JudikaturBFG

RV/3100224/2021 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Gesellschaftsrecht
20. August 2024

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Wirtschaftstreuhand Tirol Steuerberatungsgesellschaft m.b.H & Co KG, Rennweg 18, 6020 Innsbruck, gegen den von der belangten Behörde Finanzamt Österreich zu Steuernummer ***BF1StNr1*** am 22. Februar 2018 ausgefertigten Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2014 und den am 7. März 2018 ausgefertigten Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2014 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die belangte Behörde hat mit den angefochtenen Bescheiden das Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2014 wiederaufgenommen und die Umsatzsteuer für dieses Jahr mit € 0,00 festgesetzt. Der Beschwerdeführerin stehe der Vorsteuerabzug aus dem Ankauf von zwei Wohnungen nicht zu, da sie keine unternehmerische Tätigkeit entfaltet hätten.

2. Mit am 26. März 2018 eingereichtem Schreiben hat die steuerliche Vertretung das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde erhoben, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den gesamten Beschwerdesenat beantragt. Nach den Umsatzsteuerrichtlinien (Rz 783) stehe der Vorsteuerabzug im Falle der Errichtung eines Gebäudes durch eine Miteigentümergemeinschaft, die keine Unternehmereigenschaft besitze (beispielsweise eine Ehegattengemeinschaft), zu.

3. Die belangte Behörde hat mit der am 25. November 2019 ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2014 und mit der am 11. Februar 2021 ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2014 als unbegründet abgewiesen.

4. Die steuerliche Vertretung hat mit Schreiben vom 13. Dezember 2019 zur Bescheidbeschwerde über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2014 und mit Schreiben vom 16. Februar 2021 zur Bescheidbeschwerde betreffend Umsatzsteuer 2014 die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt.

5. Die belangte Behörde hat mit Bericht vom 29. April 2021 die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

6. Die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 19. August 2024 den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den gesamten Beschwerdesenat zurückgezogen.

II. Sachverhalt

Folgender Sachverhalt ist für das Bundesfinanzgericht entscheidungswesentlich und erwiesen:

1. Mit Kauf und Wohnungseigentumsvertrag vom 23. Mai 2012 sowie Zusatz zum Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 8. Mai 2013 haben ***1*** und ***2*** an der Liegenschaft ***L1*** je zur Hälfte 77/602 Anteile, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung Top 3 untrennbar verbunden ist und 5/602 Anteile, mit denen das Wohnungseigentum am TG-Einstellplatz Top AE1 untrennbar verbunden ist, erworben. Im Kaufvertrag ist ein Kaufpreis von € 378.545,45 ausgewiesen (€ 315.454,54 netto zuzüglich € 63.090,91).

2. Mit Kauf und Wohnungseigentumsvertrag vom 1. Juni 2012 haben ***1*** und ***2*** an der Liegenschaft ***L1*** je zur Hälfte 83/602 Anteile, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung Top 4 untrennbar verbunden ist und 5/602 Anteile, mit denen das Wohnungseigentum am TG-Einstellplatz Top AE2 untrennbar verbunden ist, erworben. Im Kaufvertrag ist ein Kaufpreis von € 378.818,17 ausgewiesen (€ 328.181,81 netto zuzüglich € 65.636,36).

3. Mi Notariatsakt vom 14. April 2014 haben ***1*** und ***2*** vereinbart, dass ***2*** für sich und Rechtsnachfolger im Eigentum der ihm am Grundbuchskörper in ***L1*** gehörigen 77 + 5 + 83 + 5/1204 Anteile, mit welchen das Wohnungseigentum an W3, AP 01, W 4 und AP 02 verbunden ist, seiner Eigentümerpartnerin und Ehegattin ***1*** das lebenslange Fruchtgenussrecht an ebendiesen Anteilen als Dienstbarkeit einräumt. Die Fruchtgenussberechtigte verpflichtete sich, die Wohnungen in gutem und ordentlichem Zustand zu erhalten und die notwendigen Reparaturen innerhalb der Wohnungen auf ihre Kosten unverzüglich vornehmen zu lassen. Sämtliche Bewirtschaftungskosten werden auf Dauer des Fruchtgenussrechtes von der Fruchtgenussberechtigten aus eigenem getragen. Die Fruchtgenussberechtigte vergütet dem Eigentümer die jährliche Substanzverminderung in Höhe der steuerlich anerkannten Abschreibung.

4. Am 13. Jänner 2014 haben ***1*** als Vermieterin einerseits sowie ***3*** und Herr ***4*** als Mieter andererseits einen Mietvertrag für die Dauer von 36 Monaten abgeschlossen. Mietgegenstand ist die Wohnung Top 3 der Liegenschaft EZ 3095 KG 81111samt Tiefgaragenabstellplatz.

5. Am 23. März 2014 haben ***1*** als Vermieterin einerseits sowie ***5*** als Mieter andererseits einen Mietvertrag für die Dauer von 36 Monaten abgeschlossen. Mietgegenstand ist die Wohnung Top 4 der Liegenschaft ***L1*** samt Tiefgaragenabstellplatz.

6. Die Beschwerdeführerin begehrt den Abzug von Vorsteuerbeträgen im Jahr 2014 aus Rechnungen, die andere Unternehmer an Frau ***1*** ausgestellt haben. Die Rechnungen betreffen Leistungen, die von den anderen Unternehmen bereits in den Jahren 2012 und 2013 erbracht und abgerechnet worden sind.

7. Die Tatsache, dass nicht die Beschwerdeführerin unternehmerisch tätig war, sondern ***1*** als Vermieterin die Mietverträge abgeschlossen hat, wurde der belangten Behörde erst durch das Vorhalteverfahren im Jahr 2017 (Ergänzungsersuchen vom 17. Oktober 2017, Beantwortung desselben mit Übermittlung von vier Mietverträgen) bekannt.

III. Beweiswürdigung

Die unter Punkt II. dargestellte Sachlage ist unstrittig und für das Bundesfinanzgericht nach der Aktenlage erwiesen.

IV. Rechtliche Beurteilung

1. Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Da die belangte Behörde erst nach Ausfertigung des Umsatzsteuerbescheides 2014 am 7. April 2015, nämlich im Rahmen des im Jahr 2017 durchgeführten Vorhalteverfahrens (Punkt II.7) von der Tatsache Kenntnis erlangte, dass nicht die Beschwerdeführerin unternehmerisch tätig war, sondern ***1***, die als Vermieterin die Mietverträge abgeschlossen hat und die Kenntnis über diese Umstände zu einem anders lautenden Bescheid führte, hat die Abgabenbehörde das Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO zu Recht wiederaufgenommen.

2. Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung ( § 11 UStG 1994) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Der Vorsteuerabzug steht nur einem Unternehmer ( § 2 UStG 1994) zu. Die Unternehmereigenschaft muss im Zeitpunkt der (Beendigung der) Leistung gegeben sein.

3. Gemäß § 2 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt.

4. Die Beschwerdeführerin war nie Unternehmer iSd § 2 UStG 1994. Die Vermietung der Wohnungen erfolgten durch ***1***. Alleine diese Tatsache schließt die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus. Zudem sind die Vorsteuern, die sie im Jahr 2014 begehrt, in Rechnungen für Leistungen von Unternehmern ausgewiesen, die diese bereits im Jahr 2012 und 2013 erbracht haben, wobei für die maßgeblichen Rechnungen als Rechnungsadressat nicht die Beschwerdeführerin, sondern ***1*** ausgewiesen ist (Provisionsrechnungen der ***GmbH1*** vom 05.07.2012 und vom 17.06.2012 über brutto 13.627,64 und brutto € 14.177,45; Rechnungen der ***GmbH2*** vom 25.10.2013 über brutto € 370.974,54 und brutto € 385.941,80). Neben der Tatsache, dass die Rechnungen nicht an die Beschwerdeführerin gerichtet sind und diese auch nicht Unternehmerin ist, steht dem Vorsteuerabzug auch § 20 Abs. 2 UStG 1994 entgegen, wonach die in den Veranlagungszeitraum fallenden, nach § 12 UStG 1994 abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen sind. Diese Vorschrift beinhaltet auch die Verpflichtung, Vorsteuerbeträge, für die die Voraussetzungen für den Veranlagungszeitpunkt erfüllt sind, für diesen Zeitraum geltend zu machen. Ein unterbliebener Vorsteuerabzug kann nicht in einem späteren Veranlagungszeitraum nachgeholt werden. Somit war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abzuweisen.

V. Zulässigkeit einer Revision

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt vor Allem dann vor, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellte sich im Beschwerdefall nicht. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig. Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende Rechtsbelehrung.

Innsbruck, am 20. August 2024