Vorwort
Artikel 1
Definitionen
Art. 1
Für die Zwecke dieses Abkommens
(1) bezeichnet der Begriff „Fonds“ den durch österreichisches Bundesgesetz eingerichteten Fonds für freiwillige Leistungen der Republik Österreich an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes (Versöhnungsfonds).
(2) bezeichnet der Begriff „Stiftung“ die von der Republik Belarus gegründete Stiftung „Verständigung und Aussöhnung“.
Artikel 2
Gegenstand des Abkommens
Art. 2
Die österreichische Bundesregierung wird den Fonds veranlassen, in einem Höchstmaß von öS 270 Millionen über die Stiftung einmalige finanzielle Beiträge an natürliche Personen zu leisten, die vom nationalsozialistischen Regime auf das Gebiet der heutigen Republik Österreich deportiert und zur Sklaven- oder Zwangsarbeit verpflichtet wurden, im Zeitpunkt ihrer Deportation sowjetische Staatsbürger waren und am 15. Februar 2000 ihren ständigen Wohnsitz in der Republik Belarus oder der Republik Estland hatten. Dies gilt auch für Personen mit heutigem ständigen Wohnsitz in den ehemaligen Teilrepubliken der Sowjetunion mit Ausnahme der Russischen Föderation, Lettland, Litauen, Ukraine und Moldau, wenn sie aus Belarus oder Estland deportiert wurden.
Artikel 3
Grundsätze für den Empfang von Leistungen
Art. 3
(1) Als Leistungsempfänger kommen ehemalige vom nationalsozialistischen Regime auf das Gebiet der heutigen Republik Österreich deportierte Sklaven- oder Zwangsarbeiter, insofern sie keine Leistungen aus dem Titel ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeit von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ der Bundesrepublik Deutschland erhalten können, in Betracht, nämlich
a) Sklavenarbeiter (öS 105 000),
b) Zwangsarbeiter in der Industrie (öS 35 000),
c) Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft (öS 20 000),
d) mitdeportierte Kinder und Minderjährige vor Vollendung des 12. Lebensjahres und Kinder, die während des Zwangsarbeitseinsatzes ihrer Mutter auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich geboren wurden (je nach Kategorie der Eltern), und
e) weibliche Zwangsarbeiter, die Kinder in Ostarbeiterinnenentbindungsheimen zur Welt brachten oder zum Schwangerschaftsabbruch genötigt wurden (zusätzlich öS 5 000),
die im Zeitpunkt ihrer Deportation sowjetische Staatsbürger waren und am 15. Februar 2000 ihren ständigen Wohnsitz in der Republik Belarus oder der Republik Estland hatten, ebenso Personen mit heutigem ständigen Wohnsitz in den ehemaligen Teilrepubliken der Sowjetunion mit Ausnahme der Russischen Föderation, Lettland, Litauen, Ukraine und Moldau, wenn sie aus Belarus oder Estland deportiert wurden.
(2) Leistungen sind höchstpersönlich und auf der Grundlage dieses Abkommens zu beantragen. Personen, deren vollständige und überprüfte Unterlagen über die von ihnen geleistete Sklaven- und Zwangsarbeit sich im Besitz der Stiftung befinden, sind nicht verpflichtet, neue Anträge auf Auszahlungen einzureichen. Ist der Leistungsberechtigte am oder nach dem 15. Februar 2000 verstorben, treten an seine Stelle die Erben nach belarussischem Recht. Ein Rechtsanspruch auf Leistungen gemäß diesem Abkommen besteht nicht.
(3) Der Antragsteller hat die Leistungsvoraussetzungen durch Urkunden nachzuweisen oder auf andere Weise glaubhaft zu machen. Beim Empfang der Leistung ist eine Erklärung abzugeben, daß auf die Geltendmachung von Forderungen gegen die Republik Österreich und österreichische Unternehmen und gegen die Bundesrepublik Deutschland und deutsche Unternehmen für Sklaven- und Zwangsarbeit gemäß diesem Abkommen unwiderruflich verzichtet wird.
(4) Die österreichische Bundesregierung und die Regierung der Republik Belarus informieren einander gesondert über die Einzelheiten der Regelung für Empfang und Umfang der Leistungen.
Artikel 4
Grundsätze für die Erbringung der Leistung
Art. 4
(1) Die Auszahlung der vom Fonds zur Verfügung gestellten Mittel erfolgt durch die Stiftung. Mittel des Fonds werden je nach Bedarf innerhalb kürzest möglicher Frist auf Grund der von der Stiftung übermittelten und vom Fonds stichprobenartig überprüften Listen der Personen gemäß den in Artikel 3 Absatz 1 genannten Kategorien, die die Leistungsvoraussetzungen erfüllen, zugewiesen.
(2) Die Zahlungen erfolgen in konvertibler Währung (Devisen) auf das Konto der Stiftung, das die Regierung der Republik Belarus der österreichischen Bundesregierung angeben wird.
(3) Die Regierung der Republik Belarus verpflichtet sich, Leistungen nach diesem Abkommen von allen Abgaben, Steuern und Gebühren zu befreien, die Leistungen ohne Abzüge weiterzugeben und insbesondere keine Minderung von Einkünften der Leistungsberechtigten aus dem System der sozialen Sicherheit, dem Gesundheitswesen oder aus anderen Bereichen herbeizuführen.
(4) Die Stiftung wird dafür Sorge tragen, daß Personen, deren Anträge auf Leistungen sie abgewiesen hat, die Möglichkeit der Anrufung einer Beschwerdestelle der Stiftung eingeräumt wird.
(5) Im Interesse größtmöglicher Transparenz bei der Durchführung dieses Abkommens ist eine entsprechende regelmäßige internationale Wirtschaftsprüfung der Stiftung vorzusehen, deren Auswahl im Einvernehmen zwischen Stiftung und Fonds zu treffen ist. Die anfallenden Kosten werden vom Fonds übernommen.
(6) Bei der Gewährung der Leistung ist Vorsorge zu treffen, daß die österreichische Herkunft der Mittel und der Leistungszweck gegenüber den Leistungsberechtigten und der Öffentlichkeit entsprechend betont werden.
(7) Einzelheiten der Leistungserbringung sind in Verträgen zwischen dem Fonds und der Stiftung zu regeln. In diesen Verträgen ist auch die Übernahme der angemessenen Deckung der bei der Stiftung entstehenden Personal- und Sachkosten durch Mittel des Fonds zu regeln. Weiters ist sicherzustellen, daß es bei Sklaven- und Zwangsarbeit, die teilweise sowohl im Leistungsbereich der deutschen Stiftung, als auch in jenem des Fonds geleistet wurde, zu keinen Doppelzahlungen kommt.
Artikel 5
Datenschutz
Art. 5
(1) Die Stiftung und der Fonds sind berechtigt, von Behörden und anderen öffentlichen Einrichtungen Auskünfte einzuholen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Eine Auskunftserteilung unterbleibt, soweit besondere gesetzliche Bestimmungen dem entgegenstehen oder die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen wichtiger sind als die berechtigten Informationsinteressen der Stiftung oder des Fonds.
(2) Die eingeholten Auskünfte dürfen nur für die Erfüllung der Zwecke nach diesem Abkommen, personenbezogene Daten eines Antragstellers nur für das Verfahren zur Leistungsgewährung verwendet werden. Die Verwendung dieser Daten für andere Zwecke ist zulässig, wenn der Antragsteller ausdrücklich zustimmt.
Artikel 6
Vertretung
Art. 6
(1) Die Regierung der Republik Belarus kann einen Vertreter als Mitglied in das Kuratorium des Versöhnungsfonds entsenden.
(2) Die Regierung der Republik Belarus wird dafür Sorge tragen, daß vom Fonds zu benennenden Personen gestattet wird, in die Arbeiten der Stiftung, die mit der Durchführung dieses Abkommens zusammenhängen, Einsicht zu nehmen.
Artikel 7
Rechtssicherheit
Art. 7
Die Republik Belarus wird weitere Forderungen ihrer Staatsbürger gegenüber der Republik Österreich oder österreichischen Unternehmen aus dem Titel ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeit unter dem nationalsozialistischen Regime auf dem heutigen Gebiet der Republik Österreich nicht geltend machen und weder vertreten noch unterstützen.
Artikel 8
Anträge früherer sowjetischer oder heutiger belarussischer Staatsbürger außerhalb des Abkommens
Art. 8
Dieses Abkommen berührt nicht die Möglichkeit früherer sowjetischer und belarussischer oder heutiger belarussischer Staatsbürger, die nicht unter dieses Abkommen fallen, Anträge direkt an den Fonds zu richten.
Artikel 9
Inkrafttreten
Art. 9
Dieses Abkommen tritt an dem Tage in Kraft, an dem die letzte schriftliche Mitteilung in Empfang genommen wird, mit denen die Vertragsparteien einander über die Erfüllung der innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten des Abkommens in Kenntnis gesetzt haben.
GESCHEHEN zu Wien, am 24. Oktober 2000, in zwei Urschriften, jede in deutscher und belarussischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen authentisch ist.