JudikaturBFG

RV/7100187/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
05. März 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Maria Daniel in der Beschwerdesache Bf***, Bf-Adr*** über die Beschwerde vom 11. Dezember 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 12. November 2024 betreffend Rückforderung des Kinderabsetzbetrages (KG) und der Ausgleichszahlung gem VO (EG) 883/2004 (DZ) (iHv insgesamt € 4.333,81) zu Recht:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensverlauf

Im Zuge eines elektronischen Informationsaustausches teilten die polnischen Behörden der belangten Behörde mit, dass für den Sohn des Beschwerdeführers das Pflegegeld "świadczenie pielęgnacyjne" in folgender Höhe bezogen wurde:

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Mit Bescheid vom 12.11.2024 forderte die belangte Behörde die Familienbeihilfe (KG und DZ) betreffend A*** für den Zeitraum September 2022 bis Dezember 2023 in Höhe von insgesamt € 4.333,81 zurück. Begründend führte die belangte Behörde an, dass der Betrag der österreichischen Ausgleichszahlung auf Grund der Änderung der anzurechnenden ausländischen Familienleistung neu berechnet worden sei.

Die über FinanzOnline am 10.12.2024 eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.12.2024 als unbegründet abgewiesen. Die polnischen Behindertenpflegegelder "zasiłek pielęgnacyjny", "świadczenie pielęgnacyjne" und "specjalny zasiłek opiekuńczy" seien Familienbeihilfeleistungen iSd VO 883/2004 und bei der Berechnung der österreichischen Ausgleichszahlung zu berücksichtigen.

Mit Eingabe vom 19.12.2024 beantragte der Beschwerdeführer die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen. Bei den im Ausland bezogenen Leistungen handle es sich nicht um Familienleistungen.

Im Vorlagebericht vom 21.1.2025 führte die belangte Behörde aus, dass es sich bei dem polnischen Pflegegeld um keine kinderbetreuungsgeldähnlichen Leistungen handle. Daher seien diese auf die Familienbeihilfe anzurechnen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Es ist strittig, ob das polnische Pflegegeld (świadczenie pielęgnacyjne) bei der österreichischen Familienbeihilfe gem der VO (EG) 883/2004 anzurechnen ist.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist polnischer Staatsbürger, Vater eines im Jahr 2015 geborenen Sohnes und in Österreich beschäftigt.

Der Sohn benötigt aufgrund seiner seit der Geburt bestehenden Behinderung iHv 50% eine ständige bzw langfristige Pflege und lebt mit der Mutter im gemeinsamen Haushalt in Polen. Die Mutter ist nicht beschäftigt bzw nicht erwerbstätig.

Der Beschwerdeführer erhielt im Zeitraum September 2022 bis Dezember 2023 für seinen Sohn A*** (geb. ttmmjjjj***) folgende Ausgleichszahlungen aus der österreichischen Familienbeihilfe.

ZeitraumFBKGSumme
9/2022289,6658,40348,06
10/2022189,4558,40247,85
11/2022192,0758,40250,47
12/2022189,0158,40247,41
1/2023205,0861,80266,88
2/2023205,4861,80267,28
3/2023206,1261,80267,92
4/2023206,2061,80268,00
5/2023205,2361,80267,03
6/2023203,1761,80264,97
7/2023191,1961,80252,99
8/2023294,5661,80356,36
9/2023187,9461,80249,74
10/2023189,4861,80251,28
11/2023193,3761,80255,17
12/2023188,8061,80250,60
Nachzahlung 7-8/202321,8021,80
Summe3.358,61975,204.333.81

Bei der Berechnung des Differenzbetrages wurde der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe aufgrund der Behinderung des Sohnes berücksichtigt. Die Zahlungen wurden auf das Konto des Beschwerdeführers überwiesen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers hat eine Verzichtserklärung für den Bezug der Familienbeihilfe unterzeichnet.

Laut Mitteilung der polnischen Behörde wurden von der Ehefrau des Beschwerdeführers für den Sohn monatlich folgende Leistungen bezogen:

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        "September 2022 bis Dezember 2022: 2.119 PLN (świadczenie pielęgnacyjne)"
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Der gesetzliche Brutto-Mindestlohn betrug in Polen ab Jänner 2023 PLN 3.490 bzw ab Juli 2023 PLN 3.600. Im Jahr 2025 entsprechen PLN 3.600 Bruttolohn einem Nettolohn iHv PLN 2.379,48.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den im Verfahrensverlauf zitierten Unterlagen (insb der Mitteilung der polnischen Behörde über den Bezug des Pflegegelds), bzw durch Einsichtnahme in die Datenbanken der Finanzverwaltung und ist zudem nicht strittig.

Das Bestehen der Behinderung und die Notwendigkeit der Betreuung und Pflege des Kindes ergeben sich aus der, der Beschwerde beiliegenden beglaubigten Übersetzung betreffend Feststellung der Behinderung vom 11.7.2022 des Landeskreisausschusses zur Feststellung der Behinderung in Polen.

Der Grad der Behinderung ergibt sich (laut Datenbank FABIAN) aus der BSB-Bescheinigung vom 18.10.2024.

Die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Polen wurde durch eine Internetrecherche erhoben (vgl. https://www.roedl.pl/de/themen/themen/arbeitsrecht-in-polen/mindestlohn-2023-wichtigste-informationen#:~:text=Wie%20hoch%20ist%20der%20Mindestlohn,PLN%2C%20danach%20um%20110%20PLN., abgefragt am 1.3.2025).

Die Umrechnung auf das Nettogehalt erfolgte durch einen Online-Kalkulator für das Jahr 2025 (https://en.antal.pl/insights/salary-calculator, abgefragt am 1.3.2025).

Rechtliche Würdigung

Der persönliche Geltungsbereich der VO (EG) 883/2004 erstreckt sich auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sowie Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten (Art 2 Abs 2 VO (EG) 883/2004).

Gem Art 3 Abs 2 Buchst j VO (EG) 883/2004 gilt diese Verordnung für alle Rechtsvorschriften betreffend Familienleistungen.

Nach Art 10 der VO (EG) 883/2004 wird, sofern nichts anderes bestimmt ist, aufgrund dieser Verordnung ein Anspruch auf mehrere Leistungen gleicher Art aus derselben Pflichtversicherungszeit weder erworben noch aufrechterhalten.

Gem Art 11 Abs 1 VO (EG) 883/2004 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates.

Gem Art 11 Abs 3 lit a VO (EG) 883/2004 unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaates.

Nach Art 67 VO (EG) 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaates, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Im vorliegenden Fall ist die Verordnung VO (EG) 883/2004 anwendbar. Der Beschwerdeführer fällt aufgrund seiner Beschäftigung in Österreich in den persönlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004.

Art 68 VO (EG) 883/2004 bestimmt:

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren so gelten nach Art 68 VO (EG) 883/2004 folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(1) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichen falls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

(2) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:

a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag;

b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist.

Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, legt Art 68 Abs 1 VO (EG) 883/2004 Prioritätsregeln in Form einer Kaskade fest: Die Rangfolge bestimmt sich nach dem Grund, aus dem die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zur Anwendung kommen. Darauf aufbauend enthält Art 68 Abs 2 VO (EG) 883/2004 sodann Antikumulierungsvorschriften für den Fall, dass (gleichartige) Ansprüche zusammentreffen: Der nach Abs 1 prioritär zuständige Mitgliedstaat hat die Leistung zu erbringen, wohingegen jene des nachrangig zuständigen Staates bis zur Höhe der prioritären Leistung auszusetzen ist. Ist die Leistung des nachrangig zuständigen Mitgliedstaats höher als die prioritäre Leistung, hat er - wenn sich die prioritäre Zuständigkeit aus einer Beschäftigung ergibt - ergänzend die Differenz (den Unterschiedsbetrag) zu leisten. Damit wird der Familie im Ergebnis die der Höhe nach günstigste Leistung garantiert (vgl. OGH 16.5.2023 10 Ob S 117/22m).

Im gegenständlichen Beschwerdefall hat die Ehefrau des Beschwerdeführers Pflegegeld (świadczenie pielęgnacyjne) für den in Polen lebenden gemeinsamen Sohn erhalten. Der Sohn selbst weist laut Gutachten eine 50%-ige Behinderung auf.

Für Polen ist in den MISSOC-Tabellen in Kapitel IX. (Familienleistungen) unter "sonstige Leistungen" auch das Pflegegeld "świadczenie pielegnacyjne" angeführt.

Das polnische Pflegegeld wird unter folgenden Voraussetzungen in Polen gewährt (Świadczenie pielęgnacyjne - zasady obowiązujące do 31 grudnia 2023 r. - Ministerstwo Rodziny, Pracy i Polityki Społecznej - Portal Gov.pl (abgefragt am 25.2.2025 und übersetzt mit deepl.com)

"Bedingungen für die Gewährung des Pflegegeldes nach den bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Vorschriften.

Die Höhe des Pflegegeldes unterliegt wie bisher einer gesetzlichen Valorisierung, die darin besteht, dass der Betrag des Pflegegeldes jedes Jahr zum 1. Januar um einen Index des Mindestlohns erhöht wird - ab dem 1. Januar 2025 beträgt das Pflegegeld 3287 PLN pro Monat.

Ein Pflegegeld aufgrund der Aufgabe einer Beschäftigung oder einer anderen Erwerbstätigkeit steht zu:

1) der Mutter oder dem Vater,

2) dem tatsächlichen Vormund des Kindes,

3) eine Person, die eine verwandte Pflegefamilie im Sinne des Gesetzes vom 9. Juni 2011 über die Unterstützung der Familie und des Pflegekinderwesens ist,

4) andere Personen, für die gemäß den Bestimmungen des Gesetzes vom 25. Februar 1964. - Familien- und Vormundschaftsgesetz, mit Ausnahme von Personen mit einem erheblichen Grad an Behinderung

- wenn sie eine Beschäftigung oder eine andere Erwerbstätigkeit nicht aufnehmen oder aufgeben, um eine Person mit einem Behindertenausweis zu betreuen, zusammen mit den folgenden Anhaltspunkten: die Notwendigkeit einer dauerhaften oder langfristigen Pflege oder Unterstützung einer anderen Person in Verbindung mit einer erheblich eingeschränkten Möglichkeit einer eigenständigen Existenz und die Notwendigkeit einer ständigen Beteiligung des Vormunds des Kindes am Prozess der Behandlung, Rehabilitation und Erziehung oder einer Person mit einem erheblichen Grad der Behinderung.

Personen im Sinne von Nummer 4, die nicht mit der pflegebedürftigen Person im ersten Grad verwandt sind, haben Anspruch auf Pflegegeld, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1) Die Eltern der pflegebedürftigen Person sind verstorben, ihnen wurden die elterlichen Rechte entzogen, sie sind minderjährig oder haben einen Schwerbehindertenausweis;

2) es gibt keine weiteren Verwandten ersten Grades, sie sind minderjährig oder haben einen Schwerbehindertenausweis;

3) keine der unter den Nummern 2 und 3 genannten Personen vorhanden sind oder sie einen Schwerbehindertenausweis besitzen.

Anspruch auf Pflegegeld besteht, wenn die Behinderung der pflegebedürftigen Person eingetreten ist

1) spätestens mit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder

2) während der Schul- oder Hochschulausbildung, spätestens jedoch bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres.

Die Gewährung des Anspruchs auf Pflegegeld ist nicht von der Erfüllung eines Einkommenskriteriums abhängig.

Das Pflegegeld wird nicht gezahlt, wenn:

1) die pflegende Person:

(a) einen festgestellten Anspruch auf eine Altersrente, ein Ruhegehalt, eine Hinterbliebenenrente wegen des Todes eines Ehegatten, die im Falle des Zusammentreffens des Anspruchs auf eine Hinterbliebenenrente und eine andere Altersrente gewährt wird, eine Sozialrente, eine Dauerzulage, eine Lehrerentschädigung, eine Vorruhestandsleistung oder eine Vorruhestandsleistung oder eine Elternzusatzleistung gemäß dem Gesetz vom 31. Januar 2019 über eine Elternzusatzleistung oder eine Geldleistung, die nach den Vorschriften des Gesetzes vom 8. Februar 2023 über eine Geldleistung an Familienangehörige von Offizieren oder Berufssoldaten gewährt wird, deren Tod im Zusammenhang mit dem Dienst oder der außerdienstlichen Tätigkeit zur Rettung von Menschenleben, Gesundheit oder Gütern eingetreten ist;

(b) einen festgestellten Anspruch auf ein besonderes Pflegegeld, eine Pflegeleistung oder ein Vormundschaftsgeld gemäß dem Gesetz vom 4. April 2014 über die Festsetzung und Zahlung von Vormundschaftsgeldern hat;

2) die pflegebedürftige Person:

(a) verheiratet ist, es sei denn, der Ehepartner hat einen Schwerbehindertenausweis,

b) in einer Pflegefamilie untergebracht ist, mit Ausnahme einer verwandten Pflegefamilie, einer Familienpflegefamilie oder wegen der Notwendigkeit einer Erziehung, Umschulung oder Rehabilitation in einer Einrichtung, die eine 24-Stunden-Betreuung anbietet, einschließlich eines speziellen Bildungs- und Erziehungszentrums, mit Ausnahme einer Einrichtung, die eine therapeutische Tätigkeit ausübt, und die 24-Stunden-Betreuung an mehr als 5 Tagen pro Woche in Anspruch nimmt;

3) auf die pflegebedürftige Person hat eine andere Person das Recht auf Vorruhestand festgelegt;

4) für die pflegebedürftige Person besteht ein Anspruch auf einen Familienzuschlag gemäß Artikel 10, ein Anspruch auf ein besonderes Pflegegeld, ein Anspruch auf ein Pflegegeld oder ein Anspruch auf ein Betreuungsgeld gemäß dem Gesetz vom 4. April 2014 über die Festlegung und Auszahlung von Betreuungsgeldern;

6) bei einer pflegebedürftigen Person hat eine andere Person im Ausland Anspruch auf eine Leistung zur Deckung der mit der Pflege verbundenen Kosten, sofern die Bestimmungen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit oder die bilateralen Abkommen über soziale Sicherheit nichts anderes vorsehen.

Im Falle eines gleichzeitigen Anspruchs auf die folgenden Leistungen

1) Elterngeld, oder

2) einer Pflegeleistung, oder

3) besonderes Pflegegeld, oder

4) eine Zulage zur Familienbeihilfe wegen der Betreuung eines Kindes während des Elternurlaubs, oder

5) ein Betreuungsgeld gemäß dem Gesetz vom 4. April 2014 über die Festsetzung und Auszahlung des Betreuungsgeldes

- hat Anspruch auf eine dieser Leistungen nach Wahl der anspruchsberechtigten Person.

Wird das Pflegegeld von Landwirten, Ehegatten von Landwirten oder Haushaltsmitgliedern in Anspruch genommen, so steht die Leistung jeweils zu:

1) Landwirte, wenn sie die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebs aufgeben;

2) Ehegatten oder Haushaltsangehörige von Landwirten, wenn sie die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebs oder die Arbeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgeben.

Die Aufgabe der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebs oder die Einstellung der Arbeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb wird durch eine entsprechende Erklärung bestätigt, die unter Androhung der strafrechtlichen Verfolgung falscher Angaben abgegeben wird. Die Person, die die Erklärung abgibt, ist verpflichtet, die folgende Klausel aufzunehmen: "Ich bin mir der strafrechtlichen Verantwortung für die Abgabe einer falschen Erklärung bewusst.". Diese Klausel ersetzt die Belehrung der Behörde über die Strafbarkeit von Falschaussagen.

Treten bei einer Person, die eine Pflegeleistung beantragt oder erhält, Zweifel an der Erbringung von Pflegeleistungen auf, kann die zuständige Behörde, die die Pflegeleistung auszahlt, das Sozialhilfezentrum auffordern, ein Gespräch mit dem familiären Umfeld zu führen, um diese Zweifel zu überprüfen."

Obgleich es sich bei dem streitgegenständlichen polnischen Pflegegeld "świadczenie pielegnacyjne" um eine Familienleistung handelt und dieses auch in der MISSOC-Tabelle in Kapitel IX angeführt wird, ist dennoch analog zum Urteil des EuGH vom 8.5.2014, C-347/12 zu untersuchen, ob es sich bei der österreichischen Familienbeihilfe und dem Pflegegeld in Polen um Familienleistungen gleicher Art handelt, da nur bei solchen ein Kumulierungsverbot besteht.

Der EuGH hat klargestellt, dass für die Gleichartigkeit von Familienleistungen keine völlige Übereinstimmung erforderlich ist. Dem Einwand, dass kaum jemals Familienleistungen zweier Mitgliedstaaten einander entsprechen werden, hat der EuGH in der Entscheidung C-347/12, Wiering (Rz 54), Rechnung getragen, indem er gerade keine völlige Gleichartigkeit fordert. Es genügt für die Gleichartigkeit, wenn die Leistungen unabhängig von den besonderen Eigenheiten der Rechtsvorschriften der verschiedenen Mitgliedstaaten in wesentlichen Merkmalen (Sinn und Zweck, Berechnungsgrundlage und Voraussetzung für die Gewährung sowie die Leistungsberechtigten) übereinstimmen (OGH 20.2.2018, 10 Ob S 149/17k).

Die österreichische Familienbeihilfe soll laut Gesetzesmaterialien zum FLAG 1955 BGBl. 1955/18 einen Ausgleich der finanziellen Mehrbelastung, die die Ernährung, Bekleidung, häusliche Unterbringung und Erziehung von Kindern verursacht, darstellen (vgl. Lenneis/Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 1 Rz 3).

Neben dem Grundbetrag an Familienbeihilfe, der sich einerseits nach Alter und Anzahl der Kinder bestimmt, besteht in Österreich für erheblich behinderte Kinder unter gewissen Voraussetzungen gem § 8 Abs 4 FLAG 1967 ein Anspruch auf einen Erhöhungsbetrag. Die Familienbeihilfe wird unabhängig vom Einkommen und Vermögen der übrigen Familienmitglieder oder einer bestehenden oder nicht bestehenden Erwerbstätigkeit der Eltern gewährt. Die Endbegünstigten sind daher nicht die Eltern, sondern die Kinder selbst.

Das hier beschwerdegegenständliche polnische Pflegegeld wird hingegen nur infolge der Aufgabe bzw Nichtaufnahme einer Beschäftigung oder einer anderen Erwerbstätigkeit zur Betreuung einer Person mit einem Behindertenausweis gewährt und stellt daher jedenfalls eine Art Ausgleich für Einkommenseinbußen für die betreuende Person dar (vgl auch das von der Europäischen Kommission erstellte Dokument "Ihre Rechte der sozialen Sicherheit in Polen", wonach "świadczenie pielęgnacyjne" für Personen gezahlt wird, die ein Kind betreuen und deshalb ihre Arbeit aufgeben müssen.)

Der gesetzliche Brutto-Mindestlohn betrug in Polen ab Jänner 2023 PLN 3.490 bzw ab Juli 2023 PLN 3.600. Das gewährte Pflegegeld ist daher auch der Höhe nach mit dem gesetzlichen Mindestlohn in Polen vergleichbar.

Die Höhe des Pflegegeldes wird zudem jährlich um einen Index des Mindestlohns erhöht. Auch diese Berechnungsmodalität deutet auf die Absicht des Ausgleiches für Einkommensnachteile hin.

Zwar stellen gewisse Voraussetzungen der Gewährung des Pflegegeldes natürlich auch auf das Vorhandensein eines Kindes mit Behinderung ab, jedoch stellt der Ausgleich der Einkommenseinbußen infolge der verpflichtenden Aufgabe bzw Nichtaufnahme einer Beschäftigung oder einer anderen Erwerbstätigkeit eine nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts überwiegende Bedeutung dar. Auch wenn in Österreich ein Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe bei Kindern mit Behinderung gewährt wird, führt das Merkmal "Behinderung" allein nicht dazu, dass es sich um gleichartige Familienleistungen handelt.

Gemäß den bereits zitierten polnischen Vorschriften kann die zuständige Behörde, die die Pflegeleistung ausbezahlt, das Sozialhilfeministerium auffordern, ein Gespräch mit dem familiären Umfeld zu führen, wenn bei einer Person, die eine Pflegleistung beantragt oder erhält, Zweifel an der Erbringung von Pflegeleistungen auftreten.

Die Person, die die Pflegeleistung beantragt bzw erhält, muss demnach eine Pflegeleistung erbringen. Folglich handelt es sich bei diesem Pflegegeld um eine betreuungsähnliche Geldleistung.

Das in Polen gewährte Pflegegeld (świadczenie pielęgnacyjne) unterscheidet sich von der österreichischen Familienbeihilfe hinsichtlich Sinn und Zweck, der Voraussetzungen für ihre Gewährungen, der Höhe (in Anlehnung an einen Mindestlohn) sowie der Leistungsberechtigten und stellt eine betreuungsgeldähnliche Leistung dar, die somit nicht auf die österreichische Familienbeihilfe anzurechnen ist.

Der Beschwerde ist daher gem § 279 BAO Folge zu geben.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da sich dieses Erkenntnis auf die Judikatur des EuGH zur VO (EG) 883/2004 stützt, wonach ein Kumulierungsverbot nur bei Familienleistungen gleicher Art besteht und es sich bei der österreichischen Familienbeihilfe und dem Pflegegeld "świadczenie pielęgnacyjne" um Familienleistungen verschiedener Art handelt.

Wien, am 5. März 2025