JudikaturOPMS

Om4/10 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2010

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Brigitte SCHENK, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Günter SCHWAYER, Dr. Manfred VOGEL und Dr. Gottfried MUSGER als rechtskundige Mitglieder und den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Johannes WERNER als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache des Antragstellers Herrn   E *****, vertreten durch Lubberger Lehment Kanzlei für gewerblichen Rechtsschutz, Mein-ekestraße 4, 10719 Berlin, Deutschland, gegen die Antragsgegnerin Firma   S *****  B . V . ,   ***** Niederlande, vertreten durch Patentanwälte Puchberger, Berger Partner, Reichsratsstraße 13, 1010 Wien, wegen teilweiser Unwirksamerklärung der internationalen Marke Nr 602 068 über die Berufung des Antragstellers gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 23. Juli 2009, Nm 115/2007-11 entschieden.

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts wird die Fortführung des Verfahrens aufgetragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

G r ü n d e :

Für die Antragsgegnerin ist die IR-Marke 602 068 mit Schutzerstreckung auf Österreich ua in der Klasse 12 für folgende Waren eingetragen: "fauteuils roulants et véhicules; véhicules, scooters et fauteuils roulants électriques; parties et accessoires pour ces produits non compris dans d'autres classes.“

Der in Österreich wohnhafte Antragsteller beantragte am 3. August 2007, die Marke mangels ernsthafter kennzeichenmäßiger Benutzung gemäß § 33a MSchG für das Gebiet der Republik Österreich teilweise zu löschen, und zwar für Waren der Klasse 12 "véhicules". Nach Aufforderung durch das Patentamt, den Inhalt seines Antrags klarzustellen, präzisierte der Antragsteller mit Schreiben vom 20. Oktober 2007 und 15. Feber 2008 seinen Antrag letztlich dahin, der Teil-Löschungsantrag umfasse die Waren „véhicules und scooters“ (ON 4).

Die Antragsgegnerin teilte mit Eingabe vom 5. März 2009 mit, sie werde der vom Antragsteller geforderten Einschränkung des Warenverzeichnisses nachkommen.

Mit Eingabe vom 24. März 2009 teilte der Antragsteller mit, er leite ein rechtliches Interesse auf Feststellung der Löschung von seiner eigenen gleichlautenden österreichischen Marke Nr 237 331 ab; die vom Antragsgegner abgegebene Erklärung sei nicht ausreichend.

Am 28. April 2009 teilte die Antragsgegnerin mit, beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) die Einschränkung des Warenverzeichnisses in der Klasse 12 beantragt zu haben und damit der Aufforderung des Antragstellers nachgekommen zu sein. Sie legte eine Kopie der Mitteilung der WIPO vor, aus der sich folgende Einschränkung des Warenverzeichnisses in der Klasse 12 ergibt: „fauteuils roulants et véhicules; véhicules, scooters et fauteuils roulants électriques; tous les produits susmentionnés se sont adaptés à l'usage des personnes âgées, infirmés ou handicapés; parties et accessoires pour ces produits non compris dans d'autres classes.“

Mit Verfügung vom 28. Mai 2009 teilte das Patentamt den Parteien mit, dass die angefochtene Marke mit Wirksamkeit vom 11. März 2009 für das Gebiet der Republik Österreich teilweise gelöscht worden sei. Das Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung sei mit Beschluss einzustellen, sofern der Antragsteller nicht unter Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses auf der Durchführung beharre.

Mit Eingabe vom 18. Juni 2009 (ON 10) teilte der Antragsteller mit, auf der Durchführung des Verfahrens zu beharren. Er sei Inhaber der mit der angefochtenen Marke im Wortlaut identischen österreichischen Marke Nr 237 331, die auch für die identen Waren der Klasse 12 eingetragen sei. Obwohl die Antragsgegnerin die Löschung ihrer Marke selbst beantragt habe, sei nicht auszuschließen, dass in zukünftigen Verfahren Zwischenrechte der Antragsgegnerin vor der Löschungsbekanntgabe gegen ihn entgegengehalten werden könnten. Es sei für die Rechtssicherheit erforderlich und notwendig, dass das Patentamt ausspreche, dass die angefochtene Marke fünf Jahre vor Antragstellung wegen Nichtbenutzung als gelöscht gelte.

Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes sprach mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. Juli 2009 aus, dass das Verfahren gemäß § 117 PatG eingestellt werde. Ein echtes rechtliches Interesse des Antragstellers an der Durchführung des Verfahrens könne sich im gegenständlichen Fall nur aus einer anhängigen oder doch zumindest konkret angedrohten Eingriffsklage ergeben; solches sei nicht geltend gemacht worden. Die bloße Möglichkeit der Klagserhebung innerhalb der Verjährungsfrist für eine Eingriffsklage reiche für ein rechtliches Interesse an der Fortführung des Verfahrens nicht aus.

Dagegen richtet sich die Berufung des Antragstellers, vertreten durch eine deutsche Anwaltskanzlei, namentlich unterfertigt durch Rechtsanwalt Dr. Ulrich Hildebrandt als Vertreter des Antragstellers, mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Antrag auf teilweise Löschung stattgegeben und der angegriffenen Marke der Schutz für folgende Waren der Klasse 12 entzogen wird: „véhicules und scooters, ausgenommen elektrische scooter (Roller) zur Herstellung oder Sicherung der Mobilität von Behinderten, Patienten und älteren Menschen (alle vorgenannten Waren inklusive deren Teile und Zubehör).“ In einer „Ergänzung zur Berufung“ vom 30. September 2009 beantragt der Antragsteller innerhalb der noch laufenden Berufungsfrist unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu erkennen, dass dem österreichischen Teil der angefochtenen Marke rückwirkend zum 6. August 2002 der Schutz für die Waren der Klasse 12 „véhicules und scooters“ entzogen werde. Er habe in seiner Eingabe vom 15. Feber 2008 zur Reichweite seines Löschungsantrags klargestellt, die Löschung für die Waren Véhicules und Scooters zu beantragen; in diesem Umfang werde der Löschungsantrag im Rahmen des Berufungsverfahrens weiterverfolgt.

In ihrer Berufungsbeantwortung stellt die Antragsgegnerin die Vertretungsbefugnis der Rechtsvertreter des Antragstellers in Frage und beantragt in der Sache, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt im Sinne des jedem Abänderungsantrag innewohnenden ( Zechner in Fasching / Konecny ² IV/1 § 506 ZPO Rz 14 mwN) Aufhebungsantrags.

1. Zur Vertretungsbefugnis

Die Antragsgegnerin bezweifelt die Vertretungsbefugnis einer deutschen Rechtsanwaltskanzlei; es genüge ihrer Auffassung nach nicht, wenn ein deutscher Rechtsanwalt der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer in Österreich „seine Tätigkeit nach den Vorgaben des EIRAG“ angezeigt habe.

Der Partei, die sich durch eine Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamtes beschwert erachtet, steht die Berufung an den Obersten Patent- und Markensenat offen (§ 138 Abs 1 PatG). Zur Verhandlung sind die Parteien oder ihre Vertreter zu laden (§§ 118 Abs 3, 140 Abs 1 PatG). Nur wer im Inland weder Wohnsitz noch Niederlassung hat, muss sich vor dem Obersten Patent- und Markensenat durch einen Rechtsanwalt, Patentanwalt oder Notar vertreten lassen (§ 61 Abs 4 MSchG). Für Österreicher und andere EWR-Inländer besteht demnach kein Vertretungszwang vor dem Obersten Patent- und Markensenat ( Heger in Kucsko , marken.schutz 854), insoweit handelt es sich demnach um ein Verfahren ohne Anwaltspflicht.

Wer als Vertreter vor dem Patentamt oder vor dem Obersten Patent- und Markensenat einschreitet, muss seinen Wohnsitz oder seine Niederlassung im Inland haben (§ 21 Abs 1 PatG). Für Rechtsanwälte, Patentanwälte und Notare gelten allerdings die berufsrechtlichen Vorschriften. Gemäß § 4 Abs 1 des Bundesgesetzes über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch international tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Österreich (EIRAG) haben dienstleistende europäische Rechtsanwälte bei Ausübung einer Tätigkeit, die mit der Vertretung oder Verteidigung eines Mandanten im Bereich der Rechtspflege oder vor Behörden zusammenhängt, die Stellung eines in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalts, insbesondere dessen Rechte und Pflichten, soweit diese nicht die Zugehörigkeit zu einer Rechtsanwaltskammer oder den Kanzleisitz betreffen. Vor dem erstmaligen Einschreiten im Sprengel einer Rechtsanwaltskammer haben sie die nach dem Ort der inländischen Dienstleistungserbringung jeweils zuständige Rechtsanwaltskammer (§ 7 Abs 1 EIRAG) schriftlich zu verständigen.

Dass die Vertretungstätigkeit für den Antragsteller im Inland der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer in Österreich angezeigt wurde, zieht die Antragsgegnerin nicht in Zweifel. Damit besitzt der Vertreter des Antragstellers die Stellung eines inländischen Rechtsanwalts und erfüllt somit die Voraussetzungen einer wirksamen Vertretung gemäß § 61 Abs 1 MSchG. Der Bestellung eines Einvernehmensrechtsanwalts bedarf es nur in Verfahren mit Anwaltspflicht (§ 5 Abs 1 EIRAG); das Verfahren vor dem Obersten Patent- und Markensenat zählt – wie ausgeführt - nicht dazu.

2. Zu § 117 PatG

Der Berufungswerber macht geltend, § 117 PatG sei bei teilweisem Erlöschen einer Marke überhaupt nicht anzuwenden, da die Vorschrift umfassend vom Erlöschen des Patents spreche. Zudem sei häufig nicht eindeutig, ob das teilweise Erlöschen den Löschungsantrag abdecke oder ob das Erlöschen hinter dem Antrag zurückbleibt. Um diese Unklarheiten zu beseitigen, bedürfe es einer Sachentscheidung des Patentamts. Das rechtliche Interesse des Antragstellers liege jedenfalls deshalb vor, weil die internationale Registrierung durch den erklärten Teilverzicht des Antragsgegners nicht im beantragten Umfang erloschen sei; insbesondere die beantragte Löschung für „Fahrzeuge“ sei nicht vollzogen worden.

Die Antragsgegnerin gesteht in der Berufungsbeantwortung zu, dass das von der WIPO bestätigte Warenverzeichnis nach Teillöschung „irrtümlicherweise“ zwischen "fauteuils roulants et véhicules" und "scooters et fauteuls roulants électriques" den Begriff "véhicules" enthalte. Dies sei auf ein Versehen der WIPO zurückzuführen.

Der Senat hat dazu erwogen:

Die Registrierung einer internationalen Marke bei der WIPO hat zur Folge, dass diese Marke in jedem Vertragsstaat, auf den sich der Schutz erstreckt, ebenso geschützt ist, wie wenn sie in jedem der betroffenen Vertragsländer unmittelbar eingetragen worden wäre (Art 4 Abs 1 MMA). Diese Eintragung verschafft dem Markeninhaber daher dieselbe Rechtsposition, die er durch nationale Eintragungen in jedem der betroffenen Vertragsstaaten erlangt hätte. Das durch die internationale Registrierung auch in Österreich entstandene Markenrecht ist daher einem österreichischen Markenrecht gleichzuhalten, das durch Anmeldung und Registrierung der Marke beim österreichischen Patentamt entstanden ist ( Koppensteiner , Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 45 Rz 16).

Der Antragsteller hat in dem von ihm eingeleiteten Löschungsverfahren insbesondere beantragt, die angegriffene Marke im Umfang der Waren „véhicules“ zu löschen. Wie von der Antragsgegnerin zugestanden, ist ein Löschung der Marke durch die WIPO in diesem Umfang bisher nicht erfolgt. Ob es sich dabei um ein Versehen der Antragsgegnerin oder der WIPO handelt, ist ohne Bedeutung. Die Marke ist jedenfalls im nicht gelöschten Umfang auch in Österreich weiterhin geschützt. Unter diesen Umständen liegen aber die Voraussetzungen für eine Beendigung des Verfahrens nach § 117 PatG nicht vor:

Nach dieser Bestimmung (iVm § 42 Abs 1 MSchG) ist das Verfahren mit Beschluss einzustellen, wenn die Marke während des Verfahrens vor der Nichtigkeitsabteilung erlischt, sofern der Antragsteller nicht unter Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses auf der Durchführung beharrt. Diese Bestimmung ist auch anzuwenden, wenn das Erlöschen der Marke nur einzelne Warengruppen betrifft und die Marke im übrigen aufrecht bleibt.

Wie ausgeführt, ist die Marke während des Verfahrens vor der Nichtigkeitsabteilung im Umfang der vom Löschungsantrag umfassten Warengruppe „véhicules“ nicht erloschen. Eine Einstellung des Verfahrens unter Berufung auf § 117 PatG kommt damit schon aus diesem Grund nicht in Betracht. Nur der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass dem Antragsteller ein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung solange nicht abgesprochen werden kann, als über seinen verfahrenseinleitenden Rechtsschutzantrag nicht zur Gänze inhaltlich abgesprochen worden ist.

Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und der Nichtigkeitsabteilung die Fortführung des Verfahrens aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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