JudikaturBFG

RV/5300007/2023 – BFG Entscheidung

Entscheidung
29. April 2025

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch Vorsitzenden des Finanzstrafsenates 6008-6, Mag. Johann Fischerlehner, in der Finanzstrafsache gegen den ***NameVerband***, vertreten durch ***NameVertreter-Adr***, wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 2a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerden der Beschuldigten vom 22.09.2023 und der Amtsbeauftragten vom 09.10.2023 gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Amt für Betrugsbekämpfung - ***Team*** als Finanzstrafbehörde vom 14.07.2023 beschlossen:

Das angefochtene Erkenntnis des Spruchsenates vom 14.07.2023, Gz., ***Team*** wird gemäß § 161 Abs. 4 FinStrG aufgehoben und die Finanzstrafsache in ihrem gesamten Umfang an die Finanzstrafbehörde zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang:

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***BG*** vom xx.02.2023 zu Aktenzeichen ***Az.*** wurde betreffend ***NameVertreter-Adr*** das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und Dr. Harald POHLHAMMER, Herrenstraße 29/2. Stock, 4020 Linz zum Masseverwalter bestellt. Das Schuldenregulierungsverfahren wurde mit Zustimmung aller Gläubiger mit Beschluss vom xx.07.2023 aufgehoben.

Mit Vorladung vom 22. Juni 2023 zur mündlichen Verhandlung am 14.07.2023 um 08:30 Uhr vor dem Spruchsenat des Amtes für Betrugsbekämpfung - Bereich Finanzstrafsachen - ***Team*** als Finanzstrafbehörde wurde ***NameVertreter-Adr*** als Beschuldigter geladen.

Mit Vorladung vom 22. Juni 2023 zur mündlichen Verhandlung am 14.07.2023 um 08:30 Uhr vor dem Spruchsenat des Amtes für Betrugsbekämpfung - Bereich Finanzstrafsachen - ***Team*** als Finanzstrafbehörde wurde die Fa. ***NameVerband*** Zu Handen ***NameVertreter-Adr*** als Nebenbeteiligte geladen.

Mit Eingangsdatum 14.07.2023 (Poststempel Finanzamt Österreich) ging von Rechtsanwalt Dr. Harald Pohlhammer (Masseverwalter von ***NameVertreter***) ein Schreiben samt Übermittlung von 2 RSa Briefen ein. Demnach hätte Herr ***NameVertreter*** trotz Aufforderung des Masseverwalters die Post nicht beim Masseverwalter abgeholt. Beigeschlossen wurden die Vorladung des Beschuldigten ***NameVertreter*** zur Spruchsenatsverhandlung (RSa Brief) sowie die Vorladung des Nebenbeteiligten ***NameVerband*** zur Spruchsenatsverhandlung (RSa Brief).

Laut Niederschrift über die mündliche Verhandlung gemäß § 135 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) vor dem Spruchsenat des Amtes für Betrugsbekämfpung - ***Team*** als Finanzstrafbehörde am 14.07.2023 rief der Vorsitzende um 08:41 Uhr die Sache auf.

Festgehalten wurde, dass bei Aufruf der Sache weder der Beschuldigte ***NameVertreter*** noch der beschuldigte Verband ***NameVerband*** erschienen sind. Die Zustellungen der Ladungen seien jeweils ausgewiesen durch persönliche Übernahme am 27.06.2023.

Nach Umfrage wurde die Verhandlung in Abwesenheit der - nach Ansicht des Vorsitzenden - unentschuldigt nicht erschienenen Beschuldigten durchgeführt.

Der Senatsvorsitzende hat in einem Vorhalt vom 14.3.2025 die belangte Behörde aufgefordert, binnen von vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens folgende Unterlagen vorzulegen:

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        "Ladung der beschuldigten Parteien zur mündlichen Verhandlung am 14.07.2023 samt Zustellnachweis"
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        "Auszug aus der Insolvenzdatei betreffend ***NameVertreter-Adr***"
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Weiters wurde die belangte Behörde aufgefordert folgende Passage in der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Staferkenntnisses (Seite 7) näher zu erläutern:

"Die Zustellung der Ladung ist ausgewiesen durch persönliche Übernahme per 27.06.2023. Die Verhandlung konnte somit in Abwesenheit des unentschuldigt nicht erschienen Beschuldigten durchgeführt werden. Erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Insolvenzverwalter Dr. Pohlhammer die übernommene Ladung zur Spruchsenatsverhandlung nicht an den Beschuldigten ausfolgen konnte, weil dieser die Post nicht abhole."

Dazu liegt dem Gericht beiliegende Verständigung von der Hinterlegung einer Sendung vor, wobei bemerkenswert ist, dass die Übernahme des Schriftstückes zwar mit 27.6.2023 durch eine unleserliche Unterschrift dokumentiert ist, jedoch diese Unterschrift nicht mit jener auf der gegenständlichen Beschwerde übereinstimmt.

Unterschrift auf der Verständigung von der Hinterlegung:

[...]

Unterschrift auf der gegenständlichen Beschwerde:

[...]

Zudem ist auf der Verständigung von der Hinterlegung eine Nachsendeadresse angeführt, die jener des damaligen Insolvenzverwalters Dr. Pohlhammer des ***NameVertreter*** entspricht.

Dazu führte die belangte Behörde in der Stellungnahme vom 1. April 2024 aus, das Schreiben des Masseverwalters Dr. Pohlhammer bezüglich nicht abgeholter Post langte am 14.07.2023, dem selben Tag, an dem auch die Spruchsenatsverhandlung stattfand, beim Finanzamt Österreich ein und konnte somit der Umstand der vom Beschuldigten nicht abgeholten Poststücke in der Spruchsenatsverhandlung nicht berücksichtigt werden.

Die Ladungen zur Spruchsenatsverhandlung an den Beschuldigten ***NameVertreter*** und den nebenbeteiligten Verband ***NameVerband*** gingen It. Eingangsstempel auf den RSa Schreiben jeweils am 27. Juni 2023 beim Masseverwalter Dr. Pohlhammer ein.

Offensichtlich wurde seitens des Spruchsenats die Tatsache, dass die Zustellung der Ladung zur Spruchsenatsverhandlung an ***NameVertreter*** nachweislich mittels Nachsendeauftrag an den Masseverwalter erfolgte (siehe Nachsendeadresse links unten im Zustellnachweis der Ladung an ***NameVertreter***), nicht berücksichtigt und wurde daher im Glauben, dass die Ladung rechtmäßig an den Beschuldigten ausgefolgt worden sei und dieser Kenntnis vom Verhandlungstermin erlangt habe, die Spruchsenatsverhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten ***NameVertreter*** durchgeführt.

Mit E-Mail vom 19.07.2023 wurde der Spruchsenatsvorsitzende Mag. Lichtenegger über das Schreiben des Insolvenzverwalters Dr. Pohlhammer betreffend die nicht abgeholten Spruchsenats-Vorladungen informiert und ihm das Schreiben übermittelt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Festgestellter Sachverhalt:

Aus den vorgelegten und nunmehr auf Grund des Vorhaltes des Senatsvorsitzenden ergänzten Akten ergibt sich zweifelsfrei, dass die Ladungen zur mündlichen Verhandlung am 14.07.2023 um 08:30 Uhr vor dem Spruchsenat des Amtes für Betrugsbekämpfung - Bereich Finanzstrafsachen - ***Team*** als Finanzstrafbehörde weder dem Beschuldigten ***NameVertreter*** noch dem nebenbeteiligten Verband ***NameVerband*** zugestellt wurden. Trotz Verfügung der eigenhändigen Zustellung wurden die Poststücke an den damaligen Masseverwalter des ***NameVertreter*** übermittelt und sind dem Beschuldigten und der Nebenbeteiligten auch tatsächlich nicht zugekommen.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 161 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 FinStrG mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 161 Abs. 4 FinStrG kann das Bundesfinanzgericht auch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses (Bescheides) unter Zurückverweisung der Sache an die Finanzstrafbehörde verfügen, wenn es umfangreiche Ergänzungen des Untersuchungsverfahrens für erforderlich hält; die Finanzstrafbehörde ist im weiteren Verfahren an die in dem zurückverweisenden Beschluss niedergelegte Rechtsanschauung gebunden.

Gemäß § 160 Abs. 1 FinStrG ist über Beschwerden nach vorangegangener mündlicher Verhandlung zu entscheiden, es sei denn, die Beschwerde ist zurückzuweisen oder der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben, das Verfahren einzustellen oder es ist nach § 161 Abs. 4 FinStrG vorzugehen.

Die mündliche Verhandlung ist das Kernstück des Finanzstrafverfahrens. In ihr soll die Wahrheit endgültig festgestellt werden, und zwar in einer Weise, die nach allgemeiner Prozesserfahrung größte Gewähr für die Erforschung der Wahrheit und zugleich für die bestmögliche Verteidigung des Beschuldigten und damit für ein richtiges Erkenntnis bietet. ,Verhandeln' bedeutet, dass die Beteiligten in der gesetzlich geordneten Weise miteinander sprechen und das Gesprochene hören. In seiner Abwesenheit darf der Beschuldigte dann nicht verurteilt werden, wenn bereits im Zeitpunkt der Ausschreibung der mündlichen Verhandlung feststeht, dass der Beschuldigte durch ein begründetes Hindernis vom rechtzeitigen Erscheinen abgehalten wird. [. . .] Die Aufgabe der Finanzstrafbehörden, über einen konkreten Lebenssachverhalt ein abschließendes rechtliches Urteil zu fällen, ist in aller Regel ohne Anhörung der Beteiligten nicht zu lösen. Diese Anhörung ist daher zunächst Voraussetzung einer richtigen Entscheidung. Darüber hinaus fordert die Würde der Person, dass über ihr Recht nicht kurzerhand von oben herab verfügt wird; der Einzelne soll nicht nur Objekt der finanzstrafbehördlichen Entscheidung sein, sondern er soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. VwGH 27.10.1988, 88/16/0126; VwGH 27.4.1989, 89/16/0039). Das Unterbleiben der Ladung einer der genannten Personen zur mündlichen Verhandlung stellt daher eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar und kommt dem rechtswidrigen Unterbleiben der mündlichen Verhandlung selbst gleich (vgl. VwGH 19.6.2013, 2012/16/0123; VwGH 8.9.1983, 82/15/0160). Dem Unterbleiben der Ladung ist gleichzusetzen, wenn der Partei die Ladung nicht rechtswirksam zugestellt worden ist (vgl. VwGH 11.6.2018, Ra 2018/11/0074). Es darf daher auch in diesem Fall die Verhandlung nicht in dessen Abwesenheit durchgeführt werden. Dadurch, dass die Senate nach Durchführung einer mündlichen (grds) öffentlichen Verhandlung zu entscheiden haben, wird auch in verfahrensmäßiger Hinsicht den Anforderungen des Art 6 Abs 1 EMRK entsprochen (VfGH 17.10.1985, B 285/85).

Im gegenständlichen Fall hat sich herausgestellt, dass die Ladungen zur mündlichen Verhandlung am 14.07.2023 um 08:30 Uhr vor dem Spruchsenat des Amtes für Betrugsbekämpfung - Bereich Finanzstrafsachen - ***Team*** als Finanzstrafbehörde weder dem Beschuldigten ***NameVertreter*** noch dem nebenbeteiligten Verband ***NameVerband*** zugestellt wurden. Dem Unterbleiben der Ladung ist gleichzusetzen, wenn der Partei die Ladung nicht rechtswirksam zugestellt worden ist (vgl. VwGH 11.6.2018, Ra 2018/11/0074). Es darf daher auch in diesem Fall die Verhandlung nicht in dessen Abwesenheit durchgeführt werden. Schon aus diesem Grund ist die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses (Bescheides) unter Zurückverweisung der Sache an die Finanzstrafbehörde zweckmäßig, da in einer neuerlichen mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat dem Beschuldigten bzw. dem nebenbeteiligten Verband erstmals Gelegenheit zu geben ist, sich vollumfänglich zur Sache zu äußern. Die erstmalige Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht würde faktisch zu einer im Gesetz nicht vorgesehenen Verkürzung des Instanzenzuges führen, was schon die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses (Bescheides) unter Zurückverweisung der Sache an die Finanzstrafbehörde rechtfertigt.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Linz, am 29. April 2025