JudikaturOPMS

Om6/11 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
31. August 2011

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Hon.-Prof. Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Mag. Wolfgang BONT, Hofrätin des OGH Dr. Elisabeth LOVREK und Hofrat des OGH Dr. Manfred VOGEL als rechtskundige Mitglieder und den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dipl. Ing. Christian KÖGL als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin   E *****, Frankreich, vertreten durch Haffner und Keschmann Patentanwälte OG, Schottengasse 3a, 1014 Wien, wider den Antragsgegener   W *****, vertreten durch Dr. Bernhard HUBER, Mag. Christian EBMER, Mag. Eva HUBER-STOCKINGER, Dr. Elisabeth ACHATZ, Dr. Hans Peter WÖSS, Rechtsanwälte, Schillerstraße 12, 4020 Linz, wegen Löschung der österreichischen Marken Nr 233 388, 244 756 und 244 758, über die Berufung der Antragstellerin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 28. September 2010, Zl Nm 20-22/2009-8, entschieden:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegener die mit 3.890,68 EUR (darin enthalten 648,44 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Gründe

Die Antragstellerin ist Inhaberin der internationalen Wortmarke Nr 714 158 „EVOLUTION“ mit Priorität vom 16. Dezember 1998. Die Wortmarke ist für folgende Waren registriert:

Cl. 1: Additives for motor fuel, chemical additives used for reducing fuel pollutant emissions, chemical additives for reducing fuel consumption. / Additifs pour carburants, additifs chimiques visant a réduire les émissions polluantes des carburants, additifs chimiques visant à diminuer la consommation des carburants.

Cl. 4: Industrial oils and greases; lubricants; fuel (including engine fuel); unleaded premium fuel, none of the aforesaid being for the use as lamp oils. / Huiles et graisses industrielles; lubrifiants; combustibles (y compris les essence pour moteurs); supercarburants sans plomb, aucun des produits précités n`étant destiné à être utilisé comme pétrole lampant.

In deutscher Übersetzung lautet das Warenverzeichnis wie folgt:

Kl. 1: Zusätze für Motorenkraftstoffe, chemische Zusätze zur Verringerung der Abgasemissionen, chemische Zusätze für die Verringerung des Brennstoffverbrauchs.

Kl. 4: Industrielle Öle und Fette; Schmiermittel; Brennstoffe (einschließlich Kraftstoffe für Motoren); unverbleite Supertreibstoffe, keine der vorgenannten Waren zur Verwendung als Lampen-Petroleum/-öl.

Der Antragsgegner ist Inhaber der folgenden Wortbildmarken:

Nr 233 388

mit Priorität vom 12. Mai 2006,

Nr 244 756

und Nr 244 758

jeweils mit Priorität vom 10. März 2008.

Die Registrierung erfolgte für folgende Waren:

Kl. 4: Brennöle; Öle für technische Zwecke; Schmieröle;

Kl. 6: Ölbehälter und Öltanks aus Metall, für Motoren, Heizungen und für die Stromerzeugung;

Kl. 20: Ölbehälter und Öltanks nicht aus Metall, für Motoren, Heizungen und für die Stromerzeugung;

Die Marken Nr 244 756 und Nr 244 758 sind darüber hinaus in Klasse 4 noch für Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe) registriert.

Die Antragstellerin beantragt die gänzliche Löschung dieser Marken. Ihre ältere Wortmarke unterscheide sich von den jüngeren Wortbildmarken der Antragsgegnerin nur durch den zugefügten Anfangsbuchstaben „r“ und die zwei Punkte auf dem Buchstaben „o“ („revölution“), durch die Benutzung von Kleinbuchstaben sowie die Hervorhebung der Buchstabenfolge „öl“ bzw „oel“ und „oil“ in Fettdruck. In klanglicher Hinsicht bestünden keine Unterschiede. Der begrifflichen Bedeutung der Antragsmarke werde lediglich ein verstärkendes Moment hinzugefügt. Bei den Waren der Klasse 4 bestehe eine hochgradige Warenähnlichkeit; bei jenen der Klassen 6 und 20 eine enge Warenverwandtschaft.

Der Antragsgegner wendet ein, es bestehe keine Zeichenähnlichkeit: Durch den Anfangsbuchstaben „r“ verschiebe sich bei der angefochtenen Marke Nr 233 388 die Betonung auf die erste Silbe. In bildlicher Hinsicht unterscheide sich die bekämpfte Marke durch die Hervorhebung des Wortteiles „öl“ in Fettdruck, den Anfangsbuchstaben „r“ sowie die beiden Punkte auf dem „o“. Diese zusätzlichen Zeichen prägten den Gesamteindruck. „Evolution“ bedeute eine langsame Entwicklung,  „Revolution“ eine abrupte und bahnbrechende Neuerung. Bezüglich der Klassen 6 und 20 fehle es überdies an Ähnlichkeit.

Die Nichtigkeitsabteilung wies den Löschungsantrag ab. Die Marke „Evolution“ weise eine gewisse, wenngleich geringe Unterscheidungskraft auf. Die Marken des Antragsgegners seien mangels charakteristischer bildhafter Ausgestaltung als reine Wortmarken zu behandeln. Angesichts des unterschiedlichen Wortanfangs entstehe im Verhältnis zur Marke der Antragstellerin ein optisch unterschiedliches Bild. Durch den phonetischen Unterschied in der Aussprache sei auch in klanglicher Hinsicht nur eine geringe Ähnlichkeit gegeben. Das die Unterscheidungskraft der angefochtenen Marken prägende Element liege nicht in der Bedeutung des Wortes „Revolution“, sondern in der eigenartigen, individuellen und phantasievollen Verknüpfung der Wörter Revolution mit „Öl“. Warenähnlichkeit bestehe bei den in Klasse 6 und Klasse 20 registrierten Marken des Antragsgegners nicht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Antragstellerin mit einem Abänderungsantrag.

Der Antragsgegner beantragt in seiner Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Gemäß § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann der Inhaber einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke begehren, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

2. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der ihr folgenden Rechtsprechung der nationalen Gerichte folgende Grundsätze maßgeblich:

2.1. Für den Begriff der Verwechslungsgefahr gilt gemeinschaftsweit ein einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat. Danach ist – ebenso wie nach ständiger österreichischer Rechtsprechung – die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft sowie Bekanntheitsgrad auf dem Markt und der Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen, Bedacht zu nehmen ist. So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (RIS-Justiz RS0121482; weitere Nachweise bei Schumacher in Kucsko , marken.schutz 210 Fn 77).

2.2. Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Warenidentität einschließlich hochgradiger Warenähnlichkeit ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Warenabstand (17 Ob 20/08b – Botox; RIS-Justiz RS0116294).

2.3. Ob die Waren oder Dienstleistungen ähnlich sind, ist anhand objektiver, auf die Waren selbst bezogener Kriterien zu beurteilen. Als relevante Faktoren kommen dabei insbesondere die Gemeinsamkeit der Waren nach ihrer stofflichen Beschaffenheit, ihrem Verwendungszweck, ihrer Vertriebsstätte und Nutzung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren in Betracht (4 Ob 18/02d – Opus One mwN).

2.4. Verwechslungsgefahr ist in der Regel dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (17 Ob 36/08f – Cobra). Es ist zu prüfen, welcher Einfluss den einzelnen Markenbestandteilen auf den Gesamteindruck des Zeichens zukommt, den ein Durchschnittsverbraucher, der die Ware normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf Einzelheiten achtet, von diesem Zeichen erhält. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beiden Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrgenommen werden und dass der Grad der Aufmerksamkeit von der Art der Ware oder Dienstleistung abhängt (RIS-Justiz RS0117324; 4 Ob 154/06k – Amadeus).

3. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ist die Verwechslungsgefahr mit der Nichtigkeitsabteilung zu verneinen:

3.1. Unstrittig ist, dass hohe Warenähnlichkeit der jeweils in Klasse 4 registrierten Waren der Parteien besteht.

3.2. Der Berufungswerberin ist zuzugestehen, dass ihrer Wortmarke durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukommt: Der Marke ist eine gewisse Originalität für die Bezeichnung von Öl und Schmiermitteln bzw für chemische Zusätze nicht abzusprechen.

3.3. Das Wortbild sämtlicher angegriffener Marken – deren grafische Gestaltung für den Gesamteindruck nicht bestimmend ist - wird durch die in Fettdruck hervorgehobenen Buchstaben, die jeweils einen eigenständigen Sinn ergeben („öl“; „oel“; „oil“) bestimmt. Insofern besteht ein deutlicher Abstand zur Wortmarke der Antragstellerin, der durch den hinzugefügten Anfangsbuchstaben „r“ und die Verwendung von Kleinbuchstaben verstärkt wird.

3.4. Klangliche Markenähnlichkeit kann sich aus der gleichen Folge von Vokalen und Konsonanten, einzelnen Silben oder Lauten – vornehmlich am Anfang oder Ende der Wortmarke – dem hellen oder dunklen, deutlich oder schwer wahrnehmbaren Klang, der Anzahl und Gliederung der Silben und Buchstaben, der Betonung und dem Klangrhythmus, also der im Verkehr üblichen Sprachweise, ergeben. Entscheidend ist auch hier der Gesamteindruck. Es ist daher verfehlt, übereinstimmende Zeichenbestandteile in einer zergliedernden Betrachtung isoliert zu beurteilen. Liegt auf dem Wortanfang die Betonung, ist dieser für den Gesamteindruck bedeutend ( Fezer , Markenrecht4 [2009] § 14 MarkenG Rz 497 f). Trotz gleicher Silbenanzahl und Identität der Endung, die grundsätzlich erheblichen Auffälligkeitswert hat ( Schumacher in Kucsko , marken.recht 251 mwN), steht hier im Vordergrund, dass der Umlaut „ö“ bzw die Varianten „oe“ und „oi“ eine geänderte klangliche Wiedergabe bewirken. Dazu kommt, dass diese Zeichenbestandteile den natürlichen Sprachfluss erschweren, also einen im Vergleich zur Marke der Antragstellerin geänderten Klangrhythmus herbeiführen. Der phonetische Gesamteindruck der angegriffenen Marken weicht daher von jenem der Marke der Antragstellerin ab.

3.5. Entgegen der in der Berufung vertretenen Auffassung kommt es hier nicht entscheidend auf den – nach Auffassung der Berufung nur geringen – Unterschied im Sinngehalt zwischen den Worten „Evolution“ und „Revolution“ an: Durch die Veränderung des Wortes „Revolution“ dahin, dass in den angegriffenen Marken jeweils in deutscher („öl“, „oel“) bzw englischer („oil“) Sprache selbständige Worte enthalten sind, die auf die in Klasse 4 eingetragenen Waren des Antragsgegners hinweisen, wird für den Durchschnittsverbraucher der Bedeutungsgehalt der Marken des Antragsgegners durch diese Wortfolge, nicht aber durch die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Revolution“ geprägt.

3.6. Daraus folgt zusammengefasst, dass die ältere Marke der Antragstellerin keine selbstständig kennzeichnende Stellung in den jüngeren Zeichen des Antragsgegners behält. Zutreffend hat die Nichtigkeitsabteilung daher erkannt, dass trotz hoher Ähnlichkeit der jeweils in Klasse 4 registrierten Waren nach dem maßgeblichen Gesamteindruck Verwechslungsgefahr zu verneinen ist. Ein näheres Eingehen auf die in der Berufung relevierte Frage der Warenähnlichkeit auch hinsichtlich der in Klasse 6 und Klasse 20 registrierten Marken des Antragsgegners erübrigt sich daher.

4. Aus diesen Gründen muss die Berufung der Antragstellerin scheitern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 42 Abs 1 MSchG iVm § 122 Abs 1 und § 140 Abs 1 PatG 1970.

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