JudikaturBFG

RV/7104371/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Steuerrecht
30. Juni 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Maria Daniel in der Beschwerdesache Bf***, Bf-Adr*** über die Beschwerden des Abgabepflichtigen vom 30. September 2024 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich jeweils vom 26. August 2024 betreffend Abweisung der Anträge auf Bescheidabänderung gem § 295a BAO betreffend Einkommensteuerbescheid 2020 vom 21. November 2022 und Einkommensteuerbescheid 2022 vom 2. Oktober 2023 zu Recht:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensverlauf

Mit Einkommensteuerbescheid betreffend das Jahr 2020 vom 19.4.2021 wurde anlässlich der Arbeitnehmerveranlagung des Beschwerdeführers neben dem Pauschbetrag für Sonderausgaben der Familienbonus Plus iHv € 1.134,18, der Alleinverdienerabsetzbetrag iHv € 448,95 sowie ein Verkehrsabsetzbetrag iHv € 721,94 berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 21.11.2022 wurde der Einkommensteuerbescheid betreffend das Jahr 2020 gem § 295a BAO insofern abgeändert, als der Alleinverdienerabsetzbetrag iHv € 889,00 (ohne Indexierung) gewährt wurde.

Mit Eingabe vom 12.6.2024 beantragte der Beschwerdeführer den Kindermehrbetrag für das Jahr 2020. Der Betreff lautete: "Bescheidabänderung gem § 295a BAO - Einkommensteuerbescheid für 2020".

Der Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 26.8.2024 abgewiesen, da kein Ereignis eingetreten sei, welches abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches habe.

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom 30.9.2024 brachte der Beschwerdeführer vor, dass der Kindermehrbetrag für die Jahre 2019 bis 2021 nicht beantragt werden müsse, da dieser bei Erfüllung der Voraussetzungen bei der Arbeitnehmerveranlagung automatisch zu berücksichtigen sei. Zudem verwies der Beschwerdeführer auf die Entscheidung des EuGH (EuGH 16.6.2022, C-328/20), wonach die Indexierung des Familienbonus Plus, des Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrages, des Unterhaltsabsetzbetrages und Kindermehrbetrages nicht mit dem EU-Recht vereinbar sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 7.11.2024 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Umstände, welche bereits bei Erlassung ursprünglicher Bescheide vom Finanzamt berücksichtigt wurden, könnten keine Bescheidänderung iSd § 295a BAO begründen, da insoweit kein rückwirkendes Ereignis vorliege.

Das am 11.12.2024 als Berufung gegen die Beschwerdevorentscheidung eingebrachte Schreiben wurde von der belangten Behörde als Vorlageantrag gewertet. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei eine Bescheidänderung gem § 295a BAO zulässig. Darüber hinaus nannte der Beschwerdeführer namentlich diverse Personen mit Steuernummern, bei denen der Kindermehrbetrag aufgrund des Antrages auf Änderung gem § 295a BAO berücksichtigt worden sei.

Mit Einkommensteuerbescheid betreffend das Jahr 2022 vom 2.10.2023 wurde für den Beschwerdeführer im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung neben Werbungskosten iHv € 3.060,00 der Familienbonus Plus iHv € 1.549,73, der Alleinverdienerabsetzbetrag iHv € 1.109,00, ein Verkehrsabsetzbetrag iHv € 861,83, sowie ein Teuerungsabsetzbetrag iHv € 479,31 berücksichtigt.

Mit Schreiben vom 12.6.2024 beantragte der Beschwerdeführer den Kindermehrbetrag für das Jahr 2022. Der Betreff lautete: "Bescheidabänderung gem § 295a BAO - Einkommensteuerbescheid für 2022".

Der Antrag wurde mit Bescheid vom 26.8.2024 abgewiesen, da kein Ereignis eingetreten sei, welches abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches habe.

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom 30.9.2024 brachte der Beschwerdeführer vor, dass der "Eintritt Kindermehrbetrag" ein Ereignis sei, das abgabenrechtliche Wirkung auf die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches habe.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 7.11.2024 analog zur Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid betreffend Antrag auf Bescheidänderung gem § 295a BAO betreffend Einkommensteuerbescheid 2020 als unbegründet abgewiesen.

Das als Berufung gegen die Beschwerdevorentscheidung eingebrachte Schreiben wurde von der belangten Behörde als Vorlageantrag gewertet und ist inhaltlich ident mit dem Vorlageantrag betreffend Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid iZm dem Antrag auf Bescheidänderung gem § 295a BAO betreffend Einkommensteuer 2020.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Folgender Sachverhalt steht unstrittig fest:

Der Beschwerdeführer ist polnischer Staatsbürger, in den Streitjahren bei diversen österreichischen Arbeitgebern tätig und hat anlässlich der Arbeitnehmerveranlagungen 2019 und 2021 jeweils mittels Formular L1 durch Ankreuzen den Mehrkindzuschlag für 2020 bzw für 2022 beantragt.

Seine in den Jahren 2009, 2011, 2017 und 2022 geborenen Kinder leben bei seiner nicht berufstätigen Ehefrau in Polen.

Im Streitzeitraum stand für den Beschwerdeführer der Alleinverdienerabsetzbetrag zu.

Der Mehrkindzuschlag wurde anlässlich der Arbeitnehmerveranlagungen 2020 und 2022 durch die belangte Behörde nicht gewährt. Die Bescheide enthielten diesbezüglich keine Begründungen.

Die Einkommensteuer gem § 33 Abs 1 EStG 1988 des Beschwerdeführers (vor Abzug der Absetzbeträge) betrug im Jahr 2020 € 1.134,18 und im Jahr 2022 € 1.549,73.

Die Beschwerden und Vorlageanträge wurden fristgerecht eingebracht.

Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den vorliegenden Unterlagen und Eingaben des Beschwerdeführers (insb Lohnzetteln, Einkommensteuerbescheide, Bestätigungen der ausländischen Steuerbehörde).

Die Beurteilung der fristgerechten Eingaben der Beschwerden und Vorlageanträge ergibt sich aus dem Umstand, dass die Zustellung der jeweiligen Bescheide mittels Postversand an die Adresse des Beschwerdeführers in Polen erfolgte und daher die Zeiten des Postlaufes bei der Zustellung der Bescheide zu berücksichtigen sind.

Rechtliche Würdigung:

§ 33 Abs 7 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 108/2022 (für die Arbeitnehmerveranlagung 2020) bestimmt:

"Ergibt sich nach Abs. 1 eine Einkommensteuer unter 250 Euro und steht der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu, gilt bei Vorhandensein eines Kindes (§ 106 Abs. 1) Folgendes:

1. Die Differenz zwischen 250 Euro und der Steuer nach Abs. 1 ist als Kindermehrbetrag zu erstatten.

2. Hält sich das Kind ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz auf, tritt an die Stelle des Betrages von 250 Euro der Betrag, der sich bei Anwendung des Abs. 3a Z 2 ergibt.

3. Ein Kindermehrbetrag steht nicht zu, wenn für mindestens 330 Tage im Kalenderjahr steuerfreie Leistungen gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a, lit. c oder Leistungen aus der Grundversorgung oder Mindestsicherung bezogen wurden.

Dieser Betrag erhöht sich für jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um den Betrag von 250 Euro oder den an seine Stelle tretenden Betrag."

§ 33 Abs 7 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 135/2022 (für die Arbeitnehmerveranlagung 2022) bestimmt:

"Ergibt sich bei Steuerpflichtigen, die

- zumindest an 30 Tagen im Kalenderjahr steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 erzielen, oder

- ganzjährig Leistungen nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG), BGBl. I Nr. 103/2001, oder Pflegekarenzgeld bezogen haben,

nach Abs. 1 eine Einkommensteuer unter 550 Euro, gilt bei Vorhandensein eines Kindes (§ 106 Abs. 1) Folgendes:

Die Differenz zwischen 550 Euro und der Einkommensteuer nach Abs. 1 ist als Kindermehrbetrag zu erstatten, wenn

a) der Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht oder

b) sich auch beim (Ehe)Partner gemäß § 106 Abs. 3, der Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 erzielt, eine Einkommensteuer nach Abs. 1 unter 550 Euro ergibt; in diesem Fall hat nur der Familienbeihilfeberechtigte Anspruch auf den Kindermehrbetrag.

Dieser Betrag erhöht sich für jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um den Betrag von 550 Euro."

Der Europäische Gerichtshof hat im Juni 2022 entschieden, dass die Indexierung der Familienbeihilfe, des Kinderabsetzbetrages und weiterer steuerrechtlicher Begünstigungen, die Österreich Erwerbstätigen nach Maßgabe des Wohnstaates ihrer Kinder gewährt, nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist (EuGH 16.6.2022, C-328/20).

Die Republik Österreich ist ihren sich aus dem EuGH-Urteil ergebenden Verpflichtungen nachgekommen. Mit Novelle des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 sowie des Einkommensteuergesetzes 1988 (BGBl. I Nr. 135/2022) wurden die jeweiligen Indexierungsbestimmungen aufgehoben.

§ 295a Abs 1 BAO bestimmt:

"Ein Bescheid kann auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat."

Die Rückwirkung von Ereignissen muss sich aus Abgabenvorschriften ergeben. § 295a BAO ist anwendbar, wenn ein solches Ereignis nachträglich (nach Erlassung des Bescheides) eintritt (vgl. Ritz/Koran, BAO8 § 295a Rz 3 ff).

Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass sein Anspruch auf Mehrkindzuschlag in Verbindung mit der EuGH-Judikatur zur Indexierung der österreichischen Familienbeihilfe einem solchen rückwirkenden Ereignis entspricht.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass aufgrund der EuGH-Judikatur lediglich die nationalen Vorschriften betreffend Indexierung aufgehoben wurden, nicht jedoch die grundsätzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Mehrkindzuschlag gem § 33 Abs 7 EStG 1988.

Da die nach § 33 Abs 1 EStG 1988 errechnete Einkommensteuer des Beschwerdeführers im Jahr 2020 über € 250, bzw für das Jahr 2022 über € 550 beträgt, steht der Kindermehrbetrag nach § 33 Abs 7 EStG 1988 nicht zu.

Da diese gesetzlichen Bestimmungen bezüglich Anspruchsvoraussetzungen rückwirkend nicht geändert wurden, geht der Antrag auf § 295a BAO des Beschwerdeführers ins Leere.

Die Beschwerden sind daher gem § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da die zu lösende Rechtsfrage bereits im Gesetz eindeutig gelöst ist. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am 30. Juni 2025