Spruch
I419 2274518-1/4Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ALGERIEN, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.06.2023, Zl. XXXX , zu Recht:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers betreffend den Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Algerien als unbegründet ab (Spruchpunkte I und II), erteilte diesem keinen Aufenthaltstitel „besonderer Schutz“ „gemäß § 57 AsylG“ (Spruchpunkt III), erließ wider ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Algerien zulässig sei (Spruchpunkte IV und V), aberkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt VI) und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII).
2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, der Beschwerdeführer halte sich seit 22 Jahren im Bundesgebiet auf, sei vollständig integriert und habe jeglichen Bezug zu seinem Herkunftsstaat verloren. Daher wäre im Falle einer Rückkehr davon auszugehen, dass er in eine ausweglose Situation geraten und eine Verletzung der durch Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte vorliegen würde. Er beherrsche die deutsche Sprache auf sehr gutem Niveau, sei in der Lage seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften und habe vielfältige soziale Kontakte in Österreich.
Die belangte Behörde habe die Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung keiner adäquaten, insbesondere aktuellen Beurteilung unterzogen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten. Vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen.
Nach den Feststellungen im Bescheid und den Angaben in der Beschwerde hält sich der Beschwerdeführer seit 22 Jahren im Bundesgebiet auf. Laut Strafregister ist er unbescholten.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. (VwGH 23.07.2021, Ra 2018/22/0282)
Das BFA führt im bekämpften Bescheid nach Wiedergabe der Rechtslage aus:
„Es ist eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff durch die Rückkehrentscheidung auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.
Daher ist die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG hat zu unterbleiben, [...]:“
Ohne die – vom BFA solcherart unterlassene – erforderliche Interessensabwägung besteht diee reale Gefahr einer Verletzung von Art. 8 EMRK. Diese kann ohne Prüfung des Sachverhaltes, insbesondere unter dem Aspekt der weit mehr als zehnjährigen Aufenthaltsdauer, auch nicht ausgeschlossen werden. Dazu ist fallbezogen ein längerer Zeitraum als die für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bestehende Wochenfrist notwendig. Einer Verletzung von Art 8 EMRK infolge Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist daher durch deren Zuerkennung vorzubeugen.
Schon deshalb war die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Daher war spruchgemäß zu entscheiden. Eine Verhandlung war nach § 21 Abs. 6a BFA-VG nicht erforderlich.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die vorliegende Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.