Spruch
W274 2248118-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Lughofer als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. KommR Pollirer und Dr. Gogola als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Geistwert Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG, Linke Wienzeile 4, 1060 Wien, gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde, Barichgasse 40-42, 1030 Wien, vom 17.09.2021, GZ: D124.4425 2021-0.630.258, Mitbeteiligter XXXX , vertreten durch Mag. Alfred Hütteneder Mag. Michaela Hütteneder-Estermann, Rechtsanwälte, Salzburgerstraße 3, 5630 Bad Hofgastein, wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht:
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der (allein bekämpfte) Spruchpunkt I. des Bescheides mit der Maßgabe dahingehend abgeändert, dass dieser insgesamt lautet:
„Die Beschwerde wird bezüglich der Information im Schreiben vom 20. Jänner 2021 „… Neben derzeit laufenden polizeilichen Ermittlungen…“ stattgegeben und festgestellt, dass die XXXX das Grundrecht des XXXX auf Geheimhaltung durch den diesbezüglichen Inhalt ihres Schreibens (E-Mail) vom 20.01.2021 an XXXX t, Sendedatum 10/05 Uhr, betreffend „Antwort XXXX “, verletzt hat.
Soweit sich die Beschwerde auf die Inhalte „ XXXX , der bei uns kein Unbekannter ist“ und „ …wird auch die XXXX weitere rechtliche Schritte gegen ihn einleiten.“ im Schreiben (E-Mail) vom 20.01.2021 an XXXX , Sendedatum 10/05 Uhr, betreffend „Antwort XXXX “ bezieht, wird diese abgewiesen.“
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1.1. XXXX (im Folgenden: Mitbeteiligter, MB) richtete am 08.04.2021 durch seine rechtsfreundliche Vertretung per E-Mail eine Aufforderung an die XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin, BF), die mit Schreiben vom 20.01.2021 gegenüber XXXX aufgestellte Behauptung, gegen den MB liefen polizeiliche Ermittlungen, als unwahr zu widerrufen und zu erklären, künftig keine derartigen Behauptungen gegenüber dritten Personen aufzustellen. Der Grund für diese Aufforderung liege in einer Beantwortung einer Anfrage der XXXX vom 20.01.2021 durch die BF am 20.01.2021 wonach „neben derzeit laufenden polizeilichen Ermittlungen“ auch die BF gegen ihn (gemeint: den MB) rechtliche Schritte einleiten werde. Gegen den MB würden keine laufenden polizeilichen Ermittlungen geführt und die von der BF gegenüber dritten Personen getätigte Behauptung sei tatsachenwidrig.
Am 20.01.2021 richtete eine Absenderin unter „ XXXX “ ein E-Mail folgenden Inhalts an die BF:
„Betreff: XXXX Ich hätte eine Frage bzgl. Hr. XXXX (Facebookseite XXXX ). Dieser hat auf seiner Facebookseite angegeben – dass er eine mobile Tierarztpraxis hat. Ist Hr. Jason MÜLLER überhaupt ein Tierarzt? Ich dachte, er sei lediglich ein Vitalcoach…. Darf man dann solche Angaben bei Facebook hinterlegen?“
Darauf antwortete die BF durch Mag. XXXX , Abteilung Recht, am 20.01.2021:
„Sehr geehrte XXXX ,
im Namen der XXXX bedanke ich mich für die übermittelte Information in Sachen XXXX , der bei uns kein Unbekannter ist. XXXX . hat weder das veterinärmedizinische Studium absolviert, noch darf er aufgrund des Tierärztevorbehaltes in Österreich die von ihm angebotenen Therapien an Tieren durchführen. Natürlich darf er auch nicht mit einer mobilen Tierarztpraxis werben.
Neben derzeit laufenden polizeilichen Ermittlungen wird auch die XXXX weitere rechtliche Schritte gegen ihn einleiten. Wir sind für die Übermittlung von Informationen aus der Pferdeszene dankbar.“
Mit eingeschriebenem Anwaltsschreiben vom 10.05.2021 urgierte die rechtsfreundliche Vertretung des MB die Beantwortung des E-Mails vom 08.04.2021 unter einer Fristsetzung.
Mit Schreiben vom 12.05.2021 teilte die BF dem MB mit, seit einigen Jahren würden immer wieder Meldungen an diese herangetragen, wonach der MB Behandlungen an Tieren, vorwiegend an Pferden, ausführe, die nach den gesetzlichen Bestimmungen ausschließlich den Tierärzten vorbehalten seien. Der MB kündige dabei seine Behandlungstouren durch Österreich vorwiegend auf Facebook an. Die BF habe den MB in der Vergangenheit bereits mehrmals zur Unterlassung aufgefordert. Es seien auch von Seiten der BF wegen des Verstoßes gegen § 12 TierärzteG behördliche Verfahren und Interventionen angestrengt worden. Aufgrund der einlangenden Meldungen an die BF sei davon auszugehen, dass der MB diese „Behandlungsangebote“ nicht eingestellt habe. Die Behauptungen des MB entsprächen daher nicht der Richtigkeit und die BF behalte sich ihrerseits rechtliche Schritte gegen den MB vor.
Mit E-Mail vom 21.05.2021 führte der MB durch seine rechtsfreundliche Vertretung gegenüber der BF aus, es bleibe dieser unbenommen, allfälligen Behauptungen über angebliche Behandlungen des MB, die dem Tierärztevorbehalt unterlägen, nachzugehen. Die Behauptung, dass polizeiliche Ermittlungen gegen den MB laufen sollen, sei jedoch tatsachenwidrig, verletze den Datenschutz und erfülle den Tatbestand der üblen Nachrede. Im Falle der Aufrechterhaltung des Standpunktes der BF werde der MB neben zivilrechtlichen Schritten auch eine Strafanzeige sowie eine Anzeige an die Datenschutzbehörde (im Folgenden: belangte Behörde) einbringen.
1.2. Mit Datenschutzbeschwerde vom 09.07.2021 beantragte der MB, die belangte Behörde wolle feststellen, dass die BF das Grundrecht des MB auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG durch ihr Schreiben vom 20.01.2021 an XXXX betreffend „Antwort XXXX “, verletzt habe, dass die BF gegen die Grundsätze der Art. 5, Art. 6 und 9 DSGVO verstoßen habe und der BF aufgetragen werde, die festgestellte Rechtsverletzung durch Widerruf der Behauptung, es gäbe polizeiliche Ermittlungen gegen den MB und Richtigstellung, dass der MB im Bundesgebiet der Republik Österreich ohnedies nur erlaubte Wellnesstherapien an gesunden Tieren anbiete, zu beseitigen, wobei der Widerruf schriftlich gegenüber XXXX zu erfolgen habe und dem MB darüber ein Nachweis zu erbringen sei.
Dazu führte der MB anwaltlich vertreten aus, am 20.01.2021 habe „ein Unbekannter“ mit der E-Mailadresse XXXX das oben dargestellte Schreiben an die BF gerichtet, welches von der BF wie weiter oben dargestellt beantwortet worden sei. Die BF habe dadurch, dass gegenüber dritten Personen behauptet werde, gegen den MB gäbe es laufende polizeiliche Ermittlungen (weswegen konkret lasse die BF offen), der MB sei der BF bekannt und die BF werde weitere rechtliche Schritte gegen ihn einleiten, gegen die Grundsätze des Datenschutzes verstoßen.
Die Weitergabe von richtigen oder falschen Informationen darüber, dass gegen den MB polizeiliche Ermittlungen laufen würden, gewährleiste keine Sicherheit personenbezogener Daten. Die Datenweitergabe sei überdies sachlich unrichtig, dem Zweck nach unangemessen und nicht auf das notwendige Maß beschränkt. Die BF hätte lediglich darauf verweisen dürfen, dass der MB nicht in die Liste der österreichischen Tierärzte eingetragen sei.
Der MB habe keine Einwilligung zur Verarbeitung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten gegeben.
Hinzu komme, dass strafrechtsbezogene Daten, nämlich die Namenswiedergabe XXXX und XXXX . mit der Behauptung „laufender polizeilicher Ermittlungen“, weitergegeben worden seien, obzwar es dazu einer behördlichen Aufsicht gemäß Art. 10 DSGVO bedürfe. Auch der Fall eines konkreten begründeten Verdachts, worunter polizeiliche Ermittlungen zu subsumieren seien, gegen eine bestimmte Person, begründe den Tatbestand des Art. 10 und es wäre eine gesonderte gesetzliche Grundlage erforderlich, auf der die Verarbeitung darauf beruhender Daten, so diese nicht unter behördlicher Aufsicht vorgenommen werde, zu erfolgen habe. Auch für die Verarbeitung strafrechtlich relevanter Daten durch selbstverwaltende Körperschaften sei ein konkreter Erlaubnistatbestand erforderlich, der aber fehle.
Im Übrigen sei die Anwendung der Physiotherapie, Osteopathie und Chiropraktik an Tieren, insbesondere an Pferden, bezogen auf das Bundesgebiet der Republik Deutschland an keine tierärztliche Approbation gebunden und der MB als Gewerbeinhaber verfüge über die notwendige Fachkunde und Qualifikation. Der Sitz des vom MB betriebenen Unternehmens befinde sich in Deutschland. In Österreich würden, wie auf der Facebookseite nachzulesen sei, nur „Wellnessmassagen“ am „gesunden Tier“ angeboten.
Über Aufforderung äußerte sich die BF am 04.08.2021 wie folgt:
§ 12 TierärzteG normiere aus Gründen der Tier- und Volksgesundheit einen strengen Tierärztevorbehalt. Dieser umfasse u.a. die Untersuchung und Behandlung von Tieren, Vorbeugungsmaßnahmen medizinischer Art gegen Erkrankungen von Tieren sowie die Verordnung und Verschreibung von Arzneimitteln für Tiere.
Die BF sei gesetzlich zur Interessenvertretung der österreichischen Tierärzte berufen. Es bestehe eine standesrechtliche Disziplinargewalt, die ihre Grenzen bei den eingetragenen Tierärzten finde. Der MB sei kein Tierarzt. Er habe auch kein Studium der Veterinärmedizin absolviert. Dennoch bewerbe und übe dieser offensichtlich Tätigkeiten in Österreich aus, die den Tierärzten vorbehalten seien, beispielsweise:
Juli 2017: Erste Meldung an die XXXX , weil der MB eine „Behandlungstour“ in Österreich bewerbe, bei welcher er Chiropraktik, Osteopathie und Akkupunktur für Tiere, insbesondere Pferde und Hunde, anbiete;
August 2017: Der BF werde eine „Rechnung“ des MB zugespielt, mit der er die Behandlung – einschließlich Sedierung – eines Pferdes verrechne;
06.03.2018: Da auch Fotos des MB bei Behandlungen von Pferden (MB mit Stethoskop) der BF zugespielt würden, reiche diese eine Anzeige bei der BH Baden wegen Verstoßes gegen § 12 TierärzteG ein. Aufgrund des vom MB bekanntgegebenen Wohnsitzes XXXX werde die BH XXXX aktiv. Mangels eindeutiger Behandlungsweise in ihrem Zuständigkeitsbereich stelle die BH XXXX das Verfahren gegen den MB ein.
Mai 2019: Der MB kündige an, einen „Fachvortrag“ an der Messe XXXX zu halten. Der Magistrat XXXX weise über Intervention der BF die Messe XXXX an, streng darauf zu achten, den Tierärztevorbehalt zu beachten.
Parallel fordere die BF den MB auf, eine Unterlassungsverpflichtung zu Verstößen gegen den Tierärztevorbehalt (chiropraktische Behandlungen, Akkupunktur, Osteopathie, Physiotherapien und Vortragstätigkeiten dazu) abzugeben. Der MB melde sich am 27.05.2019 telefonisch bei der BF und kündige an, sich an die Unterlassungsverpflichtung zu halten und diese unterfertigt an die BF zu übermitteln, was nicht erfolgt sei;
Juli 2019: Der BF werde zugetragen, dass sich der MB nunmehr als „Chiropraktiker und Zahnarzt für Großtiere“ bezeichne;
August 2020: Die BF werde informiert, dass mehrere Amtstierärzte wegen Vorträgen und Behandlungstätigkeiten des MB aktiv würden;
14.12.2020: Es erfolge ein Auskunftsersuchen der Polizeiinspektion XXXX an die BF, weil polizeiliche Ermittlungen gegen den MB wegen Betrugsdelikten geführt würden;
20.01.2021: Antragsgegenständliches E-Mail der XXXX an die BF.
Selbst, wenn man die Verarbeitung der Daten des MB als solche iSd Art. 10 DSGVO qualifiziere, sei deren Verarbeitung durch die BF iSd § 4 Abs. 3 DSG berechtigt. Die Datenverarbeitung sei aus gesetzlichen Pflichten der BF zur Wahrung der berechtigten Interessen der Patientenbesitzer und der Öffentlichkeit gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erforderlich. Da XXXX – offensichtlich als Patientenbesitzerin – ausdrücklich zum MB und zur Rechtmäßigkeit seiner Tätigkeit nachgefragt habe, sei die E-Mail berechtigt gewesen. Um Patientenbesitzer eindringlich vor den rechtswidrigen Tätigkeiten des MB zu warnen, habe die BF berechtigt auf die wahren Tatsachen verwiesen, dass polizeiliche Ermittlungen gegen den MB liefen, die BF auch entsprechende Anzeigen erstattet habe und bei Bedarf auch weitere rechtliche Schritte einleiten werde.
Im Übrigen habe der MB, der systematisch gegen den Tierärztevorbehalt verstoße, kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse im Zusammenhang mit einer solchen Warnung der BF.
Für das vierte Begehren fehle es an einer gesetzlichen Grundlage und an der Zuständigkeit der belangten Behörde.
In weiterer Folge legte der MB eine Benachrichtigung der StA XXXX zu 3 St 37/21x vom 15.03.2021 vor, aus der sich ergibt, dass ein Ermittlungsverfahren gegen XXXX , wegen § 146, 148 1. Fall StGB gem. § 190 Z 2 StPO eingestellt wurde, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestehe.
Es ist folgender Beisatz enthalten:
„Betrifft den Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs im November 2020 an unbekannten Orten (Ausübungen von Behandlungen an Pferden ohne die erforderliche tierärztliche Ausbildung). Die Begehung der Tat war nicht erweislich“.
Mit abschließender Stellungnahme des MB vom 08.09.2021 führte dieser zusammengefasst aus, die vom MB auf seinem Facebookauftritt angeführten in Österreich ausschließlich erfolgenden Wellnessmassagen am gesunden Tier seien aufgrund der Stellungnahme des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft vom 25.08.2014 zu GZ BMWFW-30.599/0226-I/7/2014 ausdrücklich als freies Gewerbe bezeichnet worden, womit klargestellt sei, dass das Anbieten und die Durchführung der klassischen Massage (Wellnessmassage) an Tieren keine tierärztliche Approbation erfordere. Der MB habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, ein Tierarzt zu sein und bewerbe in Österreich keine Tätigkeiten, die unter den Tierärztevorbehalt fielen.
Die von der BF aufgelisteten „Meldungen“ im Zeitraum Juli 2017 bis Dezember 2020 seien vor dem Hintergrund rechtlich unerheblich, als der MB zu keinem Zeitpunkt einer Tätigkeit oder eines Verhaltens beschuldigt oder von einem Gericht jemals schuldig erkannt worden sei, Tätigkeiten, die dem Tierärztevorbehalt unterlägen, in Österreich ausgeführt zu haben.
Die zuletzt erfolgten polizeilichen Ermittlungen der PI XXXX wegen Verdachts auf gewerbsmäßigen Betrug im Zusammenhang mit der Tätigkeit des BF als Physiotherapeut, Osteopath, Chiropraktiker und Knochenbrecher für Tiere aufgrund einer anonymen Anzeige seien eingestellt worden.
Die BF könne sich als Verantwortliche nicht auf die Wahrnehmung eines ihr zukommenden Grundrechts berufen, zumal sie selbst nur anonyme Meldungen über behauptete Dienstleistungen des MB zugrunde lege.
In Bezug auf eine Interessenabwägung sei auszuführen:
Von der auskunftswerbenden Person sei lediglich eine E-Mailadresse bekannt. Die Weitergabe und dadurch Ermöglichung der Verbreitung personenbezogener Daten des MB durch die BF stelle ein unabschätzbares Risiko der Datenverarbeitung zum Nachteil des MB dar. Die Schwere der möglichen Nachteile und Folgen sei außer Verhältnis zu anonymen Behauptungen und bedingten gerade in der Pferdebranche in Bezug auf die nicht unzulässigen Leistungen des MB den Verlust der ausgezeichneten Reputation des MB. Der Rechtsschutz des MB gegenüber Personen, die in sozialen Netzwerken falsche Tatsachen unter Berufung auf von der BF erhaltene Falschinformationen fortgesetzt verbreiteten, würde quasi vernichtet.
1.3. Mit dem bekämpften Bescheid gab die belangte Behörde der Beschwerde statt und stellte zu Spruchpunkt I. fest, die BF habe den MB dadurch im Recht auf Geheimhaltung verletzt, indem sie einem Dritten mit Schreiben vom 20.01.2021 ohne entsprechende Rechtsgrundlage Informationen betreffend den MB offengelegt habe. Die darüber hinaus gehenden Anträge (Widerruf) wies sie zu Spruchpunkt II. zurück.
Die belangte Behörde hielt den – oben wiedergegebenen - Inhalt der E-Mails vom 20.01.2021 der XXXX an die BF und des Antwortmails vom 20.01.2021 der BF an XXXX als Tatsachenfeststellungen fest.
Daraus folgerte sie rechtlich, im Hinblick auf die Information, dass es polizeiliche Ermittlungen gäbe, sei vom Vorliegen von personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten iSd Art. 10 DSGVO auszugehen. Straftaten, die Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens seien, sollten nach dem Schutzziel der Norm jedenfalls erfasst werden. Die BF sei eine gem. § 1 Abs. 2 TierärztekammerG und § 29 TierärzteG eingerichtete Körperschaft des öffentlichen Rechts und zur Vertretung und Förderung der wirtschaftlichen Interessen und der Standesinteressen der Tierärzte errichtet. Entsprechend § 31 Abs. 2 Z 12 TierärzteG obliege der BF die Besorgung der Geschäfte in Angelegenheiten der Mitwirkung bei der Bekämpfung der Kurpfuscherei. Die BF sei diesbezüglich als Verantwortliche des öffentlichen Bereichs bzw. als Behörde iSd § 1 Abs. 2 DSG zu qualifizieren, sodass die Datenverarbeitung nur auf Basis qualifizierter gesetzlicher Vorschriften erfolgen dürfe.
§ 31 Abs. 2 Z 12 TierärzteG könne eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Mitteilung der ggst. personenbezogenen Daten an Dritte nicht entnommen werden. Demnach sei die Offenlegung der Information betreffend die polizeilichen Ermittlungen gegen den MB ohne entsprechenden Rechtfertigungsgrund iSd Art. 6 DSGVO erfolgt. Überdies erscheine die Übermittlung der ggst. Daten betreffend die polizeilichen Ermittlungen nicht verhältnismäßig und nicht erforderlich, da auch im Fall zulässiger Beschränkungen der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten zum Ziel führenden Art vorgenommen werden dürfe. Dasselbe gelte für die Information, wonach der MB der BF bekannt sei und weitere Maßnahmen gegen ihn gesetzt würden. Der Ausführung des MB, wonach die reine Mitteilung, dass der MB kein Tierarzt sei, ausgereicht hätte, sei nichts entgegen zu halten.
Hinsichtlich Spruchpunkt II. finde der begehrte Leistungsauftrag weder in § 4 Abs. 5 DSG noch in Art. 58 Abs. 2 DSGVO Deckung. Die belangte Behörde sei hiezu unzuständig.
1.4. Allein gegen Spruchpunkt I. richtet sich die Beschwerde der BF wegen Verletzung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte aus dem Bestimmtheitsgrundsatz, insbesondere Art. 18 B-VG bzw. Art. 7 EMRK bzw. Art. 49 GRC und gemäß § 4 Abs. 3 DSG iVm § 12 Abs. 2 Z 12 TierärztekammerG mit dem Antrag, den Bescheid ersatzlos zu beheben und das Verfahren einzustellen.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt elektronischem Akt dem Verwaltungsgericht, einlangend am 10.11.2021, vor.
Die Beschwerde ist im Ergebnis teilweise berechtigt:
2. Der im Rahmen des Verfahrensganges wiedergegebene Inhalt der E-Mails vom 20.01.2021 zwischen XXXX und der BF wird den Feststellungen ebenso zugrunde gelegt, wie der oben wiedergegebene Inhalt der Verständigung über die Einstellung des Verfahrens 3 St 37/21x der StA XXXX wegen §§ 146, 148 1. Falls StGB gegen den MB per 15.03.2021.
3. Beide Umstände sind im Verfahren urkundlich dokumentiert und unstrittig.
Daraus folgt rechtlich:
4.1. Gemäß Art. 10 DSGVO darf die Verarbeitung personenbezogener Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten oder damit zusammenhängende Sicherungsmaßregeln aufgrund von Art. 6 Abs. 1 nur unter behördlicher Aufsicht vorgenommen werden oder wenn dies nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedsstaaten, das geeignete Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen vorsieht, zulässig ist. Ein umfassendes Register der strafrechtlichen Verurteilungen darf nur unter behördlicher Aufsicht geführt werden.
Art. 10 stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten oder damit zusammenhängende Sicherungsmaßregeln („strafrechtsbezogene Daten“ oder „strafrechtlich relevante Daten“) unter ein besonderes Schutzregime. Strafrechtsbezogene Daten sind zwar keine besondere Kategorie personenbezogener Daten (unterfallen damit auch nicht Art. 9 Abs. 1), dennoch werden sie aufgrund ihrer Schutzbedürftigkeit in die Nähe dieser Daten gerückt. Gründe dafür sind die (langfristige) Stigmatisierungswirkung und das damit verbundene hohe Diskriminierungspotiential. Abgesehen von Art. 10 geht u.a. auch aus § 113 StGB (Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung) und dem TilgungsG hervor, dass der österreichische Gesetzgeber solche negativen Folgen erkannt hat und zu Gunsten einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft die Verarbeitung dieser sehr heiklen Daten einschränken will (Kastelitz/Hötzendorfer/Tschohl in Knyrim, DatKomm Art 10 DSGVO Rz 1, Stand 07.05.2020, rdb.at,).
In der Literatur wird über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten vertreten, dass diese Begriffe unionsrechtlich autonom auszulegen seien. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind für die Frage des Vorliegens einer Straftat die rechtliche Einordnung einer Zuwiderhandlung nach innerstaatlichem Recht, die Art der Zuwiderhandlung sowie die Art und Schwere der angedrohten Sanktionen zu berücksichtigen. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass strafbare Handlungen nach dem StGB auch Straftaten iSv Art. 10 DSGVO darstellen. Fraglich ist, ob der Begriff der Straftat auch Verwaltungsübertretungen erfasst. Dafür spricht, dass nach der Rechtsprechung des EGMR das österreichische Verwaltungsstrafrecht unter den strafrechtlichen Teil des Anwendungsbereichs von Art. 6 EMRK fällt. Zudem wird das Verwaltungsstrafrecht in Österreich als das von den Verwaltungsbehörden ausgeübte Strafrecht verstanden. Auch in der Literatur wird vertreten, dass Verwaltungsstrafen dem Anwendungsbereich der DSGVO unterfallen. Der österreichische Gesetzgeber hat zudem in § 4 Abs. 3 DSG klargestellt, dass auch Verwaltungsübertretungen als „Daten über Straftaten“ Art. 10 Abs. 1 unterliegen. Dementsprechend werden auch Disziplinarstrafen von diesem Regime erfasst (wie oben, Rz 17).
Die Verarbeitung strafrechtsbezogener Daten gem. Art. 10 Abs. 1 darf grundsätzlich nur „unter behördlicher Aufsicht“ vorgenommen werden (Behördenvorbehalt). Das ist dann der Fall, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt ganz oder zu wesentlichen Teilen für die einwandfreie Verarbeitung verantwortlich ist (wie oben, Rz 21).
Gemäß § 4 Abs. 3 DSG ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen unter Einhaltung der Vorgaben der DSGVO zulässig, wenn,
1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verarbeitung solcher Daten besteht oder 2. sich sonst die Zulässigkeit der Verarbeitung dieser Daten aus gesetzlichen Sorgfaltspflichten ergibt oder die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erforderlich ist und die Art und Weise, in der die Datenverarbeitung vorgenommen wird, die Wahrung der Interessen der betroffenen Person nach der DSGVO und diesem Bundesgesetz gewährleistet.
§ 4 Abs. 3 Z 2 DSG richtet sich an Verantwortliche des privaten Bereichs und enthält zwei alternative Zulassungstatbestände. Zum einen ist die Verarbeitung auf Grundlage gesetzlicher Sorgfaltspflichten zulässig, welche z.B. in den Berufsregeln der Rechtsanwälte enthalten sind und die Verarbeitung von strafrechtsbezogenen Daten durch Strafverteidiger ermöglichen und solche, die auf die Abwehr von Gefahren abzielen. Zum anderen ist die Verarbeitung erlaubt, wenn dies zur Wahrung der berechtigten Interessendes Verantwortlichen oder eines Dritten gem. Art. 6 Abs. lit. f DSGVO erforderlich ist und die Art und Weise, in der die Datenverarbeitung vorgenommen wird, die Wahrung der Interessen der betroffenen Person nach der DSGVO und dem DSG gewährleistet. Berechtigte Interessen an der Verarbeitung von Daten aus dem Strafregister werden z.B. bei Arbeitgebern vorliegen, die Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendhilfe, für den Wachdienst, als Bankkassier, für den Geldtransport oder die Finanzverwaltung suchen. Auch bei beruflichen Tätigkeiten, die eine besondere Vertrauenswürdigkeit voraussetzen, wird der Arbeitgeber berechtigte Interessen glaubhaft machen könne (wie oben, Rz 27).
Keine Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen iSd Abs. 3 Z 2 liegt beispielsweise vor,
wenn sich die Zulässigkeit der Verarbeitung von Straftaten aus gesetzlichen Sorgfaltspflichten ergibt oder
wenn die berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten den schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen zumindest ebenbürtig sind.
Es wird daher in der Praxisprüfung letztlich auf das Nicht-Überwiegen der Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person ankommen. Unverhältnismäßig sind etwa die Übermittlung des Hausdurchsuchungsbefehls oder von Informationen über einen IT-Crash des betroffenen Unternehmens an ein Medium, die Übermittlung der Strafanzeige selbst an ein Medium und die Nennung des Namens des betroffenen Unternehmens im Zusammenhang mit der kartellgerichtlichen Verhängung einer Geldbuße. Als gesetzliche Sorgfaltspflichten kommen insbesondere Dokumentationserfordernisse in Betracht (Thiele/Wagner, Praxiskommentar zum Datenschutzgesetz, § 4, Stand 01.01.2020, Rz 69, 70 und 71, rdb.at).
Folgende Tätigkeiten dürfen gem. § 12 Abs. 1 TierärzteG unbeschadet der anderen Personen gem. § 1 Abs. 3 zustehenden Befugnisse nur von Tierärzten ausgeübt werden (vorbehaltene Tätigkeiten):
1. Untersuchung und Behandlung von Tieren;
2. Vorbeugungsmaßnahmen medizinischer Art gegen Erkrankungen von Tieren; […]
5. Verordnung und Verschreibung von Arzneimitteln für Tiere […].
Gemäß § 29 TierärzteG wird zur Vertretung und Förderung der wirtschaftlichen Interessen und der Standesinteressen der Tierärzte die XXXX eingerichtet. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts […].
Gemäß § 31 Abs. 1 erstreckt sich der örtliche Wirkungsbereich der Kammer auf das gesamte Bundesgebiet.
Gemäß Abs. 2 obliegt der Kammer (u.a.) die Besorgung der Geschäfte in folgenden Angelegenheiten:
[…]
12. die Mitwirkung bei der Bekämpfung der Kurpfuscherei, des Arzneimittelmissbrauches und des Geheimmittelunwesens bei der Behandlung von Tieren sowie die Erstattung geeigneter Vorschläge […].
Abs. 3: Die Kammer hat im übertragenen Wirkungsbereich die Aufgaben zu besorgen, die ihr durch § 5, § 6, § 8, § 10 Abs. 1 und § 11 dieses Bundesgesetzes oder eine andere Rechtsvorschrift des Bundes übertragen werden.
Gemäß § 50 Abs. 1 untersteht die Kammer der Aufsicht der (Bundesministerin für Gesundheit und Frauen).
Gemäß § 12 Abs. 1 TierärztekammerG ist die Tierärztekammer berufen, die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Tierärzte wahrzunehmen und zu fördern sowie das Standesansehen zu wahren und dafür allenfalls notwendige nähere Regelungen hinsichtlich der Berufsausübung und Berufspflichten vorzunehmen.
Abs. 2 regelt die im eigenen Wirkungsbereich der Tierärztekammer zu besorgenden Aufgaben, darunter Z 12: die Mitwirkung bei der Bekämpfung des Arzneimittelmissbrauches und der Bekämpfung von unfachgemäßen Behandlungen und unzulässigen Eingriffen bei Tieren;
Gemäß § 13 Abs. 1 hat die Tierärztekammer im übertragenen Wirkungsbereich folgende Aufgaben wahrzunehmen:
1. Führung der Liste der zur Berufsausübung berechtigten Angehörigen des tierärztlichen Berufes (Tierärzteliste);
[…].
Für die Angelegenheiten gem. Abs. 1 ist gem. Abs. 2 das AVG anzuwenden.
Gemäß § 81 Abs. 1 sind Mitteilungen an die Öffentlichkeit über den Verlauf und die Ergebnisse eines Disziplinarverfahrens, über den Inhalt der Disziplinarakten sowie über den Inhalt einer mündlichen Verhandlung und der Disziplinarentscheidungen, außer im Fall des § 64 Abs. 6, untersagt.
Daraus folgt:
4.2. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass der relevante bekämpfte Spruchpunkt I., die Feststellung der Geheimhaltungspflichtverletzung, darauf gründet, dass die BF einem Dritten mit Schreiben vom 20.01.2021 „Informationen betreffend den Beschwerdeführer (hier den MB)“ offengelegt habe. Der Spruch lässt offen, welche „Informationen betreffend den Beschwerdeführer“ gemeint sind.
Unter Heranziehung der Begründung ist letztlich zweifelsfrei davon auszugehen, dass die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass damit die „Information, dass es polizeiliche Ermittlungen gäbe“ (Seite 6 des Bescheides, 3. Absatz), die Information, wonach „der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin bekannt sei“ und dass „weitere Maßnahmen gegen ihn gesetzt werden“ (beides Seite 7 des Bescheides, 2. Absatz) gemeint sind.
Die von der Behörde angenommene Geheimhaltungspflichtverletzung bezieht sich daher auf folgende – differenziert zu betrachtende - Passagen im E-Mail vom 20.01.2021:
a) „… XXXX , der bei uns kein Unbekannter ist. …“
b) „Neben derzeit laufenden polizeilichen Ermittlungen …“
c) „… wird auch die XXXX weitere rechtliche Schritte gegen ihn einleiten. …“
Die belangte Behörde begründet die von ihr angenommene Geheimhaltungspflichtverletzung damit, dass es sich bei der BF um eine Verantwortliche des öffentlichen Bereichs bzw. eine Behörde iSd § 1 Abs. 2 DSG handle, die Datenverarbeitung nur auf Basis qualifizierter gesetzlicher Vorschriften vornehmen dürfe, die hier nicht vorlägen.
Die BF hält dem entgegen, die Übermittlung der Informationen sei auf der Rechtsgrundlage des § 12 Abs. 2 Z 12 TierärztekammerG, der gesetzlichen Pflicht zur Bekämpfung von unsachgemäßen Behandlungen und unzulässigen Eingriffen bei Tieren iVm § 4 Abs. 3 DSG erfolgt. Es sei Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO einschlägig, wonach die Verarbeitung für den Verantwortlichen auf Grundlage des Rechts eines Mitgliedsstaates zum einen für eine hoheitliche oder sonstige im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe sowie zum anderen im Fall der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten generell aufgrund eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich sei. Die Bekämpfung der tierärztlichen Kurpfuscherei liege im öffentlichen Interesse. Es seien von der BF zum Zweck der Warnung vor dem MB richtige Tatsachen an eine konkret anfragende Patientenbesitzerin offengelegt worden. Weil der MB laufend im Konflikt mit dem Tierärztevorbehalt sei, sei für ihn vorhersehbar, dass die BF seine Daten verarbeite und zum Wohle der Tier- und Volksgesundheit vor ihm auf konkrete Anfrage hin warne. Im Übrigen sei beim MB der dringende Verdacht bestanden, dass dieser gegen den Tierärztevorbehalt verstoßen habe und laufend verstoße, weshalb bei ihm kein schutzwürdiges Interesse bestehe. Die reine Mitteilung, der MB sei kein Tierarzt, hätte zur Bekämpfung der tierärztlichen Kurpfuscherei und zur Sicherung der Tier- und Volksgesundheit nicht ausgereicht, um die konkret anfragende Patientenbesitzerin vor dem MB zu warnen.
Dazu ist auszuführen:
4.3. Nur die Information 4.2.b) enthält potentiell strafrechtsrelevante Daten.
Zum Begriff der „Straftat“ iSd Art. 10 DSGVO hat der österreichische Gesetzgeber in § 4 Abs. 3 DSG klargestellt hat, dass auch Daten über den Verdacht einer Begehung von Straftaten darunter fallen und auch Verwaltungsübertretungen (Kasteliz/Hötzendorfer/Tschohl in Knyrim, DatKomm Art 10 Rz 19).
Der österreichische Gesetzgeber hat von der Abweichungsbefugnis (Öffnungsklausel) in Art. 10 Abs. 1 Gebrauch gemacht und durch § 4 Abs. 3 DSG zwei Erlaubnistatbestände betreffend die Verarbeitung von Straftaten durch Verantwortliche des privaten Bereichs geregelt, nämlich einerseits aufgrund einer einschlägigen ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung oder Verpflichtung oder es liegt kein Verstoß gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen vor.
§ 4 Abs. 3 regelt die Verarbeitung von Straftaten durch Verantwortliche des privaten Bereichs (Thiele/Wagner, § 4 DSG, Rz 66).
Bei der Verarbeitung von Straftaten durch Verantwortliche des privaten Bereichs wird man auf die Judikatur und Literatur zu § 1 Abs. 2 DSG zurückzugreifen haben, die die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen bei Eingriffen einer staatlichen Behörde regelt.
Danach können sich Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben nicht auf eine Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen. Erfolgt die Verarbeitung nicht in Erfüllung der Aufgaben des Verantwortlichen, sondern aufgrund eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses, ist dieses Handeln der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen und der Verantwortliche kann sich daher auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen (Thiele/Wagner, § 1 DSG, Rz 104).
Eine Behörde iSd § 1 Abs. 2 DSG ist im funktionellen Sinn zu verstehen. Auch Selbstverwaltungskörper und alle Stellen der Hoheitsverwaltung, die dem Legalitätsprinzip des B-VG unterliegen, sind hievon erfasst (wie oben, Rz 49).
Für den Behördenbegriff ist allein die funktionelle Zuweisung, also die gesetzliche Ermächtigung, hoheitlich tätig werden zu dürfen, ausreichend. Auch Privatrechtsobjekte können mit behördlichen Funktionen ausgestattet werden. In diesen Fällen spricht man von Beleihung (Grabenwarter/Holoubek, Verfassungsrecht – Allgemeines Verwaltungsreicht, Rz 8.35 und 8.36).
Gerade auf Tätigkeiten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts „als Behörde in Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Aufgaben im Rahmen der Hoheitsverwaltung“ nehmen Thiele/Wagner auch betreffend die Frage Bezug, ob Analogien als gesetzliche Grundlagen iSd § 1 abs 2 DSG in Frage kommen (wie oben, Rz 61).
Der BF kommen nach den dargestellten Rechtsgrundlagen für die Tierärztekammer (TierärzteG und TierärztekammerG) sowohl hoheitlich als auch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung zu besorgende Aufgaben zu. Zwar ist diese nach der gesetzlichen Definition eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, allerdings handelt es sich bei den von den §§ 39 Abs. 2 Z 12 TierärzteG bzw. 12 Abs. 2 Z 12 TierärztekammerG umfassten Angelegenheiten bei der Mitwirkung zur Bekämpfung von unfachgemäßen Behandlungen und unzulässigen Eingriffen bei Tieren um Angelegenheiten im eigenen Wirkungsbereich, wobei insbesondere betreffend die genannten Angelegenheiten hoheitliche Befugnisse der BF ganz generell und insbesondere gegenüber Nichtmitgliedern nicht ersichtlich sind.
Ganz allgemein sieht § 13 Abs. 2 TierärztekammerG vor, dass lediglich für die im übertragenen Wirkungsbereich wahrzunehmenden Tätigkeiten das AVG anzuwenden ist.
Einzelfallbezogen geht das Verwaltungsgericht daher davon aus, dass im hier relevanten Bereich der Mitwirkung bei der Bekämpfung der Kurpfuscherei bzw. der Bekämpfung von unfachgemäßen Behandlungen und unzulässigen Eingriffen bei Tieren die BF datenschutzrechtlich als Verantwortliche des privaten Bereichs agiert. Danach liegt keine Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen vor, wenn die Interessen und Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person die berechtigten Interessen der BF oder jener eines Dritten nicht überwiegen (Thiele/Wager, § 4 DSG, Rz 70).
Zu den genannten von der belangten Behörde als Geheimhaltungspflichten verletzend qualifizierten Informationen:
Zu 4.2.a): siehe unten
Zu 4.2.b): „Neben derzeit laufenden polizeilichen Ermittlungen …“
Diese Information enthält, wie oben dargestellt, strafrechtsrelevante Daten. Wie weiters dargestellt, bedarf es hier aufgrund der privatrechtlich zu qualifizierenden Aufgabe, die die BF mit dieser Information erfüllte, einer Interessenabwägung gemäß § 4 Abs 3 Z 2 DSG.
Hier teilte die BF die am 20.01.2021 (damals) wahre Information, derzeit liefen polizeiliche Ermittlungen gegen den MB (die Einstellung erfolgte wie festgestellt erst am 15.03.2021) einer anfragenden Dritten mit. Dabei sind keine weiteren Daten der diesbezüglichen Auskunftswerberin als ein Vor- und Nachname ersichtlich, wobei die E-Mailadresse der Absenderin offensichtlich einer dem öffentlichen Bereich angehörenden Organisation (AMS) zuzuordnen ist.
Im Hinblick darauf, dass bereits an datenschutzrechtliche Auskunftsbegehren keine hohen Identifizierungsansprüche des Auskunftswerbers zu stellen sind und grundsätzlich elektronische Anfragen unter Nutzung einer E-Mailadresse, aus der sich der Name ergibt, ausreichend sind, wird man auch hier von keiner „anonymen“ Anfrage auszugehen haben.
Die BF geht, ohne dass sich dieser Umstand aus dem E-Mail vom 20.01.2021 ergibt, davon aus, dass es sich bei der Anfragerin um eine „Patientenbesitzerin“ handeln würde. Dies ist, da ohne Tatsachengrundlage, als Mutmaßung zu qualifizieren. Die BF legt auch nicht nachvollziehbar dar, inwieweit die Mitteilung des Umstands nicht näher spezifizierter „laufender polizeilicher Ermittlungen“ im Zusammenhang mit dem MB geeignet sein könnte, die Tier- und Volksgesundheit sicherzustellen.
Unstrittig ist der MB nicht Tierarzt und dem internen Sanktionsregime der BF somit nicht unterworfen. Der ihr übertragenen Aufgabe der Mitwirkung bei der Bekämpfung der Kurpfuscherei bzw. der Bekämpfung von unfachgemäßigen Behandlungen und unzulässigen Eingriffen und der daraus resultierenden Warnpflicht entsprach die BF ohnehin durch die Mitteilung, der MB sei kein Tierarzt. Den von der BF ins Treffen geführten Umständen, wonach der BF „laufend im Konflikt mit dem Tierärztevorbehalt gestanden sei“, wurde durch diese Mitteilung vollständig Rechnung getragen. Inwieweit die Weitergabe der Information über „laufende polizeiliche Ermittlungen“ an eine anfragende Person, über deren Stellung im Bezug auf „Tier- und Volksgesundheit“ nichts bekannt ist, zur Erfüllung der dargestellten diesbezüglichen Aufgaben der BF dienlich gewesen wäre, vermag die BF nicht nachvollziehbar darzustellen. Selbst angesichts der dargestellten Historie von Meldungen gegenüber der BF betreffend den MB wird man diesem ein grundsätzliches Geheimhaltungsinteresse betreffend gegen ihn geführte polizeiliche Ermittlungen zugestehen müssen, wobei es der BF nicht gelungen ist, betreffend diesen Umstand eine Erforderlichkeit der Verarbeitung dieser strafrechtlich relevanten Daten zur Wahrung der berechtigten Interessen der BF oder eines Dritten gemäß § 4 Abs 3 Z 2 2. Fall DSG zur Darstellung zu bringen.
Im Ergebnis ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass betreffend diese Information der Verarbeitung ein Rechtfertigungsgrund mangelt.
Zu 4.2.a): „… XXXX , der bei uns kein Unbekannter ist. …“
Zwar ist die diesbezügliche Information im Kontext, über den neutralen Informationsgehalt hinaus, auch durchaus dahingehend zu verstehen, dass die BF mit dem MB im Hinblick auf den Tierärztevorbehalt bereits befasst war. Der Informationsgehalt ist aber so allgemein und unbestimmt, dass nach Ansicht des erkennenden Senats der BF durch diese Ausführung im Rahmen einer ihr abverlangten Antwort an die anfragende Person kein datenschutzrechtlicher Vorwurf zu machen ist und insofern eine Erforderlichkeit zur Wahrnehmung der mehrfach dargestellten Aufgaben der BF iSd Art 6 Abs 1 e DSGVO noch zu bejahen ist.
Zu 4.2.c): „… wird auch die XXXX weitere rechtliche Schritte gegen ihn einleiten. …“
Zunächst ist hier in Frage zu stellen, ob es sich dabei bereits um personenbezogene Daten iSd Art. 4 Z 1 DSGVO handelt, zumal bloße Prognose- und Planungswerte nicht als persönliche Informationen gesehen werden (Hödl in Knyrim, DatKomm Art 4 DSGVO, Rz 9) und sich die Information nur auf ein geplantes und keineswegs bereits umgesetztes Vorgehen beziehen.
Selbst im Fall einer Qualifikation der Mitteilung, die BF werde weitere rechtliche Schritte gegen den MB einleiten, als personenbezogenes Datum, ist diese zur Wahrnehmung der vorher dargestellten Aufgabe erforderlich, zumal man der BF zugestehen muss, ein geplantes Tätigwerden aufgrund von ihr mitgeteilten Verdachtsfällen gegenüber anfragenden Personen im Sinne der Erfüllung der der BF gesetzlich übertragenen Aufgaben gem. § 12 Abs. 2 Z 12 TierärztekammerG bzw. § 31 Abs. 2 Z 12 TierärzteG diesen zumindest in allgemeiner Weise mitteilen zu dürfen.
Im Ergebnis ist betreffend den Informationsinhalt 4.2.b) die Qualifikation der belangten Behörde, zu teilen, betreffend 4.2.a) und 4.2.c) aber davon auszugehen, dass dadurch die BF ihre Geheimhaltungspflicht nicht verletzt hat. Da die belangte Behörde im Spruch lediglich allgemein eine Geheimhaltungspflichtverletzung durch „Informationen betreffend den Beschwerdeführer“ festgestellt hat und auf die einzelnen in Beschwerde gezogenen Teile der Information nur in der Begründung einging, waren im Sinne eine Maßgabeentscheidung alle drei Informationen im Spruch zu erfassen, wobei der Beschwerde teilweise Folge zu geben und betreffend die Information 4.2.b) stattgebend und betreffend die Informationen 4.2.a) und 4.2.c) abweisend zu entscheiden war.
4.4. Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt. Die ergänzenden Feststellungen beruhen auf einer durch den MB selbst vorgelegten Benachrichtigung durch die Staatsanwaltschaft XXXX . Auf Basis der unstrittigen bereits getroffenen und diesbezüglich ergänzten Feststellungen waren allein Rechtsfragen zu lösen. Eine mündliche Verhandlung war diesbezüglich daher nicht erforderlich.
4.5. Der Ausspruch der Zulässigkeit der Revision beruht auf dem Umstand, dass eine ausdrückliche höchstgerichtliche Klärung, ob hinsichtlich des Begriffes der staatlichen Behörde iSd des § 2 Abs 2 DSG im Zusammenhang mit der konkret zu beurteilenden Datenverarbeitung darauf abzustellen ist, ob die Datenverarbeitung im Rahmen einer hoheitlich wahrzunehmenden Aufgabe erfolgt, nicht ersichtlich ist.