IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Krafft in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Lucyna Jolanta Hieden, Kaiser-Ebersdorfer Straße 168//1/7, 1110 Wien, über die Beschwerde vom 26. Mai 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 3. Mai 2024 betreffend Umsatzsteuer 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Umsatzsteuer 2022 mit 314,64 € festgesetzt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Frau ***Bf1*** (Beschwerdeführerin, Bf.) reichte am 24.2.2024 eine Umsatzsteuererklärung 2022 bei der belangten Behörde (FA) ein in welcher sie Umsätze von 39.381,51 € erklärte und denselben Betrag in der Kennzahl 020 "sonstige steuerfreie Umsätze" anführte. Vorsteuerbeträge wurden (konsequenterweise) in der Steuererklärung nicht angegeben.
Mit Bescheid vom 3.5.2024 behandelte das FA die erklärten Umsätze als steuerbare und steuerpflichtige Inlandsumsätze und schrieb eine Umsatzsteuer von 7.876,30 € vor. Eine Rückfrage betreffend allfälliger Vorsteuerbeträge erfolgte nicht.
Mit fristgerecht eingebrachter Beschwerde vom 26.5.2024 übermittelte die Bf. erneut ihre Umsatzsteuerjahreserklärung 2022 und ersuchte um Neuberechnung.
Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom 17.6.2024 wies das FA die Beschwerde ab, weil die Veranlagung "erklärungsgemäß" erfolgt sei. Auch im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Beschwerdeverfahrens wurde nicht ermittelt, ob wegen der nunmehr gegebenen Steuerpflicht der Umsätze abziehbare Vorsteuern zu berücksichtigten wären.
Im fristgerecht eingebrachten Antrag vom 12.7.2024 begehrte die Bf. die Vorlage an das Bundesfinanzgericht (BFG) und führte aus:
Ich gebe Ihnen bekannt, dass nach der Pandemie meine Umsätze sind nicht mehr so hoch wie früher. Ich habe viele Kundinnen durch die Pandemie verloren und bis dato konnte ich mein Geschäft nicht richtig aufbauen.Im Dezember 2021 habe ich mir überlegt, ob ich ab dem Jahr 2022 nicht als Kleinunternehmer meine Umsatzsteuererklärungen abgeben soll, und habe ich das mit einem Finanzberater besprochen. Über mein Ersuchen wurde positiv entschieden. Im Jänner 2022 habe ich noch einmal mit einem Finanzberater telefonisches Gespräch geführt, und mir wurde bestätigt, dass ich im Jahr 2022 als Kleinunternehmer abrechnen soll und keine Umsatzsteuer abführen muss.Die Jahreserklärung 2022 wurde ohne Berechnung der Umsatzsteuer beim Finanzamt abgegeben.Im Anhang übermittle ich Ihnen noch einmal meine Umsatzsteuererklärung 2022, ersuche höflichst um Bearbeitung und positive Entscheidung diesbezüglich.Ich habe zwei Geschäftslokale und im Jahr 2024 werde ich ein Lokal aufgeben müssen. Aufgrund dessen meine Umsätze werden noch geringer als bis jetzt und ich werde als Kleinunternehmer weitermachen.
Die Beschwerde wurde vom FA mit Vorlagebericht vom 19.2.2025 an das BFG zur Entscheidung vorgelegt.
Die Richterin erteilte der Bf. gemeinsam mit der Ladung zu einer von amtswegen angesetzten mündlichen Verhandlung den Auftrag eine Ausgabenzusammenstellung sowie die entsprechenden Ausgabenbelege anher vorzulegen.
Die Bf. verzichtet infolge der Ladung auf die mündliche Verhandlung und legte ihre sämtlichen Buchhaltungsunterlagen samt Kopien der Belege vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. betreibt seit mehreren Jahren am Standort ***Bf1-Adr*** ein Nagelstudio und verzichtete im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens betreffend Umsatzsteuer 2020 am 15.11.2023 ab dem Kalenderjahr 2020 gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994. Sie verwendete dabei das amtliche Formular U12 auf welchem ausdrücklich auf die 5-jährige Bindungswirkung dieser Verzichtserklärung verwiesen wurde.
Sie erzielte im Jahr 2022 Einnahmen von 39.381,51 € und wies keine Umsatzsteuer aus. Die erzielten Einnahmen verteilen sich auf Einnahmen aus der Vermietung von Geschäftsräumlichkeiten an andere Nageldesignerinnen im Betrag von 35.020,02 € und Einnahmen aus eigenen Nageldesignleistungen von 4.361,51 €.
Eine Nachverrechnung allfälliger Umsatzsteuerbeträge an die Leistungsempfänger ist nicht möglich.
Eine Option nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 für die Vermietungsumsätze erfolgte nicht.
Zudem tätigte die Bf. ig. Erwerbe aus anderen Mitgliedstaaten im Betrag 575,38 €. Bei den erworbenen Wirtschaftsgütern handelt es sich um Verbrauchsmaterial für Nageldesignleistungen.
Aus den vorgelegten Eingangsrechnungen ergeben sich an andere Unternehmer bezahlte Umsatzsteuerbeträge von insgesamt 4.580,87 €.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellung des Verzichts auf die Kleinunternehmerregelung ist dem Akteninhalt zu entnehmen. Die Höhe der Erlöse ergibt sich aus der vorgelegten Steuererklärung, und der Buchhaltung der Bf und wird auch seitens der Amtspartei nicht angezweifelt. Die Verteilung der Erlöse auf die Ausgangsleistungen sowie die Höhe der ig. Erwerbe und die bezahlten Vorsteuern ist den vorgelegten Buchhaltungsunterlagen zu entnehmen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 idgF sind die Umsätze der Kleinunternehmer steuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland sein Unternehmen betreibt und dessen Umsätze im Veranlagungszeitraum 2022 35.000 € nicht übersteigen. Ein Unternehmer, dessen Umsätze nach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 befreit sind, kann bis zur Rechtskraft eines Jahresbescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, dass er gemäß § 6 Abs.3 UStG 1994 auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet. Diese Erklärung bindet den Unternehmer - unabhängig von der Frage ob die Umsatzgrenze im jeweiligen Jahr überschritten wird - für mindestens fünf Kalenderjahre.
Zudem sind gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 die Umsätze aus der Vermietung von Liegenschaft steuerfrei.
Nach § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a UStG 1994 kann der Unternehmer, die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind als Vorsteuer abziehen, sofern die Ausgangsumsätze nicht gemäß § 12 Abs. 3 UStG 1994 wegen Vorliegens einer Steuerbefreiung vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 haben die Unternehmer die den Umsatz ausgeführt haben, wenn sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 geändert hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (Entgeltsminderung).
Aufgrund der für das Jahr 2020 abgebenden Erklärung auf die Anwendung der Steuerbefreiung als Kleinunternehmer gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 (Regelbesteuerungsantrag nach § 6 Abs. 3 UStG 1994) zu verzichten, ist die Bf. bis inklusive 2025 - unabhängig von einer allfälligen Überschreitung der Umsatzgrenze - verpflichtet ihre Umsätze jedenfalls, auch bei weiterem Unterschreiten der Kleinunternehmergrenze in den Folgejahren der Umsatzbesteuerung zu unterziehen.
Die Ausgangsumsätze des Jahres 2022 sind daher, soweit keine andere Steuerbefreiung zur Anwendung kommt, steuerpflichtig und dem Normalsteuersatz von 20% zu unterziehen.
Da die Vermietungsumsätze unter die Steuerbefreiung des § 6 Abs. Z 16 UStG fallen, wurden sie richtigerweise ohne USt fakturiert und betragen im Jahr 2022 35.020,02 €.
Die von den Kunden für Nageldesignleistungen vereinnahmten Beträge von 4.361,51 € unterliegen jedoch wegen des Verzichts auf die Kleinunternehmerbefreiung im Jahr 2020 im Jahr 2022 in die Steuerpflicht. Mangels Nachverrechenbarkeit der zu Unrecht nicht verrechneten USt sind sie daher Bruttobeträge anzusehen. Die Nettoentgelte sind errechnen sich daher mit 3.634,59 € (4.361,51 €/ 1,2). Die steuerbaren Umsatzerlöse betragen daher 38.654,61 €. Davon sind steuerfrei gem. § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 35,202,02 € und steuerpflichtig 3.634,59 €.
Von den Gesamtumsätzen sind sohin 9% steuerpflichtig und 91% steuerfrei.Aufgrund der gegebenen Steuerpflicht der Ausgangsumsätze sind die an Vorlieferanten bezahlten Umsatzsteuerbeträge in Höhe von 4.580,87 € im Verhältnis der steuerpflichtigen Umsätze (also zu 9%) sohin 412,28 € als Vorsteuern abzuziehen.
Die innergemeinschaftlichen Erwerbe betreffen Verbrauchsmaterial für die Erbringung der steuerpflichtigen Nageldesignleistungen. Die errechnete Erwerbsteuer von 115 € ist daher zur Gänze als Vorsteuer anzuerkennen.
Es ergibt sich sohin folgende Berechnung:
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt hier nicht vor, da sich bei gegebenem Sachverhalt die Lösung der Rechtsfragen unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.
Wien, am 21. Mai 2025