JudikaturBFG

RV/7100698/2020 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Steuerrecht
19. Mai 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin MMag. Elisabeth Brunner über die Beschwerde vom 4. Juli 2019 der E***R***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 14. Juni 2019 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018, Steuernummer 11-123***, zu Recht:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid berücksichtigte das Finanzamt die von der Beschwerdeführerin in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung beantragten Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung nicht. Begründend führte das Finanzamt zusammengefasst aus, dass Krankheitskosten dann zwangsläufig iSd § 34 EStG sein könnten, wenn diese aus triftigen medizinischen Gründen erfolgten. Bloße Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Betreuung stellten noch keine triftigen medizinischen Gründe dar.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Beschwerde, die sie im Wesentlichen damit begründete, dass durch die im Privatspital durchgeführte Hüftoperation die zuvor vorhandenen starken Schmerzen im Bewegungsapparat beseitigt worden seien. Maßgeblich für die Durchführung der Operation in einem Privatspital sei die Tatsache des Entfalls der längeren Wartezeiten in einem öffentlichen Krankenhaus gewesen. Die die Lebensqualität beeinträchtigende Schmerzperiode habe um rund 100 Tage verkürzt werden können.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen. Die triftigen medizinischen Gründe für die Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen müssten in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden. Auch dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten fachärztlichen Befundbericht sei kein expliziter Hinweis auf ernsthafte gesundheitliche Nachteile zu entnehmen. Die Aufwendungen seien daher nicht als zwangsläufig erwachsen anzuerkennen.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Bei der Hüftoperation sei es einzig und allein um die rasche Beseitigung der vorhandenen starken Schmerzen im Bewegungsapparat gegangen und es habe ein Weg gefunden werden müssen, um die teilweise horrenden Wartezeiten auf eine schmerzbefreiende Operation in einem öffentlichen Krankenhaus zu vermeiden.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Strittig ist ob die für eine Operation in einem Privatspital angefallenen höheren Aufwendungen (Zuzahlungen für stationären Aufenthalt im Privatspital, Wahlarzthonorare, Physiotherapie, Rezeptgebühren …), als die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragenen der Beschwerdeführerin zwangsläufig iSd § 34 Abs 3 EStG erwachsen sind.

Nachstehender Sachverhalt steht fest:

Die von der Beschwerdeführerin als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Krankheitskosten von € 8.202,85 setzen sich wie folgt zusammen:

Pflegegebühren Privatspital€ 1.312,90
Honorare Privatspital€ 1.754,54
Wahlarzthonorare inklusive Operation€ 4.330,00
Rezeptgebühren€ 36,00
Hilfsmittel (Krücken)€ 13,30
Physiotherapie€ 144,00
Selbstbehalt Reha€ 418,11
Impfungen€ 194,00

Die Beschwerdeführerin litt unter einer hochgradig schmerzhaften Coxarthrose rechts (Befundbericht vom 24.9.2019).

Am 19.2.2018 unterzog sie sich einer Hüft-Gelenksersatzoperation.

Die Operation wurde in einem Wiener Privatspital durchgeführt und war medizinisch notwendig.

Triftige medizinische Gründe, welche die höheren Aufwendungen als die von der Sozialversicherung finanzierten rechtfertigen, liegen nicht vor.

Die Aufwendungen für Pflegegebühren, Honorare Privatspital und Wahlarzthonorare (€ 7.397,44) sind durch die Durchführung der gegenständlichen Operation in einem Privatspital mit freier Arztwahl bedingt.

Die Aufwendungen für die Rezeptgebühren, Hilfsmittel, Physiotherapie und Reha (€ 611,41) sind im Zusammenhang mit der gegenständlichen Operation angefallen und unabhängig davon, dass die Operation in einem Privatspital und nicht in einem öffentlichen Spital durchgeführt wurde.

Die Aufwendungen für (Vorsorge)Impfungen (€ 194,00) stehen in keinem Zusammenhang mit der Operation.

Beweiswürdigung:

Die Operation sowie deren medizinische Notwendigkeit sind unstrittig.

Die triftigen medizinischen Gründe sind aufgrund folgender Tatsachen nicht gegeben:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Verkürzung der Schmerzperiode und das Vermeiden von Spätfolgen durch die Operation im Privatspital stellten triftige medizinische Gründe dar. Die durchschnittlichen Wartezeiten auf eine Hüft-Gelenksersatzoperation in einem öffentlichen Spital hätten in Wien im Jahr 2019 zwischen 90 (damals: Donauspital) und 127 (damals: Otto Wagner Spital) Tagen betragen.

Sie legte einen "fachärztlichen Befundbericht" vom 24.9.2019 der behandelnden (operierenden) Ärztin nachstehenden Inhalts vor: "Frau … (die Beschwerdeführerin) hat mich am 25.1.2018 mit einer hochgradig schmerzhaften Coxarthrose rechts erstmals orthopädisch konsultiert. Aufgrund der vorliegenden Beschwerden war es notwendig, die Operation möglichst rasch durchzuführen. Da die Wartezeiten in den öffentlichen Krankenhäusern mehrere Monate betragen, hat sie sich entschlossen, die Kosten auf sich zu nehmen und wir haben bereits am 19.2.2018 die Operation durchführen können. Bei Vorliegen massiver Beschwerden mit den hochgradigen Belastungs-, Bewegungs- und Ruheschmerzen ist das Warten über mehrere Monate extrem belastend."

Eine dringliche medizinische Notwendigkeit der Behandlung im Privatspital ist diesem Bericht nicht zu entnehmen. Auch sind darin keine konkreten nachteiligen gesundheitlichen Folgen aufgrund von längeren Wartezeiten auf einen Platz in einem öffentlichen Krankenhaus beschrieben. Der ärztlichen Bestätigung ist nicht zu entnehmen, wie lange die Wartezeit konkret für die Operation der Beschwerdeführerin in einem öffentlichen Spital tatsächlich gewesen wäre bzw bleibt offen, ob überhaupt längere Wartezeiten angefallen wären. Die ärztliche Bescheinigung ist daher nicht geeignet, das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu stützen.

Betreffend die längeren Wartezeiten in öffentlichen Spitälern beruft sich die Beschwerdeführerin auch lediglich auf die Liste des Wiener Krankenanstaltenverbunds vom Mai 2019. Bei den gelisteten Wartezeiten handelt es sich um durchschnittliche, die von Fall zu Fall auch länger oder kürzer sein können. Diese Wartezeiten werden dem Grunde nach auch nicht angezweifelt. Das Vorbringen bleibt aber unkonkret und losgelöst vom konkreten Beschwerdefall. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Beweislast für das Vorliegen von triftigen medizinischen Gründen der Steuerpflichtige trägt (VwGH 19.2.1992, 87/14/0016). Die Beschwerdeführerin behauptet nicht einmal, dass sie überhaupt einen Termin in einem öffentlichen Spital angestrebt hätte und welche Wartezeit für sie tatsächlich zu erwarten gewesen wäre.

Auch das Vorbringen, dass durch die Operation im Privatspital Spätfolgen vermieden hätten werden können, bleibt unkonkret. Die Beschwerdeführerin weist ganz allgemein auf einen Erfahrungsbericht eines einschlägigen Facharztes in der Tageszeitung Kurier vom 15.6.2015 hin, wonach "prinzipiell eine Operation für einen notwendigen Gelenksersatz nicht hinausgezögert werden solle, weil in der Phase der Schonhaltung gesunde Körperteile überlastet und damit selbst geschädigt werden könnten". Ein feststehender oder sich konkret abzeichnender, ernsthafter gesundheitlicher Nachteil wird damit nicht dargetan und erschließt sich auch dem Bundesfinanzgericht nicht.

Dass durch die Operation in einem Privatspital ein geringeres Risiko von Folgewirkungen bestünde, wird nicht einmal vorgebracht.

Bei den Impfungen handelt es sich um Vorsorgeimpfungen (Cholera, Tetanus- Diphtherie- Polio­myelitis, Hepatitis) bzw um die Bestimmung von Hepatitis B Antikörpern.

Rechtlich folgt daraus:

Nach § 34 Abs 1 EStG sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2) nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss dabei außergewöhnlich sein (Abs 2), zwangsläufig erwachsen (Abs 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).

Nach § 34 Abs 3 EStG erwächst dem Steuerpflichtigen eine Belastung zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Solche tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein (VwGH 1.9.2015, 2012/15/0117; 4.9.2014, 2012/15/0136; 26.5.2010, 2007/13/0051).

Wie auch der VwGH (11.2.2016, 2013/13/0064) ausgeführt hat, ist die Zwangsläufigkeit des Aufwands stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen (VwGH 21.11.2013, 2010/15/0130). Bloße Wünsche, Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen reichen nicht, um die Zwangsläufigkeit zu rechtfertigen. Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (VwGH 4.9.2014, 2012/15/0136; 22.12.2004, 2001/15/0116). Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (VwGH 13.3.2023, Ra 2020/13/0057, mwN).

Die triftigen medizinischen Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (VwGH 13.5.1986, 85/14/0181).

Liegt eine ärztliche Bestätigung über die dringliche medizinische Notwendigkeit der Behandlung im Privatkrankenhaus vor und wäre bei einer längeren Wartezeit auf einen Platz in einem öffentlichen Krankenhaus mit nachteiligen gesundheitlichen Folgen zu rechnen gewesen, sind die Kosten für die Privatklinik als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Als triftige medizinische Gründe für eine bestimmte Behandlungsart können auch Aussichten auf ein geringeres Risiko von Folgewirkungen der Operation gelten.

Unstrittig ist, dass die Aufwendungen der Beschwerdeführerin dem Grunde nach zwangsläufig erwachsen sind. Fest steht jedoch, dass keine triftigen medizinischen Gründe vorliegen, die höhere Aufwendungen als die von der Sozialversicherung finanzierten rechtfertigen.

Damit liegt die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen, die in Zusammenhang mit der Durchführung der Operation in einem Privatspital stehen der Höhe nach nicht vor.

Krankheitskosten sind nur Kosten, die durch tatsächliche Erkrankungen entstehen. Vorsorgeimpfungen dienen der Vorbeugung, sind medizinisch nicht notwendig und daher auch keine Krankheitskosten. Diese Aufwendungen sind daher schon dem Grunde nach nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.

Gemäß § 34 Abs 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt gegenständlich € 2.845,06.

Die verbleibenden Kosten von € 611,41 (Rezeptgebühren, Hilfsmittel, Physiotherapie und Reha) übersteigen somit den Selbstbehalt. Von einer inhaltlichen Überprüfung dieser Aufwendungen dahingehend, ob dem Grunde nach überhaupt außergewöhnliche Belastungen vorliegen kann daher abgesehen werden.

Ebenso können allfällige Kostenersatzansprüche gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung dahingestellt bleiben.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall liegt keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesfinanzgericht folgt der zitierten Rechtsprechung des VwGH oder löst eine Tatfrage. Ob triftige medizinische Gründe vorliegen, die höhere Aufwendungen, als die von der Sozialversicherung finanzierten rechtfertigen, ist eine Tatfrage keine Rechtsfrage und damit kein Thema für die ordentliche Revision.

Die Beschwerde ist daher gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. Mai 2025