BundesrechtInternationale VerträgeÜbereinkommen (Nr. 6) betreffend die gewerbliche Nachtarbeit der Jugendlichen

Übereinkommen (Nr. 6) betreffend die gewerbliche Nachtarbeit der Jugendlichen

In Kraft seit 31. März 1949
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Art. 1

Als „gewerbliche Betriebe“ im Sinne dieses Übereinkommens gelten insbesondere

a) Bergwerke, Steinbrüche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen;

b) Gewerbe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt,ausgebessert, verziert, fertiggestellt, verkaufsbereit gemacht oder in den Stoffe umgearbeitet werden, mit Einschluß des Schiffbaues, der Abbruchunternehmungen, der Erzeugung, Umformung und Übertragung von motorischer Kraft irgendwelcher Art und von Elektrizität;

c) der Bau, der Wiederaufbau, die Instandhaltung, die Ausbesserung, der Umbau oder der Abbruch von Bauwerken, Eisenbahnen, Straßenbahmen, Häfen, Docks, Dämmen, Kanälen, Anlagen für die Binnenschiffahrt, Straßen, Tunnels, Brücken, Straßenüberführungen, Abwasserkanälen, Brunnenschächten, Telegraph- und Telephonanlagen, elektrischen Anlagen, Gas- und Wasserwerken und anderen Bauarbeiten sowie die dazu nötigen Vor- und Grundarbeiten;

d) die Beförderung von Personen oder Gütern auf Straßen und Eisenbahnen, inbegriffen der Verkehr mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen, Werften und in Lagerhäusern, mit Ausnahme der Handbeförderung.

In jedem Lande bestimmt die zuständige Behörde die Grenze zwischen Gewerbe einerseits, Handel und Landwirtschaft anderseits.

Art. 2

Jugendliche unter achtzehn Jahren dürfen während der Nacht in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder deren Nebenbetrieben nicht beschäftigt werden. Dies gilt nicht für Betriebe, in denen lediglich Mitglieder einer und derselben Familie beschäftigt sind. Ferner gilt folgende Ausnahme:

Jugendliche über sechzehn Jahre dürfen während der Nacht in den nachstehenden Betrieben beschäftigt werden mit Arbeiten, die ihrer Natur nach nicht unterbrochen werden können:

a) Eisen- und Stahlwerke; Arbeiten, zu denen Reverberier- und Regenerativöfen benützt werden, und Verzinkung von Eisenblech und Eisendraht (mit Ausnahme der Glühräume);

b) Glashütten;

c) Papierfabriken;

d) Rohzuckerfabriken;

e) Reduktion des Golderzes.

Art. 3

Als „Nacht“ im Sinne dieses Übereinkommens gilt ein Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden, der die Zeit von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens in sich schließt.

In Stein- und Braunkohlengruben dürfen Jugendliche zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr morgens arbeiten, wenn ihnen zwischen zwei Arbeitsschichten in der Regel fünfzehn Stunden, keinesfalls jedoch weniger als dreizehn Stunden Ruhe gewährt werden.

In Ländern, in denen die Nachtarbeit im Bäckergewerbe für alle Arbeiter gesetzlich verboten ist, kann statt der nächtlichen Arbeitsruhe von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens eine Arbeitsruhe von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens festgesetzt werden.

In denjenigen tropischen Ländern, in denen die Arbeit um die Tagesmitte unterbrochen wird, kann die Dauer der Nacht weniger als elf Stunden betragen, wenn am Tage als Ersatz eine entsprechende Ruhezeit gewährt wird.

Art. 4

Die Bestimmungen der Artikel 2 und 3 finden keine Anwendung auf die Nachtarbeit Jugendlicher von sechzehn bis achtzehn Jahren im Falle einer nicht vorherzusehenden oder zu verhindernden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsstörung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist.

Art. 5

Bei der Durchführung dieses Übereinkommens in Japan findet Artikel 2 bis zum 1. Juli 1925 nur auf Jugendliche unter fünfzehn Jahren, und von da ab nur auf Jugendliche unter sechzehn Jahren Anwendung.

Art. 6

Bei der Durchführung dieses Übereinkommens in Indien bedeutet der Ausdruck „gewerbliche Betriebe“ lediglich „Fabriken“ im Sinne des indischen Fabriksgesetzes; ferner findet Artikel 2 keine Anwendung auf männliche Jugendliche über vierzehn Jahre.

Art. 7

Das Verbot der Nachtarbeit kann für Jugendliche von sechzehn bis achtzehn Jahren von der Behörde außer Kraft gesetzt werden, wenn es das öffentliche Interesse infolge besonders zwingender Gründe erfordert.

Art. 8

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen des Teiles XIII des Vertrages von Versailles vom 28. Juni 1919 und des Vertrages von Saint-Germain vom 10. September 1919 dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Art. 9

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es für diejenigen seiner Kolonien, Besitzungen oder Protektorate, die keine völlige Selbstregierung haben, in Kraft zu setzen, jedoch unter den folgenden Vorbehalten:

a) Die Anwendbarkeit des Übereinkommens darf nicht durch die örtlichen Verhältnisse ausgeschlossen sein;

b) die für die Anpassung des Übereinkommens an die örtlichen Verhältnisse erforderlichen Abänderungen dürfen ihm eingefügt werden.

Jedes Mitglied hat dem Internationalen Arbeitsamte seine Entschließung hinsichtlich seiner einzelnen Kolonien, Besitzungen oder Protektorate, die keine völlige Selbstregierung haben, mitzuteilen.

Art. 10

Sobald die Ratifikation durch zwei Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen ist, teilt der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit.

Art. 11

Dieses Übereinkommen tritt mit dem Tage in Kraft, an dem die Mitteilung durch den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes stattgefunden hat. Es bindet nur diejenigen Mitglieder, die ihre Ratifikation beim Internationalen Arbeitsamt haben eintragen lassen. In der Folge tritt für jedes andere Mitglied dieses Übereinkommen mit dem Tage in Kraft, an dem keine Ratifikation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen worden ist.

Art. 12

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, seine Bestimmungen spätestens am 1. Juli 1922 zur Anwendung zu bringen und die zu ihrer Durchführung nötigen Maßnahmen zu treffen.

Art. 13

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tage an dem es zum erstenmal in Kraft tritt, durch eine an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zu richtende und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Wirkung der Kündigung tritt erst ein Jahr nach ihrer Eintragung beim Internationalen Arbeitsamt ein.

Art. 14

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Art. 15

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.