JudikaturOPMS

Op1/10 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2010

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Gabriele JAGETSBERGER, Dr. Gottfried MUSGER und Dr. Manfred VOGEL als rechtskundige Mitglieder und die Rätin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Maria KRENN als fachtechnisches Mitglied in der Patentrechtssache der Antragstellerin Firma   G *****   G e s e l l s c h a f t   m . b . H . ,  ***** vertreten durch Patentanwalt Dr. Thomas M. HAFFNER, Schottengasse 3a, 1014 Wien, gegen die Antragsgegnerin Firma   F *****   A G ,   ***** Schweiz, vertreten durch Kopecky Schwarz Patentanwälte, Wipplingerstraße 30, 1010 Wien, wegen teilweiser Nichtigerklärung des Patentes Nr E 238 056 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 19. August 2009, N 12/2005-10, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Berufung der Antragsgegnerin wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 2.721,90 bestimmten Kosten (darin enthalten EUR 453,65 Umsatzsteuer) des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des Patents Nr E 238 056 „Pharmazeutische Kombinationspräparate in fester Form enthaltend Carvedilol und Hydrochlorothiazid“.

Die Antragstellerin beantragte am 24. Juni 2005 die teilweise Nichtigerklärung der Ansprüche 1 bis 5 und 14 des genannten Patents wegen mangelnder Neuheit.

Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag auf Nichtigerklärung abzuweisen.

Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes gab mit Erkenntnis vom 17. September 2008 dem Antrag auf teilweise Nichtigkeit statt und erklärte das Patent im Umfang der Ansprüche 1 bis 5 und 14 für nichtig. Diese Entscheidung wurde der Antragsgegnerin am 22. Dezember 2008 zugestellt.

Gegen diese Entscheidung richtete sich die am 23. Feber 2009 beim Patentamt eingelangte Berufung der Antragsgegnerin. Sie enthielt die Erklärung, gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Berufung einzulegen, und den Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Nichtigkeitsantrag unter Zuspruch von Kostenersatz abzuweisen, jedoch keine Begründung. Unter der Überschrift „Bemerkung“ wurde ausgeführt, dass § 139 PatG zuletzt durch BGBl I Nr 149/2004 geändert worden sei; aus den erläuternden Bemerkungen dazu wurde zitiert: “In Orientierung an § 474 Abs 2 ZPO wird die bisher im Abs 2 vorgesehene Einschränkung der verbesserbaren Mängel auf 'formale Mängel' fallengelassen. Auch bei inhaltlichen Mängeln, wie bei fehlendem Berufungsantrag oder fehlender Begründung, ist künftig dem Berufungswerber eine Frist zur Verbesserung zu setzen. Im Hinblick darauf, dass auch der fehlende Berufungsantrag einen verbesserbaren Mangel darstellt, ist Abs 3 entsprechend anzupassen.“ In diesem Sinne bat die Berufungswerberin „um Fristsetzung zum Nachreichen der Begründung“.

Die Nichtigkeitsabteilung räumte der Antragsgegnerin zur „Überreichung der Begründung dieser Berufung“ eine Frist von einem Monat ab Zustellung dieses Beschlusses ein. Innerhalb dieser Frist beantragte die Antragsgegnerin die Verlängerung der Frist um weitere zwei Monate bis zum 16. Juni 2009. Die Sachbearbeiterin der Patentinhaberin müsse dienstlich verreisen, danach sei der Patentanwalt der Antragsgegnerin eineinhalb Wochen auf Urlaub.

Die Nichtigkeitsabteilung räumte der Antragsgegnerin daraufhin „letztmalig“ eine Verlängerung der Frist zur Einbringung einer Begründung um weitere zwei Monate bis zum 16. Juni 2009 ein. Am letzten Tag dieser Frist brachte die Antragsgegnerin einen als „Begründung der Berufung an den Obersten Patent- und Markensenat gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung vom 17. September 2008“ bezeichneten Schriftsatz ein, der Berufungsgründe enthielt.

Die Antragstellerin beantragte, der Berufung keine Folge zu geben.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Nichtigkeitsabteilung die Berufung zurück. Sie führte unter Hinweis auf die Entscheidung des OPM vom 29. April 2009, Om 2/09 = PBl 2009, 106 aus, eine Berufung müsse eine Begründung enthalten, die innerhalb der Berufungsfrist einzureichen sei. Mängel seien nur dann verbesserbar, wenn sie dem Rechtsmittelwerber versehentlich oder durch Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften unterlaufen seien. Fehle eine Begründung, sei dies kein verbesserbarer Mangel, wenn das Rechtsmittel – wie hier - unter absichtlicher Verletzung der Formvorschriften eingebracht worden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden, hilfsweise, die Sache an die Nichtigkeitsabteilung zurückzuverweisen.

Die Antragstellerin beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

Die Berufungswerberin macht geltend, dass ein Verbesserungsauftrag immer möglich sei, wenn eine Begründung - aus welchem Grund auch immer - fehle. Die Nichtigkeitsabteilung habe ihr eine Verbesserungsmöglichkeit eingeräumt und sei an diese Entscheidung gebunden. Die Nichtigkeitsabteilung habe im Verfahren die §§ 112 bis 139 PatG anzuwenden; diese Bestimmungen enthielten besondere Verfahrensbestimmungen und verwiesen nur an einzelnen Stellen ausdrücklich auf die ZPO, die daher nicht allgemein auf das Verfahren vor dem Patentamt anwendbar sei.

Der Senat hat dazu erwogen:

Gemäß § 138 Abs 3 Satz 2 PatG hat die Berufung einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Die Antragsgegnerin hat ihre Berufung zwar innerhalb der Berufungsfrist eingebracht, ihr Rechtsmittel enthielt aber keine Begründung, sondern nur einen Verweis auf Gesetzesmaterialien zu § 139 Abs 2 PatG.

Die Gesetzesmaterialien zu § 139 Abs 2 und 3 PatG verweisen ausdrücklich auf § 474 Abs 2 ZPO, welche Bestimmung die Verbesserungsvorschriften der §§ 84, 85 ZPO für anwendbar erklärt. Diese gelten daher auch im Nichtigkeitsverfahren vor dem Patentamt.

In einem nahezu identen Fall hat der OPM ausgesprochen, dass zwar Mängel, die dem Rechtsmittelwerber versehentlich oder in Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften unterlaufen sind (wie etwa eine von einer Partei selbst eingebrachte Berufung ohne Begründung oder ohne Anfechtungserklärung), verbesserungsfähig sind. Kein verbesserbarer Mangel liegt aber vor, wenn das Rechtsmittel unter absichtlicher und missbräuchlicher Verletzung der Formvorschriften eingebracht wurde (OPM 29. April 2009, Om 2/09 = PBl 2009, 106). An dieser Auffassung ist festzuhalten.

Auch im Anlassfall hat die Berufungswerberin – für die derselbe Vertreter eingeschritten ist wie im Fall der Entscheidung Om 2/09 - die Berufung bewusst nicht begründet, sondern schon bei Einbringung der Berufung die Einräumung einer Frist für das Nachreichen der Begründung beantragt. Die Berufung leidet damit an keinem Mangel, der nur versehentlich oder durch Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften unterlaufen wäre. Es liegt daher auch hier kein verbesserungsfähiger Mangel vor. Das mangelhafte Rechtsmittel wäre daher schon ohne Gewährung einer Frist zur Verbesserung zurückzuweisen gewesen (vergleiche RIS-Justiz RS0036385).

Der entgegen dem Gesetz erteilte Verbesserungsauftrag führte zu keiner Verlängerung der Berufungsfrist und hindert auch die Zurückweisung der Berufung nicht (RIS-Justiz RS0036197[T2]). Die von der Antragsgegnerin eingebrachte nachgereichte Begründung ist daher unbeachtlich; maßgeblich ist allein die von ihr innerhalb der (ursprünglichen) Rechtsmittelfrist eingebrachte Berufung. Diese Berufung enthält entgegen § 138 Abs 3 Satz 2 PatG keine Begründung und ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht - ausgehend vom unstrittigen Streitwert von 36.340 EUR - auf §§ 122 Abs 1 und 140 PatG iVm § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO.

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