IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch "ÖBUG" DR. NIKOLAUS Wirtschaftstreuhand GmbH - Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, St.-Veit-Gasse 8, 1130 Wien, über die Beschwerde vom 18. September 2025 gegen den Bescheid des ***FA*** vom 9. September 2025 über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensverlauf
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. September 2025 wurden gegenüber der Beschwerdeführerin (in weiterer Folge abgekürzt Bf) erste Säumniszuschläge iHv insgesamt 2.059,90 Euro festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Festsetzung erforderlich gewesen sei, da die Bf die Umsatzsteuer 02/2025 iHv 27.266,81 Euro, die Lohnsteuer 04/2025 iHv 2.530,83 Euro und die Umsatzsteuer 03/2025 iHv 73.197,15 Euro nicht fristgerecht bis 18. August 2025 entrichtet habe.
Mit Eingabe vom 18. September 2025 erhob die Bf gegen den Bescheid über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen vom 9. September 2025 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, dass bereits vor dem Fälligkeitstag, dh vor dem 18. August 2025, die Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juni 2025 eingereicht worden sei. Aus der ergebe sich ein die in Rede stehenden Abgaben übersteigendes Guthaben, sodass diese als bereits vor dem 18. August 2025 entrichtet anzusehen seien.
Das Finanzamt erledigte die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 1. Oktober 2025 und wies das Beschwerdebegehren als unbegründet ab. In der Begründung führte die Behörde wie folgt aus:
"§ 217 Bundesabgabenordnung bestimmt: Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines ersten Säumniszuschlages ein. Da die Umsatzsteuer 02/2025 in der Höhe von Euro 27.266,81 nicht bis zum Fälligkeitstag (15.04.2025) entrichtet wurde, war mit Ablauf des Fälligkeitstages ein erster Säumniszuschlag in Höhe von Euro 545,34 (2% von Euro 27.266,81 gemäß § 217 Abs. 2 Bundesabgabenordnung) verwirkt.
Da die Lohnsteuer 04/2025 in der Höhe von Euro 2.530,83 nicht bis zum Fälligkeitstag (15.05.2025) entrichtet wurde, war mit Ablauf des Fälligkeitstages ein erster Säumniszuschlag in Höhe von Euro 50,62 (2% von Euro 2.530,83 gemäß § 217 Abs. 2 Bundesabgabenordnung) verwirkt.
Da die Umsatzsteuer 03/2025 in der Höhe von Euro 73.197,15 nicht bis zum Fälligkeitstag (15.05.2025) entrichtet wurde, war mit Ablauf des Fälligkeitstages ein erster Säumniszuschlag in Höhe von Euro 1.463,94 (2% von Euro 73.197,15 gemäß § 217 Abs. 2 Bundesabgabenordnung) verwirkt.
Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuer 02/2025 (15.04.2025), der Lohnsteuer 04/2025 (15.05.2025) und der Umsatzsteuer 03/2025 (15.05.2025) war kein Guthaben vorhanden. Da die Umsatzsteuervoranmeldung der Umsatzsteuer 06/2025 erst am 06.08.2025 elektronisch abgegeben wurde, ist die daraus resultierende Gutschrift zu spät für die Entrichtung der oben angeführten Abgaben."
Mit fristgerechter Eingabe vom 6. Oktober 2025 beantragte die Bf die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte ergänzend aus:
"Die angefochtene Beschwerdevorentscheidung übersieht, dass hinsichtlich der Umsatzsteuer für Februar und März 2025 sowie hinsichtlich der Lohnsteuer für April 2025 mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juni 2025 eine Stundung bis 18. August 2025 bewilligt worden ist, sodass jedenfalls bis 18. August 2025 Säumniszuschläge nicht verwirkt waren, was sich auch aus der in den angefochtenen Bescheiden zutreffend angegebenen Zahlungsfrist ableiten lässt. Bereits vor dem 18. August 2025 wurde die Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juni 2025 eingereicht, aus der sich ein die in Rede stehenden Abgaben übersteigendes Guthaben ergibt, sodass diese als bereits vor dem 18. August 2025 entrichtet anzusehen sind."
Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht daraufhin am 15. Oktober 2025 zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht hielt das Finanzamt fest, dass aufgrund der rechtzeitig eingebrachten Zahlungserleichterungsansuchen und der bescheidmäßig bewilligten Stundungen der Beschwerde stattzugeben wäre. Die Zahlungserleichterungen seien in der Beschwerdevorentscheidung nicht berücksichtigt worden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Entscheidungsrelevanter Sachverhalt
Die beschwerdeführende Gesellschaft hat am 15. April 2025 ein Ansuchen um Zahlungserleichterung hinsichtlich der Umsatzsteuer 02/2025 iHv 37.039,81 Euro und am 15. Mai 2025 hinsichtlich des gesamten Abgabenrückstandes iHv 116.826,75 Euro bei der belangten Behörde eingebracht.
Beide Ansuchen wurden positiv erledigt. Mit Bescheid über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen vom 17. April 2025 wurde die Stundung der Umsatzsteuer 02/2025 bis 16. Mai 2025 bewilligt. In der Folge wurde mit Bescheid vom 4. Juni 2025 der gesamte Abgabenrückstand der Bf bis zum 18. August 2025 gestundet.
Am 6. August 2025 wurde die Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2025 elektronisch eingereicht. Darin machte die Bf einen Überschuss iHv 195.280,78 Euro geltend. Dieses Guthaben ist von der Behörde bis dato noch nicht am Abgabenkonto verbucht worden.
Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen sind unstrittig und gründen sich auf die vorgelegten Aktenteile sowie die Einsichtnahme des Richters in den elektronischen Steuerakt.
Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung
Im vorliegenden Fall gelangen folgende rechtliche Bestimmungen zur Anwendung:
Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren, nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.
Gemäß § 217 Abs. 2 BAO beträgt der erste Säumniszuschlag 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
Gemäß § 217 Abs. 4 BAO sind Säumniszuschläge für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als
a) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,
b) ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist,
c) ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt,
d) ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.
Gemäß § 230 Abs. 2 BAO dürfen Einbringungsmaßnahmen während einer gesetzlich zustehenden oder durch Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden.
Gemäß § 230 Abs. 3 BAO dürfen Einbringungsmaßnahmen bis zur Erledigung des Ansuchens nicht eingeleitet werden, sofern ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen (§ 212 Abs. 1) vor dem Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz eingebracht wurde; dies gilt nicht, wenn es sich bei der Zahlungsfrist um eine Nachfrist gemäß § 212 Abs. 3 erster oder zweiter Satz handelt.
Nach §§ 217 Abs. 4 lit. b iVm 230 Abs. 3 BAO verhindern zeitgerechte Ansuchen um Zahlungserleichterungen die Verwirkung von Säumniszuschlägen. Zeitgerecht (iSd § 230 Abs. 3 BAO) ist ein solches Ansuchen, wenn es vor Ablauf der für die Entrichtung der Abgabe zur Verfügung stehenden Frist (zB spätestens am Fälligkeitstag) oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes (iSd § 212 Abs. 2 zweiter Satz BAO) eingebracht wird (Ritz, BAO6, § 217 Tz 18f).
Gemäß § 21 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) 1994 ist ein vorangemeldeter Überschuss gutzuschreiben (sofern nicht § 21 Abs. 3 UStG 1994 zur Anwendung gelangt). Die Gutschrift wirkt auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung, frühestens jedoch auf den Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, zurück (vgl Ritz, BAO6, § 210 Tz 5). Dass der vorangemeldete Überschuss als Gutschrift zu behandeln ist, die zufolge der Sondervorschrift des § 21 Abs. 1 UStG 1994 mit Abgabe der Voranmeldung wirksam wird, entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 03.07.2003, 2000/15/0138).
Im gegenständlichen Fall hat die beschwerdeführende Partei hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten, dh der Umsatzsteuer 02/2025 und 03/2025 sowie der Lohnsteuer 04/2025, jeweils fristgerechte Ansuchen um Zahlungserleichterungen gestellt. In der Folge wurde für die genannten Abgaben eine Stundung bis zum 18. August 2025 gewährt.
Der Bf war daher zuzustimmen, dass gemäß den Bestimmungen der §§ 230 Abs. 2 und 3 iVm 217 Abs. 4 lit. b BAO bis 18. August 2025 keine ersten Säumniszuschläge vorzuschreiben waren.
Weiters hat die Bf die Umsatzsteuervoranmeldung 06/2025 am 6. August 2025, dh vor dem Fälligkeitstermin der gestundeten Abgaben per 18. August 2025, elektronisch eingereicht. Dementsprechend stand der für den Voranmeldungszeitraum 06/2025 geltend gemachte Überschuss iHv 195.280,78 Euro zur Abdeckung der Umsatzsteuer 02/2025, 03/2025 bzw der Lohnsteuer 04/2025 im Gesamtausmaß von 102.994,79 Euro rechnerisch in ausreichender Höhe zur Verfügung. Da insoweit ebenfalls keine Säumnis vorlag, war der Beschwerde stattzugeben.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da sich die gegenständliche Entscheidung unmittelbar aus den zitierten Rechtsvorschriften ergibt. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am 17. Oktober 2025