Anerkennung des Zustandekommens von Ehen rassisch oder politisch verfolgter Verlobter
(1) War es Verlobten in der Zeit vom 13. März 1938
§ 2(1) Unmöglichkeit der Eheschließung aus rassischen
§ 3Haben Verlobte, bei denen die Voraussetzungen des
§ 4(1) Wurde eine Ehe wegen eines Ehehindernisses der
§ 5Entscheidungen nach den §§ 1, 3 und 4 haben keine
§ 6(1) Anträge nach den §§ 1, 3 und 4 können nur bis
§ 7(1) Über Anträge nach den §§ 1, 3 und 4 entscheide
§ 8(1) Das Oberlandesgericht Wien übersendet eine Aus
§ 9Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind die
Vorwort
§ 1
(1) War es Verlobten in der Zeit vom 13. März 1938 bis 31. März 1945 nur aus rassischen oder politischen Gründen unmöglich, die Ehe miteinander zu schließen, so hat das Gericht auf Antrag auszusprechen, daß zwischen ihnen eine Ehe dennoch als zustandegekommen gilt. Voraussetzung für diesen Ausspruch ist, daß
1. zumindest einer der Verlobten ab 27. April 1945 österreichischer Staatsbürger war (§ 1 des Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetzes 1949);
2. die Verlobten in der Zeit der Behinderung
a) eine Trauung vor dem Seelsorger einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft erwirkt oder ihren Entschluß, eine eheliche Verbindung miteinander einzugehen, sonstwie nach dem Recht einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft erklärt hatten und die Trauung oder Erklärung in das konfessionelle Eheregister eingetragen worden ist,
b) vor dem Standesbeamten das Aufgebot bestellt oder bei der zuständigen Behörde die Genehmigung der Eheschließung beantragt hatten und über diese Vorgänge amtliche Urkunden errichtet worden waren oder
c) in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise nach außenhin ernstlich und bestimmt ihren Ehewillen bekundet haben und hiefür eindeutige und völlig unbedenkliche Beweismittel beigebracht werden können und
3. die Nachholung der Eheschließung nur wegen des Todes des einen Teiles verhindert worden ist.
(2) Die Ehe gilt an dem Tag als zustandegekommen, an dem die Verlobten die konfessionelle Eheschließungserklärung abgaben (Abs. 1 Z. 2 Buchstabe a), den Antrag auf Erlassung des Aufgebots oder der Genehmigung der Eheschließung stellten (Abs. 1 Z. 2 Buchstabe b) oder den Ehewillen bekundeten (Abs. 1 Z. 2 Buchstabe c). Läßt sich dieser Tag nicht einwandfrei feststellen, so ist der Tag maßgebend, der nach dem Ergebnis der Ermittlungen der wahrscheinlichste ist. Der Tag des angenommenen Zustandekommens der Ehe ist in jedem Fall in der Entscheidung festzustellen.
§ 2
(1) Unmöglichkeit der Eheschließung aus rassischen Gründen ist anzuerkennen, wenn ein Ehehindernis nach dem Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935, Deutsches RGBl. I S. 1146, oder der Ersten Verordnung zur Ausführung des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 14. November 1935, Deutsches RGBl. I S. 1334, vorlag, in den Fällen der §§ 4 und 6 der genannten Verordnung jedoch nur dann, wenn der Standesbeamte die Trauung nur aus diesen Gründen verweigert hat.
(2) Unmöglichkeit der Eheschließung aus politischen Gründen ist anzuerkennen, wenn einer der Verlobten wegen politischer Verfolgung durch den Nationalsozialismus unter falschem Namen, verborgen oder sonstwie außerhalb der bürgerlichen Ordnung leben mußte.
§ 3
Haben Verlobte, bei denen die Voraussetzungen des § 1, mit Ausnahme der Voraussetzung des Abs. 1 Z. 3, vorliegen, vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes die Eheschließung in der gesetzlichen Form nachgeholt, so hat das Gericht auf Antrag auszusprechen, daß die Ehe als mit dem nach § 1 Abs. 2 maßgebenden Tage zustandegekommen gilt. Dieser Tag ist in der Entscheidung festzustellen.
§ 4
(1) Wurde eine Ehe wegen eines Ehehindernisses der im § 2 Abs. 1 genannten Rechtsvorschriften für nichtig erklärt, haben aber dessenungeachtet die Ehegatten ihren Willen, die eheliche Verbindung aufrechtzuerhalten, ernstlich bekundet, so hat das Gericht auf Antrag auszusprechen, daß zwischen ihnen eine Ehe als zustandegekommen gilt. Der Tag der seinerzeitigen Eheschließung gilt für diese Ehe als Tag der Eheschließung.
(2) Haben die Ehegatten einer im Sinne des Abs. 1 für nichtig erklärten Ehe vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erneut miteinander die Ehe geschlossen, so hat das Gericht auf Antrag auszusprechen, daß diese Ehe als mit dem Tage der seinerzeitigen Eheschließung zustandegekommen gilt.
§ 5
Entscheidungen nach den §§ 1, 3 und 4 haben keine Rechtswirkung für das Erbrecht und für das eheliche Güterrecht. Für andere Rechte haben sie nur dann Rechtswirkung, wenn die antragstellende Partei im Antrag oder binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Nachfrist von mindestens drei Monaten unter genauer Bezeichnung des Anspruchs und des Schuldners erklärt, daß sie solche Rechte geltend zu machen beabsichtigt; auch bei rechtzeitiger Abgabe der Erklärung sind solche Rechte für die Vergangenheit jedenfalls auf einen Zeitraum von drei Jahren, vom Tage der Antragstellung zurückgerechnet, beschränkt.
§ 6
(1) Anträge nach den §§ 1, 3 und 4 können nur bis zum Ende des Jahres 1954 gestellt werden.
(2) Antragsberechtigt sind, vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3, im Falle des § 1 der überlebende Verlobte, in den übrigen Fällen die Ehegatten gemeinsam oder, falls einer von ihnen gestorben oder für tot erklärt (sein Tod bewiesen) worden ist, der überlebende Ehegatte. Sind beide Verlobte oder beide Ehegatten gestorben oder für tot erklärt (ihr Tod bewiesen) worden, so kann der Antrag von jedem gemeinschaftlichen Kinde gestellt werden.
(3) Kein Antragsrecht nach § 1 steht zu, wenn einer der Verlobten vor dem Tage des Todes (des vermuteten oder bewiesenen Todes) eines der Verlobten mit einer anderen Person eine Ehe geschlossen hat. Das Antragsrecht nach § 4 Abs. 1 steht nicht zu, wenn einer der beiden Ehegatten aus der für nichtig erklärten Ehe vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes, sollte aber der andere Ehegatte vorher gestorben oder für tot erklärt (sein Tod bewiesen) worden sein, vor dem Tage dessen Todes (des vermuteten oder bewiesenen Todes) mit einer anderen Person eine Ehe geschlossen hat. Das Antragsrecht nach den §§ 3 und 4 Abs. 2 steht nicht zu, wenn einer der Ehegatten vor der Nachholung (Erneuerung) der Eheschließung mit einer anderen Person eine Ehe geschlossen hat.
§ 7
(1) Über Anträge nach den §§ 1, 3 und 4 entscheidet das Oberlandesgericht Wien in einem Senat von drei Richtern. Es ist für das ganze Bundesgebiet zuständig. Die Bestimmung eines anderen Oberlandesgerichts im Sinne des § 31 Jurisdiktionsnorm ist nicht ausgeschlossen. Der Rechtszug gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts geht in zweiter Instanz an den Obersten Gerichtshof.
(2) Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen mit folgenden Besonderheiten:
1. Der von der antragstellenden Partei bezeichnete Schuldner (§ 5 zweiter Satz) ist als Partei dem Verfahren beizuziehen.
2. Beweisaufnahmen haben vor dem Senat des Oberlandesgerichts in mündlicher Verhandlung stattzufinden; im übrigen sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über den Beweis sinngemäß anzuwenden.
3. Die Verweisung auf den Rechtsweg ist ausgeschlossen.
4. Das Rechtsmittel der Vorstellung ist unzulässig.
(3) Für das Verfahren werden keine Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren erhoben.
§ 8
(1) Das Oberlandesgericht Wien übersendet eine Ausfertigung der rechtskräftigen Entscheidungen nach den §§ 1, 3 und 4 dem Standesamt. Zuständig ist jenes Standesamt, das für die Beurkundung der Eheschließung im Zeitpunkt der konfessionellen Eheschließungserklärung oder des Antrags auf Erlassung des Aufgebots oder der Genehmigung der Eheschließung (§ 1 Abs. 1) oder im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Ehenichtigkeitsurteils (§ 4 Abs. 1) für den Verlobten (Ehemann) oder, falls dieser im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, für die Verlobte (Ehefrau) zuständig gewesen wäre; hatte keiner der beiden Verlobten (Ehegatten) im Inland seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist das Standesamt Wien-Innere Stadt-Mariahilf zuständig. In den Fällen des § 3 und des § 4 Abs. 2 ist das Standesamt zuständig, bei dem die Eheschließung nachgeholt (erneuert) worden ist.
(2) Die Standesämter haben die ihnen gemäß Abs. 1 mitgeteilten Personenstandsfälle in die Personenstandsbücher einzutragen.
§ 9
Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind die Bundesministerien für Justiz, für Inneres und für Unterricht betraut.