Om10/09 – OPMS Entscheidung
Kopf
Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Gabriele JAGETSBERGER, Dr. Gerhard PRÜCKNER und Dr. Gottfried MUSGER als rechtskundige Mitglieder sowie den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Erich TENGLER als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache des Antragstellers S*****, vertreten durch Felfernig Graschitz Rechtsanwälte GmbH, Thomas A. Edison Straße 2, 7000 Eisenstadt, wider den Antragsgegner R *****, vertreten durch Schreiner Lackner Partner Rechtsanwälte, Esterhazyplatz 6A, 7000 Eisenstadt, wegen teilweiser Löschung der österreichischen Marke Nr 220 251 über die Berufung des Antragsgegners gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 17. März 2009, Zl Nm 41/2007-5, entschieden:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert , dass der Antrag, die Wortmarke Nr 220 251 „LÜMMELTÜTEN PARTY“ für Dienstleistungen der Klasse 41 zu löschen, abgewiesen wird.
Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner binnen 14 Tagen die mit 6.779,28 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens beider Instanzen (darin 600 EUR Barauslagen, 1.029,88 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
G r ü n d e:
Der Antragsgegner ist Inhaber der österreichischen Wortmarke Nr 220 251 „LÜMMELTÜTEN PARTY“, die unter anderem in der Klasse 41 für die „Organisation und Durchführung von musikalischen Veranstaltungen“ registriert ist.
Der Antragsteller begehrt die Löschung der Marke für diese Dienstleistungen. Sie sei ohne grafische oder verbale Zusätze nicht unterscheidungskräftig. Das Wort „Lümmeltüte“ werde in Deutschland umgangssprachlich für Kondome verwendet, das der englischen Sprache entnommene Wort „Party“ werde mit „Veranstaltung“ übersetzt. Die Kombination dieser Begriffe werde daher nicht als Herkunftshinweis verstanden. Zudem hätten mehrere Unternehmer, darunter auch der Antragsteller, die Bezeichnung „Lümmeltüten Party“ für Veranstaltungen verwendet. Daher sei eine Zuordnung zu einem konkreten Unternehmen nicht möglich. Aus diesem Grund sei die Marke für die Klasse 41 nach § 4 Abs1 Z 2, 3, 4 und 5 MSchG von der Registrierung ausgeschlossen.
Der Antragsgegner wendet ein, dass die Zusammensetzung der Begriffe „Lümmeltüte“ und „Party“ eine Phantasiebezeichnung sei. Es seien gedankliche Operationen erforderlich, um auf bestimmte Dienstleistungen der Klas-se 41 schließen zu können. So könnten auf einer „Lümmeltüten Party“ etwa Kondome verteilt werden; denkbar sei aber auch die Information über HIV. Für musikalische Veranstaltungen sei die Bezeichnung „Lümmeltüten Party“ im allgemeinen Sprachgebrauch keinesfalls üblich.
Die Nichtigkeitsabteilung gab dem Löschungsantrag gestützt auf § 33 MSchG iVm § 4 Abs 1 Z 3 MSchG statt. Die angefochtene Marke sei aus den Worten „Lümmeltüte“ und „Party“ zusammengesetzt. „Party“ habe als Lehnwort Aufnahme in die deutsche Sprache gefunden. „Lümmeltüte“ sei ein Berliner Dialektausdruck für Präservative, der in den letzten zehn Jahren auch in Österreich Verbreitung gefunden habe und auf einschlägigen Internetseiten verwendet werde. Den angesprochenen Kreisen sei eine Vielzahl von Partys bekannt, die mit einer besonderen Bezeichnung versehen würden, um Publikum zu gewinnen. So werde etwa bei einer „Styroporparty“ Styropor und bei einer „Schaumparty“ Schaum auf der Tanzfläche verteilt; bei einer „Luftballonparty“ schwebten Luftballons über den Tänzern, und bei einer „Schlammparty“ erwarte der Besucher zumindest eine Schlammringkampfveranstaltung. „Mottopartys“ stünden unter einem übergeordneten Thema (zB Pyjama-, Safari-, Oktoberfest-, Astro-, Sex- oder Fußballparty); andere Partynamen bezeichneten den Adressaten- und Teilnehmerkreis (zB Single-, Swinger- oder Landparty) oder trügen den Namen des Gegenstands, der zum Kauf angeboten werde (zB Kerzen-, Schmuck-, Dessous- oder Kondomparty). Wieder andere würden nach dem Ort der Veranstaltung benannt (zB Gar-ten-, Pool-, Remisen- oder Steinbruchparty). Die beteiligten Kreise verstünden „Lümmeltüten Party“ daher als Veranstaltung, bei der Kondome eine Rolle spielten. Zwar beschreibe diese Bezeichnung tatsächlich nicht exakt, inwiefern die so bezeichnete Veranstaltung ihrem Namen gerecht werde; so könnten Kondome aufgeblasen und mit Wasser gefüllt oder auch verteilt werden. Gleichwohl würden die beteiligten Verkehrskreise einen einschlägigen Zusammenhang erwarten und das Zeichen in diese Richtung und nicht als individualisierenden Herkunftshinweis verstehen. Es fehle daher die Unterscheidungskraft.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Antragsgegners ist berechtigt .
1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH C-108/97, Chiemsee, Slg 1999 I 2779; C-104/00 P, Companyline, Slg 2002 I 7561). Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (zu dieser Funktion EuGH Rs C-108/97, Chiemsee, Slg 1999 I 2779, Rs C 39/97, Canon, Slg 1998 I 5507; 4 Ob 38/06a = ÖBl 2007, 22 – Shopping City mwN).
2. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 – 5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b – d MarkenRL) sind zwar nach der Rechtsprechung des EuGH gesondert zu prüfen (EuGH C-304/06, Eurohypo, Slg 2008 I 3297 mwN). Jedenfalls fehlt die Unterscheidungskraft aber bei beschreibenden Zeichen (EuGH C-265/00, Biomild, Slg 2004 I 1699); insofern überschneiden sich § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG. Daher ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die strittige Marke die Dienstleistungen beschreibt, für die sie registriert ist. Dafür ist maßgebend, ob die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt des Zeichens zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und es auf dieser Grundlage als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung, nicht jedoch als Herkunftsangabe, verstehen (RIS-Justiz RS0109431). Der Begriffsinhalt muss sich dabei aus dem „üblichen Sprachgebrauch“ ergeben (EuGH C-383/99, Baby Dry, Slg 2001 I 6251); die beteiligten Verkehrskreise müssen „sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von den Anmeldungen erfassten Waren und Dienstleistungen“ herstellen können (EuGH C-326/01 P, Universaltelefonbuch, 2004 I 1371; EuGH C-494/08 P, Pranahaus).
Enthält das Zeichen demgegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht rein beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung geschützt (4 Ob 230/01d = ÖBl 2002, 138 - internet.factory; 4 Ob 116/03t = ÖBl-LS 2003/158 - immofinanz; RIS-Justiz RS0109431 [T3]; 17 Ob 27/07f - ländleimmo). Bloße Andeutungen schaden daher in der Regel nicht, so lange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen. Worte, die eine gedankliche Schlussfolgerung verlangen oder lediglich im übertragenen Sinn auf die Merkmale einer Ware oder Dienstleistung hinweisen, sind oft sogar sehr gut als Marken geeignet. Stellt ein Zeichen nur einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Begriff her, ohne etwas Bestimmtes über Herstellung oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung auszusagen, dann liegt keine bloß beschreibende Angabe vor (4 Ob 77/95 = ÖBl 1996, 143 – Plus; zuletzt etwa 17 Ob 33/08i = jusIT 2009, 135 [ Thiele ] – happykauf.at mwN).
Bei einer Zusammensetzung von zwei oder mehreren beschreibenden Begriffen ist maßgebend, ob die damit entstandene Gesamtaussage als Herkunftshinweis dienen kann (EuGH C-265/00, Biomild, Slg 2004 I 1699); der Bedeutungsgehalt des Kombinationszeichens muss über die bloße Kombination der einzelnen Begriffe hinausgehen (EuGH C-273/05 P, Celltech, Slg 2007 I 2883).
3. Zwar fehlt die Unterscheidungskraft schon dann, wenn das Zeichen in einer von mehreren Bedeutungen beschreibend und damit nicht geeignet ist, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen (EuGH C-191/01, Doublemint, Slg 2003 I 12447; 4 Ob 38/06a = ÖBl 2007, 22 – Shopping City mwN). Das setzt jedoch ebenfalls voraus, dass diese Bedeutung zwanglos erschlossen werden kann. Sonst spricht Mehrdeutigkeit (Interpretationsbedürftigkeit) für die Unterscheidungskraft (4 Ob 230/01d = ÖBl 2002, 138 – internet.fac-tory; BGH I ZB 1/00 = GRUR 2002, 1070 – Bar jeder Vernunft; I ZB 20/99 = GRUR 2001, 1150 - LOOK).
4. Auf dieser Grundlage ist der beschreibende Charakter der hier zu beurteilenden Marke, deren objektive Markenfähigkeit im Sinne von §§ 1, 4 Abs 1 Z 2 MSchG im Berufungsverfahren zu Recht unstrittig ist, zu verneinen. Die Bezeichnung „Lümmeltüten Party“ ruft zwar – soweit den angesprochenen Kreisen die Bedeutung des bundesdeutschen Dialektbegriffs „Lümmeltüte“ bekannt ist – gewisse Assoziationen hervor. Die Bedeutung des Gesamtzeichens geht aber wegen der damit verbundenen Unschärfe über die bloße Summe der Teile hinaus. Denn eine konkrete Einordnung der damit bezeichneten Veranstaltung ist unmöglich. Der Schluss auf eine Verkaufsveranstaltung (zB Tupperware-Party) liegt fern, da wegen des geringen Preises kaum ein relevanter Umsatz zu erwarten ist. Auch eine Veranstaltung nach dem Vorbild einer „Mottoparty“ (zB Pyjama-Party oder Fête blanche) ist aus nahe liegenden Gründen nur schwer vorstellbar. Am ehesten spielt die Marke daher auf eine unentgeltliche Verteilung, eine widmungswidrige Verwen-dung – etwas das Aufblasen oder Anfüllen mit Wasser – oder einen anlassbedingten Bedarf an. All das sind aber Spekulationen, die den beschreibenden Charakter der Marke gerade nicht begründen können. Davon, dass die beteiligten Kreise „sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem Zeichen und den von den Anmeldungen erfassten Dienstleistungen“ herstellten, kann keine Rede sein.
In dieser Unbestimmtheit liegt der entscheidende Unterschied zur Bezeichnung „Fläschle Party“, die vom Bundespatentgericht als beschreibend gewertet wurde (32 W [pat] 142/04), weil die angesprochenen Kreise diese Bezeichnung ohne weiteres und ohne Unklarheiten auf eine Veranstaltung bezögen, bei der Getränke aus Flaschen getrunken würden. Gleiches gilt für den Vergleich mit der Bezeichnung „Block Party“, die in den angesprochenen (bundesdeutschen) Kreisen einen eindeutigen Begriffsinhalt („Straßenfest“) aufweist und aus diesem Grund von der Registrierung für „Unterhaltung“ und die „Veranstaltung von Events“ ausgeschlossen ist (BPatG 32 W [pat] 399/02). Der diesen Entscheidungen zugrunde liegende eindeutige Inhalt ist bei „Lümmeltüten Party“ nicht zu erkennen.
5. Die Unterscheidungskraft fehlt auch nicht aus anderen Gründen. Der Begriff „Lümmeltüte“ ist in Österreich zwar möglicherweise bekannt, aber keinesfalls gebräuchlich. Seine Verwendung in Zusammensetzung mit der als solchen beschreibenden Bezeichnung „Party“ ist daher durchaus überraschend und hat aus diesem Grund – anders als möglicherweise die Bezeichnung „Kondom Party“ - einen hohen Wiedererkennungswert. Die betroffenen Kreise sprechen in einem konkreten Fall zweifellos davon, „die“ (dh eine bestimmte, von einem konkreten Veranstalter organisierte), nicht (irgend-)„eine“ Lümmeltütenparty (im Sinn einer Gattung, die von verschiedenen Veranstaltern angeboten wird) zu besuchen. Damit ist diese Marke geeignet, die damit bezeichneten Veranstaltungen von jenen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Auch andere Gründe für die Verneinung der Unterscheidungskraft – etwa das Vorliegen eines Werbeslogans oder einer anderen gebräuchlichen Wendung, die nicht als Herkunftshinweis aufgefasst wird (vergleiche dazu Ströbele in Ströbele / Hacker , Markengesetz9 [2009] § 8 Rz 49 mwN) – sind nicht erkennbar.
6. Der Antragsteller stützte seinen Löschungsantrag auch auf § 33 iVm § 4 Abs 1 Z 4 und Z 5 MSchG. Diese Gründe sind nach der Rechtsprechung des EuGH ungeachtet bestehender Überschneidungen gesondert zu prüfen (EuGH -304/06, Eurohypo, Slg 2008 I 3297 mwN). Allerdings führt das zu keiner anderen Beurteilung. Der angeblich beschreibende Charakter wurde bereits bei der Prüfung der Unterscheidungskraft erörtert. Er müsste sich zwanglos aus dem strittigen Zeichen ergeben, was aber wegen dessen bloß Assoziationen hervorrufenden Charakters nicht zutrifft. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass „Lümmeltüten Party“ im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten für die Bezeichnung bestimmter (welcher?) Veranstaltungen „üblich“ geworden wäre. Die vorgelegten Urkunden lassen diesen Schluss nicht zu, zumal die über Google ausfindig gemachten Treffer überwiegend auf Veranstaltungen des Antragsgegners hinweisen (Beilage ./3) und er auch gegen Markenverletzungen vorgeht (Beilage ./A). Eine einzelne Veranstaltung eines Dritten (Beilage ./2) kann das Registrierungshindernis des § 4 Abs 1 Z 5 MSchG nicht begründen.
7. Aus diesen Gründen ist der Berufung des Antragsgegners Folge zu geben und der Löschungsantrag abzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 42 Abs 1 MSchG iVm § 122 Abs 1 und § 140 Abs 1 PatG 1970 sowie
§ 41 und § 50 ZPO.