Op1/09 – OPMS Entscheidung
Kopf
Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Peter NIEDERREITER, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Michael SACHS und Dr. Manfred VOGEL als rechtskundige Mitglieder und die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dipl.-Ing. Ferdinand KOSKARTI und Dipl.-Ing. Johannes MESA PASCASIO als fachtechnische Mitglieder in der Patentrechtssache der Antragstellerinnen Firmen 1. I ***** A k t i e n g e s e l l s c h a f t , ***** sowie der 2. E . ***** G m b H , *****beide vertreten durch Sonn Partner Patentanwälte, Riemergasse 14, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin Fima V ***** A B , *****Schweden, vertreten durch Herrn Patentanwalt Dipl.-Ing. Franz MATSCHNIG, Siebensterngasse 54, 1070 Wien, wegen Nichtigerklärung des Patents Nr AT E 187 222 (österreichischer Teil des europäischen Patentes EP 855 482 B2) über die Berufung der Antragstellerinnen gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 8. Mai 2008, N 4+5/2006-5, entschieden:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben.
Das angefochtene Patent Nr AT E 187 222 wird für nichtig erklärt.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellerinnen die mit 10.554,31 EUR (darin enthalten 1.485,31 EUR Umsatzsteuer und 1.642,40 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
G r ü n d e :
Das angefochtene Patent AT-E 187 222, der österreichische Teil des europäischen Patentes EP 855 482 B2, betrifft ein Verfahren zum Verlegen und mechanischen Verbinden von rechteckigen Bodenplatten. Der einzige Patentanspruch lautet:
Verfahren zum Verlegen und mechanischen Verbinden von rechteckigen Bodenplatten (1, 2) in parallelen Reihen, wobei die Platten (1, 2) mit Einrichtungen, die durch die aneinandergrenzenden Verbindungskanten (3, 4) gebildet werden, versehen sind, um ihre langen Kanten sowie ihre kurzen Kanten in einer ersten Richtung (D1) unter rechten Winkeln zu der Hauptebene der Platten (1, 2) aneinander mechanisch zu verriegeln, so dass die aneinandergrenzenden Verbindungskanten eine erste mechanische Verbindung bilden, dadurch gekennzeichnet , dass jede Platte (1, 2) auf ihrer Rückseite mit (i) einem Verriegelungsstreifen (6, 6’) an einer langen Kante (3) und an einer kurzen Kante (3’) versehen ist, wobei jeder Verriegelungsstreifen (6, 6’), entweder ein getrenntes Element ist, das mit der Platte verbunden ist, oder eine Fortsetzung eines unteren Teils der Verbindungskante (3, 3’) ist und sich im Wesentlichen über die gesamte Länge der entsprechenden Kante (3, 3’) erstreckt und mit einem Verriegelungselement (8) versehen ist, das von dem Streifen (6, 6’) hervorsteht, und (ii) mit einer Verriegelungsnut (14, 14’) an einer gegenüberliegenden, langen Kante (4) und an einer gegenüberliegenden, kurzen Kante (4’) zur Aufnahme eines Verriegelungselements (8) einer benachbarten Platte, wobei sich jede Verriegelungsnut (14, 14’) parallel zu und mit Abstand von der entsprechenden Kante (4, 4’) erstreckt und auf der Rückseite der Platte offen ist, wobei das Verriegelungselement und die Verriegelungsnut eine zweite mechanische Verbindung bilden, die die Platten in einer zweiten Richtung (D2) parallel zu der Hauptebene und unter rechten Winkeln zu den Verbindungskanten aneinander verriegelt, und dass das Verfahren die folgenden zwei Hauptverriegelungsschritte S1 und S2 zum Verlegen einer neuen Platte umfasst:
S1: mechanisches Verbinden einer langen Kante (4 oder 3) der neuen Platte mit einer langen Kante (3 oder 4) einer vorhergehend verlegten, ersten Platte in einer ersten Reihe derart, dass die neue Platte und die erste Platte als Ergebnis des ersten Hauptverriegelungsschritts S1 mechanisch miteinander in der ersten Richtung (D1) sowie in der zweiten Richtung (D2) parallel zu der Hauptebene und unter rechten Winkeln zu den verriegelten, langen Kanten (3, 4) verriegelt werden, wobei die Platten, wenn sie miteinander verbunden sind, eine relative Position in der zweiten Richtung (D2) einnehmen können, in der ein Spiel (Δ) zwischen der Verriegelungsnut (14) und einer Verriegelungsfläche (10) an dem Verriegelungselement (8) vorhanden ist, die den Verbindungskanten zugewandt ist und bei der zweiten mechanischen Verbindung wirksam ist, wobei der erste Hauptverriegelungsschritt S1 hierfür umfasst
entweder:
den Unterschritt, die neue Platte in einer zweiten Reihe, der ersten Reihe benachbart, anzuordnen, wobei die lange Kante (4) der neuen Platte, die mit einer Verriegelungsnut (14) versehen ist, auf und in Berührung mit einem Verriegelungsstreifen (6) an der benachbarten, langen Kante (3) der ersten Platte angeordnet wird, während die neue Platte unter einem Winkel in Bezug auf eine Hauptebene der ersten Platte und mit einem Abstand von ihrer endgültigen Längsposition in Bezug auf eine vorhergehend verlegte, zweite Platte in der zweiten Reihe gehalten wird, und
den Unterschritt, nachfolgend die neue Platte herabzuschwenken, so dass das Verriegelungselement (8) des Streifens (6) der ersten Platte in der Verriegelungsnut (14) der neuen Platte aufgenommen wird,
oder
den Unterschritt, die neue Platte in einer zweiten Reihe, der ersten Reihe benachbart, anzuordnen, wobei der Verriegelungsstreifen (6), der an einer langen Kante (3) der neuen Platte vorgesehen ist, unter die benachbarte, lange Kante (4) der ersten Platte eingeführt wird, die mit einer Verriegelungsnut (14) versehen ist, während die neue Platte unter einem Winkel in Bezug auf eine Hauptebene der ersten Platte und mit einem Abstand von ihrer endgültigen Längsposition in Bezug auf eine vorhergehend verlegte, zweite Platte in der zweiten Reihe gehalten wird, und
den Unterschritt, nachfolgend die neue Platte herabzuschwenken, so dass das Verriegelungselement (8) des Streifens (6) der neuen Platte in der Verriegelungsnut (14) der ersten Platte aufgenommen wird,
und
S2: mechanisches Verbinden einer kurzen Kante der neuen Platte mit einer kurzen Kante der vorhergehend verlegten, zweiten Platte in der zweiten Reihe derart, dass die neue Platte und die zweite Platte als Ergebnis des zweiten Hauptverriegelungsschritts S2 mechanisch miteinander an den kurzen Kanten (3’, 4’) in der ersten Richtung (D1) sowie in einer dritten Richtung (D3) parallel zu der Hauptebene und unter rechten Winkeln zu den kurzen Kanten (3’, 4’) verriegelt werden, wobei der zweite Hauptverriegelungsschritt S2 durch eine geradlinige horizontale Verschiebung der neuen Platte in ihrer Längsrichtung in Bezug auf die erste Platte in die endgültige Längsposition ausgeführt wird, bis das Verriegelungselement (8) des Streifens (6’) an einer (4’) der kurzen Kanten in der Verriegelungsnut (14’) an der anderen (4’) der kurzen Kanten aufgenommen wird, wobei auf Grund der geradlinigen Verschiebung der neuen Platte, der Verriegelungsstreifen (6’), der sich an den kurzen Kanten (3’, 4’) befindet, die aneinander zu verriegeln sind, nach unten gebogen wird, bis das Verriegelungselement (8) in der Verriegelungsnut (14’) einschnappt, wodurch die neue Platte in ihrer endgültigen, verlegten Position mechanisch in zwei Richtungen (D1, D2) an ihrer langen Kante mit der ersten Platte und in zwei Richtungen (D1, D3) an ihrer kurzen Kante mit der zweiten Platte verbunden wird.
Die Antragstellerinnen begehrten mit Antrag vom 31. Mai 2006, das Patent für nichtig zu erklären. Der Patentgegenstand ergebe sich in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik. Zur Stützung der Anträge brachten sie folgende Beilagen ein:
./A EP 855 482 B2
./A1 samt zu E 187 222 neu eingereichter Übersetzung
./B Gutachten Patentanwalt Dipl. Ing. Michael Babeluk zu GZ 10 Cg 77/99s (HG Wien)
./C DE 79 28 703 U
./D JP 3-169967 A im Original samt deutscher Übersetzung
./E DE 12 12 275 A
./F Fragen an den Sachverständigen aus GZ 10 Cg 97/99s (HG Wien)
./G EP 0 969 164 B1
./H EP 0 698 162 B2
./I US 2 430 200 A
./J JP 4-104264 A samt beglaubigter Übersetzung ins Deutsche
./K Ergänzungsgutachten Patentanwalt Dipl.-Ing. Babeluk vom 7. August 2006
./L WO 1994/26999 A1
./M Entscheidung des EPA zu EP-B-0698162 von 20. September 2001
Die Antragstellerinnen brachten vor, der Patentanspruch schütze keine Plattenform, sondern ein Verlegeverfahren. Die Form der Platten sei daher für die Frage der Nichtigkeit unerheblich, solange die Verfahrensschritte durchgeführt werden könnten. Vorhalt ./C beschreibe ein Verlegeverfahren, das bis zum Verfahrensschritt S1 mit jenem des angefochtenen Patents identisch sei. Dem Vorhalt ./D sei eine dem Streitpatent gleichartige Verriegelung benachbarter Platten zu entnehmen, wobei die Verbindung durch Einschnappen auf Grund der Verbiegbarkeit des Verriegelungsstreifens und horizontaler Verschiebbarkeit mit ausreichendem Spiel erfolge. Vorhalt ./E beschreibe den Hauptverriegelungsschritt S2 identisch; der Hauptverriegelungsschritt S1 könne wegen der Elastizität des Materials ebenfalls vorgenommen werden. Kombiniere man die Vorhalte ./D und ./E bzw ./C und ./E, gelange man ohne erfinderischen Schritt zum angefochtenen Patent.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Nichtigkeitsantrag abzuweisen. Sie legt vor
./1 Entscheidung der Einspruchskammer des EPA
./2 Entscheidung T 1136/02 der Beschwerdekammer des EPA
./3 US 4 426 820 A
./4 SE 450 141 B
und führt zusammengefasst aus, dass sich der Gegenstand ihres Patents nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe.
Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts wies den Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Patents ab. Weder ein einzelner Vorhalt, noch eine Zusammenschau zweier Dokumente lege das Verfahren des Streitpatents nahe. Das angefochtene Patent weise somit die für eine Schutzfähigkeit geforderte Erfindungseigenschaft auf.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Antragstellerinnen mit dem Antrag, die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung aufzuheben und dem Nichtigkeitsantrag stattzugeben.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Berufungsantrag abzuweisen und die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist berechtigt.
Die Berufungswerberinnen machen geltend, geschützt sei ein Verlegeverfahren, also eine Gebrauchsanweisung an den Bodenverleger, wie er eine Mehrzahl von schmalen, langen Paneelen zu einer einheitlichen Bodenfläche zusammenfügen solle. Die Bodenplatten gehörten zum Stand der Technik. Das anspruchsgemäße Verfahren richte sich daher nicht an einen Plattenhersteller, sondern an den Bodenverleger, der diese bekannten Platten vor sich habe und diese nun verlegen solle. Das Verfahren verlasse den Bereich der handwerklichen Tätigkeit nicht. Die Vorhalte zeigten direkt die Aufeinanderfolge der Bewegungsschritte, nämlich Einwinkeln mit Absenken, seitliches Verschieben und Einschnappen, die der Fachmann alle einzeln und in verschiedenen Kombinationen kenne und sie daher auch anzuwenden bereit sei. Vorhalt ./J enthalte praktisch alle diese Schritte, nämlich Einwinkeln mit Absenken der neuen Platte im Abstand von der daneben liegenden zweiten Platte, seitliches horizontales Verschieben der neuen Platte längs der langen Kante der ersten Platte zwecks Verbindung der kurzen Kanten der neuen mit der zweiten Platte. Das einzig Fehlende sei das Einschnappen des von dem unteren Streifen abstehenden Verriegelungselements in die bodenseitige Nut, welches nach dem Patent als mechanische Verbindung den Leim ersetze. Jeder Fachmann würde bei gleichartiger Plattenausbildung nur mit Verriegelungselement den Schluss ziehen, wenn er bei Leimauftrag auf die Streifen die Paneele so verlegen könne, dann müsse solches gleichermaßen bei einer mechanischen Verbindung mit wegbiegbaren Streifen mit dem Verriegelungselement möglich sein, wobei das Verriegelungselement in die Nut schließlich einschnappe (was aus ./D, ./E bekannt sei).
Die Nichtigkeitsabteilung halte diesen Überlegungen entgegen, dass die Verbindung der langen Kanten durch horizontales Einschieben nach dem alten Nut-Feder-Prinzip erfolge, und lasse dabei das in Figur 3 von ./J gezeigte Anlegen der neuen Platte in einem Winkel in Bezug auf eine Hauptebene der ersten Platte außer Acht; sie meine, dass das Aufsetzen in einem Winkel, Absenken und anschließendes Horizontalverschieben ein anderes Bewegungsmuster sei als jenes nach dem bekämpften Patentanspruch. Diese andere Art des "Einwinkelns" sei etwa aus Figuren 2a bis 2c des Patents ./A ersichtlich oder aus Vorhalten ./C oder ./I. Nach diesen besitze die Platte ein weiteres Merkmal, welches im Anspruch nicht erwähnt sei. Es sei nämlich die Feder an ihrem vorderen Ende abgeschrägt, ebenso wie die untere vordere Kante der oberen Nutwand. Dies ermögliche es, beim winkeligen Ansetzen die Feder bereits im Inneren der Nut einzusetzen, wobei die Oberkanten der beiden Platten bereits aneinanderlägen (vergleiche Fig 2a von ./A und Fig 3 von ./1). Dann genüge ein einfaches Absenken, dass das Verriegelungselement in die bodenseitige Nut eingreife und eventuell automatisch die Feder noch ein wenig nach vorne in die horizontale Nut drücke.
Der Anspruch solle aber auch den Fall nach Figuren 1a, 1b des Patents ./A abdecken. Danach sei nur ein Einschieben wie in ./J möglich: Einwinkeln außerhalb der Nut, Absenken ohne Eindringen des Verriegelungselementes in die bodenseitige Nut aber unter Wegbiegen des Verriegelungsstreifens, horizontales Verschieben zum Einführen der Feder in die horizontale Nut, bei Beendigung Einschnappen des Verriegelungselementes in die bodenseitige Nut. Der Patentanspruch enthalte aber weder das Merkmal der Abschrägung der Vorderkanten von Nut und Feder, noch enthielten die Unterschritte von S1 den Schritt des horizontalen Zusammenschiebens nach dem Absenken, um das Verriegelungselement bei der Bauform der Figuren 1a, 1b in die Verriegelungsnut einschnappen zu lassen. Entweder schütze dadurch der Patentanspruch die Platten nach den Ausführungsformen nicht, oder diese beiden Merkmale müssten hinzugedacht werden. Nur Letzteres erscheine sinnvoll. Dann umfasse der Patentanspruch auch das Verlegeverfahren wie in Vorhalt ./J vorgezeichnet. Dessen Anwendung sei damit direkt möglich und sehr nahe liegend.
Auch werde die Angabe in der Beschreibung von ./C den Bodenverleger möglicherweise veranlassen, dieses Verfahren als erstes auszuprobieren. Er werde aber sofort feststellen, dass diese Handhabung äußerst unpraktisch sei. Mit der linken Hand müsse er die zweite Platte eingewinkelt schräg halten. Mit der rechten Hand müsse er eine normalerweise 1,5 m lange neue Platte an ihrem linken Ende anfassen und aufstellen, was bereits einen Balanceakt darstelle. Dann müsse er diese auf diese Weise unhandliche neue Platte in die kurze Seite der linken hochgehaltenen zweiten Platte schräg einwinkeln und diese (im Abstand von der liegenden ersten Platte) bis zur Verbindung einrasten und entlang der kurzen Kanten bis in die Einwinkelstellung in die erste Platte schräg verschieben. Dann müsse er mit der linken Hand diesen Verbund weiter schräg haltend bis zum gegenüberliegenden kurzen Ende rutschend eine nächste Platte mit der rechten aufnehmen und den gleichen Balanceakt wieder ausführen und so weiter bis zum Ende des Raums. Es bedürfe dabei eines Kunststücks oder wiederholter Versuche, die jeweils neue lange Platte an ihrem einen Ende so zu halten, dass sie beim Verschieben in eine der ersten Platten über die ganzen 1,5 m einwinkle. Ein nicht ganz genaues Schräghalten (schon bei 1° Abweichung) bewirke, dass die neue Platte über einen Teil ihrer Länge vor dem anderen kurzen Ende nicht in den schmalen Spalt zwischen Vorderkante der ersten Platte und Verriegelungselement treffe und sich problemlos einwinkeln lasse.
Der Fachmann werde demnach sehr schnell erkennen, dass ein solches Verfahren keineswegs die einzig sinnvolle und praktikable Verlegetechnik sei. Viel einfacher sei es, die zweite Platte nicht angewinkelt zu halten, sondern abzusenken und beide Hände frei für die lange neue Platte zu haben. Nachdem er nun aber das Verfahren nicht mehr wie in ./C ausführen könne und die linke Hand frei habe, werde er auch keinen Sinn darin sehen, die neue Platte der Länge nach aufzustellen, um sie an ihrer kurzen Kante einzuwinkeln, abzusenken, zu verschieben und in die lange Kante einschnappen zu lassen. Vielmehr erkenne er auch aus dem Stand der Technik, dass es die einfachste Lösung sei, mit der neuen Platte gleich wie mit der zweiten Platte zu verfahren, nämlich diese an den langen Kanten zuerst zu verbinden und dann in Richtung auf die kurzen Kanten zu verschieben, bis diese einschnappten. Dies sei wesentlich einfacher in der Handhabung, problemlos und schneller – und darauf komme es dem Bodenleger an, dh eine solche Kombination seiner Kenntnisse auf dem Gebiet der Bodenverlegung werde er als wesentlich vorteilhafter ansehen. Dies entspreche auch der bloßen sachkundigen Anwendung seiner handwerklichen Möglichkeiten. Er brauche dazu keine Erfindung zu machen; er erreiche diese Verfahrensschritte auch ohne Kenntnis der angeblichen Erfindung. Daher sei in den Verfahrensschritten nach dem Patentanspruch keine Erfindung erkennbar.
Die Berufungsgegnerin hält dem entgegen, Anspruch 1 des Streitpatents beruhe auf erfinderischer Tätigkeit. Es sei zwar richtig, dass der Patentanspruch ein Verlegeverfahren betreffe, es müssten jedoch die hierbei zu Einsatz kommenden Bodenpaneele in ihrer strukturellen Ausgestaltung derart beschaffen sein, dass mit ihnen das geschützte Verlegeverfahren auch ausgeführt werden könne. Diese Bodenpaneele gehörten nicht zum Stand der Technik. Der Patentanspruch betreffe daher kein Verfahren, das mit irgendwelchen Paneelen ausgeführt werden könne, sondern ein Verfahren, das mit Paneelen auszuführen sei, die spezifische, die Verfahrensschritte ermöglichende, Merkmale aufwiesen. Das Patent erschöpfe sich daher bei weitem nicht in einer sich an den Bodenverleger richtende Gebrauchsanweisung, sondern enthalte vor allem eine technische Lehre zur strukturellen Ausgestaltung von Bodenpaneelen, die sich an die Hersteller derartiger Paneele richte.
Aus Vorhalt ./C gingen zumindest die Vorrichtungsmerkmale „Spiel“ und der sich beim Verbinden zweier Kanten nach unten biegende Verriegelungsstreifen, bis das Verriegelungselement in der Verriegelungsnut einschnappe, weder direkt noch indirekt hervor. Gezeigt werde in Figur 7 ein Verlegeverfahren das grundsätzlich ohne Spiel auskomme; eine gegenseitige Verschiebung von miteinander verbundenen Paneelen finde nicht statt. Die aus der Druckschrift entnehmbare technische Lehre, dass eine Verriegelung ohne den Einsatz besonderer Spannmittel erfolge, besage klar, dass die miteinander verriegelten Bodenplatten entlang ihrer Kanten fest zusammensteckten, nicht verschiebbar seien, und somit auch kein Spiel vorliege. Auch jenes Merkmal, wonach der Verriegelungsstreifen an der kurzen Kante beim Verriegelungsvorgang nach unten gebogen werde, bis das Verriegelungselement in der Verriegelungsnut einschnappe, sei in diesem Vorhalt nicht gezeigt. Das Einschnappen setze nicht nur voraus, dass der Verriegelungsstreifen verbiegbar sei, sondern auch, dass das verwendete Material flexibel sei.
Eine Kombination der Druckschriften ./E und ./C führe den Fachmann nicht in nahe liegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents. Selbst wenn der angesprochene Fachmann die langen Kanten entsprechend ./C ausgestalte sowie die kurzen Kanten entsprechend ./E, käme er nicht zur Erfindung: Aus ./C gehe nicht hervor, dass die miteinander verriegelten langen Kanten gegeneinander verschoben werden könnten. Darüber hinaus bilde der Verriegelungsstreifen keine Fortsetzung eines unteren Teils der Verbindungskante.
Der Senat hat dazu erwogen:
Beim Patentanspruch handelt es sich um eine Gebrauchsanweisung an den Bodenverleger, weil er ausschließlich Anweisungen zur manuellen Bedienung oder Handhabung einer Vorrichtung oder eines Gegenstands offenbart. Der Patentanspruch betrifft ein Verlegeverfahren, bei dem die zum Einsatz kommenden Bodenplatten in ihrer strukturellen Ausgestaltung so beschaffen sein müssen, dass mit ihnen das geschützte Verlegeverfahren auch ausgeführt werden kann. Das auch nur teilweise Weglassen der das Verfahren bestimmenden technischen Merkmale würde eine ungenaue Kennzeichnung des Schutzgegenstandes nach sich ziehen. Der Patentanspruch betrifft daher kein Verfahren, das mit irgendwelchen Platten ausgeführt werden kann, sondern ein Verfahren, das mit Platten auszuführen ist, die spezifische - die Verfahrensschritte ermöglichende - Merkmale aufweisen.
Es ist deshalb zu unterscheiden: Sind die Platten selbst neu und erfinderisch, handelt es sich um einen zwar formal unabhängigen, faktisch aber von diesen Platten abhängigen Anspruch, der damit von der Neuheit und Erfindungshöhe letzterer gestützt ist. Sind die Platten hingegen bekannt, kann eine Erfindung nur in einer neuen Verwendung der bekannten Platten liegen. Der Begriff der „Gebrauchsanweisung“ ieS wird hier für den Fall verwendet, dass von den bekannten Platten kein neuer, sondern nur ihr bestimmungsgemäßer Gebrauch gemacht wird, welcher somit zwangsläufig nahe liegt. Daher sind die strukturelle Ausgestaltung der Bodenplatten und das Verfahren getrennt voneinander zu beurteilen.
Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts hat eingehend untersucht, ob sich die Verfahrensschritte des angegriffenen Patents aus den vorgelegten Beilagen in nahe liegender Weise entnehmen lassen. Diese Vorgangsweise greift bei Prüfung der Erfindungseigenschaft jedoch zu kurz. Ebenso verfehlt ist die Auffassung der Antragsgegnerin, das Patent erschöpfe sich nicht in einer sich an den Bodenverleger richtende Gebrauchsanweisung, sondern enthalte vor allem eine technische Lehre zur strukturellen Ausgestaltung von Bodenplatten, die sich an die Hersteller derartiger Platten richte: Der Schutzumfang des Patentanspruchs beschränkt sich beim angegriffenen Patent ausschließlich auf das Verfahren zum Verlegen besagter Bodenplatten; eine technische Lehre zur strukturellen Ausgestaltung von Bodenplatten kann hingegen ausschließlich durch einen Vorrichtungsanspruch unter Schutz gestellt sein.
Der nächstliegende Stand der Technik zu den im Streitpatent vorhandenen Merkmalen ist Vorhalt ./C zu entnehmen. Dort weisen alle Kanten der Platten eine solche Form auf, dass die aneinanderstoßenden Platten eine mechanische Verbindung ergeben, die die Platten in einer ersten Richtung D1 unter rechten Winkeln zur Hauptebene der Platten verriegeln. Auf der Plattenrückseite sind Verriegelungsstreifen - sowohl an einer kurzen, als auch an einer langen Kante - vorgesehen, die eine Fortsetzung eines unteren Teiles der Verbindungskante bilden und sich im Wesentlichen über die gesamte Länge der entsprechenden Kante erstrecken. Die Verriegelungsstreifen sind mit einem Verriegelungselement versehen, das vom Streifen hervorsteht. An den gegenüberliegenden Kanten benachbarter Platten befindet sich jeweils eine Verriegelungsnut zur Aufnahme der Verriegelungselemente. Auf der Plattenrückseite verläuft eine Verriegelungsnut parallel zu und mit Abstand von der entsprechenden Plattenkante. Das Verriegelungselement und die Verriegelungsnut bilden eine zweite mechanische Verbindung, die die Platten in einer zweiten Richtung parallel zu der Hauptebene und unter rechtem Winkel zu den Verbindungskanten verriegelt (siehe insbesondere Figuren 2 bis 6). Die Merkmale des Spiels und des biegsamen Verriegelungsstreifens sind weder ausdrücklich in ./C enthalten, noch ergibt sich dies indirekt; vielmehr sind die starren Ausführungsformen auf den starren Verbund des verlegten Bodens ausgerichtet.
Vorhalt ./D zeigt in den Abbildungen 1 und 2, dass die einzelnen Platten durch elastisches Verbiegen der Kanten einschnappen, wobei die aneinander gefügten Platten seitlich entlang der Kanten verschoben werden können. Diese Schrift zeigt somit jene Merkmale, die in ./C nicht aufscheinen. Im Übrigen weichen die sonstigen Konstruktionsmerkmale von ./D vom Streitpatent ab.
Aus ./E ist eine Fußbodenbelagplatte zu entnehmen, die an je einer Längs- und Schmalseite eine Nut und an der jeweils anderen Längs- und Schmalseite einen federartigen Ansatz aufweist. Um zwei Platten aneinander zu fügen, werden sie horizontal aneinandergepresst, ohne dass eine Schwenkbewegung nötig ist. Die Nuten laufen an einer Seite frei aus, wodurch es möglich wird, eine in einer zweiten Reihe neu hinzugefügte Platte zuerst in eine Nut einzusetzen und erst danach horizontal in die zweite Nut einzuschieben (siehe insbesondere Spalte 1, Zeilen 30 – 41; Anspruch 1). ./E beschreibt die geometrischen Verhältnisse der Nut bezüglich des dazu gehörenden federartigen Ansatzes, wodurch das sichere Einschnappen gewährleistet werden soll; die Nut und der dazugehörende federartige Ansatz dürfen nicht die gleiche Größe aufweisen, sodass ein Spiel (Δ) zwischen Nut und federartigem Ansatz auftritt (siehe Spalte 3, Zeilen 4 – 19; Anspruch 2).
./I zeigt eine Verbindung zweier Boden-, Wand- oder Dachplatten, wobei eine Platte der zweiten Reihe in eine Platte der ersten Reihe eingewinkelt wird (siehe Figur 3). Ein seitliches Verschieben entlang der langen Kante ist nicht vorgesehen, es sind Vorsprünge (22) vorhanden, die die zweite Platte in der vorgesehenen Position fixieren, wodurch die zweite Platte in allen drei Raumrichtungen verriegelt ist. Eine Verbindung entlang der zweiten, „kurzen“ Kante wird hierbei nicht behandelt.
./J offenbart ein furniertes Holzbodenelement und ein Verfahren zu dessen Verlegung. Die Bodenplatten weisen an je einer langen und kurzen Seite eine Nut (4) und eine Feder (5) auf, sodass der Boden nach dem herkömmlichen Nut/Federprinzip zusammengebaut wird. An einer langen und an einer kurzen Seite befindet sich unterhalb der Nut (4) ein Vorsprung (6), dem an einer langen und einer kurzen Seite unterhalb der Feder (5) ein Rücksprung (7) entspricht. Der Vorsprung (6) dient als Leimauftragsfläche, sodass die zusammengesteckten Platten nach Abbinden des Leims horizontal fixiert sind (siehe Figuren 1 und 2, bzw Seite 5 der Übersetzung ins Deutsche, die letzten zwei Absätze „ Beim Verlegen kommt es daher …“ ). Beschrieben wird somit das Verbinden beider Kanten, einer langen und einer kurzen Kante mittels Leimverbindung, nicht hingegen durch eine mechanische Verriegelung.
Der angegriffene Patentanspruch enthält weder das Merkmal der Abschrägung der Vorderkanten von Nut und Feder, noch den Schritt des horizontalen Zusammenschiebens nach dem Absenken, um das Verriegelungselement bei der Bauform der als Aspekt der Erfindung bezeichneten Figuren 1a, 1b in die Verriegelungsnut einschnappen zu lassen. Entweder schützt dadurch der Patentanspruch die Platten nach den Ausführungsformen nicht, oder diese beiden Merkmale müssen hinzugedacht werden. Dieser Widerspruch zeigt die grundsätzliche Unzulässigkeit auf, im Nachhinein einen fiktiven Vorrichtungsanspruch zu konstruieren, um darin die Neuheit und gegebenenfalls Erfindungshöhe zu erkennen. Mangels Vorrichtungsanspruch fehlt es folglich dem Streitpatent an Schutz der technischen Lehre zur strukturellen Ausgestaltung von Bodenpaneelen.
Soll das Streitpatent dennoch Bestand haben, so muss – wie zuvor ausgeführt - zwingend ein neues, auf erfinderischer Tätigkeit beruhendes Verfahren vorliegen, bei dem es unerheblich ist, ob neue Bodenplatten vorliegen oder nicht. Bei Beurteilung des Verfahrens, bei dem es sich aus vorgenannten Gründen um reine Anweisungen zur manuellen Handhabung der Bodenplatten handelt, ist folglich zu untersuchen, ob damit ein neuer, nicht bestimmungsgemäßer, Gebrauch offenbart wird.
Während die Erfindungseigenschaft des Gegenstandes eines Anspruchs stets am Stand der Technik zu messen ist, nicht aber an den nicht zum Stand der Technik gehörigen restlichen Ansprüchen des Streitpatents, ist dies beim Feststellen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs genau umgekehrt: Erst im Anschluss ist der Stand der Technik heranzuziehen, um dann den Unterschied zum bestimmungsgemäßen Gebrauch zu erkennen und daran die Erfindungseigenschaft des Verfahrens zu messen.
Ausgehend von Erfahrung, Fachwissen und der Angabe in der Beschreibung von ./C wird der Bodenverleger beim Umgang mit den Bodenplatten des Streitpatents möglicherweise veranlasst, das in ./C genannte Verfahren als erstes auszuprobieren. Mit einem neuen System konfrontiert, wird er jedoch schnell die Vor- und Nachteile desselben ausloten und – sei es auch durch Probieren – rasch erkennen, worin die Vorteile des neuen Systems liegen, eben weil sie aus sich heraus dem neuen System anhaften. Im gegenständlichen Fall ist es viel einfacher, die zweite Platte nicht angewinkelt zu halten, sondern abzusenken und beide Hände frei für die lange neue Platte zu haben. Kann der Bodenverleger aber das Verfahren nicht mehr wie in ./C ausführen und hat er die linke Hand frei, wird er – ausgenommen am Rand, wenn seitlich kein Platz zum Hantieren zur Verfügung steht – auch keinen Sinn darin sehen, die neue Platte der Länge nach aufzustellen, um sie an ihrer kurzen Kante einzuwinkeln, abzusenken, zu verschieben und in die lange Kante einschnappen zu lassen. Die umgekehrte Handhabung ist nämlich wesentlich einfacher, problemloser und schneller. Dies entspricht auch der bloßen sachkundigen Anwendung seiner handwerklichen Möglichkeiten und den natürlichen Gegebenheiten des neuen Systems, namentlich der Bodenplatten des Streitpatents. Die alternative Line des Patentanspruchs, wonach die Platten umgedreht verlegt werden, ergibt sich ebenso auf natürliche Weise, wenn die Platten etwa entlang eines Wandvorsprungs verlegt werden sollen. Die bestimmungsgemäße Verwendung der Paneele ist nun darin zu erblicken, dass sie (entsprechend ihrer geometrischen, strukturellen Ausprägung) derart verlegt werden, dass sie im fertigen Produkt, dem verlegten Boden, verriegelt aneinander gelegt sind. Der Fachmann wird die Vorteile auf obige Art erkennen und die Paneele gemäß den eben aufgezeigten Ausführungen verlegen.
Der Vergleich mit dem Stand der Technik ergibt Folgendes:
Das Streitpatent weicht von ./C, dem nächstliegenden Stand der Technik, durch die Verlegeschritte und das Spiel ab. Das Spiel (Δ) ist zwischen der Verriegelungsnut (14) und einer Verriegelungsfläche (10) an dem Verriegelungselement (8) vorhanden und soll eine relative Verschiebung der Platten in Kantenlängsrichtung ermöglichen. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieses Spiel (Δ) derart klein ausgeführt wird, dass die erwünschte Längsbewegung gerade noch durchgeführt werden kann. Bei einem zu großen Spiel (Δ) wäre die für das Verlegeverfahren relevante mechanische Verriegelung in Richtung D2 - nämlich parallel zur Hauptebene und rechtwinkelig zur Längskante - nicht erzielbar, wie dies im Merkmal g gefordert wird. Daraus kann gefolgert werden, dass die Platten nur so fest ineinander gefügt sind, dass sie von der Person, die die Bodenplatten verlegt, seitlich verschoben werden können. Nun ist es bei den in ./C beschriebenen Platten ebenfalls notwendig, die einzelnen Platten händisch ineinander zu stecken. Es wäre zumindest nicht überraschend, würden sich auch diese Platten, nachdem sie ineinander gesteckt worden sind, seitlich verschieben lassen. Somit liegt im bloßen Vorhandensein eines Spiels (Δ) beim Streitpatent noch keine erfinderische Eigenschaft.
Gemäß den Verlegeschritten wird eine zweite Platte einer zweiten Reihe vorerst mit ihrer Längsseite mit einer Platte der ersten Reihe verbunden, in die Horizontale verschwenkt, und danach seitlich horizontal in die endgültige Lage verschoben, sodass die kurzen Kanten der neu zu verlegenden und der vorher verlegten Platte der zweiten Reihe durch Einschnappen verbunden werden. Bei ./C als dem nächstliegenden Stand der Technik wird davon abweichend eine zweite Platte einer zweiten Reihe vorerst mit ihrer Schmalseite in die benachbarte erste Platte der zweiten Reihe eingefädelt. Sind die Schmalseiten miteinander verbunden (wobei beide Platten, die sich immer noch im aufgekippten Zustand befinden, mit ihren Längsseiten in der Nut der Längsseiten der Platten der ersten Reihe hineinreichen), erfolgt durch die abschließende Abwärtsbewegung der benachbarten Platten der zweiten Reihe in die Horizontale die Verriegelung zwischen den verlegten Plattenreihen (siehe dazu Figur 7 und die Beschreibung, Seite 5, 2. Absatz in ./C).
Unter der Annahme, dass die Verlegeplatten aus ./C aus Kunststoff bestehen (wie dies in der Beschreibung, Seite 3, 1. Absatz angeführt wird), und wie oben bereits erwähnt, auch das zum Verschieben notwendige Spiel vorhanden sein müsste, somit alle Vorrichtungsmerkmale zur Durchführung des Verlegeverfahrens nach dem Streitpatent auch in ./C „implizit“ enthalten wären, führt daher das in ./C ausdrücklich beschriebene Verlegeverfahren den Fachmann zur Annahme, dieses sei das einzig sinnvolle und praktikable Verlegeverfahren für die in diesem Dokument behandelten Platten.
So zeigt zum Beispiel ./D ein Verlegeverfahren, bei dem die lange Kante nach dem herkömmlichen Nut/Feder-Prinzip in die vorher verlegte Platte hineingeschoben wird und danach die kurze Kante durch eine Verschiebung entlang der langen Kante verbunden wird. Dieses Verfahren liefert jedoch keine Anhaltspunkte für eine Kombination mit jenem laut ./C, da ersteres gänzlich ohne mechanische Verriegelungen auskommt. Weiters beschreibt zum Beispiel ./E das seitliche Verschieben einer zu verlegenden Platte bis zu deren Einschnappen in die zuvor verlegte Platte; dieser Verlegeschritt ergibt sich durch die Materialwahl der Platten und durch die symmetrische Querschnittsform der Kunststoffnasen. Es ist nun nicht anzunehmen, dass der Durchschnittsfachmann bei der Verlegung der aus ./C bekannten Platten ausgerechnet beim Zusammenfügen der kurzen Kanten auf jenes Verlegeverfahren nach ./E zurückgreifen wird. Diese Überlegungen gelten sinngemäß für die weiteren im Nichtigkeitsverfahren vorgehaltenen Dokumente.
Ausgehend von diesen Feststellungen, die die Nichtigkeitsabteilung zum (unzutreffenden) Schluss geführt hat, dass hier ein erfinderischer Schritt ansetzt, zeigt sich im direkten Vergleich mit der bestimmungsgemäßen Verwendung der Platten des Streitpatents, dass bei einer solchen Beurteilung das handwerkliche Können des Fachmanns außer Acht gelassen worden ist. Richtig ist, dass der Fachmann ohne Kenntnis dieser Platten, also allein aufgrund des Stands der Technik, nicht zum gewollten Ergebnis gekommen wäre. Dies begründet die Neuheit des Verfahrens. Aufgrund des nicht vorhandenen Unterschieds zwischen der bestimmungsgemäßen Verwendung und des gegenständlichen Verfahrens und des Fehlens eines überraschenden Effekts ist darin jedoch keine erfinderische Tätigkeit zu erblicken.
Den Ausführungen der Gegenschrift, wonach gegen das Patent bereits vor dem Europäischen Patentamt ein Einspruchsverfahren durchgeführt worden ist, ist zu entgegnen, dass entschiedene Rechtssache (res iudicata) nicht vorliegt, weil nationale Gerichte und Patentämter nicht an Entscheidungen des Europäischen Patentamts gebunden sind.
Zusammenfassend gilt daher: Das patentgemäße Verfahren ist eine Anweisung zur manuellen Verlegung der Platten. Es ist selbst an die konstruktiven Einzelheiten der Platten gebunden und lässt sich auch nicht von diesen trennen. Das Verfahren entspricht nur der bestimmungsgemäßen Verwendung der zugrunde liegenden Platten. Ein solches Verfahren könnte grundsätzlich dann Bestand haben, wenn die Platten neu und erfinderisch sind und das Verfahren als von den gegenständlichen Merkmalen dieser Platten abhängig verstanden wird. Mangels Vorrichtungsanspruch fehlt es jedoch dem Streitpatent an Schutz der technischen Lehre zur strukturellen Ausgestaltung der Platten, die eben diesen Schutz begründen würden. Unzulässig ist es hingegen, die im Verfahrensanspruch enthaltenen konstruktiven Einzelheiten zur Bewertung der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit heranzuziehen, weil diese Einzelheiten nur insoweit im Verfahrensanspruch enthalten zu sein haben, als sie zur Beschreibung desselben notwendig sind. Insbesondere konnten sie nicht zur Klärung der aufgetretenen Widersprüche beitragen. Sohin würde sich das ohnehin nahe liegende Verfahren auf unklare strukturelle Ausgestaltung der Merkmale stützen.
Der Berufung ist daher Folge zu geben und das Patent Nr AT E 187 222 (EP 855 482 B2) für nichtig zu erklären.
Die Kostenentscheidung beruht - ausgehend vom unstrittigen Streitwert von 130.000 EUR - auf §§ 122 Abs 1 und 140 PatG iVm § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO. Die mit der Verrichtung der Berufungsverhandlung verbundenen Leistungen sind mit dem dreifachen Einheitssatz für die Berufung abgegolten (§ 23 Abs 9 RATG).