JudikaturOPMS

OGM3/07 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
29. April 2009

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch den Präsidenten des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Erich KODEK, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Theodor THANNER, Dr. Gerhard PRÜCKNER und Dr. Friedrich JENSIK als rechtskundige Mitglieder und die Rätin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Maria KRENN als fachtechnisches Mitglied in der Gebrauchsmusterrechtssache der Antragstellerin Firma P *****  G m b H ,   ***** vertreten durch die Patentanwälte Dipl.-Ing. Walter Holzer, Dr. Elisabeth Schober, Schottenring 16, Börsegebäude, 1010 Wien, wider den Antragsgegner Herrn   D i p l . – I n g .   J *****, wegen Nichtigerklärung des Gebrauchsmusters Nr 6 726 über die Berufung des Antragsgegners gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 6. Dezember 2006, Zl NGM 7/2004-10, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Ergänzung der Berufung wird zurückgewiesen.

Text

G r ü n d e :

Der Antragsgegner ist Inhaber des im Jahr 2002 erteilten Gebrauchsmusters Nr 6 726. Die Antragstellerin stellte am 26. August 2004 beim Österreichischen Patentamt den Antrag auf Aberkennung des Gebrauchsmusters und dessen Übertragung auf die Antragstellerin. Dem Gebrauchsmuster liege eine Diensterfindung des Antragsgegners zugrunde.

Der Antragsgegner beantragte, die Anträge der Antragstellerin abzuweisen.

Am 21. Oktober 2005 fand eine Verhandlung vor der Nichtigkeitsabteilung statt. Am 14. Dezember 2005 zog die Antragstellerin „im Hinblick auf den gegen das streitgegenständliche Gebrauchsmuster eingereichten Nichtigkeitsantrag“ ihren Antrag auf Aberkennung des Gebrauchsmusters zurück. Mit Beschluss vom 17. Jänner 2006 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antragsgegner die Antragsrückziehung bekannt, kündigte die Verfahrenseinstellung an, verwies auf die Kostenersatzpflicht der Antragstellerin gemäß § 36 GMG iVm § 122 PatG und setzte dem Antragsgegner „zur allfälligen Erhebung des Anspruchs auf Kostenersatz sowie für die Vorlage eines Kostenverzeichnisses eine Frist von 2 Wochen ab Zustellung dieser Verfügung“. Dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner am 17. Feber 2006 zugestellt. Dazu nahm er mit seinem Schreiben vom 1. März 2006 Stellung. Er vermisste als „rechtsunkundige Partei“ eine Rechtsbelehrung sowie die Übermittlung des Verhandlungsprotokolls der Verhandlung vom 21. Oktober 2005. Ihm sei unklar, ob die Antragstellerin alle gestellten Anträge zurückgezogen habe. Der Antragsgegner beantragte die Verlängerung der Frist für die Vorlage des Kostenverzeichnisses.

Mit Schreiben vom 16. März 2006, das dem Antragsgegner am 29. März 2006 zugestellt wurde, erteilte die Nichtigkeitsabteilung dem Antragsgegner verschiedene Rechtsbelehrungen, stellte neuerlich klar, dass das Verfahren wegen Antragsrückziehung einzustellen sein werde und führte zur Frage des Kostenersatzes im Wesentlichen aus, dass darüber nach § 122 PatG iVm § 36 Abs 1 GMG in sinngemäßer Anwendung der §§ 40 bis 55 ZPO zu entscheiden sei. § 42 ZPO bestimme, dass die unvertretene Partei für ihre persönlichen Bemühungen eine Vergütung nicht ansprechen könne. Es bestehe in Analogie zu den für Zeugen geltenden Vorschriften nur Anspruch für den durch Zeitversäumnis während der Verhandlung entstandenen Schaden sowie für Reiseauslagen. Ausgehend von der Dauer der Verhandlung am 21. Oktober 2005 in der Zeit von 9.00 Uhr bis 14.40 Uhr und von näher beschriebenen Bahnfahrten des Antragsgegners mache die Zeitversäumnis 16 Stunden aus. Die Nichtigkeitsabteilung ermittle einen Kostenersatzanspruch von 275,20 EUR wie folgt:

1. Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 17 GebAG) 16 Std

(EUR 12,10/Std) EUR 193,60

2. Frühstück, Mittagessen, Abendessen (§ 14 GebAG)              EUR   18,-

3. Bahnfahrt Graz- Wien Traisengasse                                      EUR   29,80

4. Bahnfahrt Wien Traisengasse-Graz                                       EUR   29,80

5. An- und Abfahrt zu Hbf Graz EUR     4,-

EUR 275,20

Die Nichtigkeitsabteilung räumte den Parteien zu einer allfälligen Stellungnahme nochmals eine Frist von einem Monat ein.

Mit dem am 2. Mai 2006 zur Post gegebenen, mit 28. April 2006 datierten Schriftsatz führte der Antragsgegner nach einleitenden Bemerkungen zum Verfahrensgegenstand zur Kostenfrage im Wesentlichen aus, dass er zur Bearbeitung des Rechtsfalls während eines Zeitraums von 42 Tagen „täglich bis zu 17 Stunden“ arbeiten habe müssen (Sichtung des schriftlichen Materials; Befragung von Zeugen; Vorbereitung der Verhandlung). Für diese Arbeiten sei ein Tagessatz von 175 EUR zu veranschlagen; der tatsächliche Verdienst-entgang (verlorene Aufträge) sei höher. Für das Ausfindigmachen von Zeugen habe der Antragsgegner ein Unternehmen beauftragt. Schreibarbeiten seien von einem Pfarramt erledigt worden. Dem Antragsgegner seien umfangreiche Reisekosten entstanden, weiters Telefonkosten von 253,27 EUR und Portogebühren von 9,75 EUR. Der Antragsgegner legte ein Kostenverzeichnis über 20.917,18 EUR mit folgender Aufschlüsselung vor:

13.926,50 EUR für eigenen Zeitaufwand; für Zeugenbefragung 3.925 EUR; Fahrtkosten von 1.536,85 EUR und 765,91 EUR; Schreibarbeiten 500 EUR; Telefon 253,27 EUR; Porto 9,65 EUR.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 6. Dezember 2006, dem Antragsgegner am 12. Jänner 2007 zugestellt, stellte die Nichtigkeitsabteilung das Verfahren über den Antrag auf Aberkennung des Gebrauchsmusters Nr 6 726 ein und verpflichtete die Antragstellerin zur Zahlung von 275,20 EUR an Verfahrenskosten an den Antragsgegner. Der Ersatz der von ihm „aufgelisteten Kosten“ (für persönliche Bemühungen, beispielsweise Schreibarbeiten und Kosten für Verdienstentgang) sei in den anzuwendenden Bestimmungen der ZPO nicht vorgesehen.

Mit seiner mit 9. März 2007 datierten Berufung beantragt der Antragsgegner unter Ausdehnung seines Kostenersatzbegehrens um weitere 350,73 EUR auf 21.268,53 EUR den Zuspruch dieser Kosten. Es sei nicht nur der durch die Verhandlungsdauer verursachte Zeitverlust zu entschädigen. Die Sicherung von Beweisen falle nicht unter die Kosten für eigene Bemühungen. § 122 Abs 1 PatG besage lediglich, dass die Regelungen der ZPO auf die Antragsrückziehung nicht anzuwenden seien. Die detailliert verzeichneten und belegten Barauslagen hätten zugesprochen werden müssen. Mit dem mit 20. April 2007 datierten Schriftsatz („Ergänzung Kostenverzeichnis“) beantragt der Berufungswerber den Zuspruch weiterer Kosten von 478 EUR.

Mit ihrer Berufungsbeantwortung beantragt die Antragstellerin (ohne eigenes Kostenverzeichnis), der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung des Antragsgegners ist nicht berechtigt, ihre Ergänzung unzulässig.

I. Zur Rechtzeitigkeit des Kostenverzeichnisses durch den Antragsgegner:

Auf das Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung in Angelegenheiten des Gebrauchsmusterschutzes sind gemäß § 36 Abs 1 GMG die Bestimmungen der §§ 112 bis 125 PatG anzuwenden. Gemäß § 122 Abs 1 PatG ist über den Ersatz der Verfahrens- und Vertretungskosten vorbehaltlich des Abs 2 in sinngemäßer Anwendung der §§ 40 bis 55 ZPO zu entscheiden. Abs 2 bestimmt, dass derjenige, der einen Antrag zurücknimmt, dem Antragsgegner die Kosten zu ersetzen hat. Den Verweisungsbestimmungen in § 122 PatG ist zwar zu entnehmen, dass der Kostenersatzanspruch die Verzeichnung von Kosten voraussetzt (§ 54 ZPO); im Falle der Antragsrückziehung fehlt jedoch eine ausdrückliche Bestimmung, bis wann die Kosten verzeichnet werden müssen. Aus Rechtssicherheitsgründen ist eine unbefristete Verzeichnismöglichkeit abzulehnen. Nach Abschluss des Verfahrens soll auch die Kostenfrage in angemessener Frist erledigt sein. Die Lücke im Gesetz kann nun entweder in analoger Anwendung zu den Fällen, in denen das Gesetz eine Setzung der Frist durch das Gericht oder die Behörde vorsieht, geschlossen werden oder aber analog zur Regelung des am ehesten vergleichbaren Falls der Zurücknahme der Klage außerhalb einer Verhandlung. Hier ist der Antrag auf Kostenersatz binnen einer Notfrist von 4 Wochen ab Verständigung des Beklagten von der Zurücknahme der Klage zu stellen (§ 237 Abs 3 ZPO). Eine analoge Anwendung des § 237 ZPO wurde beispielsweise schon für die Antragszurückziehung im außerstreitigen Verfahren bejaht (über einen Anspruch auf Heiratsgut: 7 Ob 97/00s; im Verfahren über eine Beschlussanfechtung nach § 52 WEG 2002: 54 R 201/06g des LG Salzburg). Folgte man dieser Ansicht, wäre der Kostenersatzanspruch des Antragsgegners verfristet. Die Frage braucht hier aber nicht abschließend entschieden zu werden. Selbst wenn man sein Kostenverzeichnis in Folge der behördlichen Fristsetzung und deren Verlängerung als rechtzeitig erachtete, wäre für den Berufungswerber nichts gewonnen, weil die Ansicht der Nichtigkeitsabteilung über die Anwendbarkeit des § 42 ZPO zutrifft.

II.1. Entgegen dem Berufungsstandpunkt kann § 122 Abs 2 PatG nicht losgelöst von dessen Abs 1 ausgelegt werden und zum Ergebnis führen, dass der Antragsgegner Anspruch auf Ersatz aller denkmöglichen Kosten, also auch solcher für persönliche Bemühungen, hätte, für die nach § 42 Abs 1 erster Satz ZPO eine Vergütung nicht zuzusprechen ist. Wenn derartige Kosten dem nach einem langwierigen Verfahren Obsiegenden nicht zugesprochen werden können, wäre es ein Wertungswiderspruch, den Kostenersatzanspruch des Antragsgegners nach Antragsrückziehung zu bejahen. Der Verweis auf die §§ 40 bis 55 ZPO gilt vielmehr auch für letzteren Fall.

2. Damit erweist sich die bekämpfte Kostenentscheidung aber als zutreffend. Nur die durch die persönliche Anwesenheit bei der Verhandlung verursachte Zeitversäumnis kann Grundlage eines ersatzfähigen Schadens sein; zu ersetzen sind ferner die wegen der Verhandlung entstandenen Reiseauslagen (Bydlinski in Fasching, Zivilprozessgesetze2, § 42 ZPO Rz 3 f). Für seine persönlichen Bemühungen kann der Antragsgegner hingegen keine Vergütung beanspruchen. Dazu zählen (ua) die Bemühungen zur Sammlung der Prozessunterlagen, insbesondere des Beweismaterials (Bydlinski aaO Rz 1). Gerade für solche Zwecke - Ausfindigmachen von Zeugen, Sichtung der Unterlagen, Erstellung von Schriftsätzen und dergleichen - sind dem Antragsgegner aber die von ihm geltend gemachten Kosten entstanden. Aufwendungen für Leistungen Dritter in diesem Zusammenhang sind nicht ersatzfähig.

3. Die Ausdehnung des Kostenverzeichnisses in der Berufung widerspricht dem aus § 140 Abs 2 PatG abzuleitenden, im Rechtsmittelverfahren herrschenden Neuerungsverbot. Die Ergänzung der Berufung ist wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels unzulässig (RIS-Justiz RS0041666).

4. Über den Verfahrenshilfeantrag des Antragsgegners wird die erste Instanz zu entscheiden haben (vergleiche § 65 Abs 1 ZPO).

5. Kosten für die Berufungsbeantwortung sind mangels Kostenverzeichnisses nicht zu bestimmen.

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