JudikaturBFG

RV/2100456/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Steuerrecht
03. Januar 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Philippinen, Steuernummer ***BF1StNr1***

über die Beschwerde vom 14. Februar 2018 gegen den Bescheid des ***FA*** vom 1. Februar 2018 betreffend Vorsteuererstattung 2016 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, die ***Bf1*** (im Folgenden kurz: Bf.) ist ein Telekommunikationsunternehmen auf den Philippinen. Mit Antrag vom 26. Juni 2017 beantragte die Bf. die Erstattung von Umsatzsteuer (Vorsteuererstattungsverfahren), die ihr von österreichischen Netzbetreibern im Zeitraum 01-12/2016 für Roaming in Rechnung gestellt wurde.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 1. Februar 2018 wies das Finanzamt den Antrag mit der Begründung ab, dass die Bf. Umsätze in Österreich ausgeführt habe und daher eine Vorsteuererstattung nicht zulässig sei.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom 14. Februar 2018 führte die Bf. aus, dass alle ihre Kunden außerhalb der Europäischen Union auf den Philippinen ansässig seien und dort eine Umsatzsteuerpflicht iHv 12% USt bestehe. Die angewandte VO BGBl II 2003/383 idgF, aus der sich eine Umsatzsteuerpflicht in Österreich ergibt, sei als unionsrechtswidrig anzusehen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 3. Mai 2018 wies das Finanzamt die Beschwerde unter Zitierung der Rechtslage ab.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2018 beantragte die Bf. die Behandlung der Beschwerde durch das BFG. Das vom Finanzamt zitierte Erkenntnis VwGH 13.9.2018, Ro 2016/15/0035 sei nicht einschlägig. Vielmehr sei von einer Unionsrechtswidrigkeit der angewandten VO 2003/383 idgF auszugehen.

Mit Vorlagebericht vom 23. Juli 2024 legte das Finanzamt die Beschwerde dem BFG vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Die Bf. betreibt ein Telekomunternehmen auf den Philippinen und beantragte die Erstattung von Umsatzsteuer (Vorsteuererstattungsverfahren), die ihr von österreichischen Netzbetreibern im Zeitraum 01-12/2016 für Roaming in Rechnung gestellt wurde (Erstattungsantrag).

Die Roamingkosten sind entstanden, weil Kunden der Bf. mit ihrem Mobiltelefon in Österreich telefoniert haben.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Rechtslage

§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009, bestimmt:

"Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird."

2.2. Anwendbarkeit des Erstattungsverfahrens

Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuer abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln.

Auf Grund des § 21 Abs. 9 UStG 1994 erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 222/2009, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", wenn der Unternehmer (von gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 ausgeführt hat.

Im Beschwerdefall ist daher zu prüfen, ob die Bf. aufgrund des § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 Umsätze in Österreich ausgeführt hat. Dies ist nach dem Wortlaut der Verordnung der Fall, da die Telekomleistung durch das Telefonieren im Inland in Österreich genutzt bzw. ausgewertet wurde.

Das Erkenntnis des VwGH 13.9.2018, Ro 2016/15/0035 hat die Unionskonformität bestätigt. Zwischenzeitig hat auch der EuGH mit Urteil vom 15.4.2021, Rs C-593/19, "SK Telecom Co. Ltd" entschieden, dass die Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF 221/2009 dem Unionsrecht entspricht. Im Tenor heißt es dazu:

"Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 mit Wirkung vom 1. Januar 2010 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren "tatsächliche Nutzung oder Auswertung" im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen."

Damit ist höchstgerichtlich klargestellt, dass sich die entsprechenden Umsätze der Bf. nach der mit dem Unionsrecht in Einklang stehenden Verordnung BGBl II 383/2003 idF BGBl II 221/2009 in das Inland verlagern.

Erzielt ein ausländischer Unternehmer Umsätze im Inland, ist die Anwendung des Erstattungsverfahrens ausgeschlossen. Die Beschwerde war daher - wie im Spruch ersichtlich - abzuweisen.

2.3. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wird der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur gefolgt, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Graz, am 3. Jänner 2025