JudikaturOPMS

Om4/11 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2011

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Mag. Wilfried KYSELKA, Dr. Elisabeth LOVREK und Dr. Gottfried MUSGER als rechtskundige Mitglieder und den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Erich TENGLER als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin Firma   L *****, Dänemark, vertreten durch Dr. Müllner Dipl.-Ing. Katschinka OEG, Patentanwaltskanzlei, Weihburggas-se 9, 1010 Wien, gegen den Antragsgegner Herrn   D *****, vertreten durch Eckert Partner Rechtsanwälte GmbH, Mariahilfer Straße 1b, 1060 Wien, wegen teilweiser Löschung der Marke Nr 221 360, über die Berufung des Antragsgegners gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 9. September 2010, GZ Nm 147/2006-5 entschieden:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die mit 2.268,25 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner binnen 14 Tagen die mit 70,20 EUR (darin 11,70 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Die Antragstellerin ist Inhaberin der folgenden österreichischen Wortmarken:

Nr 7 823 „LEO“, Priorität vom 2. Jänner 1934:

Kosmetische Präparate und Geräte, insbesondere Zahnpasta, Mundwasser, Zahnpulver, Zahnbürsten, Mundspülgläser, Zahnseife, Zahnstocher, Seifen aller Art, Hautcreme, Parfümerien, pharmazeutische Präparate.

Nr 106 465 „LEO“, Priorität vom 1. Juni 1983:

Klasse 5: Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke; Pflaster, Verbandsmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von Unkraut und schädlichen Tieren.

Der Antragsgegner ist Inhaber der österreichischen Wortmarke Nr 221 360 „LEO LÖWENZAHN“ mit Priorität vom 30. September 2004, geschützt unter anderem für folgende Waren:

Klasse 5: Babykost, Pflaster, Verbandsmaterial

Die Antragstellerin beantragt die Löschung der Marke des Antragsgegners im Umfang der Waren der Klasse 5. Sie stützt sich auf ihre älteren Marken, die zur Gänze in der jüngeren Marke des Antragsgegners enthalten seien. Der Begriff „LEO“ spiele dort keine untergeordnete Rolle. Auch die einander gegenüberstehenden Waren der Klasse 5 seien gleich oder zumindest ähnlich.

Der Antragsgegner wendet ein, es bestehe keine Warenähnlichkeit, da unterschiedliche Kundenkreise angesprochen würden. Die Antragstellerin vertreibe keine diätetischen Produkte und stelle auch keine her. Die Antragstellerin verwende „LEO“ nur zusammen mit graphischen Elementen; daher sei ein Vergleich mit der Bildmarke Nr 221 359 des Antragsgegners erforderlich. Insofern bestehe keine Verwechslungsgefahr. „LEO“ sei ein gebräuchlicher Vorname und die lateinische Übersetzung für „Löwe“, es fehle daher die Kennzeichnungskraft. Weiters spiele „LEO“ in der angefochtenen Marke eine vollkommen untergeordnete Rolle.

Die Nichtigkeitsabteilung gab dem Löschungsantrag statt. „LEO“ sei in jeder Bedeutung ein unterscheidungskräftiges Zeichen. Der Antragsgegner habe es unverändert in die angefochtene Marke übernommen. Auch Identität oder zumindest Ähnlichkeit der Waren sei gegeben. Daher bestehe mittelbare Verwechslungsgefahr.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Antragsgegners mit dem Antrag, die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung dahin abzuändern, dass der Antrag der Antragstellerin abgewiesen werde. Die Antragstellerin beantragt in der Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Nach § 30 Abs 1 MSchG kann der Inhaber einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke begehren, sofern entweder

(1)          die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich sind, oder

(2)          die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

2. Im Löschungsverfahren nach § 30 MSchG sind Einwendungen des Belangten gegen die Marke des Antragstellers so lange unbeachtlich, als er nicht seinerseits die entsprechenden Löschungsanträge gestellt hat. Ist das nicht der Fall, dann ist vom Rechtsbestand der Marke des Antragstellers auszugehen und nur zu prüfen, ob der Löschungstatbestand des § 30 MSchG vorliegt  (Om 2/90 ÖBl 1991, 157 – Innviertler Landbier; Om 8/10 PBl 2011, 41 – Cristal Cuvée). Der Einwand des Antragsgegners, die Wortmarken der Antragstellerin seien wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht schutzfähig, ist daher schon im Ansatz verfehlt. Abgesehen davon besteht auch kein Zweifel an der Bestandskraft der Marke „LEO“: Personennamen sind grundsätzlich unterscheidungskräftig (EuGH C-404/02, Nichols,  Slg 2004 I-08499; 17 Ob 20/10f ÖBl 2011, 127 – Max Justierfuß mwN); anderes gilt nur dann, wenn sie zugleich Sachangaben für die damit bezeichneten Waren oder Dienstleistungen sind ( Ingerl / Rohnke , MarkenG3 § 8 Rz 147 mwN; 17 Ob 20/10f – Max Justierfuß). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

3. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr sind folgende Grundsätze maßgebend:

3.1. Ob Verwechslungsgefahr besteht, ist nach einem unionsweit einheitlichen Maßstab unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Maßgebende Faktoren sind dabei die Identität oder der Ähnlichkeitsgrad der miteinander in Konflikt stehenden Zeichen, die Identität oder der Ähnlichkeitsgrad der jeweils erfassten Waren oder Dienstleistungen und die Bekanntheit der Marke, in die angeblich eingegriffen wird (EuGH C-39/97, Canon, Slg 1998 I-05507; 4 Ob 124/06y ÖBl 2007, 210 [ Gamerith ] - Hotel Harmonie mwN; RIS-Justiz RS0121482; zuletzt etwa 17 Ob 20/08b ÖBl 2009, 180 [ Schnider / Kresbach ] – BOTOX, und 17 Ob 21/10b).

3.2. Wird eine Marke vollständig in ein anderes Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig - und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind - Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b ÖBl 2004/24 - Gotv; RIS-Justiz RS0079033). Bei Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (17 Ob 1/08h ÖBl 2009, 83 – FEELING/FEEL; 17 Ob 22/07w SZ 2007/197 - personalshop.de; OPM Om 15/01 PBl 2002, 135 - Jack Jones). Der Europäische Gerichtshof hat diese Auffassung in der Entscheidung C-120/04 (Thomson life, Slg 2005 I 08551) im Kern bestätigt. Danach kann bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält. Der Europäische Gerichtshof bejaht dies auch dann, wenn die Unternehmensbezeichnung das zusammengesetzte Zeichen wegen ihrer Bekanntheit dominiert (C-120/04, Thomson life, Rz 34; 17 Ob 16/07p SZ 2007/123 – KitKat).

3.3. Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (EuGH C-39/97, Canon, Slg 1998 I-05507, Rz 23).

3.4. Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Auffassung ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr in erster Linie der Registerstand maßgebend (NA PBl 1967,101; OPM PBl 1978, 106 - Südleiten/Sandleiten; NA PBl 1988, 165 ua). Auf die in der Berufung ausführlich erörterte konkrete Verwendung der Marken könnte es nur dann ankommen, wenn der Antragsteller eine durch Benutzung erhöhte Kennzeichnungskraft geltend macht. Das ist hier nicht der Fall. Weiters ist im vorliegenden Registerverfahren unerheblich, ob und für welche Waren die Parteien ihre Marken tatsächlich verwenden. Maßgebend ist auch hier der Registerstand. Eine Nichtbenutzung der Marke der Antragstellerin für bestimmte Waren könnte zwar zu einer Löschung nach § 33a MSchG führen. Im Löschungsverfahren nach § 30 MSchG wäre das aber nur dann zu berücksichtigen, wenn der Antragsgegner einen entsprechenden Antrag gestellt hätte (Om 8/10 – Cristal Cuvée).

4. Auf dieser Grundlage ist die Verwechslungsgefahr zu bejahen.

4.1. Die Marke „LEO“ hat zumindest normale originäre Kennzeichnungskraft. Der Antragsgegner hat diese Marke unverändert in seine Wortmarke übernommen; deren weiterer Bestandteil „LÖWENZAHN“ hat nur geringe Kennzeichnungskraft, da er auch als Hinweis auf einen Bestandteil der mit der Marke bezeichneten Waren gedeutet werden kann. Der Bestandteil „LEO“ behält daher auch in der Marke des Antragsgegners eine selbständig kennzeichnende Stellung. Auf dieser Grundlage ist eine hohe Zeichenähnlichkeit anzunehmen.

4.2. Die Marke der Antragsgegnerin ist für „Babykost, Pflaster und Verbandsmaterial“ geschützt. Pflaster und Verbandsmaterial fallen auch in den Schutzbereich der älteren Marke Nr 106 465 der Antragstellerin; insofern liegt daher Warenidentität vor. Bei „Babykost“ besteht nach den oben dargelegten Grundsätzen hohe Ähnlichkeit mit „diätetische Erzeugnisse für Kinder“ in der Marke Nr 106 465 der Antragstellerin (vergleiche NA Nm 108/93; Kronberger/König , Markensammlung zur Warenähnlichkeit [2008] E 723). Denn in beiden Fällen handelt es sich um Lebensmittel für Kinder; diätetische Kindernahrung und (allgemeine) Babykost sind einander ergänzende Waren.

4.3. Die Ähnlichkeit der Zeichen und die Identität bzw Ähnlichkeit der Waren begründen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 30 Abs 1 Z 2 MSchG. Die Berufung des Antragsgegners muss daher scheitern.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 42 Abs 1 MSchG iVm § 122 Abs 1 und § 140 Abs 1 PatG sowie § 41, § 50 Abs 1 und § 54 Abs 1a ZPO. Umsatzsteuer wurde nicht verzeichnet. Für das Berufungsverfahren gebühren nach der jüngeren Rechtsprechung nicht Kosten auf Basis von TP 3C, sondern nur auf Basis von TP 3B RATG (Om 2/03 PBl 2004, 8). Die diesbezüglichen Einwendungen des Antragsgegners sind daher berechtigt. Da diese Einwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren, sind sie auf Grundlage ihres Erfolgs (§ 11 RATG) nach TP 2 RATG zu honorieren (7 Ob 34/10s). Die dies ausschließende Regelung des § 54 Abs 1a Satz 4 ZPO in der Fassung Budgetbegleitgesetz 2011 ist nach dessen Art 39 Abs 10a noch nicht anzuwenden, weil der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (hier der Nichtigkeitsabteilung) vor dem 1. Jänner 2011 lag.

Rückverweise