BundesrechtInternationale VerträgeIX. Übereinkommen der II. Haager Friedenskonferenz

IX. Übereinkommen der II. Haager Friedenskonferenz

In Kraft seit 26. Januar 1910
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Erstes Kapitel.

Beschießung unverteidigter Häfen, Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude.

Artikel 1.

Art. 1

Es ist untersagt, unverteidigte Häfen, Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude durch Seestreitkräfte zu beschießen.

Eine Örtlichkeit darf nicht aus dem Grunde allein beschossen werden, weil vor ihrem Hafen unterseeische selbsttätige Kontaktminen verankert sind.

Artikel 2.

Art. 2

In diesem Verbote sind jedoch nicht einbegriffen militärische Werke, Militär- oder Marineanlagen, Niederlagen von Waffen oder von Kriegsmaterial, Werkstätten und Einrichtungen, die für die Bedürfnisse der feindlichen Flotte oder der feindlichen Armee nutzbar gemacht werden können, sowie im Hafen befindliche Kriegsschiffe. Der Befehlshaber einer Seestreitmacht kann sie nach Aufforderung mit angemessener Frist durch Geschützfeuer zerstören, wenn jedes andere Mittel ausgeschlossen ist und die Ortsbehörden nicht innerhalb der gestellten Frist zu der Zerstörung geschritten sind.

Ihn trifft in diesem Falle keine Verantwortung für den nicht beabsichtigten Schaden, der durch die Beschießung etwa verursacht worden ist.

Wenn zwingende militärische Gründe, die ein sofortiges Handeln erfordern, die Bewilligung einer Frist nicht gestatten, so versteht es sich, daß das Verbot der Beschießung der unverteidigten Stadt ebenso wie im Falle des Absatzes 1 bestehen bleibt und das der Befehlshaber alle erforderlichen Anordnungen zu treffen hat, damit daraus für die Stadt möglichst wenig Nachteile entstehen.

Artikel 3.

Art. 3

Nach ausdrücklicher Ankündigung kann zur Beschießung unverteidigter Häfen, Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude geschritten werden, wenn die Ortsbehörden, nachdem sie durch eine förmliche Aufforderung in Verzug gesetzt sind, sich weigern, einer Anforderung von Lebensmitteln oder Vorräten nachzukommen, die für das augenblickliche Bedürfnis der vor der Örtlichkeit liegenden Seestreitmacht benötigt werden.

Die angeforderten Leistungen müssen im Verhältnisse zu den Hilfsquellen der Örtlichkeit stehen. Sie sollen nur mit Ermächtigung des Befehlshabers der Seestreitmacht gefordert und soviel wie möglich bar bezahlt werden; andernfalls sind dafür Empfangsbescheinigungen auszustellen.

Artikel 4.

Art. 4

Es ist untersagt, unverteidigte Häfen, Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude zu beschießen, weil sie Auflagen in Geld nicht bezahlt haben.

Zweites Kapitel.

Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 5.

Art. 5

Bei der Beschießung durch Seestreitkräfte sollen von dem Befehlshaber alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden, um die dem Gottesdienste, der Kunst, der Wissenschaft und der Wohltätigkeit gewidmeten Gebäude, die geschichtlichen Denkmäler, die Hospitäler und Sammelplätze für Kranke oder Verwundete soviel wie möglich zu schonen, vorausgesetzt, daß sie nicht gleichzeitig zu einem militärischen Zwecke Verwendung finden.

Pflicht der Einwohner ist es, diese Denkmäler, Gebäude oder Sammelplätze durch sichtbare Zeichen kenntlich zu machen, die aus großen und steifen rechteckigen Flächen bestehen und diagonal in zwei Dreiecke, das obere von schwarzer, das untere von weißer Farbe, geteilt sein sollen.

Artikel 6.

Art. 6

Mit Ausnahme des Falles, wo die militärischen Erfordernisse es nicht gestatten, soll der Befehlshaber der angreifenden Seestreitmacht vor Eröffnung der Beschießung alles, was an ihm liegt, tun, um die Behörden zu benachrichtigen.

Artikel 7.

Art. 7

Es ist untersagt, Städte oder Örtlichkeiten, selbst wenn sie im Sturme genommen sind, der Plünderung preiszugeben.

Drittes Kapitel.

Schlußbestimmungen.

Artikel 8.

Art. 8

Die Bestimmungen dieses Übereinkommens finden nur zwischen den Vertragsmächten Anwendung und nur dann, wenn die Kriegführenden sämtlich Vertragsparteien sind.

Artikel 9.

Art. 9

Dieses Übereinkommen soll möglichst bald ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen im Haag hinterlegt werden.

Die erste Hinterlegung von Ratifikationsurkunden wird durch ein Protokoll festgestellt, das von den Vertretern der daran teilnehmenden Mächte und von dem niederländischen Minister der Auswärtigen Angelegenheiten unterzeichnet wird.

Die späteren Hinterlegungen von Ratifikationsurkunden geschehen mittels einer schritlichen, an die Regierung der Niederlande gerichteten Anzeige, der die Ratifikationsurkunde beizufügen ist.

Beglaubigte Abschriften des Protokolls über die erste Hinterlegung von Ratifikationsurkunden, der im vorstehenden Absatze erwähnten Anzeigen sowie der Ratifikationsurkunden werden durch die Regierung der Niederlande den zur Zweiten Friedenskonferenz eingeladenen Mächten sowie den anderen Mächten, die dem Übereinkommen beigetreten sind, auf diplomatischem Wege unverzüglich mitgeteilt werden. In den Fällen des vorstehenden Absatzes wird die bezeichnete Regierung ihnen zugleich bekanntgeben, an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat.

Artikel 10.

Art. 10

Die Mächte, die nicht unterzeichnet haben, können diesem Übereinkommen später beitreten.

Die Macht, die beizutreten wünscht, hat ihre Absicht der Regierung der Niederlande schriftlich anzuzeigen und ihr dabei die Beitrittsurkunde zu übersenden, die im Archiv der bezeichneten Regierung hinterlegt werden wird.

Diese Regierung wird unverzüglich allen anderen Mächten beglaubigte Abschriften der Anzeige sowie der Beitrittsurkunde übersenden und zugleich angeben, an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat.

Artikel 11.

Art. 11

Dieses Übereinkommen wird wirksam für die Mächte, die an der ersten Hinterlegung von Ratifikationsurkunden teilgenommen haben, sechzig Tage nach dem Tage, an dem das Protokoll über diese Hinterlegung aufgenommen ist, und für die später ratifizierenden oder beitretenden Mächte sechzig Tage, nachdem die Regierung der Niederlande die Anzeige von ihrer Ratifikation oder von ihrem Beitritte erhalten hat.

Artikel 12.

Art. 12

Sollte eine der Vertragsmächte dieses Übereinkommens kündigen wollen, so soll die Kündigung schriftlich der Regierung der Niederlande erklärt werden, die unverzüglich beglaubigte Abschriften der Erklärung allen anderen Mächten mitteilt und ihnen zugleich bekanntgibt, an welchem Tage sie die Erklärung erhalten hat.

Die Kündigung soll nur in Ansehung der Macht wirksam sein, die sie erklärt hat, und erst ein Jahr, nachdem die Erklärung bei der Regierung der Niederlande eingegangen ist.

Artikel 13.

Art. 13

Ein im niederländischen Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten geführtes Register soll den Tag der gemäß Artikel 9, Absatz 3 und 4, vorgenommenen Hinterlegung von Ratifikationsurkunden angeben sowie den Tag, an dem die Anzeigen von dem Beitritte (Artikel 10, Absatz 2) oder von der Kündigung (Artikel 12, Absatz 1) eingeganen sind.

Jede Vertragsmacht hat das Recht, in dieses Register Einsicht zu nehmen und beglaubigte Auszüge daraus zu verlangen.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Übereinkommen mit ihren Unterschriften versehen.

Geschehen im Haag am achtzehnten Oktober neunzehnhundertsieben in einer einzigen Ausfertigung, die im Archiv der Regierung der Niederlande hinterlegt bleiben soll und wovon beglaubigte Abschriften den zur Zweiten Friedenskonferenz eingeladenen Mächten auf diplomatischem Wege übergeben werden sollen.