JudikaturOPMS

Om1/10 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2010

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Brigitte SCHENK, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Mag. Wolfgang BONT, Dr. Manfred VOGEL und Dr. Gottfried MUSGER als rechtskundige Mitglieder und den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Johannes WERNER als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin Firma   S *****, USA, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, Ebendorferstraße 3, 1010 Wien, gegen die Antragsgegnerin Firma   L *****  A k t i e n g e s e l l s c h a f t ,   ***** vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG, Argentinierstraße 20/1/3, 1040 Wien, wegen teilweiser Löschung der Marke Nr 225 629 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 12. Mai 2009, Nm 35/2007-6,7,8 entschieden.

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die mit 2.721,90 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 453,65 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Die Antragstellerin ist Inhaberin der einen Eisbären darstellenden Gemeinschaftsmarke CTM 004756458:

Beginn der Schutzdauer war der 24. Mai 2002; die Marke ist für folgende Waren registriert:

·              Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren aus diesen Materialien; Regenschirme, Sonnenschirme, Sport- und Freizeittaschen, Reisetaschen, Rucksäcke, Einkaufstaschen, Strandtaschen, Koffer, Kosmetikkoffer (ohne Inhalt), Schlüsseletuis, Anzugsäcke, Brieftaschen, Geldbörsen, Aktentaschen.

·              Klasse 25: Bekleidungsstücke, Unterwäsche, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Gürtel, Handschuhe, Halstücher.

Die Antragsgegnerin meldete am 27. Mai 2005 die folgende, ebenfalls einen Eisbären zeigende Wort-Bild-Marke an:

Die Registrierung erfolgte am 27. Juni 2005 unter der Nummer AT 225 629 für folgende Waren:

·              Klasse 18: Taschen, Beutel, Umhängetaschen, Geldbörsen, Brieftaschen, Koffer und Reisetaschen, alle vorgenannten Waren, insbesondere aus Leder oder Lederimitationen; Schuhsäcke und Schuhbeutel.

·              Klasse 25: Bekleidung, Schuhe, Stiefel, Pantoffeln, Sandalen, Stiefeletten, Boots, Wanderschuhe, Hausschuhe, Espandrilles, Turnschuhe, Gummistiefel, Socken, Strümpfe, Strumpfhosen, Legwarmers, Einlegesohlen.

·              Klasse 28: Spiele, Spielzeug, Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, Christbaumschmuck.

Die Antragstellerin beantragt, die jüngere Marke der Antragsgegnerin nach § 30 Abs 1 Z 2 MSchG in den Klassen 18 und 25 zu löschen. Es liege Warenidentität bzw Warenähnlichkeit vor. Dominierender Bestandteil beider Marken sei ein identisch abgebildeter weißer Eisbär, weshalb Verwechslungsgefahr bestehe. Der Wortbestandteil der bekämpften Marke trete gegenüber der Abbildung des Eisbären in den Hintergrund und habe zudem teilweise beschreibenden Charakter.

Die Antragsgegnerin bestreitet die Verwechslungsgefahr. Die bekämpfte Marke werde durch deren Wortbestandteil geprägt, und zwar insbesondere durch den Begriff POLARIS. Für diesen Begriff habe die Antragstellerin schon 1993 Markenschutz erlangt. Demgegenüber handle es sich bei der Marke der Antragstellerin nur um die stilisierte Darstellung eines Eisbären. Verbalisierte Assoziationen der angesprochenen Verkehrskreise seien daher lediglich in Richtung „Eisbär“ oder „Bär“ denkbar, nicht jedoch in Richtung POLARIS.

Die Nichtigkeitsabteilung löschte die Marke der Antragsgegnerin für die Klassen 18 und 25. Es bestehe zumindest hochgradige Warenähnlichkeit. Die ältere Bildmarke der Antragstellerin habe normale Kennzeichnungskraft. Sie werde praktisch unverändert in die Marke der Antragsgegnerin aufgenommen und präge deren Gesamteindruck. Das Wort "POLARIS" habe keine eigenständige Bedeutung, die Wortfolge "ALL WEATHER" werde von den beteiligten Verkehrskreisen als beschreibend verstanden. Damit trete der Wortbestandteil gegenüber der übernommenen Bildmarke in den Hintergrund. Eine Regel, wonach bei Wort-Bild-Marken jedenfalls der Wortbestandteil maßgebend sei, lasse sich aus der Rechtssprechung des EuGH nicht ableiten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Antragsgegnerin ist nicht berechtigt.

1. Ob Verwechslungsgefahr im Sine von § 33 Abs 1 Z 2 MSchG vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren und Dienstleistungen (RIS-Justiz RS0121500). Dabei ist auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren Bedacht zu nehmen. So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (4 Ob 124/06y = ÖBl 2007, 210 [Gamerith] - Hotel Harmonie mwN; zuletzt etwa 17 Ob 20/08b = ÖBl 2009, 180 [ Schnider/Kresbach ] – Botox, und 17 Ob 36/08f = jusIT 2009, 136 [ Thiele ] - KOBRA/cobra-couture.at).

2. Maßgebend für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist der Gesamteindruck der beiden Zeichen; eine allgemeine Regel, wonach jedenfalls der Wortbestandteil maßgebend sei, gibt es nicht (vergleiche zuletzt EuGH C-498/07 P, Koipe Corporación SL /HABM, Rz 59 ff mwN). Bei vollständiger Übernahme eines Zeichens ist Verwechslungsgefahr schon dann anzunehmen, wenn das übernommene innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (RIS-Justiz RS0079033 T20; OPM PBl 2002, 135 - Jack Jones; zuletzt etwa 4 Ob 154/06k - Amadeo by living dimension; 17 Ob 16/07p = ÖBl 2008, 40 [ Rungg / Albiez ] – KitKat; EuGH C-120/04 = ÖBl 2006, 143 [ Hofinger ] - Thomson Life).

3. Auf dieser Grundlage bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Marke der Antragstellerin ist normal kennzeichnungskräftig. Die Antragsgegnerin hat sie zwar nicht vollständig, wohl aber in ihrem prägenden Bestandteil (Eisbär) und damit im Kern unverändert in die eigene Marke übernommen. Zwar weist diese Marke noch weitere Bildelemente auf (blauer Himmel, schneebedeckte Berge). Diese bilden aber nur den Hintergrund für den farblich und auch aufgrund seiner Positionierung hervorgehobenen Eisbären. Der Wortbestandteil „ALL WEATHER“ beschreibt eine Eigenschaft der bezeichneten Waren und fällt daher bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht ins Gewicht. „POLARIS“ kann im gegebenen Zusammenhang als Anspielung auf den Bildbestandteil der Marke verstanden werden (Polarbär = Eisbär) und hat daher, wenn überhaupt, nur normale Kennzeichnungskraft. Ingesamt kann daher keine Rede davon sein, dass das in seinem prägenden Teil übernommene Zeichen der Antragstellerin gegenüber den übrigen Bestandteilen der bekämpften Marke in den Hintergrund träte. Zudem besteht hohe Warenähnlichkeit, teilweise sogar Warenidentität, sodass Verwechslungsgefahr schon bei einer geringeren Zeichenähnlichkeit angenommen werden könnte.

4. Der Hinweis auf die Entscheidung des EuGH in der RS C-251/95 (= Slg 1997 I 6191 = ÖBl 1998, 106 – Sabel / Puma) hilft der Antragsgegnerin nicht weiter. Denn dort war nur strittig, ob die Ähnlichkeit der Bedeutung zweier Bildelemente („springende Raubkatze“) zur Begründung von Verwechslungsgefahr ausreiche; die Abbildungen als solche wiesen einen deutlichen Unterschied auf:

Der Europäische Gerichtshof verneinte das Vorliegen einer bloß mit der übereinstimmenden Bedeutung begründeten Verwechslungsgefahr; für den hier zu beurteilenden Fall der praktisch unveränderten Aufnahme des prägenden Teils einer älteren Bildmarke in ein jüngeres Zeichen lässt sich daraus nichts ableiten.

5. Aus diesen Gründen muss die Berufung der Antragsgegnerin scheitern.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 42 Abs 1 MSchG iVm §§ 122 Abs 1, 140 Abs 1 PatG 1970 und §§ 50, 41 ZPO. Die unterlegene Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen. Nach § 23 Abs 9 RATG ist der Einheitssatz allerdings nur dreifach (nicht wie begehrt vierfach) zuzusprechen, damit ist auch die Verrichtung der Berufungsverhandlung abgegolten. Eine Pauschalgebühr ist für die Antragstellerin im Berufungsverfahren nicht angefallen; der ERV-Erhöhungs-beitrag gebührt schon deswegen nicht, weil die Berufungsbeantwortung mit der Post übermittelt wurde.

Rückverweise