JudikaturOPMS

Om11/10 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
22. Dezember 2010

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Gottfried MUSGER, Dr. Michael SACHS und Dr. Elisabeth LOVREK als rechtskundige Mitglieder und den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Johannes WERNER als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin Firma *****, Deutschland, vertreten durch Sattler Schanda Rechtsanwälte, Stallburggasse 4, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin Firma *****, vertreten durch Jaksch Schoeller Riel Rechtsanwaltskanzlei, Landstraßer Hauptstraße 1/2, 1030 Wien, wegen teilweiser Löschung der Marken Nr 177 790, 226 420, 226 421, 226 422 und 226 423, über die Berufung der ehemaligen Geschäftsführerin der Antragsgegnerin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 30. April 2010, Nm 145-149/2005-15, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Antragstellerin, ihr Kostenersatz für die Berufungsbeantwortung zuzusprechen, wird abgewiesen.

Text

G r ü n d e :

Die Parteien streiten über die teilweise Löschung mehrer Marken der Antragsgegnerin. Im ersten Rechtsgang hatte der Oberste Patent- und Markensenat die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung aufgehoben und dieser die Ergänzung des Verfahrens aufgetragen (Om 11/08). Im fortgesetzten Verfahren gab der Vertreter der Antragsgegnerin das Erlöschen seiner Vollmacht bekannt. Am 4. März 2010 wurde die Antragsgegnerin infolge beendeter Liquidation im Firmenbuch gelöscht, wovon die Nichtigkeitsabteilung aber offenkundig nichts erfuhr. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde an die ehemalige Geschäftsführerin der Antragsgegnerin zugestellt; die Verhandlung blieb von der Antragsgegnerin unbesucht.

Mit der nun angefochtenen Entscheidung gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf teilweise Löschung der Marken statt. Dagegen richtet sich die Berufung der ehemaligen Geschäftsführerin der Antragsgegnerin. Ihr Amt als Liquidatorin habe mit der Löschung im Firmenbuch geendet. Die Ladung zur Verhandlung sie daher nicht an ein vertretungsbefugtes Organ der Antragsgegnerin zugestellt worden. Aus diesem Grund sei die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung wegen eines „nichtigen Zustellvorgangs“ aufzuheben.

Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die ehemalige Geschäftsführerin könne zufolge beendeter Liquidation nicht mehr für die Antragsgegnerin handeln.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist wegen fehlender Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen.

1. Nach § 472 Abs 1 ZPO ist die Berufung unzulässig, wenn sie von einer Person eingebracht wird, der dieses Rechtsmittel nicht zusteht. Die damit angesprochene besondere Prozessvoraussetzung der Rechtsmittellegitimation ist unabhängig vom Inhalt und von der Richtigkeit der Entscheidung; sie ist auch unabhängig davon, ob die Entscheidung den Rechtsmittelwerber beschwert oder nicht. Vielmehr geht es um die vorrangig zu prüfende Frage, wer aufgrund seiner Stellung im Rechtsstreit überhaupt ein Rechtsmittel erheben darf ( Fasching in Fasching/Konecny2 Einl IV/1 Rz 39; E.Kodek in Rechberger3 vor § 361 Rz 8). Bei Rechtsmitteln in der Hauptsache sind das nur die Parteien des Verfahrens und die Nebenintervenienten ( Fasching und E.Kodek aaO; SZ 6/343 = JB 17 [neu]; RIS-Justiz RS0109396 [T4, T5]).

2. Mangels ausdrücklichen Verweises im Patentgesetz ist § 472 ZPO im Verfahren vor dem Obersten Patent- und Markensenat zwar nicht unmittelbar anwendbar. Nach § 42 Abs 1 MSchG iVm § 138 Abs 1 PatG steht allerdings auch im markenrechtlichen Verfahren die Berufung nur jener „Partei“ offen, die sich durch die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes beschwert erachtet. Auch hier ist daher die Rechtsmittellegitimation grundsätzlich auf die Parteien des Verfahrens beschränkt.

3. Im Zweifel ist zwar anzunehmen, dass ein Rechtsmittel von einer dazu legitimierten Partei erhoben wird (6 Ob 10/07z; RIS-Justiz RS0109396 [T1]). Im vorliegenden Fall ist die Sachlage aber eindeutig: Die ehemalige Geschäftsführerin stützt ihre Berufung darauf, dass ihre Funktion als Organ der Antragsgegnerin wegen deren Vollbeendigung am 4. März 2010 erloschen sei. Ab diesem Zeitpunkt sieht sie sich daher nicht mehr befugt, für die Antragsgegnerin zu handeln. Daraus ergibt sich zwingend, dass sie die Berufung – wie sich auch aus deren Wortlaut ergibt – im eigenen Namen erhebt. Sie selbst war aber nie Partei des Verfahrens. Ihre Berufung ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

4. Nur zur Klarstellung ist Folgendes festzuhalten:

4.1. Eine Kapitalgesellschaft verliert mit der Vollbeendigung ihre Parteifähigkeit (3 Ob 32/06m = SZ 2006/67; RIS-Justiz RS0049388 [T2]). Voraussetzung dafür ist ihre Vermögenslosigkeit, also der Mangel an Aktivvermögen; die Löschung im Firmenbuch hat insofern nur deklarativen Charakter (RIS-Justiz RS0050186; RS0021209). Zwar ist bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen, dass eine im Firmenbuch gelöschte Kapitalgesellschaft vermögenslos und damit nicht (mehr) parteifähig ist (8 ObA 47/04a = RdW 2005, 560; RIS-Justiz RS0050186 [T14]; zu den verfahrensrechtlichen Folgen einer Löschung der bekagten Kapitalgesellschaft während eines anhängigen Prozesses 8 ObA 2344/96f = SZ 71/175 [verstärkter Sentat]; RIS-Justiz RS0110979). Dieser Annahme steht hier aber entgegen, dass die Antragsgegnerin nach dem unstrittigen Sachverhalt noch immer Inhaberin jener Marken ist, die Gegenstand des Verfahrens sind. Eine Übertragung oder Löschung dieser Marken ist weder behauptet noch – mit einer Ausnahme (Marke Nr 177 790) – aus dem Markenregister ersichtlich. Damit verfügt die Antragsgegnerin weiterhin über Vermögensgegenstände, was die von der ehemaligen Geschäftsführerin behauptete vollständige Liquidation ausschließt. Die Antragsgegnerin besteht daher trotz ihrer Löschung im Firmenbuch weiter, und sie ist aus diesem Grund auch noch immer parteifähig.

4.2. Die Antragsgegnerin war aber seit ihrer Löschung im Verfahren vor dem Patentamt nicht mehr vertreten. Denn das Amt des Liquidators endet mit dieser Löschung  ( Haberer/Zehetner in WK GmbH-G, § 93 Rz 28 mwN; 2 Ob 611/84 = SZ 58/168). Das folgt aus § 93 Abs 5 GmbH-G: Stellt sich nachträglich weiters Vermögen einer gelöschten Gesellschaft heraus, so hat das Gericht auf Antrag eines Beteiligten die bisherigen Liquidatoren neuerlich zu berufen oder andere zu bestellen (Nachtragsliquidation). Diese Regelung wäre sinnlos, wenn das Amt der Liquidatoren bei einer – wie hier – materiell unrichtigen Löschung der Gesellschaft ohnehin aufrecht bliebe. Schon die Zustellung der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung war daher unwirksam, weil sie an eine nicht (mehr) vertretungsbefugte Person erfolgte.

4.3. Ein Zivilprozess wäre unter diesen Umständen (außer bei einer aufrechten Prozessvollmacht) nach § 158 ZPO unterbrochen (2 Ob 611/84). Diese Bestimmung gehört aber nicht zu jenen Vorschriften, die der OPM und das Patentamt entsprechend anzuwenden haben (§§ 119, 120 PatG). Eine Analogie ist wegen des öffentlichen Interesses an der Richtigkeit des Registers nicht anzunehmen. Die Nichtigkeitsabteilung wird daher das Verfahren von Amts wegen fortzusetzen haben. Um eine Zustellung zu ermöglichen, wird sie für die Bestellung eines Nachtragsliquidators zu sorgen haben (vergleiche zur Antragsbefugnis eines Strafgerichts nach § 93 Abs 5 GmbH-G 6 Ob 105/08x).

5. Der Antrag auf Ersatz der Kosten der Berufungsbeantwortung ist abzuweisen, weil die Antragstellerin diese Kosten entgegen § 42 Abs 1 MSchG iVm §§ 140 Abs 1, 122 Abs 1 PatG und § 54 Abs 1 ZPO nicht verzeichnet hat.

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