JudikaturOPMS

Om1/12 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
25. April 2012

Kopf

Der oberste Patent und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Gabriele JAGETSBERGER, Dr. Friedrich JENSIK und Dr. Elisabeth LOVREK als rechtskundige Mitglieder und den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dipl.-Ing. Ferdinand KOSKARTI als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin   R *****, USA, vertreten durch Gibler Poth Patentanwälte OG, Dorotheergasse 7/14, 1010 Wien, gegen die Antragsgegnerin   C *****, Bulgarien, vertreten durch Herrn Erich Auer, Anton Baumgartner Straße 43/1, 1230 Wien, wegen Löschung der Marke Nr 258 756, über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 6. Juli 2011, GZ Nm 10/2011-2, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Nichtigkeitsabteilung mit der Fortführung des Verfahrens beauftragt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

G r ü n d e:

Am 10. Juli 2007 meldete der in Wien wohnhafte Erich Auer die Wortmarke RUSH für Waren der Klasse 12 beim Österreichischen Patentamt an (AM 4807/2007).

Mit Eingabe vom 3. März 2009 (ON 6 zu AM 4807/2007) beantragte er unter Vorlage der notariell beglaubigten „Umschreibungsbewilligung“ vom 1. Februar 2009 die Kenntnisnahme der Übertragung der Markenanmeldung auf die nunmehrige Antragsgegnerin C***** mit Sitz in Bulgarien. In der Umschreibungsbewilligung ist die Annahmeerklärung der Antragsgegnerin und die Bestellung Erich Auers zu deren Zustellungsbevollmächtigten enthalten. Die Annahmeerklärung und die Bestellung zum Zustellungsbevollmächtigten unterzeichnete Erich Auer als Geschäftsführer der Antragsgegnerin.

Mit interner Note vom 11. März 2009 hat der zuständige Markensachbearbeiter der Rechtsabteilung Österreichische Marken die Änderung der Inhaberin der Markenanmeldung zur Kenntnis genommen. Die Registrierung der Marke erfolgte am 8. September 2010, die Eintragung des Zustellungsbevollmächtigten in das Markenregister unterblieb, Name und Adresse des Zustellungsbevollmächtigten wurden lediglich auf dem Aktendeckel des Markenakts vermerkt.

Gestützt auf § 33 und § 34 MSchG beantragte die Antragstellerin am 16. Februar 2011 die gänzliche Löschung der Marke der Antragsgegnerin, die Streitanmerkung im Markenregister und Kostenersatz.

Die Nichtigkeitsabteilung verfügte die Zustellung des Antrags am 24. Februar 2011 und forderte die Antragsgegnerin zur Erstattung einer Gegenschrift innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung der Verfügung auf. Für den Fall, dass die Antragsgegnerin keine Gegenschrift einbringe, werde ohne weiteres Verfahren antragsgemäß gemäß § 42 Abs 3 MSchG die Löschung der Marke veranlasst. Die Bestellung eines berufsmäßigen Parteienvertreters bzw. eines in Österreich wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten wurde empfohlen.

Die Zustellung des Antrags erfolgte mit internationalem Rückschein an die Antragsgegnerin in *****, Bulgarien. In dem internationalen Rückschein ist eine Übernahme des Antrags am 7. März 2011 beurkundet; die Unterschrift des Empfängers ist unleserlich.

Nach ungenütztem Verstreichen der Zweimonatsfrist gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag mit Entscheidung vom 6. Juli 2011 statt und verfügte die Löschung der Marke mit Wirksamkeit vom Zeitpunkt ihrer Registrierung an und sprach der Antragstellerin Kosten von 1.986,44 EUR zu. Die Nichtigkeitsabteilung begründete ihre Entscheidung mit § 42 Abs 3 MSchG.

Die Zustellung der Entscheidung erfolgte ebenfalls mit internationalem Rückschein an die Antragsgegnerin in Bulgarien am 1. September 2011.

Mit Telefax vom 4. August 2011 brachte Erich Auer als Geschäftsführer und als Vertreter der Antragsgegnerin eine Gegenschrift ein, mit der er die Abweisung des Löschungsantrags beantragte.

Die mit Telefax vom 2. November 2011 gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung gerichtete Berufung der Antragsgegnerin strebt die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückverweisung der Angelegenheit zur Behandlung und Beschlussfassung an die Nichtigkeitsabteilung an. Hilfsweise wird die korrekte Zustellung des Löschungsantrags an den inländischen Zustellungsbevollmächtigten sowie Kostenersatz beantragt.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Antragsgegnerin macht zusammengefasst geltend, dass sie im Februar 2009 Erich Auer als inländischen Zustellungsbevollmächtigten benannt habe. Diesem sei der Löschungsantrag tatsächlich erst im Juli 2011 zugekommen. Davon ausgehend sei die Gegenschrift rechtzeitig erhoben worden. Die auf dem internationalen Rückschein aufscheinende Unterschrift sei nicht die Unterschrift des Zustellungsbevollmächtigten.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt.

1. Gemäß § 142 Abs 1 Z 7 PatG iVm § 42 Abs 1 MSchG ist über die auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften gegründete Berufung ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss zu entscheiden.

2. Bringt der belangte Markeninhaber innerhalb der ihm gesetzten Frist keine Gegenschrift ein, so hat die Nichtigkeitsabteilung gemäß § 42 Abs 3 MSchG ohne weiteres Verfahren antragsgemäß die gänzliche oder teilweise Löschung oder Übertragung der Marke zu verfügen oder die gänzliche oder teilweise Unwirksamerklärung der Marke nachträglich festzustellen.

2.1. Wie der Oberste Patent- und Markensenat in ständiger Rechtsprechung vertritt, findet in einem solchen Säumnisfall – anders als bei einer Säumnisentscheidung nach § 396 ZPO, die lediglich auf Grund der für wahr zu haltenden Tatsachenbehauptungen der erschienenen Partei, aber ohne Bindung an deren rechtliche Wertung zu erfolgen hat – keine materiellrechtliche Prüfung statt, ob die Voraussetzungen für die beantragte Löschung vorliegen. Der Berufungswerber kann nur die Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung erster Instanz erreichen, hier also die Überprüfung, ob die Voraussetzungen für eine Säumnisentscheidung nach § 42 Abs 3 MSchG vorliegen (Om 4/05 PBl 2006, 19 mwN; Kodek in Kucsko , marken.schutz 689).

2.2. Nach dem Inhalt des Markenakts (AM 4807/2007, ON 6) hat der frühere Markeninhaber am 3. März 2009 die Umschreibung der betroffenen Marke auf die nunmehrige Markeninhaberin und Antragsgegnerin beantragt und einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten – wie in § 61 Abs 4 MSchG vorgesehen – bestellt. Bei der Registrierung der Marke ist die neue Inhaberin in das Markenregister eingetragen worden, die Bestellung des Zustellungsbevollmächtigten wurde offenbar irrtümlich entgegen § 17 Abs 1 Z 4 MSchG nicht in das Markenregister eingetragen, sondern lediglich auf dem Aktendeckel vermerkt.

2.3. Die Nichtigkeitsabteilung hat den Löschungsantrag nicht dem Zustellungsbevollmächtigten, sondern der Antragsgegnerin zugestellt. Nach § 42 Abs 1 MSchG iVm § 85 PatG sind Zustellungen von Schriftstücken des Patentamts nach dem Zustellgesetz vorzunehmen. Gemäß § 9 Abs 1 ZustG hat, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, die Behörde diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht das nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

2.4. Da der im Markenverfahren genannte Zustellungsbevollmächtigte für die Entgegennahme von Zustellungen bestellt wurde, widersprach die an die Markeninhaberin selbst erfolgte Zustellung des Löschungsantrags § 9 Abs 1 ZustG, sie konnte daher die in § 42 Abs 3 MSchG vorgesehenen Rechtsfolgen nicht auslösen (Om 5/84 PBl 1984, 209).

2.5. Dem Zustellungsbevollmächtigten ist nach seinen – bisher nicht überprüften – Angaben der Löschungsantrag im Juli 2011 zugekommen, die Gegenschrift ist am 4. August 2011 an das Patentamt übermittelt worden. Zunächst wird daher zu klären sein, wann dem Zustellungsbevollmächtigten die Gegenschrift tatsächlich zukam. Erst dann lässt sich abschließend beurteilen, ob die zweimonatige Frist zur Erstattung einer Gegenschrift gewahrt wurde. Bejahendenfalls hat die Nichtigkeitsabteilung im fortgesetzten Verfahren die geltend gemachten Löschungsgründe inhaltlich zu prüfen.

3. Der Berufung ist daher Folge zu geben und die Markenrechtssache an die Nichtigkeitsabteilung zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO iVm §§ 122 Abs 1, 140 PatG.

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