JudikaturBFG

RV/3100274/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
19. August 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 15. Jänner 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 11. Jänner 2024 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer 2022 mit -1.282,00 Euro festgesetzt wird.

Die Bemessungsgrundlagen sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang und Parteienvorbringen

Der Beschwerdeführer (Bf.) kam seiner Verpflichtung zur Einreichung einer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022 trotz Vorliegens eines Pflichtveranlagungstatbestandes nach § 42 EStG 1988 und einer Aufforderung durch die Abgabenbehörde vom 6.11.2023 nicht nach. Infolgedessen erließ das Finanzamt den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.1.2024, in welchem die Einkünfte des Bf. anhand des übermittelten Lohnzettels geschätzt wurden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. am 15.1.2024 rechtzeitig Beschwerde. Darin machte er Kammerbeiträge in Höhe von 5.712,00 € sowie Ausbildungskosten in Höhe von 768,12 € (Studiengebühren für ein Doktoratsstudium) als Werbungskosten geltend.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 22.2.2024 gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise Folge, wobei die geltend gemachten Ausbildungskosten berücksichtigt wurden, die geltend gemachten Kammerbeiträge hingegen nicht. Dazu wurde begründend ausgeführt, dass diese Beiträge dem Arbeitgeber des Bf. auferlegt worden seien und dieser diese Beiträge auch begleiche. In weiterer Folge würde dies dazu führen, dass die Aufwendungen beim Bf. nicht steuerlich abzugsfähig seien.

Am 10.3.2024 brachte der Bf. dagegen rechtzeitig einen Vorlageantrag ein. Darin wiederholte er im Wesentlichen wortgleich sein Beschwerdevorbringen. Am 13.3.2024 und 22.3.2024 brachte er erneut im Wesentlichen wortgleiche Vorlageanträge ein, die von der belangten Behörde als Ergänzungen zum Vorlageantrag vom 10.3.2024 gewertet wurden.

Am 22.4.2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Darin führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Kammerbeiträge seien bereits vom Arbeitgeber des Bf. bei der Berechnung und Abfuhr der Lohnsteuer berücksichtigt worden, weshalb sie nicht erneut abgezogen werden können.

Das Gericht erhob anschließend in einem Vorhalteverfahren vom Bf. und dessen Arbeitgeber, welche Beiträge im Jahr 2022 vom Arbeitgeber einbehalten und an die Rechtsanwaltskammer abgeführt wurden. Diese Erhebungen ergaben, dass diesbezüglich um 642,17 € mehr Werbungskosten angefallen waren als der Arbeitgeber bei der Lohnverrechnung bereits berücksichtigt hatte. Der belangten Behörde wurde das Ergebnis dieser Erhebungen mit Schreiben vom 29.7.2025 zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt. Am 19.8.2025 teilte die belangte Behörde dem Gericht mit, diesbezüglich auf eine Stellungnahme zu verzichten.

2. Sachverhalt

Der Bf. war im Jahr 2022 ganzjährig als Rechtsanwaltsanwärter bei Rechtsanwalt ***Arbeitgeber*** beschäftigt und erhielt in diesem Jahr Bruttobezüge (Kennzahl 210) in Höhe von 111.760,01 €. Sein Arbeitgeber führte für ihn im Jahr 2022 entsprechend der einschlägigen Beitragsordnung Beiträge an die ***Bundesland*** Rechtsanwaltskammer sowie deren Versorgungseinrichtung in Höhe von insgesamt 6.112,00 € ab. Dieser Betrag setzt sich aus dem Kammerbeitrag für Rechtsanwaltsanwärter in Höhe von 200,00 €, einem Zuschlag zum Kammerbeitrag des Arbeitgebers in Höhe von 400,00 € sowie Beiträgen an die Versorgungseinrichtung der Kammer (Teil A, Grundpension) in Höhe von 5.512,00 € zusammen. Vom Gehalt des Bf. hat sein Arbeitgeber diesbezüglich im Jahr 2022 insgesamt 6.111,97 € einbehalten. Als Werbungskosten hat der Arbeitgeber des Bf. im Jahr 2022 insgesamt 5.469,79 € berücksichtigt.

Im Zusammenhang mit seinem zu Fort- und Weiterbildungszwecken betriebenen Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften an der ***Universität*** tätigte der Bf. im Jahr 2022 Ausgaben in Höhe von 768,12 €.

3. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt gründet auf den vom Bf. dem Gericht vorgelegten monatlichen Gehaltsabrechnungen (Verdienstnachweisen) des Jahres 2022, der Bestätigung der ***Bundesland*** Rechtsanwaltskammer vom 10.6.2025 über die für den Bf. einbehaltenen und abgeführten Beiträge, dem von seinem Arbeitgeber übermittelten Lohnzettel für das Jahr 2022 sowie den vorgelegten Zahlungsbestätigungen der ***Universität***. Da das Gericht an der Richtigkeit dieser Urkunden nicht zweifelt, zumal auch die belangte Behörde diesbezüglich kein Vorbringen erstattet hat, konnte das Gericht seine Feststellungen bedenkenlos auf die genannten Urkunden stützen und seiner Entscheidung zugrunde legen.

Dass der Bf. an der ***Universität*** zu Fort- und Weiterbildungszwecken ein Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften betreibt, hat er glaubhaft vorgebracht und wurde von der belangten Behörde auch zu keinem Zeitpunkt bestritten, weshalb auch das Gericht dies ohne Bedenken feststellen konnte.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 stellen Pflichtbeiträge zu gesetzlichen Interessenvertretungen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage Werbungskosten dar. Aufgrund der Zwangsmitgliedschaft von Rechtsanwaltsanwärtern in einer Rechtsanwaltskammer gemäß § 22 Abs. 1 RAO stellen die vom Arbeitgeber des Bf. einbehaltenen und an die ***Bundesland*** Rechtsanwaltskammer abgeführten Kammerbeiträge in Höhe von 200,00 € Pflichtbeiträge im Sinne dieser Bestimmung dar (vgl. Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 16 Tz 81).

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 stellen auch Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen Werbungskosten dar, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Unfall-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen und die Beiträge der Höhe nach insgesamt Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen. Bei den Beiträgen an die Versorgungseinrichtung der Kammer (Teil A, Grundpension) in Höhe von 5.512,00 € handelt es sich um derartige Pflichtbeiträge. Diese Beiträge, die weniger als 5 % des Bruttogehaltes betragen, überschreiten auch offenkundig nicht den gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 zulässigen Höchstbetrag (die Beitragshöhe von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung).

Die Zuschläge zum Kammerbeitrag in Höhe von 400,00 € stellen nach der Beitragsordnung grundsätzlich Zuschläge zum Kammerbeitrag des Arbeitgebers und nicht zum Kammerbeitrag des Rechtsanwaltsanwärters dar. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass der Arbeitgeber des Bf. diese - wohl aufgrund einer entsprechenden zivilrechtlichen Vereinbarung - vom Gehalt des Bf. einbehalten hat. Diese Zuschläge stellen somit Werbungskosten im Sinne des allgemeinen Werbungskostenbegriffes gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 dar.

Von den 6.111,97 €, welche der Arbeitgeber des Bf. an Kammer- und Versicherungsbeiträgen einbehalten hat, wurden 5.469,79 € bereits als Werbungkosten berücksichtigt. Daher werden nur die verbleibenden 642,18 € vom Gericht in seiner Entscheidung als weitere Werbungskosten berücksichtigt.

Die Aufwendungen für das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften stehen im Zusammenhang mit der vom Bf. ausgeübten Tätigkeit und sind daher gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 als Fortbildungskosten abzugsfähig, was auch die belangte Behörde nie bestritten hatte.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall waren vorrangig Sachverhaltsfragen im Wege der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Diese sind einer Revision nicht zugänglich. Die aufgeworfenen Rechtsfragen stellen aufgrund der Klarheit der anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung dar, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am 19. August 2025