IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 29. Februar 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 19. Februar 2024 betreffend Familienbeihilfe 10.2022-01.2024 Steuernummer xx-xxx/xxxx zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Die Beschwerde wird hinsichtlich des Zeitraumes 10/2022 - 02/2023 abgewiesen.Der Beschwerde wird hinsichtlich des Zeitraumes 03/2023 - 01/2024 stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz ( B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerde richtet sich gegen den Rückforderungsbescheid vom 19.02.2024, mit dem die Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag für die Tochter der beschwerdeführenden Partei, ***2***, geb. am ***3***, für den Zeitraum Oktober 2022 bis Jänner 2024 zurückgefordert wurde.
Die belangte Behörde beantragt die Abweisung der Beschwerde. Des Weiteren werde die Aufhebung der (stattgebenden) Beschwerdevorentscheidung betreffend den Monat Februar 2024 beantragt, da für diesen Monat keine Beschwerde erhoben worden sei.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
***2*** die Tochter der beschwerdeführenden Partei geboren am ***3*** hat nach Absolvierung der Bundeshandelsakademie (Juni 2021) im September 2021 an der Fachhochschule Wien der WKW den Studiengang Finanz-, Rechnungs-& Steuerwesen begonnen.
Aufgrund einer negativ bewerteten kommissioneilen Prüfung hat sie bei der Studiengangsleitung FH Wien der WKW am 11.10.2022 die Wiederholung des Studienjahres gem. § 18 Abs. 4 Fachhochschulgesetz (FFIG) beantragt und sich für die tatsächliche Fortsetzung ihres Studiums (im SS 2023) bis 15.12.2022 gemeldet und die Studiengebühren bezahlt.
Für den Wiedereinstieg ins Sommersemester 2023 wurden ihr der Besuch und positive Abschluss der Module Privates Wirtschaftsrecht (6 ECTS) und Economics (6 ECTS) aufgetragen.
Im Zeitraum Oktober 2022 bis Februar 2023 hat ***2*** aufgrund der oben genannten "Sperre" keine Prüfungen abgelegt. (sog. "Stehsemester")
Von März 2023 bis Jänner 2024 hat sie Prüfungen in folgendem Ausmaß absolviert (laut Transcript of Records vom 27.02.2024, Beilage zur Beschwerde): Datum Gegenstand ECTS 23.05.2023 Privates Wirtschaftsrecht 6 05.09.2023 Economics 6 18.12.2023 Project Skills & Rhetorics 6
Im Wintersemester 2023 hat sie das (Teil-) Modul Einkommensteuer nicht abgeschlossen, weil zwei Prüfungen mit "Nicht genügend" beurteilt wurden.
Zuvor durfte sie zu einem Prüfungstermin infolge Nichterfüllung der Anwesenheitsquote nicht antreten, zu einem weiteren Termin ist sie entschuldigt nicht zur Prüfung angetreten. Bei Bestehen dieser Prüfung hätte sie laut Rücksprache mit der Fachhochschule Wien 4 ECTS erlangt (siehe Aktenvermerk über ein Telefonat mit der FH Wien vom 06.09.2024).
Laut Auskunft der FH Wien hat ***2*** im Studienjahr 2022/2023 eine Jahreswiederholung konsumiert und wurde im Weiteren aufgrund nicht bestandener Auflagen am 24.01.2024 von Seiten der Fachhochschule exmatrikuliert (siehe Mailverkehr mit der FH Wien vom 04.09.2024).
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt vorgelegten Akt und ist unstrittig.
Rechtliche Beurteilung
§ 33 Abs. 3 EStG 1988 lautet: (3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) 1967 in der ab 1.7.2011 geltenden Fassung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten ….Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr.Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder aus Prüfungen von Wahl- und Pflichtfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird ….
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 ist § 26 FLAG 1967 auch im Falle zu Unrecht bezogener Kinderabsetzbeträge anzuwenden.
Basierend auf den vorhandenen gesetzlichen Grundlagen hat die höchstgerichtliche Rechtsprechung herausgearbeitet, dass von einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Berufsausbildung in Form eines Studiums nur dann ausgegangen werden kann, wenn die Ablegung von Prüfungen in einem bestimmten Mindestumfang pro Nachweiszeitraum, d. h., pro Studienjahr, erfolgt (VwGH 4.9.2003, 2000/09/0011).
Maßstab für die Bemessung des Studienerfolges sind die ECTS-Punkte, die den durchschnittlichen Gesamtaufwand für Studierende pro Studienjahr angeben. Das Arbeitspensum für ein Studienjahr umfasst generell Studienleistungen von 60 ECTS-Punkten. Bei dem laut FLAG erforderlichen Leistungsnachweis von (nur) 16 ECTS-Punkten handelt es sich um lediglich etwas mehr als die Hälfte des für ein Semester festgelegten Aufwandes, der bei der Familienbeihilfe in Bezug auf ein ganzes Studienjahr gilt.
Da die Familienbeihilfe eine Familienleistung im klassischen Sinne und keine unmittelbare Form der Studienförderung darstellt, wird das niedrig angesetzte Anforderungsniveau als vertretbar erachtet (vgl. Romana Wimmer in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 70).
Werden im Nachweiszeitraum keine Prüfungen oder Prüfungen in einem Umfang von weniger als 16 ECTS-Punkten abgelegt, so liegt keine Berufsausbildung vor, die zum Bezug der Familienbeihilfe berechtigt.
Die bloße Meldung zur Fortsetzung des Studiums etwa, ist als reiner Formalakt nicht geeignet, eine Berufsausbildung nachzuweisen und damit den Anspruch auf Familienbeihilfe zu begründen (Hermann Hebenstreit, aaO, § 26, Rz, 5 aa)).
Ein "Stehsemester", in welchem eine für ein Semester geltende Pause vom normalen Studienbetrieb vereinbart wird, ist mit einer Beurlaubung nach § 67 UG 2002 zu vergleichen. Während der Beurlaubung nach dieser Bestimmung bleibt die Zulassung zum Studium aufrecht. Die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, die Ablegung von Prüfungen sowie die Einreichung und Beurteilung wissenschaftlicher sowie künstlerischer Arbeiten ist jedoch unzulässig. Während einer Beurlaubung liegt hinsichtlich des Studiums, für das die Beurlaubung erfolgt ist, keine Berufsausbildung i. S. d. FLAG 1967 vor. (RV/7103126/2022-RS2)
Die Tochter der beschwerdeführenden Partei hat innerhalb eines Monats ab Mitteilung ihrer negativ bewerteten kommissioneilen Prüfung, bei der Studiengangsleitung FH Wien der WKW am 11.10.2022 die Wiederholung des Studienjahres gern. § 18 Abs. 4 Fachhochschulgesetz (FFIG) beantragt und sich für die tatsächliche Fortsetzung ihres Studiums (im SS 2023) bis 15.12.2022 gemeldet und die Studiengebühren bezahlt.
Für den Wiedereinstieg ins Sommersemester 2023 wurden ihr der Besuch und positive Abschluss der Module Privates Wirtschaftsrecht (6 ECTS) und Economics (6 ECTS) aufgetragen, was am 23.05. und 05.09.2023 mit der Note "gut" erfüllt wurde.
Das vom Studienbetrieb ausgeschlossene Wintersemester 2022 ist mit einer Beurlaubung nach § 67 Universitätsgesetz 2002 ( UG) vergleichbar und als "Stehsemester" zu beurteilen, in welchem eine geltende Pause vom normalen Studienbetrieb vereinbart wird.
In dieser Zeit bleibt die Zulassung zum Studium aufrecht, die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, die Ablegung von Prüfungen sowie die Einreichung und Beurteilung wissenschaftlicher Arbeiten ist jedoch unzulässig.
Während eines "Stehsemesters" liegt hinsichtlich des Studiums, für das die Beurlaubung erfolgt ist, keine Berufsausbildung i.S.d. § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) vor.
Gemäß § 59a UG 2002 sind Semester, für die eine Beurlaubung vorliegt, in die Zeit zur Erbringung der dort vorgesehenen Mindeststudienleistung nicht einzurechnen. Ein "Stehsemester" ist jedoch nicht mit der lehrveranstaltungsfreien Zeit (vorlesungsfreien Zeit, "Ferien") gleichzusetzen, die nach § 52 UG 2002 Teil des jeweiligen Semesters ist und vom Senat der Universität festgelegt wird. Die üblichen "Ferien" während eines Studiums sind Teil der Berufsausbildung.
Eine Berufsausbildung liegt dann vor, wenn der Studierende sich nach außen erkennbar ernsthaft und zielstrebig um den Studienfortgang und den Studienabschluss bemüht. Ein derartiges Bemühen manifestiert sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur im laufenden Besuch der angebotenen Lehrveranstaltungen, sondern und insbesondere auch dadurch, dass die Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, abgelegt werden bzw. zu diesen zumindest angetreten wird. Nachdem das als Beurlaubung zu bewertende "Stehsemester" 10/2022 bis 02/2023 wegen des Verbotes zur Teilnahme an Lehrveranstaltungen oder von Prüfungen keine Berufsausbildung i.S.d. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 darstellt (auch wenn die Zeit zum intensiven Lernen genutzt worden wäre), erfolgte für diesen Zeitraum die Rückforderung der Familienbeihilfe durch die belangte Behörde zu Recht.
Ab 03/2023 bis zur einseitigen Auflösung des Ausbildungsvertrages an der FH Wien der WKW am 13.02.2024, wurden 18 ECTS-Punkte geleistet und damit mehr, als die für die Familienbeihilfe für ein Studienjahr (innerhalb eines Nachweiszeitraumes) maßgeblichen 16 ECTS-Punkte. Für diesen Zeitraum (03/2023-02/2024) liegt dementsprechend ein nach außen erkennbares, ernsthaftes und zielstrebiges Bemühen um den Studienerfolg vor.
Die Familienbeihilfe wird daher für den Zeitraum 03/2023 bis 01/2024 wie in der Beschwerdevorentscheidung bereits ausgeführt zuerkannt.
Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge wurden daher für den Zeitraum 10/2022 bis 02/2023 zu Unrecht bezogen und sind gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 zurückzuerstatten.
Eine wie von der belangten Behörde beantragte Aufhebung des stattgegebenen Monats 02/2024 in der Beschwerdevorentscheidung ist nicht erforderlich, da nach dem Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde (Vorlageantrag) durch das Bundesfinanzgericht, die Beschwerde ab diesem Zeitpunkt wieder als unerledigt gilt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, sodass eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht vorliegt und die Revision nicht zuzulassen ist.
Linz, am 17. Juli 2025