RS0135452 – AUSL Rechtssatz
Die Tatsache allein, dass jemand an einer psychischen Erkrankung leidet, vermag für sich nicht zu rechtfertigen, ihn bei der Kontaktanbahnung zu seinem Kind anders zu behandeln als andere Eltern, die Kontakt zu ihren Kindern suchen. Eine psychische Erkrankung kann aber unter gewissen Umständen ein relevanter Faktor sein, der von den Gerichten bei der Beurteilung der Fähigkeit der Eltern, sich um ihr Kind zu kümmern, berücksichtigt werden muss. Wird von diesen die psychische Krankheit eines Elternteils als Grund für die Beschränkung des Kontakts zu seinem Kind herangezogen, so ist dies nicht von vornherein unvereinbar mit Art 14 EMRK, wenn die Kontakteinschränkung auf Basis einer korrekten Beurteilung seines aktuellen gesundheitlichen Zustands und unter gebührender Berücksichtigung aller berührter Interessen erfolgte. Die Berufung der Gerichte auf eine psychische Erkrankung als entscheidendes Element oder auch ein Element neben anderen kann jedoch zu einer diskriminierenden Behandlung (hier: aufgrund der geistigen Gesundheit als „sonstiger Status“ iSv Art 14 EMRK) führen, wenn die psychische Erkrankung unter den besonderen Umständen des Einzelfalls keinen Einfluss auf die Fähigkeit des betreffenden Elternteils hatte, sich um sein Kind zu kümmern. Wird von den Gerichten als Grund für die Beschränkung des Kontakts eines Elternteils zu seinem Kind alleine auf das Vorhandensein einer psychischen Krankheit abgestellt, ohne eine sachkundige Beurteilung des aktuellen Gesundheitszustands des betreffenden Elternteils dahingehend vorzunehmen, ob er aufgrund seiner Krankheit tatsächlich in der Lage war, sich um sein Kind zu kümmern, so stellt dies eine ungerechtfertigte Diskriminierung „aufgrund eines sonstigen Status“ dar, erfuhr dieser doch eine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu anderen (psychisch gesunden) Eltern, die Kontakt zu ihren Kindern suchten.