Om8/10 – OPMS Entscheidung
Kopf
Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Brigitte SCHENK, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Mag. Carmen LOIBNER-PERGER, Dr. Friedrich JENSIK und Dr. Gottfried MUSGER als rechtskundige Mitglieder sowie den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dipl.Ing. Christian KÖGL als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin C*****, Frankreich, vertreten durch Sonn Partner Patentanwälte, Riemergasse 14, 1010 Wien, wider den Antragsgegner L *****, vertreten durch Dipl.-Ing. Mag. Andreas O. RIPPEL, Rechtsanwalt, Maxingstraße 34, 1130 Wien, wegen Löschung der Marken Nr 214 832 und 214 831, über die Berufung des Antragsgegners gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 15. Jänner 2010, Zl Nm 126/2004-11 und Nm 127/2004-11, entschieden:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 2.874,90 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 476,35 EUR Umsatzsteuer und 16,80 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
G r ü n d e :
Die Antragstellerin ist Inhaberin der internationalen Wortmarke Nr 451 185 "CRISTAL", die mit Priorität vom 27. November 1979 für folgende Waren eingetragen wurde:
Klasse 33: Vins de provenance française, à savoir champagne, vins mousseux.
Weiters ist sie Inhaberin der internationalen Wortmarke Nr 669 394 "CRISTAL", die mit Priorität vom 5. März 1997 für folgende Waren eingetragen wurde:
Klasse 33: Boissons alcooliques (à l’ exception des bières), à savoir vins, vins mousseux, champagne .
Der Antragsgegner ist Inhaber der österreichischen Wort-Bild-Marken Nr 214 832 und Nr 214 831, die mit Priorität vom 14. November 2003 für folgende Waren registriert wurden:
Klasse 33: Weine
Die Antragstellerin begehrt nach § 30 MSchG die Löschung dieser Marken. Wegen der unveränderten Übernahme ihrer Wortmarken bestehe Verwechslungsgefahr.
Der Antragsgegner bestreitet die Verwechslungsgefahr. Seine Marken seien durch die graphischen Elemente geprägt, der Wortbestandteil „CRISTAL“ habe untergeordnete Bedeutung. Außerdem sei die Warenähnlichkeit gering, da die Antragstellerin nur Champagner vertreibe, er hingegen den „offiziellen Wein“ des Nationalparks Hohe Tauern.
Die Nichtigkeitsabteilung gab den Löschungsanträgen statt. Sowohl die Marken der Antragstellerin als auch jene des Antragsgegners seien für „Wein“ registriert, es bestehe daher Warenidentität. Der Antragsgegner habe die Marken der Antragstellerin vollständig übernommen. In einem solchen Fall sei die Verwechslungsgefahr in der Regel zu bejahen, sofern nicht das ältere Zeichen in der jüngeren Marke nur eine untergeordnete Rolle spiele und gegenüber jenen Bestandteilen, die den Gesamteindruck der jüngeren Marke prägten, ganz in den Hintergrund trete. Das treffe hier aber nicht zu, weil die jeweils mit einem Gattungsbegriff („Cuvée“ bzw „Barrique“) verbundene Bezeichnung „Cristal“ in beiden Marken des Antragsgegners deutlich hervorsteche. Die graphische Elemente dieser Marken nähmen die Bedeutung dieser Bezeichnung auf und verstärkten damit deren Kennzeichnungskraft.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Antragsgegners ist nicht berechtigt .
1. Nach § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann der Inhaber einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke begehren, wenn die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht; Verwechslungsgefahr schließt die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
2. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der ihr folgenden nationalen Rechtsprechung ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsgrundsätze wurden zuletzt unter anderem in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 154/06k (= ÖBl 2007/30 [ Gamerith ] - amadeo by living dimension), 17 Ob 1/08h (= ÖBl 2009/14 [ Gamerith ] - Feeling/Feel) und 17 Ob 32/08t (= ecolex 2009, 606 [ Horak ] – Jukebox) zusammengefasst. Zu berücksichtigen sind danach die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Warenidentität erfordert einen wesentlich größeren Abstand der Zeichen selbst, um Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 273/02d = ÖBl 2003/50 - Kleiner Feigling; 4 Ob 36/04d = ÖBl 2004/55 - Firn; 4 Ob 154/06k = ÖBl 2007/78 - Amadeo by living dimension; RIS-Justiz RS0116294).
Wird eine Marke vollständig in ein anderes Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig - und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind - Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b = ÖBl 2004/24 - gotv; RIS-Justiz RS0079033). Das gilt auch bei der vollständigen Übernahme eines schwachen Zeichens, wenn es innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des jüngeren Zeichens prägen, ganz in den Hintergrund tritt (RIS-Justiz RS0079033 T20; OM 15/01 = PBl 2002, 135 - Jack Jones; zuletzt etwa 4 Ob 154/06k = ÖBl 2007/78 - Amadeo by living dimension, und 17 Ob 16/07p = 2008/8 [ Rungg / Albiez ] - KitKat).
Der EuGH hat diese Auffassung in seiner Entscheidung C-120/04 (= ÖBl 2006, 143 [ Hofinger ] - Thomson Life) im Kern bestätigt. Danach kommt es nicht darauf an, dass das übernommene Zeichen das Eingriffszeichen dominiert. Vielmehr kann bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr schon dann bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen registrierten Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält.
3. Die Nichtigkeitsabteilung hat diese Grundsätze richtig wiedergegeben und zutreffend angewendet.
3.1 Es besteht Warenidentität. Denn für die Beurteilung nach § 30 MSchG kommt es ausschließlich auf den Registerstand an (OM 1/04 = PBl 2005, 30 – McFlex). Der Einwand des Antragsgegners, dass die Antragstellerin ihre Marken lediglich für Champagner verwende, könnte zwar nach § 33a MSchG zu einer teilweisen Löschung dieser Marken führen. Im Löschungsverfahren nach § 30 MSchG sind Einwendungen des Belangten gegen die Marke des Antragstellers aber so lange unbeachtlich, als er nicht seinerseits die entsprechenden Löschungsanträge gestellt hat. Ist das nicht der Fall, dann ist vom Rechtsbestand der Marke des Antragstellers auszugehen und nur zu prüfen, ob der Löschungstatbestand des § 30 MSchG vorliegt (OM 2/90 = ÖBl 1991, 157 – Innviertler Landbier).
3.2 Auf dieser Grundlage ist die Verwechslungsgefahr nach der oben (Punkt 2) dargestellten Rechtsprechung ohne jeden Zweifel zu bejahen: Der Antragsgegner hat die Marken der Antragstellerin unverändert in seine jüngeren Marken übernommen. Sie treten dort keinesfalls ganz in den Hintergrund, sondern prägen im Gegenteil den Gesamteindruck. Denn die Bildbestandteile (Kristalle) nehmen die Bedeutung der übernommenen Marken auf und verstärken dadurch deren eigenständige Kennzeichnungskraft. Demgegenüber sind die Zusätze „Barrique“ und „Cuvée“ bloße Gattungsbezeichnungen. Die weiteren Bestandteile der Marken des Antragsgegners („Stern vom Habachtal“ sowie „Stern der Hohen Tauern“) haben zwar eigene Kennzeichnungskraft, können aber jene der übernommenen Marken nicht einmal ansatzweise verdrängen.
4. Aus diesen Gründen muss die Berufung des Antragsgegners scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 42 Abs 1 MSchG iVm § 122 Abs 1 und § 140 Abs 1 PatG 1970 sowie § 41 und § 50 ZPO. Das vierfache Einbringen der Berufungsbeantwortung samt Beilage ist nicht aktenkundig und wäre auch nicht erforderlich gewesen; die Eingabegebühr beträgt daher nur 16,80 EUR ( § 14 TP 5 Z1 und TP 6 Z 1 GebG).