JudikaturBFG

RV/2100879/2019 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
28. April 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Jaufer Rechtsanwälte GmbH, Glacisstraße 35, 8010 Graz, über die Beschwerde vom 29. Mai 2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 20. Mai 2019 betreffend Einkommensteuer-Vorauszahlung für 2019 und Folgejahre, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23. April 2025 in Anwesenheit der Schriftführerin ***1***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Auf Grund des Einkommensteuerbescheides 2017 vom 20.05.2019 erging am selben Tag der Vorauszahlungsbescheid für 2019 und Folgejahre, mit welchem die Einkommensteuervorauszahlungen mit 6219 € festgesetzt wurden.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht die Beschwerde erhoben mit der Begründung, dass der im Einkommensteuerbescheid 2017 aufgeführte Betrag eine über die Jahre angesparte Summe gewesen sei, die in der Bundesrepublik Deutschland abzüglich des dort gültigen Steuerbetrags zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer zur Auszahlung gekommen sei. Seit dem 1.1.2018 beziehe die Beschwerdeführerin lediglich eine deutsche Rente und die österreichische Pension. Hierüber liege bereits eine Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2018 vor. Daher ersuche sie um Rücknahme des Vorauszahlungsbescheides in Höhe vom 6.219,00 € für das Jahr 2019.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.07.2019 wurde die Beschwerde abgewiesen mit der Begründung, dass die für die Festsetzung der Vorauszahlungen maßgebliche Veranlagung das Jahr 2017 betreffe und die Beschwerdevorentscheidung für das Jahr 2017 keine Änderung am Spruchbetrag ergeben habe.

Daraufhin stellte die steuerliche Vertretung der Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 BAO mit folgender ergänzenden Begründung:"A. Zum Sachverhalt 1. Die Antragstellerin war über ihr Berufsleben hinweg sowohl in Deutschland als auch in Österreich unselbstständig tätig und bezieht daher österreichische und deutsche Pensionsbezüge. Im Jahr 2017 (nach Pensionsantritt) erhielt die Antragstellerin zusätzlich eine Einmalzahlung von EUR 15.579,53 seitens der ***2*** ausbezahlt. Dies nach Abzug der deutschen Lohnsteuer, Kirchensteuer und dem Solidaritätszuschlag. (Entgeltabrechnung ***2*** Beilage ./1, Lohnzettel ***2*** Beilage ./2) 2. Diese Einmalzahlung Einkommenssteuerbescheid wurde 2017 doppelt besteuert. Im vom 20.05.2019 sowie der diesbezüglichen Beschwerdevorentscheidung vom 12.07.2019 wurde der Bruttobetrag von EUR 17.886,70 als "Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug" zum Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugezählt und mit einem Durchschnittssteuersatz von 22,97 % der Einkommenssteuer unterworfen. 3. Mit Bescheid vom 29.05.2019 wurde eine Vorauszahlung von EUR 6.219,00 unter Heranziehung der Einkommenssteuerveranlagung 2017 festgesetzt. 4. Die Einkommenssteuerveranlagung für 2018 ergab laut Bescheid vom 05.07.2019 eine Gutschrift von EUR 105,00 bei Heranziehung eines Gesamteinkommens von EUR 3.303,48.B. Gründe der Beschwerde Zur Begründung wird auf die Beschwerde vom 29.05.2019 verwiesen und ergänzend ausgeführt: 1. Bei der erhaltenen Zahlung 2017 handelt es sich - unabhängig von der unzulässigen Doppelbesteuerung und unrichtigen Beurteilung seitens des Finanzamtes - nachweislich in dieser Höhe um eine Einmalzahlung und nicht um laufendes Einkommen der Antragstellerin. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sie dieses jährlich vereinnahmt wird und dies auch noch jährlich steigt.2. Für das Jahr 2018 ging das Finanzamt auch richtigerweise davon aus, dass der im Jahr 2017 als Einmalzahlung geleistete Betrag von EUR 17.886,70 nicht (wieder) an die Antragstellerin ausbezahlt wurde. 3. Weiters ist gem. § 45 Abs 1 EStG eine Vorauszahlung aufgrund der Einkommenssteuerschuld für das letztveranlagte Jahr zu berechnen. Letztveranlagtes Jahr der Antragstellerin ist das Jahr 2018 und wäre die Berechnung daher dahingehend zu korrigieren. 4. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei der erhaltenen Summe um eine einmalige Auszahlung handelt, ist eine Anpassung der Vorauszahlung geboten, da eine relevant niedrigere ESt-Schuld für das Jahr 2019 zu erwarten ist (E 29.7.1997, 95/14/0117; Doralt, EStG11 zu § 45 Tz 14)."

Der Einkommensteuerbescheid 2018 vom 05.07.2019 ergab eine Gutschrift von 105 € auf Grund der Veranlagung der inländischen Pension von 3.363,48 € und der ausländischen Pension von 10.415,10 €.

Die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 wurde von der Beschwerdeführerin am 30.04.2020 ans Finanzamt übermittelt, in der die Höhe der ausländischen Pension mit 10.214,52 € angegeben wurde. Lt. Finanzamtsdatenbank beträgt die inländische Pension 3.450,96 €.

Mit Schriftsatz vom 05.08.2020 gab die Beschwerdeführerin die Auflösung des Vollmachtsverhältnis zur ihrer bisherigen steuerlichen Vertretung und die Beauftragung eines neuen steuerlichen Vertreters bekannt.

In der mündlichen Verhandlung am 23.04.2025 wurde von der beschwerdeführenden Partei ergänzend vorgebracht, dass es nicht einzusehen sei, dass das Finanzamt die von der Bf. eingebrachte Beschwerde gegen den Vorauszahlungsbescheid mehr oder weniger unbegründet abgewiesen hat, obwohl unstrittig gewesen sei, dass der Betrag lediglich einmal im Jahr 2017 zur Auszahlung gelangte. Ebenso sei es unbegreiflich, dass das Finanzamt bis Mitte 2023 der Beschwerdeführerin in jedem Quartal eine Vorschreibung übermittelt habe und daraufhin rund ein Dutzend Mal die Aussetzung der Vorauszahlung beantragt habe werden müssen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

In § 45 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) wird geregelt:(1) Der Steuerpflichtige hat auf die Einkommensteuer nach dem allgemeinen Steuertarif und nach einem besonderen Steuersatz gemäß § 27a Vorauszahlungen zu entrichten. Vorauszahlungen sind auf volle Euro abzurunden. Für Lohnsteuerpflichtige sind Vorauszahlungen nur in den Fällen des § 41 Abs. 1 Z 1 und 2 festzusetzen. Die Vorauszahlung für ein Kalenderjahr wird wie folgt berechnet:- Einkommensteuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr abzüglich der Beträge gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 und Z 3.- Der so ermittelte Betrag wird, wenn die Vorauszahlung erstmals für das dem Veranlagungszeitraum folgende Kalenderjahr wirkt, um 4%, wenn sie erstmals für ein späteres Kalenderjahr wirkt, um weitere 5% für jedes weitere Jahr erhöht.Scheiden Einkünfte, die der Veranlagung zugrunde gelegt wurden, für den Vorauszahlungszeitraum infolge gesetzlicher Maßnahmen aus der Besteuerung aus, kann die Vorauszahlung pauschal mit einem entsprechend niedrigeren Betrag festgesetzt werden. Vorauszahlungen, deren Jahresbetrag 300 Euro nicht übersteigen würde, sind mit Null festzusetzen.[…](4) Das Finanzamt kann die Vorauszahlung der Steuer anpassen, die sich für das laufende Kalenderjahr voraussichtlich ergeben wird. Dabei ist Abs. 3 anzuwenden. Scheiden Einkünfte, die der Veranlagung zugrunde gelegt wurden, für den Vorauszahlungszeitraum infolge gesetzlicher Maßnahmen aus der Besteuerung aus, so kann die Vorauszahlung pauschal entsprechend angepasst werden. Dabei sind Abs. 1 und Abs. 3 anzuwenden.

Die Verpflichtung zur Leistung von Vorauszahlungen (in einer bestimmten Höhe) ergibt sich nicht schon kraft Gesetzes, sondern erst auf Grund der Festsetzung durch Bescheid. Sie erfolgt idR im Zuge der Veranlagung für ein vergangenes Kalenderjahr. Festsetzungsbescheide können aber auch losgelöst von einer Veranlagung ergehen und Vorauszahlungen anordnen (zB bei der Aufnahme einer Tätigkeit, s §§ 120 f BAO), ändern oder aufheben. Da Vorauszahlungsbescheide idR für ein bestimmtes Kalenderjahr "und Folgejahre" erlassen werden, bleibt die Verpflichtung zur Leistung von Vorauszahlungen in derselben Höhe so lange bestehen, bis ein neuerlicher Festsetzungsbescheid, ggf mit null, erlassen wird (zB auf Grund eines Herabsetzungsantrags, anlässlich der nächsten Veranlagung oder im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung bzw eines Erkenntnisses des BFG, EStR 7558; s zB UFS 4.8.05, RV/1393-W/03); (vgl. Jakom/Peyerl EStG, 2024, § 45 Rz 2).

Die Festsetzung der Vorauszahlung erfolgt idR auf der Grundlage der letzten Jahresveranlagung (s Rz 2). Die Höhe der Vorauszahlungen ist grundsätzlich eine Funktion der Höhe der Einkommensteuer (ohne Steuerabzugsbeträge) des letztveranlagten Jahres (VwGH 29.7.97, 95/14/0117; BFG 10.10.23, RV/7102906/2023). Die Einkommensteuerschuld auf Grund der Veranlagung wird um die im Steuerabzugsweg einbehaltenen Beträge (LSt, KESt) sowie die ImmoESt bzw "besondere Vorauszahlung", soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen, vermindert. Wirkt die Vorauszahlung erstmals für das dem Veranlagungszeitraum folgende Kalenderjahr, so erfolgt auf den ermittelten Betrag ein Zuschlag von 4 %; wirkt sie erstmals für ein späteres Kalenderjahr, beträgt der Zuschlag 5 % für jedes weitere Jahr (dh zB 9 % für das zweitfolgende Jahr, EStR 7560). Die Vorauszahlung ist auf volle Euro abzurunden. Sind dem Finanzamt Umstände bekannt, die eine relevant höhere oder niedrigere Steuer erwarten lassen, hat es diese im Rahmen der Ermessensübung unter Beachtung des Normzwecks (die Höhe der Vorauszahlungen soll möglichst der bei der Veranlagung festgesetzten Steuer nahekommen) und der Verwaltungsökonomie (Vermeidung unnötiger Buchungen) zu berücksichtigen (VwGH 29.7.97, 95/14/0117; BFG 11.1.16, RV/7106288/2015; UFS 29.4.08, RV/0073-F/08; WGW/Wanke § 45 Rz 26; s Rz 13). Werden dem BFG solche Umstände zB gem § 265 Abs 6 BAO bekannt gegeben, besteht auch im Beschwerdeverfahren gegen einen Vorauszahlungsbescheid mE keine Bindung an den zugrunde liegenden Veranlagungs-Bescheid (aA zB UFS 18.10.04, RV/1124-W/04); (vgl. Jakom/Peyerl EStG, 2024, § 45 Rz 7).

Mit einer Beschwerde gegen einen Vorauszahlungsbescheid kann (erfolgreich) nur die Fehlerhaftigkeit des Bescheids im Zeitpunkt seiner Erlassung aufgezeigt werden (Ausnahme von dem Grundsatz der im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebenden Sachlage; UFS 30.4.10, RV/0047-I/05). Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind die Vorauszahlungen mit rückwirkender Wirksamkeit ab der Erlassung des angefochtenen Bescheids (VwGH 30.11.93, 90/14/0234; BFG 5.7.16, RV/5100772/2015; 25.9.15, RV/7103276/2012; 7.7.15, RV/7102577/2015; UFS 17.1.12, RV/0751-S/10); (vgl. Jakom/Peyerl EStG, 2024, § 45 Rz 19).

Im hier vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid für 2019 und Folgejahre vom 20.05.2019 auf Basis des Einkommensteuerbescheides 2017 vom 20.05.2019 zu Recht erlassen wurde.

Erst danach wurden von der Beschwerdeführerin Umstände bekannt gegeben, die eine niedrigere Steuer erwarten lassen.

Entsprechend der Veranlagung im Einkommensteuerbescheid 2018 und der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 ist davon auszugehen, dass die im Jahr 2017 zugeflossene Kapitalabfindung der ***2*** - wie in der Beschwerde und im Vorlageantrag vorgebracht - tatsächlich nur einmal ausgezahlt wurde und in den Folgejahren aus dieser Einkunftsquelle keine weiteren Zahlungen zugeflossen sind.

Deshalb wird die Einkommensteuer-Vorauszahlung für 2019 und Folgejahre im Rahmen der Ermessensübung unter Beachtung des Normzwecks (die Höhe der Vorauszahlung soll möglichst der bei der Veranlagung festgesetzten Steuer nahekommen) und der Verwaltungsökonomie (Vermeidung unnötiger Buchungen) mit 0 € festgesetzt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesonders weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht, ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am 28. April 2025