Gewo 1859
§. 72.
§ 73Hilfsarbeiter.
§ 76Pflichten der Hilfsarbeiter.
§ 78Lohnzahlungen.
§ 78a§. 78a.
§ 78b§. 78b.
§ 78cRichtigkeit von Verträgen.
§ 78dFolgen der Nicht-Barzahlungen an Hilfsarbeiter.
§ 78eNichtklagbarkeit der Forderungen für creditirte Waaren.
§ 82Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
§ 82a§. 82a.
§ 83§. 83.
§ 84§. 84.
§ 86§. 86.
§ 88Arbeiterverzeichnisse.
§ 90Conventional-Geldstrafen.
§ 91Stellvertreter der Gewerbsinhaber.
§ 92Kaufmännisches Hilfspersonale.
Die Festsetzung der Verhältnisse zwischen den selbstständigen Gewerbetreibenden und ihren Hilfsarbeitern ist innerhalb der durch die Gesetze gezogenen Gränzen Gegenstand freier Uebereinkunft.
Schriftliche Ausfertigungen derartiger Vereinbarungen sind von Stempel- und Rechtsgebühren befreit.
In Ermanglung einer Uebereinkunft entscheiden zunächst die dafür erlassenen besonderen Vorschriften, dann das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch.
Unter Hilfsarbeitern werden in diesem Gesetze alle Arbeitspersonen, welche bei Gewerbsunternehmungen in regelmäßiger Beschäftigung stehen, ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes verstanden, und zwar:
a) Gehilfen (Handlungsgehilfen, Gesellen, Kellner, Kutscher bei Fuhrgewerben und dergl.);
b) Fabriksarbeiter;
c) Lehrlinge;
d) jene Arbeitspersonen, welche zu untergeordneten Hilfsdiensten beim Gewerbe verwendet werden [ohne zu den im Artikel V, lit. d) des Einführungsgesetzes zur Gewerbeordnung bezeichneten Personen gehören].
Zu den Hilfsarbeitern gehören auch die Arbeitspersonen, welche bei solchen Gewerbsunternehmungen regelmäßig beschäftigt sind, die von den im Artikel V des Einführungsgesetzes zur Gewerbeordnung aufgeführten physischen oder moralischen Personen neben den der Gewerbeordnung nicht unterliegenden Beschäftigungen oder Unternehmungen dieser Personen betrieben werden.
Die für höhere Dienstleistungen in der Regel mit Jahres- oder Monatsgehalt angestellten Individuen, wie: Werkführer, Mechaniker, Factoren, Buchhalter, Cassiere, Expedienten, Zeichner, Chemiker und dergl. werden unter Hilfsarbeitern nicht begriffen.
Die Hilfsarbeiter sind verpflichtet dem Gewerbsinhaber Treue, Folgsamkeit und Achtung zu erweisen, sich anständig zu betragen, die bedungene oder ortsübliche Arbeitszeit einzuhalten, die ihnen anvertrauten gewerblichen Verrichtungen nach besten Kräften zu besorgen, über die Betriebsverhältnisse Verschwiegenheit zu beobachten, sich gegen die übrigen Hilfsarbeiter und Hausgenossen verträglich zu benehmen und die Lehrlinge, sowie die unter der Aufsicht der Hilfsarbeiter arbeitenden Kinder gut zu behandeln. Zur Leistung von häuslichen Arbeiten, insofern diese nicht zum Gewerbsbetriebe gehören, sind die Hilfsarbeiter vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarung nicht verpflichtet.
Die Gewerbsinhaber sind verpflichtet, die Löhne der Hilfsarbeiter in barem Gelde auszuzahlen.
Sie können jedoch den Arbeitern Wohnung, Feuerungsmaterial, Benützung von Grundstücken, Arzneien und ärztliche Hilfe, sowie Werkzeuge und Stoffe zu den von ihnen anzufertigenden Erzeugnissen unter Anrechnung bei der Lohnzahlung nach vorausgegangener Vereinbarung zuwenden.
Die Verabfolgung von Lebensmitteln oder der regelmäßigen Beköstigung auf Rechnung des Lohnes kann zwischen dem Gewerbsinhaber und dem Hilfsarbeiter vereinbart werden, sofern sie zu einem die Beschaffungskosten nicht übersteigenden Preise erfolgt.
Dagegen darf nicht vereinbart werden, daß die Hilfsarbeiter Gegenstände ihres Bedarfes aus gewissen Verkaufstätten beziehen müssen.
Gewerbsinhaber dürfen den Arbeitern andere als die obbezeichneten Gegenstände oder Waaren und insbesondere geistige Getränke auf Rechnung des Lohnes nicht creditiren.
Die Auszahlung der Löhne in den Wirthshäusern und Schanklocalitäten ist untersagt.
Die Bestimmungen des §. 78 finden auch auf diejenigen Hilfsarbeiter Anwendung, welche außerhalb der Werkstätten für Gewerbsinhaber die zu deren Gewerbsbetriebe nöthigen Ganz- und Halbfabrikate anfertigen oder solche an sie absetzen, ohne aus dem Verkaufe dieser Waaren an Consumenten ein Gewerbe zu machen.
Die rücksichtlich der Gewerbsinhaber in den §§. 78 und 78a getroffenen Bestimmungen finden auch Anwendung auf Familienglieder, Gehilfen, Beauftragte, Geschäftsführer, Aufseher und Factoren der Gewerbsinhabern, sowie auf andere Gewerbetreibende, bei deren Geschäfte eine der hier erwähnten Personen unmittelbar oder mittelbar betheiligt ist.
Vertragsbestimmungen und Verabredungen, welche den Anordnungen der §§. 78 78a und 78b zuwiderlaufen, sind nichtig.
Hilfsarbeiter, deren Forderungen entgegen den Vorschriften der §§. 78, 78a und 78b anders als durch Barzahlung berichtigt wurden, können zu jeder Zeit die Bezahlung ihrer Forderungen in barem Gelde verlangen, ohne daß ihnen eine Einrede aus dem an Zahlungsstatt Gegebenen entgegengesetzt werden kann. Soweit das an Zahlungsstatt Gegebene bei dem Empfänger vorhanden ist, oder dieser daraus noch bereichert erscheint, fällt dasselbe oder dessen Werth der Krankenkasse zu die zur Durchführung der Krankenversicherung der Hilfsarbeiter gesetzlich berufen ist.
Forderungen für Gegenstände oder Waaren, welche ungeachtet des in den §§. 78, 78a und 78b enthaltenen Verbotes den Hilfsarbeitern creditirt wurden, können von Gewerbsinhabern und den ihnen gleichgestellten Personen weder eingeklagt, noch durch Anrechnung oder in anderer Weise geltend gemacht werden, ohne Unterschied, ob sie zwischen den Betheiligten unmittelbar entstanden sind oder mittelbar erworben wurden.
Dagegen fallen dergleichen Forderungen den im §. 78d bezeichneten Anstalten für ihre gesetzlichen Zwecke zu.
Vor Ablauf der ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Dauer des Arbeitsverhältnisses kann ein Hilfsarbeiter ohne Kündigung in folgenden Fällen sofort entlassen werden, wenn er:
a) bei Abschluß des Arbeitsvertrages den Gewerbsinhaber durch Vorzeigung falscher oder verfälschter Ausweiskarten oder Zeugnisse hintergangen oder ihn über das Bestehen eines anderen den Hilfsarbeiter gleichzeitig verpflichtenden Arbeitsverhältnisses in einen Irrthum versetzt hat;
b) zu der mit ihm vereinbarten Arbeit unfähig befunden wird;
c) der Trunksucht verfällt, und wiederholt fruchtlos verwarnt wurde;
d) sich eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig macht, welche ihn des Vertrauens des Gewerbsinhabers unwürdig erscheinen läßt;
e) ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis verräth oder ohne Einwilligung des Gewerbsinhabers ein der Verwendung beim Gewerbe abträgliches Nebengeschäft betreibt;
f) die Arbeit unbefugt verlassen hat oder beharrlich seine Pflichten vernachlässigt, oder die übrigen Hilfsarbeiter oder die Hausgenossen zum Ungehorsam, zur Auflehnung gegen den Gewerbsinhaber, zu unordentlichem Lebenswandel oder zu unsittlichen oder gesetzwidrigen Handlungen zu verleiten sucht;
g) sich einer groben Ehrenbeleidigung, Körperverletzung oder gefährlichen Drohung gegen den Gewerbsinhaber oder dessen Hausgenossen, oder gegen die übrigen Hilfsarbeiter schuldig macht, oder ungeachtet vorausgegangener Verwarnung mit Feuer und Licht unvorsichtig umgeht;
h) mit einer abschreckenden Krankheit behaftet ist, oder durch eigenes Verschulden arbeitsunfähig wird;
i) durch länger als vierzehn Tage gefänglich angehalten wird.
Vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Kündigung kann ein Hilfsarbeiter die Arbeit verlassen:
a) wenn er ohne erweislichen Schaden für seine Gesundheit die Arbeit nicht fortsetzen kann;
b) wenn der Gewerbsinhaber sich einer thätlichen Misshandlung oder einer groben Ehrenbeleidigung gegen ihn oder dessen Angehörige schuldig macht;
c) wenn der Gewerbsinhaber oder dessen Angehörige den Hilfsarbeiter oder dessen Angehörige zu unsittlichen oder gesetzwidrigen Handlungen zu verleiten suchen;
d) wenn der Gewerbsinhaber ihm die bedungenen Bezüge ungebührlich vorenthält oder andere wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt;
e) wenn der Gewerbsinhaber außer Stande ist, oder sich weigert, dem Hilfsarbeiter Verdienst zu geben.
Durch das Aufhören des Gewerbsbetriebes oder durch den Tod des Hilfsarbeiters erlischt das Arbeitsverhältnis von selbst.
Doch ist im Falle der vorzeitigen Entlassung des Hilfsarbeiters, sei es in Folge freiwilligen Aufgebens des Gewerbes oder in Folge einer Verschuldens des Gewerbsinhabers oder eines diesen treffenden Zufalls der Hilfsarbeiter berechtigt, für den Entgang der Kündigungsfrist Schadloshaltung zu beanspruchen.
Wenn der Gewerbsinhaber ohne einen gesetzlich zulässigen Grund (§§. 82 und 101) einen Hilfsarbeiter vorzeitig entläßt oder durch Verschulden von seiner Seite dem letzteren Grund zur vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses gibt (§. 82a), so ist er verpflichtet dem Hilfsarbeiter den Lohn und die sonst vereinbarten Genüsse für die ganze Kündigungsfrist, beziehungsweise für den noch übrigen Theil der Kündigungsfrist zu vergüten.
Wenn ein Hilfsarbeiter ohne gesetzlich zulässigen Grund (§§ 82 und 101) das Arbeitsverhältnis vorzeitig auflöst, so haftet für den gemäß § 1162a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches dem Hilfsarbeiter obliegenden Schadenersatz auch jener Gewerbeinhaber, der ihn zum Vertragsbruche verleitet hat oder ihn vor rechtmäßiger Beendigung des früheren Arbeitsverhältnisses in Kenntnis der unrechtmäßigen Lösung in Verwendung nimmt oder in Arbeit behält.
In jeder Gewerbsunternehmung ist über alle Hilfsarbeiter ein Verzeichnis in Buchform mit Angabe des Vor- und Zunamens, des Alters, der Heimatsgemeinde, der Gemeinde, welche die Ausweiskarte ausgestellt hat, des Eintrittes in die Gewerbsunternehmung, des Namens des Gewerbsinhabers, bei dem der Hilfsarbeiter zuletzt in Arbeit stand, der Verwendungsart im Gewerbe, der Krankencasse, welcher der Hilfsarbeiter angehört, und des Austrittes aus der Gewerbsunternehmung, zu führen und den behördlichen Organen auf jedesmaliges Verlangen vorzuweisen.
Die polizeilichen Meldungsvorschriften bleiben durch dieses Gesetz unberührt.
Die Conventional-Geldstrafen, welchen die Hilfsarbeiter bei Uebertretungen der Arbeitsordnung unterworfen wurden, sowie deren Verwendung, sind in ein Verzeichnis einzutragen, dessen Einsichtnahme der Behörde und den Hilfsarbeitern offen steht, und dessen Vorlage an die Gewerbsbehörde zu erfolgen hat, wenn sich ein Hilfsarbeiter durch die Einhebung oder Verwendung der Conventional-Geldstrafe für beschwert erachtet.
Was in diesem Abschnitte von Gewerbsinhabern als Arbeitgebern oder Lehrherren gesagt ist, gilt auch von deren Stellvertretern, insoweit nicht einzelne Bestimmungen der Natur der Sache nach nur auf die Person des Gewerbsinhabers Anwendung finden.
Auf die Handlungsgehilfen, Handlungslehrlinge und Handlungsdiener finden die Bestimmungen dieses Hauptstückes nur insoferne Anwendung, als in dem Handelsgesetzbuche nicht etwas Anderes angeordnet ist.