Op2/09 – OPMS Entscheidung
Kopf
Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Brigitte SCHENK, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Manfred VOGEL und Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als rechtskundige Mitglieder und die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Maria KRENN und Dr. Wolfram GÖRNER als fachtechnische Mitglieder in der Patentrechtssache der Antragstellerin S ***** G m b H , *****vertreten durch Dr. Müllner Dipl.-Ing. Katschinka OEG, Patentanwaltskanzlei, Weihburggasse 9, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin O ***** G m b H , ***** vertreten durch Gibler Poth Patentanwälte OEG, Dorotheergasse 7, 1010 Wien, wegen teilweiser Nichtigerklärung des Patentes Nr 408 544 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 22. Oktober 2008, N 8/2007-4, entschieden:
Spruch
Der Berufung der Antragsgegnerin wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragsstellerin die mit EUR 2.747,90 bestimmten Kosten (darin enthalten EUR 453,65 Umsatzsteuer und EUR 26,- Barauslagen) des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
G r ü n d e :
Die O***** GmbH (in der Folge: Antragsgegnerin) ist Inhaberin des angefochtenen Patents AT 408 544 B, das in seinem Anspruch 1 wie folgt lautet:
„Verfahren zur Behandlung von mit Druckfarben, Lacken, Dispersionen und ähnlichen Produkten verunreinigten alkalischwässrigen Reinigungslösungen, wie sie bei der Herstellung von Druckfarben und Lacken sowie bei Druck- und Lackierprozessen anfallen, wobei die Schmutzlösung einer Ultrafiltration mit Membranen unterworfen wird, die gereinigte Lösung abgezogen und bevorzugt dem Prozess, gegebenenfalls nach Zwischenspeicherung, wieder zugeführt wird und das Konzentrat aus der Ultrafiltration gegebenenfalls weiter behandelt wird, dadurch gekennzeichnet, dass in der Ultrafiltration, der bevorzugt die gesamte Schmutzlösung aus dem Prozesshauptstrom unterworfen wird, als Membranen anorganische Membranen, bevorzugt solche, bei welchen eine Membranschicht aus a-Aluminiumoxid auf einer Zirkoniumoxidbasis und bzw oder eine Zirkonium-Titanoxidschichte auf einer Karbonbasis aufgebracht ist, eingesetzt werden und die Ultrafiltration bis zu einem Anfall von mindest 45 Gew-%, bevorzugt 95-98 Gew-% gereinigter Lösung geführt wird und das Konzentrat der Ultrafiltration entweder
a) direkt entsorgt wird oder im Falle der Weiterbehandlung
b) einer Vakuumdestillation, bevorzugt unter Zusatz eines Entschäumers in einer Menge von 0,1 bis 5 Gew-% unterworfen und auf einen Feststoffgehalt von 50 bis 70 Gew-% eingedickt wird, wobei das Destillat, bevorzugt wieder dem Prozess zugeführt und das Farbstoffe enthaltende Sediment einer weiteren Verwendung, gegebenenfalls nach Zwischenlagerung zugeführt wird, oder
c) zur Granulierung eine Vakuumdestillation bei einer Temperatur von 35° bis 170° C ansteigend in einem Vakuumgranulierer erfolgt, wobei der verblei-bende Rest als weitestgehend wasserfreies Granulat anfällt.".
Die S***** GmbH (in der Folge: Antragstellerin) begehrte mit Antrag vom 16. Mai 2007, das Patent im Umfang von Anspruch 1 Variante a) für nichtig zu erklären. Das Patent sei im angefochtenen Umfang einerseits nicht neu (weil das Verfahren insoweit bereits vor dem Anmeldetag des Patents Teil eines ohne Geheimhaltungsvereinbarung erstellten schriftlichen Anbots Beilage ./A an die Bundesdruckerei GmbH in Berlin gewesen sei) und andererseits ursprünglich nicht offenbart gewesen.
Die Antragstellerin legte folgende Dokumente vor:
./A eidesstaatliche Erklärung von Herrn Dipl.-Ing. Arnberger (inkludiert Kopien aus dem Teil B (= technischer Teil) des Angebots 9505-01, nämlich die Seiten 1-8 und 40, Auftrag der Bundesdruckerei vom 16. Oktober 1995, Telefax-Schreiben vom 5. und 6. Juli 1995, Eingangsbestätigung der Patentanmeldung A 397/2006)
./B Entscheidung EPA T0221/04
./C Äußerung an EPA vom 9. Jänner 2002
./D EP 789 000 Bl
./E Beschluss des OLG Wien in der Sache 10 Cg 51/06i-8
Die Überschreitung der ursprünglichen Offenbarung gelte zwar erst seit der Patentrechts- und Gebührennovelle 2004 (BGBl I Nr 149/2004) als Nichtigkeitsgrund, dieser sei aber mangels Übergangsbestimmungen auf alle zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Novelle aufrechten österreichischen Patente anzuwenden. Variante a) von Anspruch 1 werde in den ursprünglichen Unterlagen nicht erwähnt und sei erst mit der Äußerung auf den zweiten Vorbescheid in Anspruch 1 aufgenommen worden. Die Unzulässigkeit dieser Vorgangsweise sei zwar im dritten Vorbescheid angesprochen, aber nicht weiterverfolgt worden, da es der Antragsgegnerin gelungen sei, die amtseitig mitgeteilten Bedenken durch Verweis auf eine Textstelle der ursprünglichen Offenbarung zu zerstreuen. Da diese Textstelle zwar einen „verbleibenden Rest" beschreibe, die Ultrafiltration jedoch erst einen Absatz später erwähnt werde, fehle zwischen diesen beiden Begriffen der Zusammenhang, womit es in besagter Textstelle keinen Hinweis darauf gebe, dass das Konzentrat aus der Ultrafiltration direkt zu entsorgen sei. Der „verbleibende Rest" könne demnach nicht nur das unbehandelte Konzentrat aus der Ultrafiltration, sondern auch das nach der Fällungsstufe oder nach der Vakuumdestillation anfallende Produkt sein. Nach ständiger Praxis (vergleiche Beilage ./B) habe eine Stelle aus der Beschreibung unmittelbar und eindeutig genau das zu offenbaren, was in einem später aufgestellten Anspruch beansprucht werde. Eine derartige Offenbarung fehle jedoch, zumal auf Seite 3 Mitte sogar beschrieben werde, dass die Weiterbehandlung des Konzentrats der Ultrafiltration ein wesentliches Merkmal des Verfahrens sei. Die Überschreitung der ursprünglichen Offenbarung sei auch aus dem Verlauf des parallelen europäischen Erteilungsverfahrens abzuleiten. Aus Beilage ./C sei ersichtlich, dass auch hier versucht worden sei, die direkte Entsorgung des Konzentrats der Ultrafiltration in den Patentanspruch 1 aufzunehmen, be-sagtes Merkmal jedoch in der Patentschrift (Beilage ./D) nicht mehr auftauche. Dieser Auffassung folge auch die Entscheidung des Rekursgerichtes (Beilage ./ E).
Die Antragsgegnerin beantragte, den Nichtigkeitsantrag abzuweisen. Der Inhalt eines Angebots gehöre nicht zum Stand der Technik, weil er nur einem eng begrenzten Kreis von Personen übermittelt werde. Der Vorwurf der Überschreitung der ursprünglichen Offenbarung sei bereits im Vorprüfungsverfahren geäußert, dort aber durch Hinweis auf die Seite 2 vierter Absatz der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen entkräftet worden. Danach sei es Aufgabe der Erfindung, „eine Verfahrensführung zur Reinigung und Wiederverwertung von oben angeführten Schmutzwasserarten zu finden, bei der kein Abwasser anfällt, mindestens 95 Gew-% der Reinigungs- und Prozesswässer in annähernd ursprünglicher Zusammensetzung zurückgewonnen werden und der verbleibende Rest in einer Form gewonnen wird, welche eine Wiederverwendung für gleichartige, ähnliche oder aber auch andere Produkte, wie zB Teerpappe, Bitumen usw oder gegebenenfalls eine problemlose Entsorgung ermöglicht.". Daraus gehe eindeutig hervor, dass der verbleibende Rest jener sei, der nach Rückgewinnung von mindestens 95 Gew-% der Reinigungs- und Prozesswässer anfalle, nicht hingegen jener, der nach der Vakuumdestillation oder der Fällungsstufe verbleibe. Seite 3 zweiter Absatz der Patentanmeldung laute: „Durch das erfindungsgemäße Verfahren können bereits in einem ersten Verfahrensschritt, nämlich der Ultrafiltration, 95-98 Gew-% der verunreinigten, oben angeführten wässrigen Lösung zurückgewonnen werden.". Damit sei offenbart, dass die erfindungsgemäße Aufgabe durch die Ultrafiltration gelöst werde. Die Angabe des verbleibenden Rests, der gegebenenfalls entsorgt werde, beziehe sich somit eindeutig auf den Rest, der nach der Utrafiltration anfalle. Die Weiterbehandlung in einem zweiten Verfahrensschritt sei für die Lösung der Aufgabe nicht erforderlich und daher für die Erfindung nicht zwingend erforderlich. Auch der Umstand, dass der Begriff „verbleibender Rest" auch in Patentanspruch 4 aufscheine, stütze die Behauptung nicht, dass es sich beide Male um ein und denselben Rest handle; aus dieser Offenbarung ergebe sich für den Fachmann, dass es neben einem „ersten verbleibenden Rest" auch einen „zweiten verbleibenden Rest" gebe. Das korrespondierende Erteilungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt sei einerseits für das Verfahren vor dem Österreichischen Patentamt nicht präjudizierend, andererseits sei es irreführend. Zwar seien auch dort Patentansprüche eingereicht worden, die jenen des Streitpatents entsprochen hätten. Dem im nachfolgenden Bescheid erhobenen Einwand der unzulässigen Erweiterung sei jedoch dahingehend begegnet worden, dass sofort auf die ursprüngliche Fassung der Patentansprüche zurückgegriffen und nicht versucht worden sei, den Prüfer auf die Offenbarung auf Seite 2 vierter Absatz der Streitpatentanmeldung aufmerksam zu machen.
Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes gab mit Beschluss vom 22. Oktober 2008 dem Antrag auf teilweise Nichtigkeit statt und erklärte das Patent im Umfang der Variante a) von Anspruch 1 für nichtig. Das Angebot an die Bundesdruckerei GmbH könne nicht dahin beurteilt werden, dass es „der Öffentlichkeit zugänglich gemacht gewesen" und damit neuheitsschädlich sei (§ 3 Abs 1 PatG). Es enthalte hinreichend technische Informationen zur Durchführung der Patentanmeldung, weshalb alleine dadurch die vorvertragliche Sorgfaltspflicht eine Geheimhaltung bedinge. Es liege aber der Nichtigkeitsgrund der Überschreitung der ursprünglichen Offenbarung vor. Variante a) von Anspruch 1 sei erst mit der Äußerung auf den zweiten Vorbescheid in das Schutzbegehren aufgenommen worden. Im dritten Vorbescheid sei dieser Umstand zwar aufgegriffen, aber nach Verweis der Anmelderin auf Seite 3 zweiter Absatz der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht weiterverfolgt worden. Nicht eindeutig definiert sei in dieser Passage jedoch die Bedeutung des Begriffs „verbleibender Rest"; dieser könne das Konzentrat nach der Ultrafiltration ebenso sein wie jener Rest, der am Ende des Verfahrens verbleibe, worauf Alternative c) von Anspruch 1 hindeute. Zwar wäre es möglich den „verbleibende Rest" als Produkt der Ultrafiltration anzusehen, dies unter der Annahme eines einstufigen Verfahrens; gegen diese Sichtweise spreche jedoch, dass auf Seite 3 zweiter Absatz von „..in einem ersten Verfahrensschritt, nämlich der Ultrafiltration, .." die Rede sei, was eindeutig mehrere Schritte erwarten lasse. Die Beschreibung habe unmittelbar und eindeutig zu offenbaren, was beansprucht werde; dennoch dürfe ein Begriff in unterschiedlichen Zusammenhängen und an unter-schiedlichen Stellen der Beschreibung unterschiedliche Bedeutung haben, so lange nur die jeweilige Bedeutung eindeutig und unmittelbar aus dem Kontext erschließbar sei. Was die Weiterverwendung des verbleibenden Rests betreffe, sei selbst in der von der Anmelderin im Vorprüfungsverfahren und von der Patentinhaberin im Nichtigkeitsverfahren zitierten Textpassage nicht explizit von einer direkten Entsorgung die Rede, wiewohl bei isolierter Betrachtung der Formulierung „... in einer Form gewonnen wird, welche ... gegebenenfalls eine problemlose Entsorgung ermöglicht" eine derartige Auslegung ebenfalls denkmöglich sei. Da jedoch nachfolgend, nämlich auf Seite 2 letzter Absatz und Seite 3 erster Absatz der ursprünglichen Unterlagen eindeutig von weiteren Verfahrensschritten die Rede sei, könne in der Gesamtheit der ursprünglichen Beschreibung keine Stütze für ein Verfahren nach Alternative a) von Anspruch 1 erkannt werden. In diesem Umfang liege eine gemäß § 48 Abs 1 Z 3 PatG unzulässige Erweiterung vor.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin mit dem Antrag, die Entscheidung aufzuheben und den Nichtigkeitsantrag zur Gänze zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, den Berufungsantrag abzuweisen und die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt .
Die Antragsgegnerin macht geltend, die Nichtigkeitsabteilung habe den Begriff „verbleibender Rest" unrichtig und unvollständig ausgelegt, indem die in der ursprünglichen Offenbarung aufscheinende Formulierung „... in einem ersten Verfahrensschritt, nämlich der Ultrafiltration, ..." derart gedeutet worden sei, dass ein zweiter Verfahrensschritt für die Lösung der Aufgabe erforderlich sei. Aus den Bezeichnungen „erster Verfahrensschritt" und „zweiter Verfahrensschritt" könne jedoch nicht notwendigerweise auf ein mehrstufiges Verfahren geschlossen werden. In Patentanmeldungen sei es üblich, für ein Merkmal in der gesamten Offenbarung denselben Begriff zu verwenden. Der Begriff „erster Verfahrensschritt" werde daher auch dann verwendet, wenn in einer möglichen Variante kein weiterer Verfahrensschritt nachfolge. Deshalb sei es verfehlt, allein aus der Wortwahl Rückschlüsse auf das erfindungsgemäß zwingende Erfordernis mehrerer Verfahrensschritte zu ziehen, weil dabei die Erfindung selbst außer Acht gelassen werde. Darüber hinaus seien die Varianten a) bis c) von Anspruch 1 als Einschränkung des Anspruchs zu lesen, weil die erfindungsgemäße Aufgabe bereits mit der Ultrafiltration allein gelöst werden könne. Eine derartige Einschränkung sei mit Art 123 Abs 2 EPÜ vereinbar, der lediglich fordere, dass eine „europäische Patentanmeldung und das europäische Patent nicht in der Weise geändert werden dürfen, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht". Folglich könne ein Patent, das ein solches Merkmal in den Ansprüchen enthalte, aufrecht erhalten werden.
Der Senat hat dazu erwogen:
Gemäß § 91 Abs 3 PatG dürfen die Beschreibung, die Patentansprüche, die Zeichnungen und die Zusammenfassung bis zur Fassung des Erteilungsbeschlusses abgeändert werden, und zwar insoweit, als sie das Wesen der Erfindung nicht berühren. Es kann hierbei aus den gesamten Anmeldungsunterlagen, also der Beschreibung, den Patentansprüchen und den Zeichnungen geschöpft werden. Als offenbart gelten nicht nur die explizit beschriebenen Merkmale, sondern auch die implizit vermittelte Information; dies sind jene Merkmale, die zwar nicht ausdrücklich erwähnt werden, sich aber trotzdem klar und eindeutig aus den ausdrücklichen Aussagen ergeben. Unzulässig sind Abänderungen im Erteilungsverfahren, wenn sie den Offenbarungsgehalt erweitern, der Fachmann also Angaben erhält, die er den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht unmittelbar und eindeutig als eine mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann.
Der ursprünglich offenbarte Anspruch 1 lautet wie folgt:
„Verfahren zur Behandlung von mit Druckfarben, Lacken, Dispersionen und ähnlichen Produkten verunreinigten alkalischwässrigen Reinigungslösungen, wie sie bei der Herstellung von Druckfarben und Lacken sowie bei Druck- und Lackierprozessen anfallen, dadurch gekennzeichnet, dass die Schmutzlösung einer Ultrafiltration mit organischen oder anorganischen Membranen, bevorzugt solchen, bei welchen eine Membranschicht aus a-Aluminiumoxid auf einer Zirkoniumoxidbasis und bzw. oder eine Zirkonium-Titanoxidschicht auf einer Karbonbasis aufgebracht ist, unterworfen wird, die gereinigte Lösung abgezogen und bevorzugt dem Prozess, gegebenenfalls nach Zwischenspeicherung, wieder zugeführt wird und das Konzentrat aus der Ultrafiltration entweder
a) in einer Fällungsstufe mit Demulgatoren (Fällungsreagenzien), z.B. einem Polyacrylat und/oder einem Polycarbonat, insbesondere in einer Zusatzmenge von 0,1 bis 6 Gew-% behandelt und die flüssige Phase abdekantiert und gegebenenfalls dem Prozess wieder zugeführt und das Sediment, enthaltend Farbrückstände abgezogen und weiterverwendet wird oder
b) einer Vakuumdestillation, bevorzugt unter Zusatz eines Entschäumers in einer Menge von 0,1 bis 5 Gew-%, unterworfen und auf einen Feststoffgehalt von 50 bis 70 Gew-% eingedickt wird, wobei das Destillat, bevorzugt wieder dem Prozess zugeführt und das Farbstoffe enthaltende Sediment einer weiteren Verwendung, gegebenenfalls nach Zwischenlagerung zugeführt wird."
Im ursprünglich vorgelegten Anspruch 1 ist somit nur davon die Rede, dass das Konzentrat aus der Ultrafiltration entweder einer Fällungsstufe oder einer Vakuumdestillation zugeführt und im Anchluss daran - ganz allgemein gesprochen - weiterverwendet wird. Demgegenüber bietet der erteilte Patentanspruch 1 in seiner Variante a) zusätzlich eine dritte Alternative, nämlich dass das Konzentrat der Ultrafiltration auch „direkt entsorgt" werden kann.
Zur Stützung für dieses zusätzliche Merkmal beruft sich die Antragsgegnerin auf folgende Textstellen in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (Seite 2 vorletzter Absatz und Seite 3 zweiter Absatz): „Aufgabe der Erfindung ist es eine Verfahrensführung zur Reinigung und Wiederverwertung von oben angeführten Schmutzwasserarten zu finden, bei der kein Abwasser anfällt, mindestens 95 Gew-% der Reinigungs- und Prozesswässer in annähernd ursprünglicher Zusammensetzung zurückgewonnen werden und der verbleibende Rest in einer Form gewonnen wird, welche eine Wiederverwendung für gleichartige, ähnliche oder aber auch andere Produkte, wie zB Teerpappe, Bitumen usw oder gegebenenfalls eine problemlose Entsorgung ermöglicht." „Durch das erfindungsgemäße Verfahren können bereits in einem ersten Verfahrensschritt, nämlich der Ultrafiltration, 95-98 Gew-% der verunreinigten, oben angeführten wässrigen Lösung zurückgewonnen werden." Die Antragsgegnerin zieht aus diesen Textstellen den Schluss, dass der dort genannte „verbleibende Rest" eindeutig der Rest ist, der nach Rückgewinnung von mindestens 95 Gew-% der Reinigungs- und Prozesswässer anfällt.
Diese Auslegung übersieht, dass die angeführten Textpassagen zwar offenbaren, dass die Aufgabe allein durch die Ultrafiltration gelöst werden könne; ihnen ist jedoch nicht einmal in ihrer Gesamtheit klar und eindeutig zu entnehmen, dass der „verbleibende Rest" das Produkt der Ultrafiltration ist. Ein Fachmann, der nur die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen kennt, wird weder davon ausgehen, dass der dort verwendete Begriff „verbleibender Rest" das Produkt der Ultrafiltration bedeutet, noch, dass dieser sowohl das Produkt der Ultrafiltration als auch das Produkt der Fällungsstufe bzw jenes der Vakuumdestillation bedeuten kann. Der Offenbarungsgehalt der Patentanmeldung liegt nämlich im Gesamtverfahren, dessen Produkt (= Produkt der Fällungsstufe bzw der Vakuumdestillation) es schlussendlich als „problemlos" zu entsorgen gilt. Bei gesamtheitlicher Betrachtung als alleinigem Beurteilungsmaßstab wird der Fachmann daher den Begriff „verbleibender Rest" als Produkt des zweiten Verfahrensschritts verstehen. Im Übrigen ist die direkte Entsorgung in keiner der genannten Textpassagen - explizit oder implizit - offenbart, da eine direkte Entsorgung nicht synonym dem Begriff „problemlose Entsorgung" ist.
Variante a) von Anspruch 1 des Streitpatents ist somit als in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbarte und damit unzulässige Erweiterung anzusehen. Bei dieser Sachlage war auf die Frage der Neuheit des Anspruchs nicht weiter einzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht - ausgehend vom unstrittigen Streitwert von 36.340 EUR - auf §§ 122 Abs 1 und 140 PatG iVm § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO. Die Berufungsbeantwortung ist nach TP 3B RATG zu honorieren, die mit der Verrichtung der Berufungsverhandlung verbundenen Leistungen sind mit dem dreifachen Einheitssatz für die Berufung abgegolten (§ 23 Abs 9 RATG).