Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 28. April 2022 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 11. April 2022 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 und 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
In der Beilage L 1ab der Erklärung L1 zur ArbeitnehmerInnenveranlagung machte der Beschwerdeführer (Bf) 2020 außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt in Höhe von (iHv) insgesamt 1.168,12 € (= Krankheitskosten iHv 586 € und Kilometergeld iHv 582,12 €) und 2021 iHv insgesamt 1.158,54 € (= Krankheitskosten iHv 981 € und Kilometergeld iHv 177,54 €) geltend. Darüber hinaus begehrte er den Freibetrag für Behinderung (§ 35 Abs 3 EStG) und den pauschalen Freibetrag wegen Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nach § 3 Abs 1 Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (hinfort: § 3 Abs 1 VO).
Die belangte Behörde (bB) veranlagte den Bf mit Einkommensteuerbescheid vom 11. April 2022 für 2020 antragsgemäß (Krankheitskosten iHv 586 € und Kilometergeld iHv 582,12 € als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt), während sie mit Einkommensteuerbescheid vom selben Tag für 2021 das Kilometergeld iHv 177,54 € als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt und die Krankheitskosten iHv 981 € als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt ansetzte. Den Freibetrag für Behinderung (§ 35 Abs 3 EStG) berücksichtigte sie nicht: Der Bf habe nämlich ganzjährig pflegebedingte Geldleistungen bezogen. Ebenso wenig berücksichtigte sie den pauschalen Freibetrag wegen Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nach § 3 Abs 1 VO: Es fehle ein Nachweis dafür, dass dem Bf die Benützung öffentlicher Massenverkehrsmittel unzumutbar sei.
Dagegen erhob der Bf am 20. April 2022 Bescheidbeschwerde nach § 243 Bundesabgabenordnung (BAO): "Ich hatte ganz selten eine Nachzahlung zu leisten und wenn, dann nicht annähernd in dieser Höhe."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 23. Juni 2022 setzte die bB für 2020 das Kilometergeld iHv 582,12 € als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt und die Krankheitskosten iHv 586 € als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt an, während sie für 2021 sowohl Krankheitskosten als auch Kilometergeld als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt in Abzug brachte.
Dagegen brachte der Bf am 11. Juli 2022 einen Vorlageantrag ein: "Ich führe die Höhe der vom Finanzamt geforderten Nachzahlung […] darauf zurück, dass mir […] die Geltendmachung der Kilometerkosten und jene für Medikamente ganz einfach gestrichen wurde[…]."
(1.) Der zu 70% behinderte Bf machte 2020 Krankheitskosten und Kilometergeld iHv insgesamt 1.168,12 € und 2021 iHv insgesamt 1.158,54 € als außergewöhnliche Belastungen (irrtümlich) mit Selbstbehalt geltend. Darüber hinaus begehrte er den Freibetrag für Behinderung (§ 35 Abs 3 EStG) und den pauschalen Freibetrag wegen Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nach § 3 Abs 1 VO.
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}(2.) Sowohl 2020 als auch 2021 bezog der Bf (ganzjährig) Pflegegeld (Pflegestufe 2).
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}(3.) Das Bundesfinanzgericht forderte den Bf mit Schreiben vom 1. September 2025 auf, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des pauschalen Freibetrags wegen Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nach § 3 Abs 1 VO nachzuweisen. Dieser Aufforderung kam der Bf nicht nach.
(1.) Die Feststellungen ergeben sich aus der Beilage L 1ab der Erklärung L1 zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2020 und 2021 vom 3. März 2022 und dem Vorlagebericht vom 5. Dezember 2022.
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}(2.) Die Feststellung ergibt sich aus der Bescheidbeschwerde vom 11. Juli 2022.
Streitig sind lediglich der Freibetrag für Behinderung (§ 35 Abs 3 EStG) und der pauschale Freibetrag wegen Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nach § 3 Abs 1 VO. Die Krankheitskosten 2020 und 2021 sowie das Kilometergeld 2021 berücksichtigte die bB bereits als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt, und auch der Berücksichtigung des Kilometergelds 2020 als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt steht aus Sicht der bB (Vorlagebericht vom 5. Dezember 2022, S 5) und des Bundesfinanzgerichts nichts entgegen.
Demgegenüber kann der Bf den Freibetrag für Behinderung (§ 35 Abs 3 EStG) in den streitgegenständlichen Jahren nicht in Anspruch nehmen. Denn der genannte Freibetrag setzt voraus, dass der Abgabepflichtige für seine Behinderung keine pflegebedingte Geldleistung (zB Pflegegeld) bezogen hat (ErlRV 72 BlgNR 20. GP 267; zB UFS 30.6.11, RV/1207-W/11). Wie festgestellt, hat der Bf in den Jahren 2020 und 2021 (ganzjährig) Pflegegeld bezogen, weswegen die Inanspruchnahme des Freibetrags für Behinderung in den beiden Jahren ausgeschlossen ist.
Im Unterschied zum Freibetrag für Behinderung kann der pauschale Freibetrag wegen Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nach § 3 Abs 1 VO auch dann geltend gemacht werden, wenn wie im vorliegenden Fall eine pflegebedingte Geldleistung bezogen wurde. Allerdings hat der Abgabepflichtige seine dauernde Mobilitätseinschränkung nachzuweisen. Als Nachweis sieht § 3 Abs 1 VO vor:
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"die Eintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung im Behindertenpass bzw die bis 31.12.2013 erfolgte Eintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder der Blindheit im Behindertenpass."
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}Die von § 3 Abs 1 VO vorgesehenen Nachweise können nicht durch andere Beweismittel ersetzt werden (zB BFG 17.4.2018, RV/3100985/2016). Wie ausgeführt, hat der Bf trotz Aufforderung des Bundesfinanzgerichts keinen von § 3 Abs 1 VO vorgesehenen Nachweis seiner dauernden Mobilitätseinschränkung beigebracht, weswegen die bB den pauschalen Freibetrag wegen Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die Jahre 2020 und 2021 zu Recht versagt hat.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Im vorliegenden Fall sind Tatsachenfragen streitig: Zur Klärung von Tatsachenfragen ist eine Revision grundsätzlich nicht vorgesehen.
Salzburg, am 24. November 2025
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