JudikaturBFG

RV/7100964/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Steuerrecht
24. Juni 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, über die Beschwerde der ***Bf*** vom 14. Juni 2023 wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Österreich betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 bis 2021, zu Recht erkannt:

I. Der Säumnisbeschwerde wird stattgegeben.

II. Die Anträge auf Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2020 bis 2021 vom 2. November 2022 werden abgewiesen.

III.. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang/Sachverhalt

***A*** verstarb am ***Datum***.

Mit Eingabe vom 2. November 2022 stellte ***Bf*** den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung betreffend des verstorbenen ***A*** für die Jahre 2019 bis 2021. Es wurden bis auf die Angabe des Verstorbenen keine weiteren Angaben in den Anträgen gemacht.

Am 14. Juni 2023 brachte ***Bf*** Säumnisbeschwerde beim Bundesfinanzgericht ein.

Dem Finanzamt wurde am 21. Juli 2023 gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufgetragen, bis spätestens 14. September 2023 die versäumte Entscheidung zu erlassen und eine Abschrift der Entscheidung vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Pflicht zur Erlassung des Bescheides nicht oder nicht mehr vorliegt.

Das Finanzamt hat mit Beschwerdevorentscheidung/Bescheid vom 9. August 2024 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 den säumigen Bescheid erlassen.

Hinsichtlich Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 bis 2021 teilte das Finanzamt mit, dass eine Veranlagung nicht durchzuführen sei und wurde bisher keine Entscheidung über die Anträge erlassen.

Aufgrund der Säumigkeit des Finanzamtes ist die Zuständigkeit gemäß § 284 BAO auf das Bundesfinanzgericht übergegangen.

II. Beweiswürdigung

Der Verfahrensgang/Sachverhalt ergibt sich aus der Säumnisbeschwerde der Bf. und Einsichtnahme in den elektronischen Akt.

Aus dem elektronischen Akt ergab sich, dass für den Verstorbene in den Jahren 2020 und 2021 keine Lohnsteuer abgeführt wurde.

III. Rechtliche Beurteilung

a. Zu Spruchpunkt II. (Abweisung)

§ 284 BAO lautet auszugsweise:"(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

…"

Da die Abgabenbehörde nicht innerhalb von 6 Monaten ab Antragstellung über die Anträge auf Arbeitnehmerveranlagung vom 2. November 2022 betreffend die Jahre 2020 und 2021 und auf Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes auch nicht innerhalb der dreimonatigen Frist gemäß § 284 Abs. 2 BAO (im Unterschied zur Arbeitnehmerveranlagung betreffend das Kalenderjahr 2019) entschieden hat, lag Säumigkeit vor und ging die Zuständigkeit auf das Bundesfinanzgericht über.

Gemäß § 39 Abs. 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Hat der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, so erfolgt eine Veranlagung nur, wenn die Voraussetzungen des § 41 vorliegen. Sind im Einkommen Einkünfte aus Kapitalvermögen enthalten, so bleiben Überschüsse aus dieser Einkunftsart außer Ansatz, wenn sie 22 Euro nicht übersteigen.

Sind gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn

1. er andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt,

2. im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert worden sind, bezogen worden sind.

Liegen nach § 41 Abs. 2 EStG 1988 die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, so erfolgt eine Veranlagung nur auf Antrag des Steuerpflichtigen. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes gestellt werden.

Veranlagung ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und die darauffolgende bescheidmäßige Festsetzung der Einkommensteuer, der ein Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Plausibilität der erklärten bzw. elektronisch eingereichten Steuererklärung vorangehen kann.

Besteht das Einkommen nur aus lohnsteuerpflichtigen Einkünften, findet eine Veranlagung des Steuerpflichtigen von Amts wegen in den im § 41 Abs. 1 Z 1 bis 8 1988 EStG taxativ aufgezählten Fällen statt. Wenn die Voraussetzungen der Pflichtveranlagung nach § 41 Abs. 1 EStG 1988 nicht vorliegen, erfolgt gem. § 41 Abs. 2 1988 EStG eine Veranlagung auf Antrag des Steuerpflichtigen. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes gestellt werden. § 39 Abs. dritter Satz EStG 1988 ist anzuwenden.

Dem Wortlaut des § 41 EStG 1988 ist eindeutig zu entnehmen, dass eine Veranlagung auf Antrag (ebenso wie eine Pflichtveranlagung gemäß § 41 Z 1 bis 8 EStG) den Bezug von lohnsteuerpflichtigen Einkünften voraussetzt, für die ein Lohnsteuerabzug vorgenommen wurde.

Die Antragsveranlagung gibt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, die jahresbezogen richtige Steuerbelastung in Fällen herzustellen, in denen die (tatsächliche) Lohnsteuerbelastung während des Jahres zu hoch war. Dies ist u.a. der Fall, wenn

 die Bezüge im Kalenderjahr unterschiedlich hoch und der Arbeitgeber keine Aufrollung vorgenommen hat, oder

 die Bezüge (wenn auch in gleicher Höhe) nur in einem Teil des Jahres zugeflossen sind. Dies insbesondere, als die Lohnsteuerberechnung nach den Verhältnissen im maßgebenden Lohnzahlungszeitraum (Monat) nach dem umgerechneten Jahrestarif erfolgt. Niedrigere Bezüge eines Monats können höhere Bezüge eines anderen Monats hinsichtlich der Progression nur im Zuge einer Veranlagung ausgeglichen werden.

So die Bezüge nur für einen Teil des Jahres zuflossen, ist die Jahresbemessungsgrundlage stets geringer als die beim Lohnsteuerabzug berücksichtigte Lohnsteuer, sodass sich eine zu hohe Lohnsteuerbelastung bzw. - wenn die Besteuerungsgrenze nicht erreicht wird - gar keine Steuerbelastung ergibt (vgl. Atzmüller in Doralt/Kirchmayr/Zorn, EStG24, § 41, Tz 31).

Mit der Antragsveranlagung kann der Steuerpflichtige steuermindernde Umstände geltend machen, die sich beim Lohnsteuerabzug nicht ausgewirkt haben bzw. nicht auswirken konnten und ist an keine Form gebunden. Aus dem Antrag muss sich daher lediglich das Begehren auf Durchführung einer Veranlagung ergeben (vgl. Atzmüller in Doralt/Kirchmayr/Zorn, EStG24, § 41, Tz 32).

Der eingebrachte Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung unterliegt der Entscheidungspflicht gemäß § 284 BAO (vgl. VwGH 21.7.1998, 94/14/0089). Das Finanzamt hat daher entweder einen Einkommensteuerbescheid zu erlassen oder einen Bescheid, mit dem ausgesprochen wird, dass eine Veranlagung unterbleibt (vgl. Atzmüller in Doralt/Kirchmayr/Zorn, EStG24, § 41 Tz 31).

Im gegenständlichen Fall war ***A*** am ***Datum*** verstorben. In den Jahren 2020 bis 2021 lagen weder lohnsteuerpflichtigen Einkünfte vor, noch wurde Lohnsteuer oder Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.

Mangels tatsächlicher Abfuhr entsprechender Lohnsteuerbeträge in den Jahren 2020 bis 2021 bleibt jedoch für eine Antragsveranlagung gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 zum Ausgleich nicht entrichteter Lohnsteuern kein Raum.

Eine Antragsveranlagung der erklärten Einkünfte gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 hat somit zu unterbleiben.

b. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen zur Durchführung einer Antragsveranlagung gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 war auf der Sachverhaltsebene zu lösen. Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, liegt somit nicht vor und ist eine Revision nicht zulässig.

Wien, am 24. Juni 2025