Vorwort
Artikel 1
Gegenstand
Art. 1
(1) Dieses Abkommen regelt die Rahmenbedingungen für freiwillige Hilfeleistungen bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen im anderen Vertragsstaat auf dessen Ersuchen hin, insbesondere für Einsätze von Hilfsmannschaften, Helfern und Ausrüstungsgegenständen.
(2) Hilfeleistungen im Rahmen der herkömmlichen grenzüberschreitenden Nachbarschaftshilfe bleiben unberührt.
Artikel 2
Definitionen
Art. 2
Im Sinne dieses Abkommens bedeuten die Begriffe:
„Einsatzstaat“
denjenigen Vertragsstaat, dessen zuständige Behörden den anderen Vertragsstaat um Hilfeleistung ersuchen;
„Entsendestaat“
denjenigen Vertragsstaat, dessen zuständige Behörden einem Ersuchen des anderen Vertragsstaates um Hilfeleistung stattgeben;
„Hilfsmannschaften“ oder „Helfer“
Person(en), die der Entsendestaat zur Hilfeleistung bestimmt;
„Ausrüstungsgegenstände“
Material, Spezialgeräte und Fahrzeuge für den Einsatz sowie die Güter für den Eigenbedarf und die persönliche Ausstattung der Hilfsmannschaften;
„Hilfsgüter“
Güter, die zur unentgeltlichen Abgabe an die betroffene Bevölkerung im Einsatzgebiet bestimmt sind.
Artikel 3
Zuständigkeiten
Art. 3
(1) Die für die Stellung und Entgegennahme von Hilfeersuchen zuständigen Behörden sind:
a) auf der Seite der Republik Österreich:
der Bundesminister für Inneres;
auf der Seite der Republik Ungarn:
der Innenminister;
b) im Rahmen ihres Wirkungsbereiches
die Burgenländische Landesregierung und
die Präsidenten der Komitatsgeneralversammlung der an Österreich grenzenden Komitate.
(2) Die in Absatz 1 genannten Behörden der beiden Vertragsstaaten sind ermächtigt, bei der Durchführung dieses Abkommens unmittelbar miteinander in Verbindung zu treten.
(3) Die beiden Vertragsstaaten geben einander die Adressen und Fernmeldeverbindungen der in Absatz 1 genannten Behörden bekannt.
(4) Die ersuchende Behörde stellt das Hilfeersuchen nach Möglichkeit in der Sprache des ersuchten Vertragsstaates.
Artikel 4
Absprachen über Hilfeleistungen
Art. 4
Im Zuge des Hilfeersuchens werden Art und Umfang der Hilfeleistung zwischen den in Artikel 3 Absatz 1 genannten Behörden abgesprochen, ohne auf Einzelheiten der Durchführung eingehen zu müssen.
Artikel 5
Art der Hilfeleistung
Art. 5
(1) Die Hilfe kann durch die Entsendung von Hilfsmannschaften und/oder Helfern (im folgenden: Hilfsmannschaften), durch die Sendung von Hilfsgütern oder auf andere geeignete Weise erfolgen.
(2) Hilfsmannschaften können zur Bekämpfung von Bränden, nuklearen und chemischen Gefahren sowie von sonstigen Katastrophen und schweren Unglücksfällen, insbesondere für medizinische Hilfe, Rettung, Bergung oder behelfsmäßige Instandsetzung eingesetzt werden. Sie sollen über die hiezu erforderliche Ausbildung und über die notwendigen Ausrüstungsgegenstände verfügen.
Artikel 6
Grenzübertritt und Aufenthalt
Art. 6
(Anm.: Abs. 1 aufgehoben durch Z 7, BGBl. III Nr. 90/2017)
(2) Bei besonderer Dringlichkeit kann die Grenze auch außerhalb der zugelassenen Grenzübergangsstellen ohne Beachtung der sonst hiefür geltenden Vorschriften überschritten werden. In diesem Fall sind die für die Grenzüberwachung zuständigen Organe oder die Zollorgane bei erster Gelegenheit davon zu unterrichten.
(3) Sofern dies zur üblichen Ausrüstung zählt, sind die Hilfsmannschaften dazu berechtigt, auf dem Gebiet des Einsatzstaates Uniform zu tragen. Schußwaffen, Munition und Sprengstoffe dürfen auf das Gebiet des Einsatzstaates nicht mitgeführt werden.
(4) Die Erleichterungen beim Grenzübertritt nach den Absätzen 1 und 2 gelten auch für Personen, die bei einer Katastrophe oder einem schweren Unglücksfall evakuiert werden müssen.
Artikel 7
Grenzübergang des Materials
Art. 7
(1) Die Vertragsstaaten erleichtern die Ein- und Ausfuhr der Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter.
(2) Die Hilfsmannschaften dürfen außer den notwendigen Ausrüstungsgegenständen und Hilfsgütern keine anderen Waren mitführen.
(3) Auf Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter finden die Verbote und Beschränkungen für den grenzüberschreitenden Warenverkehr keine Anwendung. Soweit Ausrüstungsgegenstände nicht verbraucht werden, sind sie unter Zollaufsicht wieder in den Entsendestaat auszuführen. Werden Ausrüstungsgegenstände als Hilfsgüter zurückgelassen, so sind Art und Menge sowie der Verbleib der Zollbehörde des Einsatzstaates anzuzeigen. In diesem Fall gilt das Recht des Einsatzstaates.
(4) Absatz 3 findet auch Anwendung auf die Einfuhr von Suchtgiften und psychotrope Substanzen enthaltenden Pharmazeutika in den Einsatzstaat und die Wiederausfuhr der nicht verbrauchten Mengen in den Entsendestaat. Dieser Warenverkehr gilt nicht als Ein- und Ausfuhr im Sinne der internationalen Übereinkommen betreffend Suchtgifte und psychotrope Substanzen und psychotrope Substanzen enthaltende Pharmazeutika. Suchtgifte und psychotrope Substanzen enthaltende Pharmazeutika dürfen nur nach Maßgabe des dringlichen medizinischen Bedarfes mitgeführt und nur durch qualifiziertes medizinisches Personal nach den gesetzlichen Bestimmungen des Vertragsstaates eingesetzt werden, dem die Hilfsmannschaft angehört.
(5) Die Vertragsstaaten werden bei Gegenseitigkeit die bei Hilfeleistungen notwendigen Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter im Einsatzstaat
a) ohne förmliches Verfahren und ohne Leistung einer Sicherstellung zur abgabenfreien vorübergehenden Verwendung zulassen und
b) diese frei von allen Eingangsabgaben lassen, soweit sie bestimmungsgemäß verbraucht sind.
Artikel 8
Einsätze mit Luftfahrzeugen
Art. 8
(1) Luftfahrzeuge können für alle Arten von Hilfeleistungen eingesetzt werden.
(2) Der Einsatzstaat gestattet, daß Luftfahrzeuge, die vom Hoheitsgebiet des Entsendestaates aus gemäß Absatz 1 eingesetzt werden, in seinen Luftraum einfliegen. Die Luftfahrzeuge können auf Flugplätzen und auf solchen Flächen, die nicht als Flugplätze gewidmet sind und die den Abflug und die Landung von Luftfahrzeugen, deren Bauart und technische Ausrüstung dies gestatten, ermöglichen, landen und von diesen abfliegen.
(3) Die Verwendung von Luftfahrzeugen bei einem Hilfseinsatz ist der ersuchenden Behörde und der zuständigen Flugverkehrsdienststelle unverzüglich mitzuteilen. Die Daten über Type, Kennzeichen, Personal, Ladung, Abflugzeit, voraussichtliche Flugroute und Landestelle des Luftfahrzeuges sind bei der Flugverkehrsdienststelle des Einsatzstaates einzureichen.
(4) Sinngemäß werden angewandt:
a) Artikel 6 auf die Luftfahrzeuge, Besatzungen und mitfliegenden Hilfsmannschaften;
b) Artikel 7 auf die Luftfahrzeuge und sonstigen mitgeführten Ausrüstungsgegenstände und Hilfsgüter.
(5) Soweit sich aus den Absätzen 2 und 3 nichts anderes ergibt, sind während der Flüge die jeweiligen innerstaatlichen Luftverkehrsvorschriften der Vertragsstaaten einzuhalten.
(6) Die bei einer Hilfeleistung allenfalls anfallenden Lande- und Navigationsgebühren trägt der Einsatzstaat.
Artikel 9
Koordination und Gesamtleitung
Art. 9
(1) Die Koordination und Gesamtleitung der Rettungs- und Hilfsmaßnahmen obliegt in jedem Fall den Behörden des Einsatzstaates.
(2) Aufträge an die Hilfsmannschaften des Entsendestaates werden ausschließlich an deren Leiter gerichtet.
(3) Die Behörden des Einsatzstaates leisten den Hilfsmannschaften des Entsendestaates Schutz und Hilfe.
Artikel 10
Einsatzkosten
Art. 10
(1) Der Entsendestaat hat gegenüber dem Einsatzstaat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Hilfeleistung. Dies gilt auch für Kosten, die durch Verbrauch, Beschädigung oder Verlust des Materials entstehen.
(2) Im Falle der gänzlichen oder teilweisen Wiedereinbringung der Kosten der durchgeführten Hilfsmaßnahmen gilt Absatz 1 nicht. Die Kosten des Entsendestaates werden vorrangig ersetzt.
(3) Kosten der Hilfeleistung durch natürliche und juristische Personen, die der Entsendestaat auf Ersuchen hin lediglich vermittelt, trägt der Einsatzstaat.
(4) Die Hilfsmannschaften des Entsendestaates werden während der Dauer des Einsatzes im Einsatzstaat auf dessen Kosten verpflegt und untergebracht sowie mit Gütern für den Eigenbedarf und mit den hiezu notwendigen Energiequellen versorgt, wenn die mitgeführten Bestände aufgebraucht sind. Im Bedarfsfall sorgt der Einsatzstaat für die medizinische Versorgung der Hilfsmannschaften.
Artikel 11
Schadenersatz und Entschädigung
Art. 11
(1) Jeder Vertragsstaat verzichtet auf alle ihm gegen den anderen Vertragsstaat oder dessen Hilfsmannschaften zustehenden Ansprüche auf Ersatz von
a) Vermögensschäden, die von einer Hilfsmannschaft des anderen Vertragsstaates im Zusammenhang mit der Erfüllung ihres Auftrages verursacht worden sind;
b) Schäden, die auf einer Körperverletzung, einer Gesundheitsschädigung oder dem Tod eines Mitglieds der Hilfsmannschaft im Zusammenhang mit der Erfüllung seines Auftrages beruhen.
(2) Wird durch die Hilfsmannschaften des Entsendestaates im Zusammenhang mit der Erfüllung ihres Auftrages im Gebiet des Einsatzstaates Dritten ein Schaden zugefügt, so haftet der Einsatzstaat für den Schaden nach Maßgabe der Vorschriften, die im Fall eines durch eigene Helfer verursachten Schadens Anwendung fänden. Ein Regreß des Einsatzstaates, der den Schaden ersetzt hat, gegen den Entsendestaat oder dessen Hilfsmannschaften besteht nicht.
(3) Die Behörden der Vertragsstaaten tauschen alle ihnen zugänglichen Informationen über solche Schadensfälle aus.
Artikel 12
Unterstützung und Wiederaufnahme von Evakuierten
Art. 12
(1) Personen, die bei einer Katastrophe oder einem schweren Unglücksfall als Evakuierte von einem Vertragsstaat in den anderen gelangt sind, erhalten dort bis zum Zeitpunkt der frühesten Rückkehrmöglichkeit die notwendige soziale Unterstützung. Der Abgangsstaat erstattet die Kosten der Unterstützung und der Rückführung dieser Personen, sofern sie nicht Angehörige des anderen Vertragsstaates sind.
(2) Jeder Vertragsstaat nimmt Personen, die als Evakuierte von seinem Hoheitsgebiet auf dasjenige des anderen Vertragsstaates gelangt sind, wieder auf. Soweit es sich um Personen handelt, die nicht Angehörige des wiederaufnehmenden Vertragsstaates sind, bleiben sie dem gleichen ausländerrechtlichen Status wie vor dem Grenzübertritt unterstellt.
Artikel 13
Weitere Formen der Zusammenarbeit
Art. 13
(1) Die in Artikel 3 genannten Behörden arbeiten nach Maßgabe des jeweiligen innerstaatlichen Rechts zusammen, insbesondere:
a) zur Durchführung von Hilfeleistungen;
b) zur Vorbeugung und Bekämpfung von Katastrophen oder schweren Unglücksfällen, indem sie alle zweckdienlichen Informationen wissenschaftlich-technischer Art austauschen und Tagungen, Forschungsprogramme, Fachkurse und Übungen von Hilfseinsätzen auf den Gebieten beider Vertragsstaaten vorsehen;
c) zum Austausch von Informationen über Gefahren und Schäden, die sich auf das Gebiet des anderen Vertragsstaates auswirken können; die gegenseitige Unterrichtung umfaßt auch die vorsorgliche Übermittlung von Meßdaten.
(2) Für gemeinsame Übungen, bei denen Hilfsmannschaften des einen Vertragsstaates auf dem Gebiet des anderen zum Einsatz kommen, gelten die Bestimmungen dieses Abkommens sinngemäß.
Artikel 14
Fernmeldeverbindungen
Art. 14
Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten treffen gemeinsam die erforderlichen Vorkehrungen, damit Fernmelde- und insbesondere Funkverbindungen zwischen den in Artikel 3 genannten Behörden, zwischen diesen Behörden und den von ihnen entsandten Hilfsmannschaften, zwischen den Hilfsmannschaften untereinander und zwischen den entsandten Hilfsmannschaften und der jeweiligen Einsatzleitung ermöglicht werden.
Artikel 15
Beilegung von Meinungsverschiedenheiten
Art. 15
Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung dieses Abkommens, die nicht unmittelbar durch die in Artikel 3 genannten Behörden beigelegt werden können, werden auf diplomatischem Wege bereinigt.
Artikel 16
Kündigung
Art. 16
Dieses Abkommen wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann jederzeit schriftlich auf diplomatischem Wege gekündigt werden. Es tritt sechs Monate nach dem Zugang der Kündigung außer Kraft. Ein Schadenersatz- und Entschädigungsanspruch auf Grund des Abkommens kann auch nach Außerkrafttreten des Abkommens geltend gemacht werden.
Artikel 17
Andere vertragliche Regelungen
Art. 17
Bestehende zweiseitige vertragliche Regelungen zwischen den Vertragsstaaten bleiben unberührt; mehrseitige Abkommen nur insofern, als dieses Abkommen keine andere Regelung vorsieht.
Artikel 18
Inkrafttreten
Art. 18
(1) Dieses Abkommen bedarf der Ratifikation. Die Ratifikationsurkunden werden in Wien ausgetauscht.
(2) Dieses Abkommen tritt am ersten Tag des dritten Monats nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.
GESCHEHEN ZU Budapest am 26. April 1996 in zwei Urschriften in deutscher und ungarischer Sprache, wobei beide Texte gleichermaßen authentisch sind.