JudikaturOPMS

Om2/12 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
14. März 2012

Kopf

Der oberste Patent und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Michael SACHS, Dr. Manfred VOGEL, Dr. Gottfried MUSGER als rechtskundige Mitglieder und die Rätin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Ursula HUNGER als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragsteller 1. D r . A l*****,

2. M a g . M ***** und 3. M a g .  H *****, alle vertreten durch Lambert Rechtsanwälte OG, Kärntner Ring 12, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin  V ***** G m b H, *****, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Anton Krautschneider, Trautsongasse 6, 1080 Wien, betreffend Löschung der Marke Nr 255 709 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 7. Juni 2011, Nm 54/2010-4, entschieden:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern die mit 3.130,19 EUR (darin enthalten 521,70 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Die V***** GmbH (in der Folge: Antragsgegnerin) ist Inhaberin der Wortbildmarke Nr 255 709 mit Priorität vom 30. Oktober 2009 für die Waren der Klasse 30 (Mehlspeisen, Museum-Torten) sowie der Klasse 43 (Verpflegung von Gästen in Cafés):

Die Antragsgegnerin hat von Dr. A*****, Mag. M***** sowie Mag. H***** (in der Folge: Antragsteller) mit Pachtvertrag vom 15. Juli 2003 das "Cafe Museum" in Wien gepachtet und diesen Pachtvertrag mit Schreiben vom 22. Juni 2009 zum 31. Dezember 2009 aufgekündigt.

Am 19. Mai 2010 beantragten die Antragsteller die Löschung der Marke der Antragsgegnerin gemäß §§ 31, 32, 33c und 34 MSchG. Das Unternehmen "Cafe Museum" sei seit 1906 ununterbrochen im Familienbesitz der Antragsteller und als traditionsreiches Wiener Kaffeehaus bekannt. Das Kennzeichen "Cafe Museum" besitze gegenüber der Marke der Antragsgegnerin die bessere Priorität als älteres, nicht registriertes Zeichen gemäß § 31 MSchG sowie als älterer Handelsname gemäß § 32 MSchG und stehe ausschließlich den Antragstellern zu; es werde von den beteiligten Verkehrskreisen als Kennzeichen der Waren und Dienstleistungen des Unternehmens der Antragsteller wahrgenommen. Die Antragsteller hätten der bekämpften Markenanmeldung nicht zugestimmt. Die Benutzung der Marke sei geeignet, im geschäftlichen Verkehr Verwechslungen mit dem Unternehmenskennzeichen der Antragsteller hervorzurufen. Darüber hinaus bestehe die Gefahr der Irreführung gemäß § 33c MSchG. Die Antragsgegnerin sei bösgläubig im Sinne des § 34 MSchG vorgegangen: Die Markenanmeldung sei nach Kündigung des Pachtvertrags, aber noch während der Kündigungsfrist erfolgt, die Antragsgegnerin habe bei der Markenanmeldung nicht nur offensichtlich in Behinderungsabsicht, sondern auch in sittenwidriger Verletzung der sich aus dem Pachtvertrag ergebenden Treue- und Interessenwahrungspflichten gehandelt.

Die Antragsgegnerin trat dem Löschungsantrag entgegen. Ihre Marke kollidiere nicht mit der Etablissementbezeichnung des Unternehmens der Antragsteller. Unter dem Schlagwort "Cafe Museum" verstünden kunstgebildete Kreise das nach Entwürfen von Adolf Loos hergestellte Interieur und Mobili-ar des Kaffeehauses. Die beteiligten Verkehrskreise verbänden mit dem Zeichen "Cafe Museum" keineswegs das Unternehmen der Antragsteller; auch sei die Etablissementbezeichnung nur im näheren Umfeld und keineswegs österreichweit bekannt, weshalb sie auch keine Verkehrsgeltung besitze.

Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes gab dem Löschungsantrag statt. Es liege der Löschungsgrund des § 34 MSchG vor. Die Kennzeichnung "Cafe Museum" sei für das traditionelle Wiener Kaffeehaus der Antragsteller im ersten Wiener Bezirk über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und werde vom Publikum nicht auf Einrichtungsgegenstände, sondern auf das Unternehmen der Antragsteller bezogen. Durch die Anmeldung einer Marke, für deren Eindruck die mit der Etablissementbezeichnung identen Worte prägend seien, dies zum Zeitpunkt des zwar noch bestehenden, aber bereits von der Antragsgegnerin gekündigten Pachtvertrags, habe die Antragsgegnerin offenkundig gegen Loyalitätspflichten aus dem Pachtvertrag verstoßen. Die Markenanmeldung ermögliche es der Antragsgegnerin, den Antragstellern den österreichischen Markt zu verschließen und gleichzeitig ihre eigene wettbewerbsrechtliche Stellung zu verbessern. Die Antragsgegnerin habe die Position der Antragsteller wenn schon nicht zu schützen, so zumindest zu respektieren gehabt. Der Nachweis der Behinderungsabsicht sei unter diesen Umständen nicht erforderlich.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Antragsgegnerin ist nicht berechtigt.

Die Antragsgegnerin macht geltend, die eigentümliche Gestaltung der Marke stamme von Adolf Loos und diene als Kennzeichnung der Waren und Dienstleistungen des Unternehmens. Die Wortfolge "Cafe Museum" sei ohne grafische Gestaltung für sich allein als rein beschreibend ohne Verkehrsgeltung nicht schutzfähig; nur unter Beifügung eines Städtenamens werde das Zeichen auf ein bestimmtes Unternehmen bezogen. Das Zeichen könne daher nicht zu Sperrzwecken in Behinderungsabsicht eingesetzt werden. Eine Loyalitätsverpflichtung aus dem Pachtvertrag bestehe nicht: Zwar sei die Marke noch zum Zeitpunkt des bestehenden Pachtvertrages angemeldet worden, doch habe die Schutzdauer der Marke erst ab 11. März 2010 begonnen. Auch hätten die Antragsteller ihr Unternehmen nicht mit der historischen Innenausstattung von Adolf Loos betrieben. Damit scheide ein sittenwidriger Markenrechtserwerb aus. Die Antragsgegnerin beabsichtige, die von ihr selbst recherchierte und entwickelte Ausstattung nach Adolf Loos unter dem in Kunstkreisen allgemein bekannten und vom genannten Künstler selbst geschaffenen Zeichen zu vertreiben; sie verstoße damit nicht gegen Verpflichtungen aus dem Pachtvertrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Patent- und Markensenat hat erwogen:

Sittenwidrig und damit auch bösgläubig im Sinne des § 34 MSchG ist ein Markenrechtserwerb dann, wenn der Erwerber - in welcher Weise auch immer - zur Wahrung der geschäftlichen Interessen eines anderen, der das Zeichen schon gebraucht hat, verpflichtet ist oder war, dessen ungeachtet jedoch das Markenrecht an diesem oder einem ähnlichen Zeichen für gleiche oder gleichartige Waren ohne Zustimmung des bisherigen Benutzers erwirbt (OPM Om 16/10; vergleiche RIS-Justiz RS0109597[T1]).

Unter den Tatbestand des bösgläubigen Markenerwerbs im Sinne des § 34 MSchG fällt insbesondere die Markenanmeldung unter Verletzung von Loyalitätspflichten (4 Ob 28/06f = SZ 2006/61 – Firekiller; 4 Ob 89/06a = ÖBl 2007, 27 [Gamerith] – grüngeflammt).

Für die Beurteilung der Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung ist die Absicht des Anmelders zum Zeitpunkt der Anmeldung zu berücksichtigen, wobei dieses subjektive Tatbestandsmerkmal anhand der objektiven Fallumstände bestimmt werden muss (EuGH C-529/07, Lindt Sprüngli, Rn 41 f).

Der Begriff „Bösgläubigkeit" deutet zwar auf das Erfordernis subjektiver Vorwerfbarkeit; diese kann aber bei der Verletzung von Loyalitätspflichten zumindest bis zum Beweis des Gegenteils unterstellt werden. § 34 MSchG ist somit nicht auf den absichtlichen Behinderungswettbewerb beschränkt, sondern erfasst auch die Anmeldung unter Verletzung von Loyalitätspflichten (RIS-Justiz RS0120716).

Der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts und den Antragstellern ist darin beizupflichten, dass hier Loyalitätspflichten der Antragsgegnerin gegenüber den Antragstellern auf Grund des mittlerweile beendeten Pachtverhältnisses bestanden. Das Unternehmen der Antragsteller wird von Verkehrskreisen, die weit über Wien hinausreichen, mit dem Namen des Jugendstilkünstlers Adolf Loos als Schöpfer von Innenausstattung und Mobiliar in Verbindung gebracht. Die bekämpfte Marke der Antragsgegnerin ist in offensichtlicher Anlehnung an Grafikelemente des Jugendstils (Schriftbild, rechteckiger Rahmen) gestaltet worden und für Waren und Dienstleistungen geschützt, die auch das Unternehmen der Antragsteller anbietet. Unter diesen Umständen widerspricht es den aus einem mehrjährigen Pachtverhältnis entspringenden Loyalitätspflichten, wenn der Pächter des Unternehmens die Marke noch während aufrechten Pachtverhältnisses ohne Zustimmung des Verpächters anmeldet und damit dessen Spielraum in sittenwidriger Weise einschränkt, Waren und Dienstleistungen seines mehr als hundert Jahre bestehenden Unternehmens künftig selbst unter Verwendung seiner eingeführten Etablissementbezeichnung in einer an den Jugendstil anklingenden Gestaltung zu vermarkten.  Erschwerend ins Gewicht fällt weiters, dass die Antragsgegnerin selbst das Ende des Pachtverhältnisses herbeigeführt hat, was darauf schließen lässt, ihre Markenanmeldung diene auch dazu, die Marktposition der Antragsteller nach Auslaufen des Pachtverhältnisses zu beeinträchtigen. Das Verhalten der Antragsgegnerin erfüllt daher den Tatbestand des Löschungsgrundes nach § 34 MSchG.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 42 Abs 1 MSchG iVm §§ 122 Abs 1, 140 PatentG und §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt unter Bedachtnahme auf § 5 Z 14 AHK 36.000 EUR.

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