OBm3/11 – OPMS Entscheidung
Kopf
Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Michael SACHS, Dr. Manfred VOGEL, Dr. Gottfried MUSGER als rechtskundige Mitglieder und die Rätin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Maria KRENN als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin Firma M***** G m b H , ***** Deutschland, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH, Tuchlauben 17, 1014 Wien, wegen Eintragung der Wortmarke ATELIER PRIVE, über die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Rechtsmittelabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 10. August 2011, Zl Bm 35/2009-1,2, womit die Beschwerde der Antragstellerin gegen den abweisenden Beschluss der Rechtsabteilung Österreichische Marken des Österreichischen Patentamtes vom 14. August 2009, GZ AM 2530/2008-6, auf Eintragung der am 4. April 2008 angemeldete Wortmarke ATELIER PRIVE abgewiesen und der angefochtene Beschluss bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die Entscheidung der Rechtsmittelabteilung des Österreichischen Patentamtes wird dahin abgeändert, dass dem am 4. April 2008 zu GZ AM 2530/2008 eingebrachten Antrag, die Wortmarke „ATELIER PRIVE“ in das Markenregister einzutragen, stattgegeben wird.
Die Beschwerdegebühr gemäß § 28 Abs 1 Z 1 und Z 4 Patentamtsgebührengesetz ist der Anmelderin zurückzuerstatten.
Text
G r ü n d e:
Die Montblanc-Simplo GmbH (in der Folge: Anmelderin) meldete das Zeichen „ATELIER PRIVE“ für die Waren der Klasse 18 „Waren aus Leder und Lederimitationen (soweit in Klasse 18 enthalten), insbesondere Brieftaschen, Geldbörsen, Kreditkarten- und Visitenkartenetuis, Aktentaschen, Aktenkoffer, Handtaschen; Lederbeutel, Reisetaschen, Schlüsseletuis, Rucksäcke, Ledertaschen, Lederbänder, Kästchen aus Leder und Ledergurte“ als Wortmarke an.
Die Rechtsabteilung Österreichische Marken des Österreichischen Patentamtes teilte der Anmelderin mit, dass das angemeldete Zeichen von den beteiligten Verkehrskreisen nicht als Unternehmenskennzeichen, sondern lediglich als allgemeiner Hinweis auf Waren einer beliebigen, in Privatbesitz befindlichen Werkstatt wahrgenommen werde. Es sei deshalb die Anmeldung gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG abzuweisen, soferne nicht der Nachweis der Verkehrsgeltung des Zeichens im Sinne des § 4 Abs 2 MSchG erbracht werde.
Die dagegen erhobene Berufung der Anmelderin wies die Rechtsmittelabteilung des Österreichischen Patentamtes mit der angefochtenen Entscheidung ab. Das als Wortmarke angemeldete Zeichen sei nicht kennzeichnungskräftig und werde vom Publikum nicht als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen aufgefasst. Die aus dem Französischen abzuleitenden Begriffe „ATELIER“ und „PRIVE“ seien in der Bedeutung „Werkstatt“ und „privat“ erkennbar; die beteiligten Verkehrskreise verstünden das Zeichen im Zusammenhang mit Waren der Klasse 18 daher als allgemeinen Hinweis auf in einer privaten Werkstatt bzw in einem privaten Betrieb hergestellte Waren und damit als Hinweis auf die Art der Produktionsstätte. Im Gegensatz zu fabriksgefertigten Massenprodukten betone der Hinweis auf eine private Werkstatt die handwerkliche und künstlerische Qualität der so bezeichneten Produkte, welche gerade bei Waren der genannten Klasse von den beteiligten Verkehrskreisen besonders geschätzt werde. Lederwaren seien zumeist höherpreisig, weshalb die Konsumenten unter der Bezeichnung „ATELIER PRIVE“ eine überdurchschnittliche, hochwertige Qualität erwarteten, nicht aber an das Atelier eines Künstlers (etwa eines Bildhauers, Malers oder Fotografen) dächten. Das Zeichen sei daher nicht unterscheidungskräftig und kein Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Die Anmelderin macht geltend, das Wort „ATELIER“ lasse den durchschnittlichen Konsumenten an Künstler, Kunstwerke, individuelle und nicht funktionsbezogene Werke denken. Der Zusatz „PRIVE“ verstärke die Rätselhaftigkeit und Phantasiehaftigkeit des Begriffs. Die Wortmarke bewirke romantische Vorstellungen und könne sich auf Werke beziehen, die der Künstler neben einem offiziellen, allgemein zugänglichen öffentlichen Atelier nur im privaten Bereich belassen wolle. „ATELIER PRIVE“ sei eine phantasievolle Wortschöpfung, kein beschreibender Hinweis auf das Produkt und dessen Beschaffenheit.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist berechtigt.
Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH C-108/97, Chiemsee). Die Unterscheidungskraft fehlt bei beschreibenden Zeichen (EuGH C-265/00, Biomild).
Als rein beschreibend gelten Zeichen, deren Begriffsinhalt die beteiligten Verkehrskreise zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen erschließen können und auf dieser Grundlage als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung, nicht jedoch als Herkunftsangabe, verstehen (RIS-Justiz RS109431, RS0066456, RS0117763). Die beteiligten Verkehrskreise müssen „sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen“ herstellen (EuGH C-326/01 P, Universaltelefonbuch; EuGH C-494/08 P, Pranahaus).
Enthält das Zeichen demgegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht rein beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung geschützt (4 Ob 116/03t – immofinanz; 17 Ob 27/07f – ländleimmo; RIS-Justiz RS0109431[T3]; OPM PBl 2002, 9 - Holztherm; OPM PBl 2002, 97 - DERMACURE). Bloße Andeutungen schaden daher in der Regel nicht, so lange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen. Stellt ein Zeichen nur einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Begriff her, ohne etwas Bestimmtes über Herstellung oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung auszusagen, liegt keine beschreibende Angabe vor (17 Ob 33/08i – happykauf mwN; OPM Om 10/09 – Lümmeltüten-Party).
Bei einer Zusammensetzung von zwei oder mehreren beschreibenden Begriffen ist maßgebend, ob die damit entstandene Gesamtaussage als Herkunftshinweis dienen kann (EuGH C-265/00, Biomild).
Ob einer Fremdsprache entnommene Begriffe Kennzeichnungskraft besitzen, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Identifizierungsfunktion (Kennzeichnungsfunktion) ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 80/93 - Karadeniz mwN; 4 Ob 325/99v - MANPOWER mwN; 4 Ob 277/04w – POWERFOOD).
Ob ein Zeichen zur Bezeichnung bestimmter Gattungen von Waren oder Dienstleistungen im Verkehr allgemein gebräuchlich ist, ist eine Rechtsfrage, wenn - wie hier - zu ihrer Beurteilung die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen (4 Ob 38/03x - music-channel.cc mwN; RIS-Justiz RS0043658).
Auf dieser Grundlage ist der beschreibende Charakter der angemeldeten Marke „ATELIER PRIVE“ für Waren der Klasse 18 zu verneinen. Das der französischen Sprache entstammende Zeichen mag zwar beim durchschnittlichen Konsumenten Assoziationen zum bekannten Begriff eines Ateliers als Ort künstlerischer Gestaltung erwecken, und es mag auch die deutsche Übersetzung von „privé“ als „privat“ geläufig sein. Die Bedeutung des Gesamtzeichens lässt aber ohne besondere gedankliche Operation nicht unmittelbar auf den Ort der Warenherstellung schließen, zumal Lederwaren gedanklich nicht unmittelbar mit einem Atelier in Verbindung gebracht werden und im Deutschen das Wort „Privatwerkstatt“ nicht geläufig ist.
Ist die angemeldete Marke demnach nicht geeignet, beim Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art der Herstellung der damit bezeichneten Waren hervorzurufen, ohne dass noch weitere Überlegungen über die mit dieser Wortverbindung gewollte oder erzielte Aussage erforderlich wären, besitzt sie Unterscheidungskraft. Damit liegen keine Eintragungshindernisse gemäß § 4 Abs 1 Z 4 und Z 5 MSchG vor; die Marke ist schutzfähig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 28 Abs 3 PAG. Die Beschwerdegebühr gemäß § 28 Abs 1 Z 1 und Z 4 PAG ist zurückzuerstatten, weil die Beschwerde Erfolg hatte und das Verfahren ohne Gegenpartei durchgeführt worden ist.