gesellschaft einen Teil des erzielten Erlöses in Form einer Beteiligungsquote. Zum Entscheidungszeitpunkt der FMA unterstützte die Gesellschaft Konsumenten bei der Durchsetzung ihrer Rechte, insbesondere gegen Versicherungsunternehmen.
Die Gesellschaft prüft die eingereichten Fälle eingeschränkt vorab, stellt die relevanten Unterlagen zusammen, bereitet diese auf und instruiert die beauftragten Rechtsanwälte. Außerdem bewirbt sie das Unternehmen, bildet ihre Mitarbeiter aus und weiter und schafft Arbeitsmittel an.
Die Genussrechte wurden von 05.07.2017 bis 15.07.2019 in Österreich angeboten und im Umfang von insgesamt € 2,8 Millionen tatsächlich eingeworben. Seit dem 15.07.2019 vertreibt die Gesellschaft die Genussrechte nicht mehr, was sie auch im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlichte.
III. Beweiswürdigung
Die Feststellungen hat allesamt bereits die FMA getroffen. Diese beruhen entweder auf unbedenklichen Dokumenten oder den Angaben des BF selbst. Der BF bekämpft die Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde in der Beschwerde auch nicht. Soweit er teilweise ausführt, die FMA habe unrichtige Feststellungen, etwa zur festgelegten Anlagestrategie oder ob das Kapital der operativen Tätigkeit dient, getroffen, handelt es sich nämlich entgegen seiner Annahme nicht um Feststellungen, sondern um rechtliche Beurteilungen.
IV. Rechtliche Beurteilung
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 22 Abs. 2a Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (FMABG) entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der FMA das Bundesverwaltungsgericht durch Senat, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen bei Bescheiden bei denen weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.
Im gegenständlichen Fall wurde eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt, es liegt daher Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 38 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden in Verwaltungsstrafsachen, soweit nicht anderes bestimmt ist, die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes – FinStrG, BGBl Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 50 VwGVG, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, in der Sache selbst zu entscheiden.
IV.1. Zu Spruchpunkt A)
IV.2.1. Zu Spruchpunkt I.
IV.2.1.1. Anzuwendende Rechtslage
§ 1 AIFMG, BGBl. I Nr. 135/2013 idF BGBl. I Nr. 198/2021, regelt wie folgt:
(1) Vorbehaltlich Abs. 3 bis 5 gilt dieses Bundesgesetz für
1. EU-AIFM, die einen oder mehrere AIF verwalten, unabhängig davon, ob es sich bei solchen AIF um EU-AIF oder Nicht-EU-AIF handelt,
2. Nicht-EU-AIFM, die einen oder mehrere EU-AIF verwalten, und
3. Nicht-EU-AIFM, die einen oder mehrere AIF in der Europäischen Union vertreiben, unabhängig davon, ob es sich bei solchen AIF um EU-AIF oder Nicht-EU-AIF handelt.
(2) Für die Zwecke des Abs. 1 ist es ohne Bedeutung,
1. ob es sich bei dem AIF um einen offenen oder geschlossenen Typ handelt,
2. ob der AIF in der Vertragsform, der Form des Trust, der Satzungsform oder irgendeiner anderen Rechtsform errichtet ist,
3. welche Rechtsstruktur der AIFM hat.
(3) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für
1. Holdinggesellschaften,
2. Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, die unter die Richtlinie (EU) 2016/2341 fallen, gegebenenfalls einschließlich der in Art. 2 Abs. 1 der genannten Richtlinie aufgeführten zugelassenen Stellen, die für die Verwaltung solcher Einrichtungen verantwortlich und in ihrem Namen tätig sind, oder der nach Art. 32 der genannten Richtlinie bestellten Vermögensverwalter, sofern sie nicht AIF verwalten,
3. supranationale Institutionen, wie die Europäische Zentralbank, die Europäische Investitionsbank, den Europäischen Investitionsfonds, die Europäischen Entwicklungsfinanzierungsinstitute und bilateralen Entwicklungsbanken, die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds und sonstige supranationale Einrichtungen und ähnliche internationale Organisationen, falls solche Einrichtungen oder Organisationen AIF verwalten, und sofern diese AIF im öffentlichen Interesse handeln,
4. nationale Zentralbanken,
5. staatliche Stellen und Gebietskörperschaften oder andere Einrichtungen, die Fonds zur Unterstützung von Sozialversicherungs- und Pensionssystemen verwalten,
6. Arbeitnehmerbeteiligungssysteme oder Arbeitnehmersparpläne und
7. Verbriefungszweckgesellschaften.
(4) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für AIFM, welche einen oder mehrere AIF verwalten, deren einzige Anleger der AIFM oder die Muttergesellschaften oder die Tochtergesellschaften des AIFM oder andere Tochtergesellschaften jener Muttergesellschaften sind, sofern keiner dieser Anleger selbst ein AIF ist.
(5) Unbeschadet der Anwendung der §§ 24 bis 28, 56 und 60 gilt dieses Bundesgesetz nicht für AIFM, die entweder direkt oder indirekt über eine Gesellschaft, mit der der AIFM über eine gemeinsame Geschäftsführung, ein gemeinsames Kontrollverhältnis oder durch eine wesentliche direkte oder indirekte Beteiligung verbunden ist, die Portfolios von AIF verwalten, deren verwaltete Vermögenswerte –einschließlich der durch Einsatz einer Hebelfinanzierung erworbenen Vermögenswerte – insgesamt nicht über einen Schwellenwert von 100 Millionen Euro hinausgehen, oder deren verwaltete Vermögenswerte insgesamt nicht über einen Schwellenwert von 500 Millionen Euro hinausgehen, wenn die Portfolios dieser AIF aus AIF bestehen, die keine Hebelfinanzierung verwenden und die für einen Zeitraum von fünf Jahren nach der Tätigung der ersten Anlage in jeden dieser AIF keine Rücknahmerechte ausüben dürfen. Allerdings hat ein solcher AIFM
1. sich bei der FMA registrieren zu lassen;
2. sich und die von ihm verwalteten AIF zum Zeitpunkt ihrer Registrierung gegenüber der FMA auszuweisen;
3. der FMA zum Zeitpunkt ihrer Registrierung Informationen zu den Anlagestrategien der von ihm verwalteten AIF vorzulegen;
4. der FMA jährlich und zusätzlich auf Verlangen die wichtigsten Instrumente, mit denen er handelt, und über die größten Risiken und Konzentration der von ihm verwalteten AIF unterrichten, um der FMA eine effektive Überwachung der Systemrisiken zu ermöglichen;
5. der FMA jede Auflage eines AIF und jeden Beginn der Abwicklung eines AIF unverzüglich anzuzeigen;
5a. der FMA unverzüglich jede Änderung in der Person der Geschäftsleiter sowie jede Verlegung des Sitzes des AIFM anzuzeigen, wobei AIFM, die einen oder mehrere qualifizierte Risikokapitalfonds oder qualifizierte Fonds für soziales Unternehmertum verwalten, der FMA gemeinsam mit der Anzeige über die Änderung in der Person des Geschäftsleiters die Angaben gemäß § 5 Abs. 2 Z 1 zu übermitteln haben;
6. zu erklären, Anteile des AIF nicht an Privatkunden gemäß § 2 Abs. 1 Z 36 zu vertreiben und
7. der FMA unverzüglich mitzuteilen, wenn er die in diesem Absatz genannten Voraussetzungen nicht mehr einhalten kann.
Übersteigen die Vermögenswerte der Portfolios der verwalteten AIF eines gemäß diesem Absatz registrierten AIFM zu einem späteren Zeitpunkt eine der genannten Schwellen, hat der AIFM die gemäß diesem Bundesgesetz erforderliche Konzession gemäß § 4 binnen 30 Kalendertagen zu beantragen. Unbeschadet der Schwellenwerte kann ein AIFM beschließen, eine Konzession gemäß § 4 zu beantragen. Diesfalls findet mit Erteilung der Konzession dieses Bundesgesetz in seiner Gesamtheit Anwendung. Sind von einem AIFM verwaltete AIF für den Vertrieb an Privatkunden gemäß § 2 Abs. 1 Z 36 bestimmt, ist unter Vorbehalt der Erteilung der Konzession gemäß § 4 dieses Bundesgesetz jedenfalls in seiner Gesamtheit anzuwenden.
§ 2 Abs. 1 AIFMG, BGBl. I Nr. 135/2013 idF BGBl. I Nr. 198/2021, regelt wie folgt:
(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten folgende Begriffsbestimmungen:
1. „AIF“ ist jeder Organismus für gemeinsame Anlagen einschließlich seiner Teilfonds, der
a) von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren, ohne dass das eingesammelte Kapital unmittelbar der operativen Tätigkeit dient, und
b) keine Genehmigung gemäß Art. 5 der Richtlinie 2009/65/EG benötigt.
§ 4 Abs. 1 AIFMG, BGBl. I Nr. 135/2013 idF BGBl. I Nr. 237/2022, regelt wie folgt:
(1) Die Verwaltung von AIF setzt die Konzession als AIFM durch die FMA voraus. Die gemäß diesem Bundesgesetz konzessionierten AIFM müssen die Konzessionsvoraussetzungen jederzeit einhalten.
§ 60 Abs. 1 AIFMG, BGBl. I Nr. 135/2013 idF BGBl. I Nr. 36/2022, regelt wie folgt:
(1) Wer
1. gegen das Erfordernis einer Konzession gemäß § 4 Abs. 1 oder das Erfordernis einer Registrierung gemäß § 1 Abs. 5 Z 1 verstößt;
2. trotz Untersagung des Vertriebs durch die FMA gemäß § 29 Abs. 5, § 30 Abs. 6, § 31 Abs. 2, § 32 Abs. 6, § 35 Abs. 6, § 36 Abs. 7, § 38 Abs. 6, § 40 Abs. 8 und 9, § 41 Abs. 4, § 42 Abs. 9 und 10, § 43 Abs. 4, § 44 Abs. 5, § 47 Abs. 6 und 7, § 49 Abs. 9, § 50 oder § 56 Abs. 2 Z 5, 10 und 11 sowie Abs. 4 Anteile an AIF vertreibt oder
3. entgegen der Anordnung der FMA gemäß § 56 Abs. 4, die Verwaltung von AIF einzustellen, AIF weiter verwaltet,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür von der FMA mit einer Geldstrafe bis zu 100 000 Euro zu bestrafen.
IV.2.1.2. Objektive Tatseite
§ 60 Abs. 1 Z 1 AIFMG regelt, dass eine Verwaltungsübertretung begeht, wer gegen das Erfordernis einer Konzession gemäß § 4 Abs. 1 AIFMG oder das Erfordernis einer Registrierung gemäß § 1 Abs. 5 AIFMG verstößt. Es ist daher zu prüfen, ob die Gesellschaft, deren Geschäftsführer der BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gewesen ist, in diesem Zeitraum einen AIF verwaltet hat und einer entsprechenden Konzessionierungs- oder Registrierungspflicht unterlegen ist.
Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 1 AIFMG ist ein AIF jeder Organismus für gemeinsame Anlagen einschließlich seiner Teilfonds, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren, ohne dass das eingesammelte Kapital unmittelbar der operativen Tätigkeit dient (lit. a), und keine Genehmigung gemäß Art. 5 der Richtlinie 2009/65/EG benötigt (lit. b).
Der BF führt in seiner Beschwerde aus, keine feste Anlagestrategie zu verfolgen. Betrachtet man aber Punkt 2.4. des Kapitalmarktprospektes der Gesellschaft wird klargestellt, dass das Kapital den dort genannten Zwecken zugeführt wird:
2.4.1 Prozesskostenfinanzierung;
2.4.2 Investitionen im Bereich Datenverarbeitung;
2.4.3 Verwaltung und Administration;
2.4.4 Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb;
2.4.5 Marketingaktivitäten; 2.4.6 Expansion;
2.4.7 Sonstige Ausgaben.
Die Gesellschaft ist also keineswegs frei in ihrer Verwendung des Genussrechtskapitals. Den Anlegern wurde vielmehr verbindlich und klar offengelegt, zu welchen Zwecken das eingesammelte Kapital verwendet und welche Ziele damit verfolgt werden sollen.
Jedoch erkennt der zuständige Senat damit auch, dass das eingesammelte Kapital entsprechend dem Kapitalmarktprospekt zur direkten operativen Unternehmensfinanzierung verwendet wurde, weswegen gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 lit a AIFMG letztlich keine Qualifikation als AIF vorliegt.
Die FMA geht nämlich unter Bezugnahme auf die ESMA Leitlinien ESMA/2013/611 davon aus, dass zur Annahme dieser Ausnahme das eingesammelte Kapital unmittelbar und zu einem überwiegenden Anteil für Tätigkeiten mit allgemein-kommerziellem oder -industriellem Zweck verwendet werden müsse. Bei der Tätigkeit der Prozessfinanzierung handle es sich nach ihrer Ansicht weder um das eine noch das andere.
Die von der FMA dabei argumentativ herangezogenen ESMA Leitlinien beziehen sich allerdings nicht auf das Wort „operativ“. Nach der unionsrechtlichen Definition in Art. 4 Abs. 1 lit. a Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08.06.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 (im Folgenden AIFMD) ist ein AIF nämlich „jeder Organismus für gemeinsame Anlagen einschließlich seiner Teilfonds, der
i) von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren, und
ii) keine Genehmigung gemäß Artikel 5 der Richtlinie 2009/65/EG benötigt.“
In der Legaldefinition der AIFMD ist damit das Wort „operativ“ im Gegensatz zur Legaldefinition im AIFMG nicht enthalten und auch nicht umschrieben. Dementsprechend enthalten die ESMA/2013/611 auch keine Ausführungen dazu, wann etwas nach Ansicht der ESMA als „operativ“ zu gelten habe oder nicht. Vielmehr führt die ESMA den von der FMA herangezogenen allgemein-kommerziellen oder -industriellen Zweck bei der grundsätzlichen Definition als Organismus für gemeinsame Anlagen (Punkt VI. der Leitlinien) an. Die ESMA Leitlinien können daher für die Interpretation der „operativen Tätigkeit“ im AIFMG nicht herangezogen werden.
Es ist vielmehr, da das AIFMG nicht weiter regelt, was operative Tätigkeiten sind, entsprechend der allgemeinen Interpretationsregeln (§§ 6f ABGB) nach dem allgemeinen Wortsinn zu fragen, wonach operativ bedeutet, „konkrete Maßnahmen zu treffen, sie unmittelbar wirksam werden lassend“ (Duden). Ob es sich dabei um eine überwiegend finanzielle oder nicht-finanzielle Dienstleistung handelt, ist entgegen der im Straferkenntnis geäußerten Rechtsansicht der FMA unerheblich, wie sie letztlich selbst in ihrer Stellungnahme vom 23.02.2023 unterstreicht:
Unter Berufung auf ein Auslegungsschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Anwendungsbereich des deutschen KAGB und zum Begriff des „Investmentvermögens“ (GZ Q 31-Wp 21372013/0006) argumentierte der BF nämlich in der Beschwerde (S. 3 und 21), dass ausschließlich Investitionen in Dienstleistungen des Finanzsektors für die Qualifikation eines AIF relevant seien und vermeint selbst keine solchen zu erbringen.
Wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom 23.02.2023 dazu jedoch ausführt, weicht das dKAGB jedoch in einem wesentlichen Teil von der Richtlinie 2011/61/EU („AIFMD“), und damit auch vom österreichischen AIFMG, welches sich ihrer Ansicht nach näher an der Richtlinie orientiert, ab. § 1 Abs. 1 Satz 1 dKAGB normiert, dass es sich bei dem gegenständlichen Unternehmen nicht um ein „operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors“ handeln darf. Diese Einschränkung basiert allerdings, wie auch die FMA ausführt, nicht auf der Richtlinie 2011/61/EU („AIFMD“) und findet sich folglich auch nicht im AIFMG. Das dKAGB hat hierbei nach Ansicht der belangten Behörde sprachlich ungenau die ESMA-Leitlinien zum „allgemein-kommerziellen oder -industriellen Zweck“ direkt in Gesetzesrang inkorporiert. Wie die FMA betont, ist der vorliegende Fall nicht vor dem Hintergrund der deutschen, sondern selbstverständlich der österreichischen Rechtslage (AIFMG) zu interpretieren.
Wie bereits erläutert, lässt sich mit Bezug auf die Richtlinie 2011/61/EU („AIFMD“) und der ESMA-Leitlinien jedoch nicht das von der belangten Behörde erwünschte Ergebnis erzielen. Nach Ansicht der FMA stellt die Wendung „nicht-finanziell“ auf den „allgemein-kommerziellen oder –industriellen Zweck“ ab, sie zieht dazu ausdrücklich die Begriffsbestimmungen der ESMA-Leitlinien heran. Über die Definition „operativ“ ist damit aber – wie oben ausgeführt- nichts gesagt.
Dass das eingesammelte Kapital von der Gesellschaft nicht (ausschließlich) zu kommerziellen oder industriellen Zwecken eingesammelt wurde, ist daher ebenso irrelevant wie die rechtliche Beurteilung der belangen Behörde, dass die zum Zeitpunkt der Emission geplanten Dienstleistungen, in welche das Genussrechtskapital investiert werden sollte, eindeutig „finanzielle Dienstleistungen“ iSd AIFMG und der AIFMD bzw. der ESMA-Leitlinien darstellen. Daher ändert auch der Umstand, dass die Gesellschaft (entgegen S. 3 und 21 der Beschwerde des BF) die von ihr erbrachte Prozessfinanzierung selbst als juristische Finanzdienstleistung bezeichnet (siehe die FAQ auf ihrer Homepage) nichts an der Qualifikation der Kapitalverwendung zur unmittelbaren operativer Tätigkeit. Mit anderen Worten, das Kapital, das seitens der Gesellschaft eingesammelt wurde, mag überwiegend zum Zweck der Erbringung einer finanziellen Dienstleistung verwendet werden, dies steht nach Ansicht des erkennenden Senats aber dem Wortlaut des AIFMG folgend nicht einer operativen Tätigkeit durch die Gesellschaft im Wege. Der österreichische Gesetzgeber hat gerade nicht wie der deutsche seine Ausnahme ausschließlich auf Unternehmen außerhalb des Finanzsektors beschränkt, wie auch die FMA hervorhebt. Sofern das Kapital unmittelbar operativ verwendet wird, stößt sich der österreichische Gesetzgeber nicht an deren Verwendung für finanzielle Dienstleistungen. Zu beurteilen, ob damit Rechtschutzinteressen von Anlegern ausreichend gedient ist, obliegt dem erkennenden Senat nicht.
Ob die Einführung eines Ausschlusstatbestands bei einer Kapitalverwendung zur „unmittelbaren operativen Tätigkeit“ durch § 2 Abs. 1 Z 1 lit. a AIFMG durch den österreichischen Gesetzgeber unionsrechtswidrig sein könnte, braucht nicht endgültig geklärt werden. Die unmittelbare Anwendung der AIFMD würde nämlich zu Lasten der Einzelnen gehen, weil damit strengere Anforderungen gelten würden. In einem solchen Fall scheidet eine unmittelbare Anwendung aus. Ist eine unionsrechtliche Regelung nicht unmittelbar anwendbar, lässt sich ihre Anwendung auch nicht im Weg der unionsrechtskonformen Interpretation erreichen, wenn sich dieses Ergebnis bei Auslegung des nationalen Rechts nicht erzielen lässt. Das Unionsrecht fordert keine contra legem Auslegung (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006). Eine unionsrechtskonforme Auslegung ist aber bei einer Auslegung des nationalen Rechts nicht zu erzielen, weil der Gesetzgeber ein zusätzliches, so in der AIFMD nicht vorgesehenes Wort, eingefügt hat. Daran ändert auch nichts, dass der Gesetzgeber ausweislich der Materialien grundsätzlich mit der Einführung des AIFMG die AIFMD umsetzen wollte (ErläutRV 2401 BlgNR, 24. GP, 12). Entgegen den Ausführungen in den Erläuterungen werden nämlich nicht nur die Definitionen des Art. 4 AIFMD übernommen, sondern diese ergänzt. Darüber hinaus ist in den Erläuterungen zum AIFMG ausdrücklich festgehalten, dass „europarechtlich keine generellen Leitlinien vorgegeben werden, wann es sich bei einem verwalteten Vermögen um einen AIF handelt“ (ErläutRV 2401 BlgNR, 24. GP, 12). Der Gesetzgeber war sich damit der Unvollständigkeit der unionsrechtlichen Regelungen durchaus bewusst, sodass auch die Annahme gerechtfertigt ist, dass er (zumindest) teils andere Definitionen wählte. Darüber hinaus hat der Richtliniengesetzgeber in Erwägungsgrund 10 ausdrücklich festgehalten: „Diese Richtlinie enthält keine Regelung für AIF. Die Regelung für AIF und ihre Beaufsichtigung sollten daher weiterhin auf nationaler Ebene erfolgen.“ Diese Erwägung spricht gegen die Annahme einer Unionsrechtswidrigkeit. Dass innerhalb der Union unterschiedliche Definitionen eines AIF existieren, zeigt etwa auch die von der BF erwähnte deutsche Regelung in § 1 Abs. 1 dKAGB, die Unternehmen „außerhalb des Finanzsektors“ ausnimmt.
Dass das eingesammelte Kapital aber entsprechend dem Kapitalmarktprospekt tatsächlich der direkten operativen Unternehmensfinanzierung diente, wurde von der FMA nicht in Zweifel gezogen, sondern vielmehr betont (siehe S.7 des Straferkenntnisses). Dementsprechend ist der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 1 Z 1 lit. a AIFMG erfüllt und das AIFMG auf die Gesellschaft nicht anzuwenden.
Aus diesem Grund ist der Beschwerde stattzugeben.
IV.3. Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Regelungen des § 2 Abs. 1 Z 1 AIFMG sind klar und eindeutig, weswegen die Revision nicht zulässig ist und zwar selbst dann nicht, wenn zur anzuwendenden Norm noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (VwGH 20.10.2022, Ra 2022/06/0226).