JudikaturArbeits- und Sozialgericht Wien

1Cga61/20a – Arbeits- und Sozialgericht Wien Entscheidung

Entscheidung
09. Juli 2020

Kopf

Das Arbeits- und Sozialgericht Wien erkennt durch seine Vizepräsidentin HR Dr. Patricia Wolf als Senatsvorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Peter Pfohl (AG) und Reinhard Danzinger (AN) in der Rechtssache der Klägerin U***** GmbH , vertreten durch Kunz Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei A***** K***** , Drucker, vertreten durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien, wegen Elternteilzeit (§ 8 Abs 1 VKG), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Spruch

Die Einwilligung in die von der klagenden Partei vorgeschlagenen Bedingungen der Eltern- Teilzeitbeschäftigung des Beklagten im Zeitraum 1.7.2020 bis 29.4.2026 mit einer auf 32 Stunden herabgesetzten im Rahmen einer 4-Tage-Woche auf 8 Stunden täglich verteilten wöchentlichen Arbeitszeit im rollierenden Schichtmodell zu den Arbeitszeiten

06:00 bis 14:00 Uhr,

14:00 bis 22:00 Uhr,

22:00 bis 06:00 Uhr,

wird gemäß § 8c Abs 3 VKG erteilt.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin beantragte nach Scheitern des Vergleichsversuchs gemäß § 433 Abs 1 ZPO zu hg 30 Nc 9/20 fristgerecht wie im Spruch ersichtlich und brachte vor:

Der Beklagte habe der Klägerin mit Schreiben vom 25.3.2020 mitgeteilt, dass er ab 1.7.2020 beabsichtige in Elternteilzeit zu gehen und habe eine Arbeitszeiteinteilung im Zeitraum Montag bis Freitag, von 09:00 bis 15:00 Uhr vorgeschlagen.

Aufgrund der bei der Klägerin durchzuführenden Schichtarbeit sei das nicht möglich.

Die Klägerin habe daher dem Beklagten den im Spruch genannten Vorschlag erteilt bzw den Vorschlag, die ersten 2 Werktage pro Woche zu je 6 Stunden Lagertätigkeiten zu verrichten.

Die Klägerin sei auf die Aufrechterhaltung einer reibungslosen Produktion angewiesen. Das vorhandene Schichtmodell gestatte nicht, das Zeitmodell des Beklagten von 09:00 bis 15:00 Uhr einzuhalten.

Es wäre aufgrund der Schichtplanung der Klägerin auch nicht möglich, dass ein anderer Mitarbeiter anstelle des Beklagten ausschließlich die Abend- bzw Nachtschicht übernimmt.

Der Teilzeitwunsch des Beklagten hätte vielmehr eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Betriebsorganisation und des betrieblichen Arbeitsablaufes zur Folge. Zur Aufrechterhaltung der Produktion müsse die gesamte Schicht 8 Stunden täglich absolviert werden. Ein späterer Beginn der Schicht oder ein früheres Verlassen sei nicht möglich, da durch die Abwesenheit des Beklagten als Drucker in seiner Schicht der ihm zugeteilte Arbeitsprozess ausfiele. Jeder Drucker bediene eine eigene Maschine, sobald der Drucker ausfalle, sei eine Produktion unmöglich. Ein Stillstand einer Druckermaschine von mehreren Stunden täglich sei wirtschaftlich nicht tragbar, im schlimmsten Fall existenzbedrohend.

Zusätzlich (ON 9) sei die Klägerin aufgrund der momentanen Wirtschafts- und Auftragslage gezwungen gewesen, personelle Rationalisierungsmaßnahmen vorzunehmen. Trotz der COVID-Krise sei die Klägerin bemüht, Arbeitsplätze für über 100 Mitarbeiter zu erhalten. Die Auftragslage der Klägerin stagniere derzeit bei 20 %.

Nicht zutreffend sei, dass die Klägerin neue Arbeitsplätze schaffe, es handle sich bei markanten Stellen lediglich um Nachbesetzungen von Mitarbeitern, die unbedingt notwendig seien.

Zwar habe der Beklagte der Klägerin via E-Mail angeboten, für die vakante Stelle als Mitarbeiter in der Qualitätssicherung tätig zu sein, doch fehle ihm diesbezüglich die Qualifikation. Er sei Drucker und als solcher bei der Beklagten beschäftigt.

Wenn der Beklagte auch Seminare zum Prüfmittelbeauftragten durchgeführt habe, stelle dies keine ausreichende Ausbildung für den Bereich Qualitätssicherung dar.

Dem Beklagten könne lediglich das Anbot einer Teilzeitarbeit im Ausmaß von 12 Stunden/Lagerarbeiter pro Woche angeboten werden.

Die beklagte Partei bestritt, beantragte Klagsabweisung und führte aus, bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres seines am 30.4.2019 geborenen Kindes, habe er geplant, die Arbeitsleistungen im Ausmaß von 30 Stunden pro Woche, aufgeteilt von Montag bis Freitag, von 09:00 bis 15:00 Uhr zu erbringen.

Seine Ehefrau habe 2019 eine schwere postpartale Depression erlitten, die bis heute behandlungspflichtig sei. Sie könne daher nicht mehr als kurze Zeit alleine die Kindesbetreuung durchführen. Außerhalb der Betreuungszeit durch den Kindergarten sei somit die permanente Anwesenheit des Beklagten notwendig geworden.

Im Kindergarten würden die Kinder des Beklagten von Montag bis Freitag ab 07:00 bis maximal 17:30 Uhr betreut. Andere Betreuungspersonen würden dem Beklagten und seiner Ehefrau nicht zur Verfügung stehen.

Die Ehefrau des Beklagten habe vom 17.2.2020 bis 29.6.2020 eine Wiedereingliederungsteilzeit bei ihrer Arbeitgeberin der S***** begonnen und beginne ihre Elternteilzeit ab 1.7.2020 von Montag bis Freitag, von 08:00 bis 14:00 Uhr.

Das angebotene Arbeitszeitmodell betreffend eine Lagertätigkeit des Beklagten im Ausmaß von 12 Stunden pro Woche, verteilt auf 2 Werktage, könne er aus finanziellen Gründen nicht in Anspruch nehmen.

Die Klägerin habe sich keinesfalls in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden, sondern vielmehr neue Arbeitnehmer gesucht.

Rechtliche Beurteilung

Feststellungen:

Der Beklagte arbeitet bei der Klägerin seit 9.9.2013 als Drucker in einem rollierenden 3-Schicht-Betrieb nach dem Modell 06:00 bis 14:00 Uhr, 14:00 bis 22:00 Uhr und 22:00 bis 06:00 Uhr.

Mit Schreiben des Beklagten vom 23.3.2020 Beil./A teilte dieser der Klägerin mit, dass er aufgrund der Geburt seines Kindes am 30.4.2019 ab 1.7.2020 eine Teilzeitbeschäftigung in folgendem Ausmaß in Anspruch nehmen möchte:

30 Stunden/Woche, von Montag bis Freitag, von 09:00 bis 15:00 Uhr bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres seines Kindes am 29.4.2026.

Die beklagte Partei teilte dem Kläger mit, dass sie dieses Teilzeitmodell nicht annehmen könne (Beil./B), da sie ein Produktionsbetrieb mit 3 bzw 4 Schichtmodellen sei und die Einführung einer 5. Schicht nur für den Beklagten wirtschaftlich nicht tragbar sei. Sie bot daher dem Beklagten (siehe Beil./B) an, 4 Tage im rollierenden 3-Schicht-Modell (32 Stunden) mit den Arbeitszeiten 06:00 bis 14:00 Uhr, 14:00 bis 22:00 Uhr und 22:00 bis 06:00 Uhr tätig zu sein. Den freien Tag solle er jeweils 1 Woche vorher bekanntgeben, damit der Abteilungsleiter dies bei der Schichtplanung berücksichtigen könne.

Der Beklagte ist mit der Kindesmutter E***** G***** verheiratet, die seit 15.2.2020 wieder berufstätig ist bei S***** als Projektleiterin. Dort arbeitet sie 30 Stunden/Woche von 08:00 bis 14:00 Uhr.

Der Kindergarten für das gemeinsame Kind, für das Elternteilzeit begehrt wird, öffnet um 07:30 Uhr und schließt um 17:30 Uhr (Angaben des Beklagten Seite 5 in ON 11).

E***** G***** litt nach der Geburt des Kindes an einer postnatalen Depression, wodurch sie Schlafstörungen hatte und unruhig war.

Sie betreut die Kinder morgens und nachmittags alleine und ist in der Lage, die Kinder 5 Stunden untertags alleine zu betreuen (Angaben der Zeugin E***** G*****, Seite 3 in ON 11).

Es kann nicht festgestellt werden, dass E***** G***** aufgrund der postnatalen Depression ab 1.7.2020 nicht in der Lage ist, das Kind, für dessen Betreuung der Beklagte Elternteilzeit in Anspruch nehmen will, während der Schicht des Beklagten rollierend 06:00 bis 14:00 Uhr,14:00 bis 22:00 Uhr, 22:00 bis 06:00 Uhr, vier Tage in der Wochen zu betreuen.

Der Beklagte kann, wenn er Nachtschicht hat, das Kind vor Beginn seiner Nachtschicht um 22:00 Uhr zu Bett bringen und ist auch dann, wenn das Kind aufwacht, wieder in der Lage, der Kindesmutter bei der Betreuung des Kindes zu helfen, da seine Schicht um 06:00 Uhr morgens endet. Der Beklagte benötigt als Wegzeit mit dem PKW 25 bis 45 Minuten von seinem Arbeitsplatz zu seiner Wohnung , mit öffentlichen Verkehrsmitteln maximal eine dreiviertel Stunde.

Der Zustand der E***** G***** hat sich seit Beginn der Diagnose im September 2019 infolge der Behandlungen durchaus positiv entwickelt und verbessert (Angaben des Beklagten, Seite 5 in ON 11).

E***** G***** hat aufgrund der postnatalen Depression ein ineinandergreifendes Behandlungsprogramm absolviert und konnte sich ihr Zustand ab Mai 2020 stabilisieren (siehe Beil./2), wobei sie medikamentös behandelt wird und psychotherapeutische Gespräche erfolgen (siehe Beil./2).

Der Beklagte hat als Drucker die Aufgabe, ein Produkt einzurichten und das Produkt zu produzieren und arbeitet dazu selbständig an einer Maschine.

Die Klägerin hat ein 3-Schicht-Modell bzw ein 4-Schicht-Modell, jeweils auf die jeweilige Maschine ankommend. Das Schichtmodell des Beklagten hat ein 3. Rad von 06:00 bis 14:00 Uhr, und 14:00 bis 22:00 Uhr, und 22:00 bis 06:00 Uhr.

Das Schichtmodell von 09:00 bis 15:00 Uhr gibt es bei der Beklagten nicht. Es arbeiten jeweils 3 Drucker auf einer Maschine, das Arbeitssystem ist geregelt, die Drucker arbeiten 8 Stunden am Tag und das muss ineinander zahnen. Würde die Klägerin den Wünschen des Beklagten folgen müssen, müsste sie ein 5. Schichtmodell einziehen mit einer kurzen Zeit, wobei die Schichten des Beklagten teilweise von anderen Mitarbeitern übernommen werden müssten, wobei die Klägerin derartige Mitarbeiter, für ein Schichtmodell in Ergänzung der vom Beklagten gewünschten Schichtmodelle von 09:00 bis 15:00 Uhr nicht zur Verfügung hat (vgl Angaben des Zeugen M***** C*****, Seite 6 f in ON 11).

Die Klägerin hat im Rahmen der Druckerei 50 bis 60 Mitarbeiter, Drucker, wie der Beklagte, sind 27 Personen.

Rechtlich folgt:

Unstrittig ist, dass der Beklagte Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung im Sinne des § 15h Abs 1 MSchG iVm 8 Abs 1 VKG hat.

Unstrittig ist auch, dass die vorliegende Klage fristgerecht nach Scheitern des Einigungsversuches gemäß § 433 Abs 1 ZPO eingebracht wurde.

Maßgebend, ob die Teilzeit oder die Änderung der Lage der Arbeitszeit deshalb vom Dienstnehmer begehrt wird, ist, weil er ansonsten nicht die erforderliche Zeit für die Kleinkindbetreuung hätte und die gewünschte Änderung der Arbeitszeit, also der Betreuung des Kleinkindes dient (OGH 28.2.2012, 8 ObA 15/12g).

§ 137 Abs 2 ABGB normiert generell die gegenseitige Pflicht der Eltern, den Kindern beizustehen und besteht eine Gleichstellung von Vater und Mutter.

Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern, an der Deckung der Lebensverhältnisse und angemessenen Bedürfnisse des Kindes anteilig beizutragen. Darunter ist nicht nur eine materielle Leistung sondern auch die Betreuung des Kindes zu verstehen.

Gemäß § 146 Abs 1 ABGB umfasst die Pflege des mj Kindes, die Wahrung des körperlichen Wohls und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände, die Gleichstellung von Vater und Mutter und der anteiligen Betreuungspflicht des gemeinsamen minderjährigen Kindes kann nicht davon ausgegangen werden, dass nur die gewünschte Teilzeit des Beklagten, die die erforderliche Zeit für die Kleinkinderbetreuung zulassen würde, die sonst nicht ausreichend sichergestellt wäre.

Dies umso weniger, als der Beklagte nur rollierend die jeweiligen Dienste 4 Tage die Woche arbeiten müsste.

Es steht auch nicht fest, dass die Kindesmutter und Ehefrau des Beklagten während dieser Zeiträume die Betreuung des gemeinsamen Kindes nicht durchführen könnte.

Nach den allgemeinen Beweislastregeln wäre der Beklagte diesbezüglich beweispflichtig gewesen.

Da jedoch die Kindesmutter und Zeugin E***** G***** die betreuende Psychotherapeutin Mag. F***** P***** nicht von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden hat, der diese gemäß § 15 Psychotherapiegesetz unterliegt und auch ansonsten entsprechend den Beweisergebnissen nicht feststeht, dass die Kindesmutter die Betreuung des gemeinsamen Kindes aus psychischen Gründen während der Schicht des Beklagten nicht durchführen kann, konnte der erkennende Senat kein berechtigtes Interesse des Beklagten darin sehen, das Elternzeitmodell der Beklagten nicht anzunehmen.

Insofern der Beklagte eine Änderung des Dienstvertrages anstrebt, indem er darauf verweist, dass er bei der beklagten Partei im Rahmen der Qualitätssicherung tätig sein könnte und zwar zu den gewünschten Arbeitszeiten, ist ihm entgegenzuhalten, dass eine Änderung des Dienstvertrages durch eine Vertragsänderung oder Ergänzung im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen ist (vgl ASG Wien 6.11.2005, 5 Cga 237/05k, ASG Wien, 12.12.2016, 1 Cga 99/16h).

Dementsprechend ist auch das Klagebegehren der Klägerin, wonach der Beklagten im Rahmen einer 12-Stunden-Woche als Lagerarbeiter tätig sein könnte unzulässig.

Die beklagte Partei hat daher nicht nachweisen können, dass ihre Interessen gegen das von der klagenden Partei vorgeschlagene Elternteilzeitmodell sprechen.

Zu den betrieblichen Interessen der Klägerin:

Bei den betrieblichen Interessen muss es sich um Umstände handeln, die negative Auswirkungen auf den Betrieb in seiner Eigenschaft als eine dem Zweck der Leistungshervorbringung gewidmete Organisation haben. Ein betriebliches Interesse liegt insbesondere dann vor, wenn die Teilzeitbeschäftigung die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt und Maßnahmen zur Verhinderung dieser Beeinträchtigung, insbesondere die Aufnahme von Ersatzkräften nicht möglich sind oder unverhältnismäßige Kosten verursachen würden (Erläut. RV 399, Blg. Nr. XX II.EP5).

Zutreffend führt die Klägerin aus, dass die Einführung eines weiteren Schichtmodells nur zu Gunsten des Beklagten für sie aus betrieblichen Gründen nicht umsetzbar ist. Eine gänzliche Umstrukturierung des Schichtmodells ist der Klägerin aus betrieblichen Gründen nicht zumutbar (vgl auch LGZ Graz zu GZ 38 Cga 96/06i).

Das Klagebegehren ist daher berechtigt.

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