JudikaturBFG

RV/2100802/2021 – BFG Entscheidung

Entscheidung
07. August 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch PKF Österreicher & Partner GmbH & Co KG, Wirtschaftsprüfungs und Steuerberatung, Hegelgasse 8, 1010 Wien, über die Beschwerde vom 21. November 2019 gegen den Bescheid des ***FA*** vom 18. November 2019 betreffend Erstattung von Vorsteuern für 01-12/2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern gemäß der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. 279/1995 idgF für den Zeitraum 01-12/2018 erfolgt mit € 3.350,00.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Bf. brachte mit 25.06.2019 einen Antrag auf Vorsteuererstattung für 2018 ein. Dieser wurde vom Finanzamt im Ergebnis abgewiesen mit dem Hinweis auf das Vorliegen von Katalogleistungen und auf § 3a Abs. 6 UstG 1994.

Die Bf. legte im Rechtsmittelverfahren ergänzende Unterlagen vor und führte aus:"Als Begründung dürfen wir ausführen, dass die in der abweisenden Beschwerdevorentscheidung dargebrachte Begründung zur Qualifikation der den Vorsteuerabzug vermittelnden Leistungen rechtswidrig ist. Tatsächlich handelt es sich bei den vom Immobiliensachverständigen ….. erbrachten Leistungen um Grundstücksleistungen im Sinn des § 3a Abs 9 lit a UstG (sonstige Leistungen der Grundstückssachverständigen), wie den drei vorgelegten Honorarnoten vom 05. März 2018, 14. Mai 2018 sowie 26. September 2018 eindeutig zu entnehmen ist. Die verrechnete Leistung ist die Verkehrswertermittlung einer Liegenschaft im Bundesgebiet der Republik Österreich (Gemeinde ***1*** in Vorarlberg) und damit in Österreich steuerbar und steuerpflichtig. Weshalb es sich gemäß der Begründung des Finanzamtes um eine "Katalogleistung gemäß § 3a Abs 14 UStG" handeln soll, ist angesichts der eindeutigen Gesetzeslage, nicht nachvollziehbar."

Die Bf. nahm den Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Senat im Rechtsmittelverfahren vor dem BFG mit Schreiben vom 06.08.2025 zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. ist ein Unternehmen aus der Schweiz, das für das Jahr 2018 einen rechtzeitigen Antrag auf Vorsteuererstattung idHv € 3.350 einbrachte, resultierend aus Rechnungen eines österreichischen Unternehmers und Grundstückssachverständigen, welcher seine Leistungen für die Erstellung von Gutachten für die Ermittlung des Verkehrswertes einer in Österreich gelegenen Liegenschaft mit 20% Umsatzsteuer, ausgestellt im Jahr 2018, verrechnete.Die Bf. hat in Österreich keine Umsätze. Die Kosten entstanden iZm der Finanzierung eines Hotelprojektes in Vorarlberg. Diese wurden dem Finanzierungsnehmer/Kunden, einem Unternehmen in Liechtenstein, weiterverrechnet.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere den nachgereichten Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 in der entscheidungswesentlichen Fassung BGBl. II Nr. 158/2014 (in der Folge: Erstattungsverordnung) bestimmt:Erstattung der Vorsteuerbeträge in einem besonderen VerfahrenBerechtigte Unternehmer§ 1. (1) Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum1. keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) oder4. im Inland nur Umsätze, die unter eine Sonderregelung gemäß § 25a, Art. 25a, § 25b UStG 1994 oder eine Regelung gemäß Art. 358 bis 369k der Richtlinie 2006/112/EG in einem anderen Mitgliedstaat fallen, ausgeführt hat.(2) Abs. 1 gilt nicht für Vorsteuerbeträge, die anderen als den in Abs. 1 bezeichneten Umsätzen im Inland zuzurechnen sind.

Erstattungsverfahren für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer§ 3a. (1) Der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat die Erstattung mittels amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim Finanzamt Österreich zu beantragen. Der Antrag ist binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Dem Erstattungsantrag sind die Rechnungen und die Belege über die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer im Original beizufügen.(2) Der zu erstattende Betrag muss mindestens 400 Euro betragen. Das gilt nicht, wenn der Erstattungszeitraum das Kalenderjahr oder der letzte Zeitraum eines Kalenderjahres ist. Für diese Erstattungszeiträume muss der zu erstattende Betrag mindestens 50 Euro betragen. (3) Der Unternehmer muss dem Finanzamt Österreich in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 1 durch behördliche Bescheinigung des Staates, in dem er ansässig ist, nachweisen, dass er als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist.

§ 3a Abs. 9 UStG 1994 in der entscheidungswesentlichen Fassung BGBl. I Nr. 118/2015 lautet:Eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück wird dort ausgeführt, wo das Grundstück gelegen ist. Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück sind auch:a) die sonstigen Leistungen der Grundstücksmakler und Grundstückssachverständigen;b) die Beherbergung in der Hotelbranche oder in Branchen mit ähnlicher Funktion (zB in Ferienlagern oder auf Campingplätzen);c) die Einräumung von Rechten zur Nutzung von Grundstücken;d) die sonstigen Leistungen zur Vorbereitung oder zur Koordinierung von Bauleistungen (zB die Leistungen von Architekten und Bauaufsichtsbüros).

§ 3a Abs. 6 UStG 1994:Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 1 und 2 ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend.

§ 12 Abs. 3 lit. c UstG 1994:(3) Vom Vorsteuerabzug sind ausgeschlossen:1. Die Steuer für die Lieferungen und die Einfuhr von Gegenständen, soweit der Unternehmer diese Gegenstände zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet,2. die Steuer für sonstige Leistungen, soweit der Unternehmer diese sonstigen Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze in Anspruch nimmt;3. die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen sowie für die Einfuhr von Gegenständen, soweit sie mit Umsätzen im Zusammenhang steht, die der Unternehmer im Ausland ausführt und die - wären sie steuerbar - steuerfrei sein würden;4. die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen sowie für die Einfuhr von Gegenständen, soweit sie im Zusammenhang mit der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes für die in § 3a Abs. 1a Z 1 genannten Zwecke steht.Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug tritt nicht ein, wenn die Umsätzea) nach § 6 Abs. 1 Z 1 bis 6 oder § 23 Abs. 5 steuerfrei sind oder steuerfrei wären oderb) nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a bis c und lit. e bis h und § 6 Abs. 1 Z 9 lit. c steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden oderc) nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a bis c und lit. e bis h und § 6 Abs. 1 Z 9 lit. c steuerfrei wären und der Leistungsempfänger keinen Wohnsitz (Sitz) im Gemeinschaftsgebiet hat.

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Strittig ist, ob der Bf. die Vorsteuer aus den Rechnungen iZm der Grundstücksbewertung der in Österreich gelegenen Grundstücke im Erstattungsverfahren zusteht oder ob diese aufgrund des Vorliegens von Katalogleistungen nicht im Erstattungsverfahren zu gewähren sind.

Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück werden am Ort des Grundstückes ausgeführt (Belegenheitsprinzip; vgl a VwGH 10.10.2011, 2011/17/0232). Dieser Ort entspricht in vielen Fällen dem Bestimmungslandprinzip (Haunold, 135; Englisch, in DStjG 32, 223; s aber auch Ruppe, in FS Rödler, 806 f) und ist - sofern geklärt ist, dass es sich tatsächlich um eine Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück handelt - leicht ermittelbar (vgl. Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz: Kommentar6 (2024) Rz 78).Im Unionsrecht wurde der Grundstücksbegriff durch die VO 1042/2013 zur Änderung der EU-DfV mit Wirkung ab 1.1.2017 definiert (s Art 13b EU-DfV), und zwar speziell mit dem Ziel, die Ortsbestimmung bei Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück (vgl Art 47 MwSt-RL) im Unionsbereich zu vereinheitlichen (s die Überschrift und den Erwägungsgrund 18 zu der VO 1042/2013 ).Nach Art 31a EU-DfV steht eine Dienstleistung dann gem. Art 47 MwSt-RL im Zusammenhang mit einem Grundstück, wenn ein hinreichend direkter Zusammenhang gegeben ist.Nach Abs 2 iVm Abs 3 der EU-DfV ist ein hinreichend direkter Zusammenhang mit dem Grundstück vor allem bei folgenden Dienstleistungen gegeben:- Vermessung, Begutachtung und Bewertung von Grundstücken (vgl. Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz: Kommentar6 (2024) Rz 81).

Im beschwerdegegenständlichen Fall stehen die beantragten Vorsteuerbeträge daher eindeutig iZm einem in Österreich gelegenen Grundstück, der Leistungsort für die in Rechnung gestellten Leistungen des Grundstückssachverständigen gem. § 3a Abs. 9 lit. a UStG 1994 ist Österreich. Die Bf. hat in Österreich keine Umsätze erzielt, sie erbringt ihrerseits Umsätze an eine Drittlandsfirma; auf § 12 Abs. 3 lit. c UStG 1994 wird verwiesen.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

 

Graz, am 7. August 2025