Beilage C.
------------
Mit Rücksicht darauf, daß das Nostrifikationsübereinkommen von den beiden Finanzministerien in deutscher Sprache verfaßt worden ist und von ihnen durchgeführt werden wird, vereinbaren die beiden vertragschließenden Teile, daß der hier beigeschlossene deutsche und polnische Text ebenso bindend sein werden wie der in den Handelsübereinkommen enthaltene französische Text.
Warschau, am 25. September 1922.
Übereinkommen zwischen der Republik Österreich und Polen, betreffend Produktions- und Transportunternehmungen.
1. Die österreichische Bundesregierung räumt jenen Gesellschaften, welche eine Produktions- oder Transporttätigkeit im ehemals österreichischen jetzt zur Republik Polen gehörigen Gebiete betreiben, jedoch ihren Sitz im Gebiete der Republik Österreich haben, das Recht zur Verlegung ihres Sitzes in das Gebiet der Republik Polen ein.
2. Dieses Recht steht den obenbezeichneten Gesellschaften nur dann zu, wenn sich die Produktions- oder Transporttätigkeit der betreffenden Gesellschaften ausschließlich auf polnischem Gebiet abspielen, ohne daß eine derartige Tätigkeit im Gebiete der Republik Österreich abgewickelt wird; doch hindert der Bestand von in Österreich gelegenen Handelsbetriebsstätten und dergleichen Nebenbetrieben der dem Hauptbetriebe nach im Gebiete der Republik Polen befindlichen Produktionsunternehmungen oder Transportunternehmungen die Verlegung des Sitzes nach dem Gebiete der Republik Polen nicht.
3. Das Recht zur Sitzverlegung steht nur solchen Gesellschaften zu, deren Produktions- oder Transportunternehmungen vor dem 1. November 1918 im Gebiete der Republik Polen bestanden haben und die im Gebiete der Republik Österreich ihren Sitz haben. Der Sitzverlegungsbeschluß muß längstens bis 31. März 1924 gefaßt werden.
Artikel 2.
Der Sitzverlegung wird gleichgehalten, wenn eine Gesellschaft der im Artikel 1 bezeichneten Art ihr ganzes Vermögen an eine bereits bestehende oder neu errichtete polnische Gesellschaft überträgt.
Artikel 3.
1. Produktionsgesellschaften, die ihrem Sitze nach zur Republik Österreich gehören und einen Teil der Produktionsbetriebe im Gebiete der Republik Polen haben, können die Teilung der Gesellschaft durchführen. Der Bestand von im Gebiete der Republik Polen gelegenen Handelsbetriebsstätten und dergleichen Nebenbetrieben eines dem Hauptbetriebe nach in Österreich befindlichen Produktionsunternehmens
oder Transportunternehmens rechtfertigt eine solche Teilung nicht.
Artikel 1, Absatz 3, findet sinngemäß Anwendung.
2. Bei der Teilung von Gesellschaften wird die Aufteilung der gesellschaftlichen Vermögenschaften und Rücklagen (Reserven) vorgenommen werden. Für die Aufteilung gilt als Regel:
a) Unbewegliches Vermögen einschließlich des dem betreffenden Betriebe gewidmeten beweglichen Vermögens wird nach dem Territorialprinzip aufgeteilt;
b) sonstiges bewegliches Vermögen, unbeschadet des Punktes c), nach dem sich aus Punkt a) ergebenden Verhältnisse;
c) für die Aufteilung, beziehungsweise Zuweisung von Spezialreserven soll im allgemeinen die wirtschaftliche Widmung maßgebend sein;
d) wenn die Teilung ohne Bewertung nicht durchführbar ist, so ist für Teilungszwecke der nach gleichen Grundsätzen in beiden Staatsgebieten zu ermittelnde innere Wert maßgebend;
e) Pensionsfonds werden im Verhältnisse der Gehälter und Löhne, die in den drei der Teilung vorangegangenen Jahren in den beiden Staaten auszuzahlen waren, geteilt;
f) sollte in einem Spezialfalle eine Abweichung von obigen Grundsätzen (a bis e) geboten erscheinen und hiebei eine Einigung nicht erzielt werden können, so werden sich die beiden Regierungen zur Austragung ins Einvernehmen setzen.
3. Die Teilung kann durch Errichtung selbständiger polnischer
Gesellschaften oder durch Übertragung des abgetrennten Vermögensteiles an eine schon bestehende polnische Gesellschaft erfolgen.
Artikel 4.
1. Anläßlich der Sitzverlegung oder Teilung findet eine Liquidation nicht statt.
2. Ebenso wird bei diesem Anlaß eine Änderung in den Eigentumsverhältnissen der Anteil nicht verlangt werden.
3. In allen, in den Artikeln 1 bis 3 vorgesehenen Fällen hat die Gesellschaft den Anspruch, daß über ihr Ansuchen ihre Statuten in dem Staate, in dem sich der neue Sitz befindet, genehmigt und die Eintragung im Handelsregister des nach dem neuen Sitze zuständigen Gerichtes bewilligt werden; die Gesellschaft kann ihre Tätigkeit an dem neuen Sitze in demselben Umfange, wie früher, fortsetzen, ohne daß ihr aus diesem Anlasse die Erfüllung anderer Bedingungen, als der in diesem Übereinkommen vorgesehenen, auferlegt werden darf.
Artikel 5.
1. Von dem Beschlusse auf Sitzverlegung oder Teilung im Sinne der Artikel 1 bis 3 hat die Gesellschaft das nach ihrem bisherigen Sitze zur Führung des Handelsregisters berufene österreichische Gericht und die zuständige österreichische Steuerbehörde unverzüglich zu verständigen. Die beabsichtigte Sitzverlegung ist im Handelsregister anzumerken. Hierüber ist der Partei eine amtliche Bescheinigung auszufolgen, auf Grund deren sie das Verfahren vor den nach dem neuen Sitze zuständigen Behörden einzuleiten hat. Vor der Löschung im österreichischen Handelsregister ist ein Gläubigeraufgebotsverfahren durchzuführen. Dieses erfolgt durch Verlautbarung der bevorstehenden Sitzverlegung in den für die Bekanntmachungen der Gesellschaft bestimmten öffentlichen Blättern. Hiebei ist bekanntzugeben, daß die Gesellschaft allen Gläubigern, deren Forderungen am Tage der Verlautbarung bestehen, auf Verlangen Befriedigung oder Sicherstellung zu leisten bereit sei, und daß den Gläubigern zur Anmeldung eine Frist von einem Monat eingeräumt wird, ferner daß Gläubiger, die sich nicht binnen Monatsfrist bei der Gesellschaft melden, als der beabsichtigten Sitzverlegung zustimmend angesehen werden.
Der Gesellschaft obliegt es, dem Registergerichte nachzuweisen, daß die vorgeschriebene Veröffentlichung erfolgt ist und daß die Gläubiger, die sich gemeldet haben, befriedigt oder sichergestellt sind; sie hat ferner die Erklärung abzugeben, daß außer den befriedigten oder sichergestellten Gläubigern sich keine andern innerhalb der Frist gemeldet haben. Unrichtige Angaben machen die zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Personen den betroffenen Gläubigern gegenüber für den dadurch verursachten Schaden persönlich haftbar.
2. Das Aufgebotsverfahren kann entfallen, wenn entweder das Bundesministerium für Inneres und Unterricht die Löschung ohne solches Verfahren für zulässig erklärt oder wenn die Gesellschaft an Stelle der bisherigen österreichischen Hauptniederlassung eine Zweigniederlassung errichtet, für diese, soweit es erforderlich ist, die Zusicherung der Zulassung zum Geschäftsbetriebe erwirkt und erklärt, das bisher in der österreichischen Unternehmung angelegte Vermögen dem Betriebe der Zweigniederlassung zu widmen; in diesem Falle hat die Gesellschaft einen Anspruch auf Zulassung zum Geschäftsbetriebe, falls eine solche Zulassung nach den allgemeinen Vorschriften erforderlich ist.
3. Unter diesen Voraussetzungen ist über Antrag der Partei auf
Grund des Nachweises des restlichen Bestandes der Gesellschaft im Auslande die Löschung im österreichischen Handelsregister durchzuführen. Wird die Eintragung der Löschung nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Fassung des Beschlusses auf Sitzverlegung begehrt, so verlieren dieser Beschluß und die Anmerkung der Sitzverlegung im Handelsregister ihre Wirksamkeit. Diese Frist kann in berücksichtigungswürdigen Fällen vom Bundesministerium für Inneres und Unterricht erstreckt werden, in Einzelfällen werden sich die beiderseitigen Regierungen über Einschreiten der polnischen Regierung über die erteilende Fristerstreckung einigen.
Artikel 6.
Wenn Gesellschaften außer der Produktions- oder Transporttätigkeit noch andere in unmittelbarem Zusammenhange mit diesen Tätigkeiten gehende Geschäfte betreiben, wird dadurch die Anwendung der vorstehenden Bestimmungen nicht gehindert. Auf Unternehmungen der Produktions- und Transportgesellschaften, die ohne der Produktion oder dem Transport zu dienen, mit diesen Geschäftszweigen nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen, sind die Bestimmungen der vorangehenden Artikel nicht anwendbar.
Artikel 7.
Während des Laufes des Verfahrens im Sinne der Artikel 1 bis 5 bleibt der Geschäftsbetrieb der Gesellschaften unberührt.
Artikel 8.
1. Die Regierung der Republik Polen nimmt zur Kenntnis, daß die
österreichische Regierung die Kriegsanleihen, welche die im Sinne dieses Übereinkommens ihren Sitz nach der Republik Polen verlegenden Gesellschaften bei der Vermögenskontrolle in der Republik Österreich angemeldet haben, als Besitz von Angehörigen der Republik Polen kennzeichnen wird. Sofern ein Teil dieses Kriegsanleihebesitzes in der Republik Österreich kontrollbezeichnet worden sein sollte, wird die in diesem Übereinkommen vorgesehene Behandlung der Unternehmungen nur dann stattfinden, wenn diese den bereits kontrollbezeichneten Anleihen nach Art und Nennbetrag gleichwertige Abschnitte der österreichischen Staatsschuldverwaltung zur Einziehung der Kontrollbezeichnung und Kennzeichnung als Besitz von Angehörigen der Republik Polen einreicht.
2. Bei den nach Artikel 3 sich teilenden Gesellschaften findet
eine Aufteilung des Kriegsanleihebesitzes in dem Verhältnisse statt, in dem gemäß Artikel 3 die gesellschaftlichen Vermögenschaften und Rücklagen (Reserven) aufgeteilt wurden.
Artikel 9.
1. Die Unternehmungen, welche im Sinne dieses Übereinkommens ihren
Sitz verlegen, werden aus diesem Anlasse wie immer gearteten Steuern, Gebühren und Abgaben namentlich auch der Nachtragssteuer im Sinne des § 96 des österreichischen Personalsteuergesetzes nicht unterworfen werden. Diese Befreiung bezieht sich insbesondere auch auf Gebühren von Verträgen, Aktienemissionen und bücherlichen Eintragungen, welche zur Durchführung der Sitzverlegung notwendig sind.
2. Die Bestimmungen des Absatzes 1 sind auch im Falle der Teilung
von Gesellschaften sinngemäß anzuwenden.
3. Hiedurch wird einer den geltenden Vorschriften entsprechenden
steuerrechtlichen Behandlung der Reservegebarung für die Zukunft sowohl im Staate, in welchem sich die Hauptanstalt, als auch in dem Staate, in welchem sich die Zweigniederlassung einer Unternehmung befindet, nicht vorgegriffen.
4. Gewinne, welche sich aus den mit der Sitzverlegung oder Teilung
verbundenen Transaktionen ergeben, werden der Besteuerung insofern nicht unterzogen, als sie in eine außerordentliche in der Bilanz als eine besondere Passivpost auszuweisende Reserve hinterlegt werden und die Gesellschaft auf die Verjährung des Nachversteuerungsrechtes im Falle einer steuerpflichtigen Verwendung dieser Reserven verzichtet.
5. Produktions- und Transportgesellschaften, die schon vor dem 1. November 1918 im Gebiete des einen vertragschließenden Teiles ihren Sitz, im Gebiete des andern eine Zweigniederlassung oder Betriebsstätte hatten, werden aus Anlaß des Fortbetriebes der erwähnten Niederlassungen von dem diesen Geschäftsbetrieben bereits vor dem 1. November 1918 gewidmeten Teile ihres Aktien- (Einlagen-) oder Obligationskapitals der Admissionsgebühr nicht unterworfen. Der obige Grundsatz findet sinngemäß Anwendung, wenn eine den Sitz verlegende Gesellschaft an Stelle ihrer bisherigen Hauptniederlassung eine Zweigniederlassung zurückläßt.
6. Für die den Sitz verlegenden oder sich teilenden Gesellschaften
gelten weiters die folgenden Bestimmungen:
a) bei der österreichischen Erwerbsbesteuerung für die Jahre 1919 und folgende bleiben die Erträgnisse der in der Republik Polen gelegenen Betriebsstätten außer Betracht;
b) bei der Vermögensabgabe in Österreich werden die in Polen gelegenen Grundstücke, Gebäude und Erwerbsbetriebe ausgeschieden; die etwa bereits eingehobene, auf diese Vermögenschaften entfallende Abgabe wird über Ansuchen der Partei rückerstattet;
c) das den Betriebsstätten in der Republik Polen zugehörige Vermögen wird in Österreich nicht als Grundlage für die Vorschreibung der Zwangsanleihe herangezogen werden. Bei der Beurteilung der Vermögenszugehörigkeit wird auch auf das mobile Vermögen entsprechende Rücksicht genommen werden. Diejenigen Gesellschaften, welche bis 1. Dezember 1922 der zuständigen österreichischen Steuerbehörde die bevorstehende Sitzverlegung nach Polen anzeigen, werden in Anbetracht der Zwangsanleihe, wie ausländische Gesellschaften behandelt, sofern der Beschluß auf Sitzverlegung bis 31. März 1923 nachgetragen wird.
Artikel 10.
Die vertragschließenden Regierungen verpflichten sich, die zur Vollziehung der Sitzverlegung oder Teilung erforderlichen oder für zweckmäßig erkannten Transaktionen, was immer für einer Art, in jeder Beziehung zu unterstützen und zu erleichtern und sie durch keinerlei Maßnahmen, insbesondere auf finanzrechtlichem Gebiete zu erschweren.
Artikel 11.
Etwaige Vorstellungen wegen eines nach Meinung einer der vertragschließenden Regierungen den Grundsätzen dieses Abkommens nicht entsprechenden Vorganges der anderen Regierung werden gegenseitig zwecks einvernehmlicher Austragung mit tunlichster Beschleunigung mitgeteilt werden. Der Vollzug der Sitzverlegung oder Teilung (Artikel 1 bis 3) wird durch derartige Vorschriften nicht gehemmt.
Artikel 12.
Die österreichische Bundesregierung ist damit einverstanden, daß sich die polnische Regierung vorbehält, Gesellschaften der in Artikel 1 bezeichneten Art zur Sitzverlegung oder Teilung aufzufordern. Wenn eine Gesellschaft dieser Aufforderung nicht zeitgerecht nachkommt, kann die polnische Regierung die Tätigkeit der Gesellschaft auf polnischem Gebiet einstellen.
Artikel 13.
Die Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten umgekehrt für Gesellschaften, die in der Republik Österreich eine Produktions- oder Transporttätigkeit betreiben und ihren Sitz in der Republik Polen haben.
Artikel 14.
In allen Fällen, in denen eine Einigung über die Anwendung der vorliegenden Vorschriften nicht zustande kommt, werden die Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht geordnet werden.
Das Schiedsgericht besteht aus je einem Delegierten jedes der vertragschließenden Teile und einem einverständlich oder, falls eine Einigung nicht zustande kommen sollte, vom Präsidenten der Schweizer Eidgenossenschaft ernannten Vorsitzenden.
Keine Verweise gefunden
Rückverweise