Verwirklichung eines Eisenbahnbasistunnels auf der Brennerachse
Artikel 1 – Gegenstand
Art. 2Artikel 2 – Definitionen
Art. 3Artikel 3 – Geltungsbereich
Art. 4Artikel 4 – Studien, Erkundungen, Untersuchungen und vorbereitende Arbeiten zur Realisierung des gemeinsamen Teils
Art. 5Artikel 5 – Zwischenstaatliche Kommission (CIG)
Art. 6Artikel 6 – Der Projektwerber
Art. 7Artikel 7 – Bestimmungen zu Staatsgütern und Grundbesitz
Art. 8Artikel 8 – Gesetzliche Bestimmungen und Verwaltungsvorschriften
Art. 9Artikel 9 – Finanzierung
Art. 10Artikel 10 – Schiedsklausel
Art. 11Artikel 11 – Inkrafttreten
Vorwort
KAPITEL I
Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 Artikel 1 – Gegenstand
Die Vertragsparteien verpflichten sich, in Anwendung des gegenständlichen Abkommens, den Bau jener Bauwerke im gemeinsamen Teil zu fördern, die für die Realisierung eines Eisenbahnbasistunnels auf der Brennerachse notwendig sind. Dieser Tunnel soll dem gemischten Güter-/Personenverkehr dienen und bis spätestens 2015 in Betrieb genommen werden.
Art. 2 Artikel 2 – Definitionen
a) Als „ Projekt “ gelten Planung und Bau der in Art. 1 umschriebenen Bauwerke.
b) Als „ gemeinsamer Teil “ gelten alle Bauwerke, Anlagen und Ausrüstungen, die auf der Trasse des Brenner Eisenbahntunnels zwischen Innsbruck und Franzensfeste gebaut wurden und zu bauen sind, einschließlich der Verbindungen zu den Bahnhöfen und der bestehenden Umfahrung Innsbruck.
Der gemeinsame Teil des neuen Eisenbahnbasistunnels auf der Brennerachse besteht aus folgenden Teilen:
1) aus einem zweiröhrigen Eisenbahnbasistunnel von ca. 56 km Länge, der in den Alpen auf dem Staatsgebiet der Vertragsparteien vorangetrieben wird, einschließlich unterirdischer Haltestellen für Notfälle und Wartungsarbeiten und der jeweiligen Zwischenangriffe;
2) in Italien aus den Verbindungen zwischen dem genannten Basistunnel und der Bestandsstrecke;
3) in Österreich aus den Verbindungen zwischen dem genannten Basistunnel und der Bestandsstrecke einschließlich der Umfahrung Innsbruck;
4) aus allen dazugehörigen Bauwerken, die für den Bau und Betrieb notwendig sind.
c) „ CIG “ ist die österreichisch-italienische Zwischenstaatliche Kommission, deren Aufgaben im nachfolgenden Art. 5 festgelegt sind.
d) „ Projektwerber “ ist die BBT SE
Zwischen den Vertragsparteien herrscht Einvernehmen darüber, dass dem Projektwerber nach der jeweiligen geltenden nationalen Rechtsordnung die Rechte und Pflichten eines Eisenbahnunternehmens zukommen, soweit dies zur Erfüllung des Unternehmenszweckes erforderlich ist.
Art. 3 Artikel 3 – Geltungsbereich
Das gegenständliche Abkommen bezieht sich auf alle Phasen des Projektes bis zur Inbetriebnahme.
KAPITEL II
Phase II
Art. 4 Artikel 4 – Studien, Erkundungen, Untersuchungen und vorbereitende Arbeiten zur Realisierung des gemeinsamen Teils
Gegenstand dieses Kapitels ist die Festlegung der Bedingungen für die Durchführung der Studien, Erkundungen, Untersuchungen und vorbereitenden Arbeiten der Phase II, die bereits am 1. April 2003 begonnen hat, sowie der Finanzierungsstudien zur Realisierung des gemeinsamen Teils zwischen Innsbruck und Franzensfeste. Diese Phase soll innerhalb von 3 Jahren abgeschlossen werden.
Die oben genannten Arbeiten beinhalten insbesondere:
a) die Erstellung des Einreichprojekts;
b) das Erlangen aller Genehmigungen einschließlich jener zur Prüfung der Umweltverträglichkeit in beiden Staaten;
c) die Ausführung weiterführender Erkundungsarbeiten;
d) die Vorlage eines Finanzierungskonzepts für den gemeinsamen Teil, einschließlich der Modalitäten zur Konzession;
e) vorbereitende Maßnahmen für die Bauarbeiten;
f) darüber hinaus die Durchführung ergänzender Studien und die Festlegung von Erkundungen, Bauwerken und zusätzlicher Anlagen, wenn die ursprünglich geplanten Anlagen sich als unzulänglich und inadäquat erweisen.
Art. 5 Artikel 5 – Zwischenstaatliche Kommission (CIG)
Mit Inkrafttreten des gegenständlichen Abkommens wird aus der Bilateralen Kommission (CB) im Sinne des Memorandums über die Zusammenarbeit im Rahmen einer Bilateralen Kommission 1 vom 30. April 2004 die Zwischenstaatliche Kommission (CIG). Die CIG hat, neben den im Memorandum vorgesehenen Funktionen, die Aufgabe, den beiden Regierungen, sofern die Ergebnisse der Phase II deren Durchführung erlauben, Vorschläge bezüglich der weiteren Phasen zu unterbreiten.
Diese Vorschläge müssen die Definition folgender Aspekte enthalten:
– die Eigenschaften der auszuführenden Bauwerke des gemeinsamen Teils;
– die Modalitäten der Realisierung;
– die Modalitäten der Finanzierung auf der Grundlage einer Kosten-Nutzen-Analyse des Bauwerkes;
– die Bedingungen für den Betrieb.
Die Entscheidungen über die Realisierung der auf die Phase II folgenden Phasen werden von den beiden Regierungen auf der Grundlage der Vorschläge der CIG getroffen.
Die beiden Regierungen entscheiden über die Finanzierungsmodalitäten des Projektes und treffen die entsprechenden Maßnahmen. Die CIG fasst ihre Beschlüsse einvernehmlich.
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1 Kundgemacht in BGBl. III Nr. 173/2006.
Art. 6 Artikel 6 – Der Projektwerber
a) Die BBT EWIV oder die gemäß lit. b zu gründende Gesellschaft als Projektwerber veranlassen die Durchführung der Arbeiten gemäß Art. 4 des gegenständlichen Vertrages.
b) Zum Zwecke der Ausführung der vorgenannten Arbeiten wird die BBT EWIV gemäß den von der europäischen und nationalen Gesetzgebung vorgesehenen Modalitäten zum frühest möglichen Zeitpunkt in eine Europäische Aktiengesellschaft umgewandelt.
Die Satzung der Gesellschaft und eventuelle Änderungen werden der im Art. 5 genannten Kommission jeweils zur Kenntnis gebracht.
Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) wird ihren Sitz haben:
– während der Planungsphase gemäß Art. 4 in Innsbruck mit einer Zweitniederlassung in Bozen;
– während der Bauphase bis zur Inbetriebnahme des Tunnels in Bozen mit einer Zweitniederlassung in Innsbruck.
Nach der Inbetriebnahme des Tunnels (Betriebsphase) wird die SE oder eine andere mit dem Betrieb des Tunnels beauftragte Gesellschaft ihren Sitz in Innsbruck haben.
c) Der Projektwerber unterbreitet der CIG Vorschläge zu den Merkmalen der auszuführenden Bauwerke, den notwendigen finanziellen Mitteln und der wirtschaftlichen Machbarkeit, den Finanzierungsmodalitäten sowie zu Realisierung und Betrieb des Bauwerkes.
Art. 7 Artikel 7 – Bestimmungen zu Staatsgütern und Grundbesitz
a) Die Zugehörigkeit aller Bauwerke, auch wenn diese grenzüberschreitend sind, zu einem Staat richtet sich nach der Staatsgrenze.
b) Das Wasser und die im Laufe der Arbeiten gewonnenen Mineralien werden gemäß der Rechtslage des jeweiligen Staates, auf dessen Gebiet der Fund gemacht wurde, unabhängig vom Finder, behandelt.
c) Bis zur Bestimmung der mit der Errichtung des Basistunnels beauftragten Unternehmen und unbeschadet zukünftiger Änderungen der gegenständlichen Abkommen, bleiben die verwirklichten Bauwerke gemeinsamer und untrennbarer Besitz des im Art. 6 genannten Projektwerbers. Dieser ist für deren Erhaltung in gutem Zustand und die Sicherheit verantwortlich.
Art. 8 Artikel 8 – Gesetzliche Bestimmungen und Verwaltungsvorschriften
a) Für steuerliche, arbeitsrechtliche, soziale, gesundheitliche Angelegenheiten und Angelegenheiten der Sicherheit beim Bau, die durch die Durchführung der Erkundungsarbeiten für den Basistunnel berührt werden, gelten die Bestimmungen des jeweiligen Staates, gemäß Art. 7 lit. a.
b) Umweltverträglichkeitsprüfung:
Gestützt auf
– das Übereinkommen vom 25. Februar 1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen 1 (sogenannte ESPOO-Konvention);
– die Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. Nr. L 175 vom 5.7.1985 S. 40, in der Fassung der Richtlinie 97/11/EG, ABl. Nr. L 73 vom 14.3.1997, S. 5;
– das österreichische Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz BGBl. Nr. 697/1993 in der Fassung BGBl. I Nr. 89/2000 (UVP-G 2000);
– das italienische Legislativdekret Nr. 190 vom 20. August 2002;
– das Dekret des Präsidenten der Republik vom 31. August 1972, Nr. 670: Genehmigung des Vereinheitlichten Textes der Verfassungsgesetze, die das Sonderstatut für Trentino-Südtirol betreffen, in der geltenden Fassung;
wird vereinbart, die UVP-Verfahren getrennt in beiden Staaten und nach dem jeweiligen nationalen Recht durchzuführen. Die Vertragsparteien verpflichten sich, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um das Verfahren in zeitlicher Abstimmung mit dem Arbeitsprogramm zur Errichtung des Bauwerkes abzuschließen.
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1 Kundgemacht in BGBl. III Nr. 201/1997.
KAPITEL III
Finanzierung
Art. 9 Artikel 9 – Finanzierung
a) Die im Programm für die Phase II vorgesehenen allgemeinen Studien des gemeinsamen Teils des Brenner Basistunnelprojekts werden, soweit nicht durch Gewährung eines Gemeinschaftszuschusses für Vorhaben der Transeuropäischen Netze für Verkehrsinfrastruktur [Entscheidung C (2001) 2654 endg./EG] finanziert, zu gleichen Teilen von den Vertragsparteien getragen.
b) Die Vertragsparteien werden zur Finanzierung der auf die Phase II folgenden Phasen Gemeinschaftszuschüsse in höchstmöglichem Ausmaß beantragen und danach trachten, für die Restfinanzierung private Mittel im Rahmen eines PPP-Modells sicher zu stellen. Der öffentliche Anteil des PPP-Modells wird durch die Vertragsparteien zu gleichen Teilen getragen.
c) Beide Vertragsparteien stimmen überein, sich im Rahmen der vorgesehenen Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, ABl. Nr. L 187 vom 20.7.1999 S. 42, für eine ausreichende Querfinanzierung einzusetzen, um die finanzielle Bedeckung der Errichtung des Brenner Basistunnels im höchstmöglichen Ausmaß zu gewährleisten.
d) Die Vertragsparteien kommen überein, dass die Vergaben von Leistungen auf eine rasche und wirtschaftliche Realisierung optimiert werden und eine Teilung von Aufträgen aus territorialen Überlegungen zu vermeiden ist.
e) Die Vertragsparteien kommen überein, dass nach der Inbetriebnahme des Tunnels (Betriebsphase), sofern erforderlich, die Kosten für den Betrieb des Tunnels zu gleichen Teilen getragen werden, sofern hierüber keine andere Vereinbarung getroffen wird.
KAPITEL IV
Schlussbestimmungen
Art. 10 Artikel 10 – Schiedsklausel
a) Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder die Anwendung dieses Abkommens sollen durch die zuständigen Verwaltungen der Vertragsstaaten oder auf diplomatischem Wege beigelegt werden.
b) Sollte es innerhalb einer Frist von sechs Monaten zu keiner Einigung durch Verhandlung kommen, wird der Rechtsstreit vor einem Schiedsgericht ausgetragen, dessen Entscheidung bindend ist.
c) Das Schiedsgericht besteht aus zwei Schiedsrichtern, wobei jede Vertragspartei einen Schiedsrichter bestellt, sowie aus einem dritten Mitglied in der Funktion des Vorsitzenden, der einvernehmlich von den beiden vorgenannten Schiedsrichtern bestellt wird.
d) Sollte die gemeinsame Bestellung des Vorsitzenden nicht innerhalb von 6 Monaten ab dem Zeitpunkt, ab dem eine der Vertragsparteien die Schlichtung eines Rechtsstreites beim Schiedsgericht vorgeschlagen hat, durchgeführt worden sein, erfolgt die Bestellung durch den Präsidenten des Ständigen Schiedshofes auf Anfrage jener Partei, die als erste den Antrag stellt.
Art. 11 Artikel 11 – Inkrafttreten
Beide Vertragsparteien benachrichtigen sich gegenseitig über den Abschluss der verfassungsrechtlichen Verfahren, die für das Inkrafttreten des gegenständlichen Abkommens vorgesehen sind. Das gegenständliche Abkommen tritt am ersten Tag des zweiten Folgemonats ab dem Tag des Erhalts der zweiten Benachrichtigung in Kraft.
ZU URKUND DESSEN haben die hiezu von ihren jeweiligen Regierungen gehörig bevollmächtigten Unterfertigten das vorliegende Abkommen unterzeichnet.
GESCHEHEN ZU Wien, am 30. April 2004, in zwei Urschriften in deutscher und italienischer Sprache, wobei beide Texte in gleicher Weise authentisch sind.