JudikaturOPMS

OGM2/10 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
26. Januar 2011

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Rätinnen des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Elisabeth LOVREK und Dr. Gabriele JAGETSBERGER als rechtskundige Mitglieder sowie die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dipl.-Ing. Ferdinand KOSKARTI und

Dipl.-Ing. Christian KÖGL als fachtechnische Mitglieder in der Gebrauchsmusterrechtssache der Antragstellerin   P *****  G m b H ,  ***** vertreten durch die Patentanwälte Dipl.-Ing. Walter HOLZER, Dr. Elisabeth SCHOBER, Brigittenauer Lände 50, 1200 Wien, wider den Antragsgegner   D *****, wegen Nichtigerklärung des Gebrauchsmusters Nr 6 726, über die Berufung beider Parteien gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 1. Feber 2010, Zl NGM 13/2005-9,10,11, entschieden:

Spruch

Der Berufung des Antragsgegners wird nicht Folge gegeben.

Der Berufung der Antragstellerin wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung wird dahin abgeändert, dass das Gebrauchsmuster Nr 6 726 nicht nur in Bezug auf die Ansprüche 1 bis 5, 8 und 9, sonder auch in Bezug auf die Ansprüche 6, 7 und 10 für nichtig erklärt wird.

Hinsichtlich der Ansprüche 11 und 12 des Gebrauchsmusters Nr 6 726 wird der Antrag auf Nichtigerklärung abgewiesen.

Die Hilfsanträge des Antragsgegners, die im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung am 26. Jänner 2011 gestellt worden sind, werden zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 5.333,30 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens beider Instanzen (darin 753,94 EUR Umsatzsteuer und 809,58 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens sind sämtliche einen Formkörper betreffende Ansprüche des Gebrauchsmusters des Antragsgegners AT 006 726 U1 mit Priorität vom 19. Dezember 2002. Die Ansprüche lauten wie folgt:

1.           Formkörper mit einer Mehrzahl von im Inneren im wesentlichen para-llel zueinander verlaufenden, durchgehenden Kanälen bzw. Durchtrittsöff-nungen und mit einem von zu den Kanälen im wesentlichen parallel verlau-fenden Erzeugenden gebildeten Außenumfang, dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens eine Endfläche (4,8,11), an welcher die durchgehenden Kanäle (2) münden, mit von einer auf die Achsen der Kanäle (2) normal stehenden Ebene vorragenden Erhebungen bzw. Fortsätzen (5,9,12,14) und/oder gegenüber dieser Ebene abgesetzten Vertiefungen bzw. Ausneh-mungen (6,10, 13,15) ausgebildet ist.

2.           Formkörper nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Erhebungen bzw. Fortsätze (5, 9, 12, 14) und die Vertiefungen bzw. Ausnehmungen (6,10, 13,15) eine symmetrische, beispielsweise gitterartige, Struktur ausbilden.

3.           Formkörper nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Erhebungen bzw. Fortsätze (9,12,14) und Vertiefungen bzw. Ausneh-mungen (10,13, 15) mit abgerundeten oder abgeschrägten bzw. geneigten Kanten bzw. Ecken ausgebildet sind.

4.           Formkörper nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Erhebungen (9,12) oder Vertiefungen (10,13) wellenartig, insbesondere sinusförmig, oder zick-zack-artig ausgebildet sind.

5.           Formkörper nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekenn-zeichnet, dass eine von Erhebungen bzw. Fortsätzen (9) und Vertiefungen bzw. Ausnehmungen (10) gebildete, im wesentlichen regelmäßige bzw. symmetrische Struktur unter einem Winkel, insbesondere diagonal, zu einer von den Kanälen bzw. Durchtrittsöffnungen (2) gebildeten, netzwerkartigen Struktur verläuft bzw. angeordnet ist.

6.           Formkörper nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeich-net, dass beide Endflächen (11) des Formkörpers (9) mit Erhebungen bzw. Fortsätzen (12,14) und/oder Vertiefungen bzw. Ausnehmungen (13,15) aus-gebildet sind.

7.           Formkörper nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Er-hebungen bzw. Fortsätze (12,14) und Vertiefungen bzw. Ausnehmungen (13,15) an beiden Endflächen (11) des Formkörpers (1) zueinander spiegelsymmetrisch angeordnet sind.

8.           Formkörper nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeich-net, dass der Formkörper (1) eine rechtwinkelige, insbesondere quadra-tische, oder polygonale, insbesondere hexagonale, Außenkontur aufweist.

9.           Verwendung eines Formkörpers nach einem der Ansprüche 1 bis 8 als Katalysator oder als Katalysatorträger.

10.        Verwendung eines Formkörpers nach einem der Ansprüche 1 bis 8 als Regeneratorelement in thermischen Regeneratoren.

11.        Verwendung eines Formkörpers nach einem der Ansprüche 1 bis 8 als chemisch aktives Element oder als Träger für chemisch aktive Substanzen.

12.        Verwendung eines Formkörpers nach einem der Ansprüche 1 bis 8 als ein biologisch aktives Element oder als Träger für biologisch aktive Organis-men oder biologisch aktive Substanzen.

Die Antragstellerin beantragt die gänzliche Nichtigerklärung des Gebrauchs-muster ua unter Hinweis auf die prioritätsälteren Patentschriften Beilage ./A mit Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 10 29 405 vom 29. Juni 2002 (Beilage ./F) und US 3 505 030 (Beilage ./B). Diese Dokumente offenbarten einen keramischen Wabenkörper mit den Merkmalen 1 bis 3 des Anspruchs 1 und die obligaten Merkmale von Anspruch 2. Die Ansprüche 3 bis 5 des Gebrauchsmusters würden durch Beilage ./B vorweggenommen. Die Merkmale der Ansprüche 6 und 7 beruhten auf keiner erfinderischen Tätigkeit. Aus Beilagen ./A und ./B gingen Formkörper mit den obligaten Merkmalen der Ansprüche 8 bis 10 hervor. Eine Verwendung gemäß Anspruch 11 werde in der Beilage ./A geoffenbart. Die Verwendung eines Formkörpers als Träger für chemische oder biologisch aktive Substanzen (Anspruch 11 bzw 12) sei nicht erfinderisch.

Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Antrags und stellte einen Hilfsantrag in Form eines neuen Anspruchs 1 mit folgendem Wortlaut: „Stapelbarer Formkörper mit einer Mehrzahl von im Inneren im Wesentlichen parallel zueinander verlaufenden, durchgehenden Kanälen (2) und einem von, zu den Kanälen im Wesentlichen parallel verlaufenden, Erzeugenden gebildeten Außenumfang, wobei wenigstens eine Endfläche (4,8,11) des Formkörpers, an welcher die durchgehenden Kanäle (2) münden, mit von einer auf die Achsen der Kanäle (2) normal stehenden Ebene vorragenden Erhebungen (5, 9,12,14) und/oder gegenüber dieser Ebene abgesetzten Vertiefungen (6, 10, 13, 15) ausgebildet ist, wobei auf wenigstens einer Endfläche (4,8,11) wenigstens zwei im Wesentlichen gleiche Höhe aufweisende Erhebungen (5, 9, 12, 14) vorgesehen sind, zwischen welchen wenigstens eine von mehreren Kanälen (2) durchstoßene Vertiefung (6, 10, 13, 15) am, in Richtung der Kanäle (2) verlaufenden, den Formkörper begrenzenden Außenumfang mündet, wobei die im Wesentlichen parallel zueinander verlaufenden Kanäle (2) in den Bereichen der Erhebungen (5, 9, 12, 14) als auch der Vertiefungen (6, 10, 13, 15) jeweils bis an die Grenzfläche des Formkörpers geführt sind, wobei die Erhebungen (5, 9, 12, 14) bzw. Vertiefungen (6, 10, 13, 15) der Grenzfläche durch trennende Verfahren hergestellt sein müssen.“

Die Nichtigkeitsabteilung erklärte die Ansprüche 1 bis 5 sowie 8 und 9 für nichtig und wies den Antrag hinsichtlich der Ansprüche 6 und 7 sowie 10 bis 12 des Gebrauchsmusters ab.

Die Ansprüche 1 bis 5, 8 und 9 des angegriffenen Gebrauchsmusters seien gegenüber Beilage ./B nicht neu. Hingegen beruhten die neuen Merkmale der Ansprüche 6 und 7 des Streitgebrauchsmusters (Anbringung beidseitiger Erhebungen und Vertiefungen) auf einem erfinderischen Schritt, weil die dem nächstliegenden Stand der Technik entsprechende Beilage ./B keine Lösung des Problems der Verstopfung von Kanälen durch Ermöglichung von Querströmungen aufzeige. Die Verwendung des Wabenkörpers entsprechend den – gegenüber Beilage ./B neuen - Ansprüchen 10 bis 12 des Gebrauchsmusters werde durch erfinderische Adaptierungen ermöglicht.

Den Hilfsantrag wies die Nichtigkeitsabteilung mit der Begründung ab, dass das darin angeführte Merkmal „stapelbarer Formkörper“ dem Bestimmtheitserfordernis des § 14 Abs 2 GMG nicht entspreche. Überdies sei das Merkmal „Erhebungen bzw Vertiefungen der Grenzflächen durch trennende Verfahren hergestellt“ durch die ursprüngliche Offenbarung nicht gedeckt.

Die Antragstellerin strebt mit ihrer Berufung die Nichtigerklärung auch der Ansprüche 6 und 7 sowie 10 bis 12 an.

Der Antragsgegner beantragt in seinem als „ Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung “ bezeichneten Rechtsmittel erkennbar die Aufhebung der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung als nichtig sowie die Nichtigerklärung des vorangegangenen Verfahrens; hilfsweise die Abänderung im Sinne einer Abweisung des Nichtigkeitsantrags. Er erhebt überdies eine Kostenrüge.

Beide Parteien beantragen in ihren Berufungsbeantwortungen , der Berufung der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Der weitere im Berufungsverfahren vom Antragsgegner per Telefax am 24. Jänner 2011 übermittelte Schriftsatz ist unzulässig. Das gilt auch für die in der mündlichen Berufungsverhandlung gestellten, zu Protokoll genommenen weiteren Hilfsanträge des Antragsgegners.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung der Antragstellerin ist teilweise berechtigt, jene des Antragsgegners ist nicht berechtigt.

1.       In sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der ZPO ist der (im Übri-gen außerhalb der Frist des § 139 Abs 3 PatG iVm § 37 Abs 4 GMG einge-brachte) weitere Schriftsatz des Antragsgegners vom 24. Jänner 2011 zu-rückzuweisen, weil jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zusteht (RIS-Justiz RS0041666).

2.       Die vom Antragsgegner behaupteten Verfahrensverstöße liegen nicht vor:

2.1    Die Antragstellerin – eine im österreichischen Firmenbuch eingetragene GmbH mit Sitz in Wien – ist parteifähig. Dass der Antragstellervertreter die Anschrift der Antragstellerin zunächst mit einer anderen Adresse als dem aus dem Firmenbuch hervorgehenden Sitz der Gesellschaft bezeichnete, hat auf die Parteifähigkeit keinen Einfluss und erweckt auch keinen Zweifel an der Identität der Antragstellerin mit der im Firmenbuch eingetragenen GmbH. Auf Aufforderung der Nichtigkeitsabteilung gab der Antragstellerver-treter im Verfahren bekannt, dass es sich bei der zunächst angegebenen Anschrift um die Produktionsstätte der Antragstellerin handelt. Die gerügte Nichtigkeit, dass eine „rechtlich nicht existierende juristische Person“ den Nichtigkeitsantrag stellte, liegt daher nicht vor.

2.2    Gemäß § 39 Abs 2 GMG ersetzt bei Einschreiten eines Patentanwalts vor dem Patentamt oder vor dem Obersten Patent- und Markensenat die Berufung auf die ihm erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nach-weis. Es schadet somit nicht, dass der Antragstellervertreter keine schrift-liche Vollmachtsurkunde vorlegte.

2.3    Die Nichtigkeitsabteilung hat die vom Antragsgegner erstattete Gegen-äußerung zum Nichtigkeitsantrag verwertet; der Antragsgegner wurde in der mündlichen Verhandlung umfassend angehört. Die Nichtigkeitsabteilung ist in der angefochtenen Entscheidung auch auf die Argumente des Antragsgeg-ners inhaltlich eingegangen. Die in der Berufungsbeantwortung behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht verwirklicht.

2.4    Mit Beschluss vom 8. Juni 2006 wurde der Antragsgegner von der Nichtigkeitsabteilung umfassend über seine Möglichkeit zur Erstattung von Vorbringen – von der er auch Gebrauch machte - belehrt. Die Nichtigkeitsab-teilung teilte dem Antragsgegner zu dem von ihm gestellten Antrag auf Ver-fahrenshilfe am 18. Mai 2010 mit, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe auch im Verfahren vor dem Obersten Patent- und Markensenat gemäß § 23 Abs 1 Patentanwaltsgesetz nur für Patent-, nicht aber für Gebrauchsmuster-angelegenheiten vorgesehen ist. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer in der Berufungsbeantwortung behaupteten Befangenheit der Mitglieder der Nichtigkeitsabteilung oder dafür, dass das Verfahren wegen mangelnder Rechtsbelehrung des rechtsunkundigen Antragsgegners fehlerhaft war, be-stehen nicht.

3         Zu Anspruch 1:

3.1    Ein Vergleich der deutschen Patentschrift DE 102 29 405.4 mit Priorität vom 29. Juni 2002 (Beilage ./F) mit der prioritätsjüngeren Beilage ./A ergibt, dass der technische Informationsgehalt ebenso wie die einzelnen Figuren in beiden Druckschriften übereinstimmen. Im Ergebnis zutreffend konnte die Nichtigkeitsabteilung daher die Neuheit von Anspruch 1 gemäß § 3 Abs 2

Z 2 GMG durch Vergleich mit Beilage ./A beurteilen.

3.2    Der Antragsgegner bezweifelt die Richtigkeit der Auffassung der Nichtig-keitsabteilung im Wesentlichen mit dem auch in der Berufungsverhandlung vorgebrachten Argument, dass Anspruch 1 des Gebrauchsmusters einen Formkörper, Beilage ./A hingegen einen Verbundkörper offenbare. Nun trifft zwar zu, dass die Bezeichnung „Formkörper“ Fertigungsverfahren aus Urfor-men oder Umformen nahe legt; in der Fachliteratur wird jedoch der Begriff „Formkörper“ auch für Körper mit einer besonderen Form bzw Gestalt ver-wendet, die nicht durch die Fertigungsverfahren „Urformen“ oder „Umfor-men“ hergestellt werden (zB eine aus zwei Blechteilen verschweißte und weitere Teile enthaltende, als mehrteiliger Formkörper bezeichnete Fahrzeug-achse – vergleiche DE 16 03 254 B1). Für den Fachmann ist somit klar, dass der ursprüngliche Bedeutungsgehalt von „Formkörper“ erweitert wurde. Der in Beilage ./A offenbarte Wabenkörper kann daher ebenfalls als „Formkör-per“ angesehen werden. Das darin beschriebene „einstückige Anformen“ von drei Vorsprüngen an mindestens einer Stirnseite des Wabenkörpers lässt im Übrigen den Herstellungsprozess offen (vergleiche auch die vom Antragsgeg-ner selbst vorgelegte Beilage ./3). Dass – wie der Antragsgegner in der Beru-fungsverhandlung ausführlich darlegte – die tatsächliche, auf Beilage ./A beruhende Produktion (nur) die Herstellung eines Verbundkörpers umfasst, ändert an dieser Beurteilung nichts, weil nur maßgeblich ist, wie der Waben-körper in Beilage ./A beschrieben ist, nicht aber, wie er tatsächlich in der Praxis hergestellt wird. Vor allem aber lässt sich weder aus den einzelnen Ansprüchen des angegriffenen Gebrauchsmusters noch aus seiner Beschrei-bung zwingend ableiten, dass der beanspruchte Formkörper aus einem Teil zusammengesetzt sein muss: Das Gebrauchsmuster (vergleiche Seite 13 letzter Absatz) nennt als möglichen Bearbeitungsschritt bloß demonstrativ („insbesondere“) eine mechanische Bearbeitung durch Schneiden, schließt aber eine Fügemethode (zB Kleben) nicht aus. Schon aus diesem Grund ist Anspruch 1 von der Nichtigkeitsabteilung zutreffend als nicht neu beurteilt worden, weshalb es keines Eingehens darauf bedarf, ob bei der Neuheitsbe-urteilung das Herstellungsverfahren überhaupt eine Rolle spielen kann.

4.       Zu den Ansprüchen 2 bis 4:

4.1  Anspruch 2 weist als zusätzliches Merkmal eine symmetrische Struktur der Fortsätze und Vertiefungen auf. Offen bleibt, auf welche Achsen oder Ebenen sich die Symmetrie bezieht. Die Ausführungsbeispiele der Zeichnungen lassen mehrere Symmetrieebenen erkennen. Das trifft auch auf die in Beilage ./A gezeigten Ausführungsbeispiele zu. Auch Anspruch 2 ist – wie die Nichtigkeitsabteilung zutreffend erkannte - gegenüber Beilage ./A somit nicht neu.

4.2 Die Nichtigkeitsabteilung hat die Neuheit der Ansprüche 3 und 4 gegenüber der prioritätsälteren amerikanischen Patentschrift Beilage ./B mit der zutreffenden - vom Antragsgegner substantiell auch nicht bekämpften – Begründung verneint, dass in Figur 2 der Beilage ./B Erhebungen und Vertiefungen mit abgeschrägten und geneigten Kanten abgebildet sind, die mit den in Anspruch 3 des Gebrauchsmusters beschriebenen Merkmalen übereinstimmen und dass die Beschreibung „wellenartige Erhebungen oder Vertiefungen“ in Anspruch 4 jedenfalls auch die in Figur 2 der Beilage ./B dargestellten Sägezahnwellen einschließt.

5.       Zu den Ansprüchen 6, 7 und 10:

Zu Recht verweist die Antragstellerin in ihrer Berufung darauf, dass diese Ansprüche des angegriffenen Gebrauchsmusters entgegen der Beurteilung der Nichtigkeitsabteilung nicht neu sind:

5.1 Anspruch 6 ist dadurch gekennzeichnet, dass beide Stirnseiten des Formkörpers mit Erhebungen bzw Fortsätzen und/oder Vertiefungen bzw Ausnehmungen ausgebildet sind. Beilage ./A offenbart in Anspruch 1, dass „… an mindestens einer Stirnseite mindestens drei Vorsprünge angeformt sind.“ Das impliziert für den Fachmann unmissverständlich die Möglichkeit, auch an der gegenüberliegenden Stirnseite Vorsprünge anzubringen.

5.2 Das gilt auch für Anspruch 7 („… Erhebungen bzw Fortsätze und Vertiefungen bzw Ausnehmungen an beiden Endflächen des Formkörpers zueinander spiegelsymmetrisch angeordnet sind“), weil der Fachmann bereits aus Beilage ./A zwingend ableitet, dass eine dort zumindest implizit („an mindestens einer Stirnseite..“) offenbarte Anbringung von Fortsätzen an beiden Stirnseiten spiegelbildlich zu erfolgen hat: Die Fortsätze sollen an allen vier Ecken des Wabenkörpers, allenfalls anschließend in der Mitte der beiden Längsseiten, angeformt werden. Ein anderer Ort der Anformung ist nicht offenbart.

5.3  Beilage ./A offenbart Anspruch 10 (Verwendung als Regeneratorelement) dadurch, dass eine Verwendung des Wabenkörpers in thermischen Nachverbrennungsvorrichtungen vorgesehen ist: In der Beschreibung wird eine europäische Patentschrift zitiert, die einen stapelbaren keramischen Wabenkörper als Wärmetauschermasse verwendet. Diese Funktion entspricht der Verwendung als Regeneratorelement.

6.       Zu Anspruch 5

Entgegen der Auffassung der Nichtigkeitsabteilung ist jedoch Anspruch 5 als neu zu beurteilen: Dieser Anspruch ist dahin zu verstehen, dass – entsprechend Figur 2 des bekämpften Gebrauchsmusters – die gedachte Ausbreitungsrichtung der Wellen (Erhöhung und Vertiefungen) in einem schrägen Winkel zu den Gitterlinien der Kanäle verläuft. Diese Ausführungsform ist der Beilage ./B nicht zu entnehmen. Üblicherweise versteht man unter der Formulierung … „symmetrische Struktur unter einem Winkel“ – anders als in Beilage ./B offenbart – einen von 90 Grad deutlich abweichenden Winkel. Allerdings ist die Erfindungsqualität von Anspruch 5 zu verneinen, weil kein technischer Effekt erkennbar ist, der sich durch eine schräge Winkelgestaltung ergeben könnte. Sowohl ein rechter als auch ein schräger Winkel weist denselben Effekt (Umverteilung des Gases) auf. Dass diese Umverteilung beim schrägen Winkel effizienter funktionieren könnte, die Form also für den technischen Effekt maßgeblich sein könnte, geht auch aus der Beschreibung des bekämpften Gebrauchsmusters nicht hervor.

7.       Zu den Ansprüchen 11 und 12:

Die Verwendung eines Formkörpers als chemisch aktives Element (An-spruch 11) oder als biologisch aktives Element (Anspruch 12) ist keinem der vorliegenden Dokumente zu entnehmen. Die Ansprüche 11 und 12 sind somit neu. Auch durch eine Zusammenschau der Dokumente ist eine derartige Verwendung für den Fachmann nicht nahe gelegt, weil sich den offenbarten prioritätsälteren Dokumenten keine Hinweise für eine Verwendung in chemischen oder biologischen Prozessen entnehmen lassen. Da eine derartige Verwendung überdies ein anderes Fachgebiet betrifft, ist die Verwendung nach den Ansprüchen 11 und 12 als erfinderisch zu beurteilen.

8.       Zu den vom Antragsgegner gestellten Hilfsanträgen:

8.1  Vorauszuschicken ist, dass es einem allgemeinen, in Art 123 Abs 2 und 3 EPÜ ausdrücklich verankerten und auch für Gebrauchsmuster her-anzuziehenden Grundsatz entspricht, dass ein erteiltes Patent später nicht in der Weise geändert werden darf, dass sein Schutzbereich erweitert wird. Wird ein Patent (Gebrauchsmuster) mit geänderten Ansprüchen verteidigt, kann es damit nur Bestand haben, wenn es auch mit dem neuen Inhalt zulässig ist und der Gegenstand oder der Schutzbereich nicht erweitert wird. Maßgebend ist, ob die Änderung mit der ursprünglichen Offenbarung vereinbar ist; sie muss unmittelbar und eindeutig daraus ableitbar sein und darf damit nicht in Widerspruch stehen (17 Ob 24/09t = ÖBl 2010/28 – Nebivolol mwN).

8.2  Die Nichtigkeitsabteilung ist nun zutreffend davon ausgegangen, dass der vom Antragsgegner in erster Instanz gestellte Hilfsantrag keinen Anspruch beschreibt, der gegenüber dem ursprünglichen Antrag 1 eine Einschränkung darstellt: Das angegriffene Gebrauchsmuster beschreibt als Bearbeitungsverfahren „Schneiden, Fräsen oder Bürsten“. Die Beschreibung im Hilfsantrag bezieht sich hingegen auf ein Herstellen der Grenzfläche durch „trennende Verfahren“. Insofern liegt eine unzulässige Überschreitung der Offenbarung vor. Ob der Inhalt des Hilfsanspruchs überhaupt schutzfähig wäre, bedarf daher keiner näheren Prüfung.

8.3  Aus 8.1 folgt, dass die Verteidigung eines Gebrauchsmusters mit einem geänderten Anspruch inhaltlich einen (materiellrechtlichen) Sacheinwand darstellt. Im Berufungsverfahren vor dem Obersten Patent- und Markensenat gilt das Neuerungsverbot. Das bedeutet, dass Einreden, die nicht schon in erster Instanz erhoben wurden, im Berufungsverfahren nicht nachgetragen werden können. Damit erweisen sich die in der mündlichen Berufungsverhandlung gestellten weiteren Hilfsanträge als unzulässig.

9.       Ergebnis:

Daraus folgt zusammengefasst, dass der Berufung des Antragsgegners ein Erfolg zu versagen ist; der Berufung der Antragstellerin jedoch teilweise Folge zu geben und ihrem Antrag hinsichtlich der Ansprüche 6 und 7 sowie 10 stattzugeben ist. Im Umfang der Abweisung des Antrags der Antragstellerin bezüglich der Ansprüche 11 und 12 bleibt die Berufung der Antragstellerin hingegen erfolglos. Die in der Berufung gestellten weiteren Hilfsanträge des Antragsgegners sind als unzulässige neue Sacheinwendungen zurückzuweisen.

10.    Kosten:

Infolge teilweiser Abänderung der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ist eine neue Kostenentscheidung für das Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung zu fällen. Ein Eingehen auf die in der Berufung des Antragsgegners erhobene Kostenrüge erübrigt sich daher.

Die Antragstellerin drang mit ihrem Antrag bezogen auf die Ansprüche 1 bis 10 durch und unterlag bezüglich der Ansprüche 11 und 12. Ihre Obsiegensquote beträgt daher fünf Sechstel. Aus § 36 Abs 1 GMG iVm § 122 Abs 1 PatG und §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO ist abzuleiten, dass die Obsiegensquote maßgebend dafür ist, in welchem Umfang eine Verfahrenspartei Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Verfahrenskosten hat. Daraus folgt, dass der Antragsgegner der Antragstellerin zwei Drittel der Kosten des Verfahrens vor der Nichtigkeitsabteilung (Bemessungsgrundlage gemäß § 5 Z 14 AHR 36.000 EUR) und fünf Sechstel der - allerdings ohnedies nur zu 75 % verzeichneten - Barauslagen (Verfahrens- und Schriftengebühren) zu ersetzen hat. Für das Berufungsverfahren beträgt – mangels anderer Bewertung der Antragstellerin im verfahrenseinleitenden Antrag – die Gesamtbemessungsgrundlage für alle 12 Ansprüche ebenfalls 36.000 EUR, wobei mangels gegenteiliger Anhaltspunkte jeder einzelne Anspruch mit 3.000 EUR zu bewerten ist. Die Bemessungsgrundlage für die Berufung der Antragstellerin, die die Abweisung des Antrags im Umfang von fünf Ansprüchen bekämpfte, beträgt somit lediglich 15.000 EUR. Die Antragstellerin obsiegte mit drei Ansprüchen, der Antragsgegner in seiner Berufungsbeantwortung mit zwei Ansprüchen. Er hat daher der Antragstellerin ein Fünftel der Kosten der Berufung und drei Fünftel der Barauslagen zu ersetzen. Die Berufung des Antragsgegners blieb hingegen erfolglos; er hat daher der Antragstellerin die Kosten der Berufungsbeantwortung zur Gänze zu ersetzen; aus den dargelegten Gründen allerdings nur auf Basis einer Bemessungsgrundlage für sieben Ansprüche, somit auf Basis von 21.000 EUR. Für die Berufungsverhandlung, die alle Ansprüche betraf, gebühren der Antragstellerin zwei Drittel ihrer Kosten.

Rückverweise