BUNDESMINISTERIUM FÜR
AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN
Zl. 212.24.01/8-IV.2/90
Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten entbietet der Türkischen Botschaft seine Empfehlungen und beehrt sich, folgendes mitzuteilen:
Am 17. Mai 1954 ist das Abkommen zwischen der österreichischen Regierung und der türkischen Regierung über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges *) in Kraft getreten. Das Abkommen gestattet den Angehörigen beider Staaten die sichtvermerksfreie Einreise mit einem gültigen Reisepaß und einen anschließenden dreimonatigen Aufenthalt. Die Aufhebung der Sichtvermerke gilt für Touristen- und Geschäftsreisen. Diese Sichtvermerks-Freiheit befreit die Angehörigen eines der beiden Staaten bei Reisen in den anderen Staat nicht von der Verpflichtung, die österreichischen bzw. türkischen Gesetze und Vorschriften betreffend die Einreise, den Aufenthalt der Fremden sowie die Ausübung irgendeiner auf Gewinn gerichteten Betätigung oder einer bezahlten Beschäftigung einzuhalten.
Die sichtvermerksfreie Einreise mit einem anschließenden drei Monate nicht übersteigenden Aufenthalt gilt auch auf Grund des Europäischen Abkommens über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates vom 13. Dezember 1957, welchem Österreich seit 1958 und die Türkei seit 1961 als Vertragschließenden Parteien angehören.
In den letzten Monaten ist der Zustrom türkischer Staatsangehöriger nach Österreich sehr stark angestiegen, die zum größten Teil versuchen, mit Hilfe von Mittelsmännern illegal in andere westeuropäische Staaten zu gelangen.
Ein erheblicher Teil der sichtvermerksfrei in Österreich eingereisten türkischen Staatsangehörigen beantragt in Österreich politisches Asyl, um zumindest eine vorübergehende Aufenthaltsbewilligung zu erhalten und sich vor der Repatriierung in die Türkei zu schützen.
Die östereichische Regierung hat sich unter diesen Umständen genötigt gesehen, am 16. Jänner 1990 den Beschluß zu fassen, das eingangs zitierte bilaterale Abkommen gemäß Punkt 4, 1. Absatz, hinsichtlich türkischer Staatsangehöriger mit Ausnahme der Inhaber von Diplomaten- und Dienstpässen vorübergehend aufzuheben sowie das Europäische Abkommen über die Regelung des Personenverkehrs **) gemäß Artikel 7 im Verhältnis zur Türkei auszusetzen.
Diese Maßnahmen treten am 17. Jänner 1990 um 0.00 Uhr in Kraft und gelten zunächst für die Dauer von drei Monaten.
Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten benützt diese Gelegenheit, der Türkischen Botschaft die Versicherung seiner ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern.
Wien, am 16. Jänner 1990
L. S.
An die Türkische Botschaft
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*) Kundgemacht in BGBl. Nr. 194/1955
**) Kundgemacht in BGBl. Nr. 175/1958
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