JudikaturOPMS

Om8/08 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 2009

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch den Präsidenten des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Erich KODEK, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr.iur. Günter SCHWAYER, Dr. Irmgard GRISS und Dr. Manfred VOGEL als rechtskundige Mitglieder und den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Dietmar TRATTNER als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin   M *****  C o r p o r a t i o n , *****USA, vertreten durch die Herren Patentanwälte Dipl.-Ing. Manfred BEER, Dipl.-Ing. Reinhard HEHENBERGER, Lindengasse 8, 1070 Wien, wider die Antragsgegnerin (nunmehr:)   K ***** G m b H , ***** vertreten durch Bichler Zrzavy Rechtsanwälte GmbH, Weyrgasse 8, 1030 Wien, wegen teilweiser Löschung der Marke Nr 235 466, über die Berufung der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 11. März 2008, Zl Nm 92/2007-6, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit 1.476,24 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (hierin enthalten 243,84 EUR Umsatzsteuer und 13,20 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetze.

Text

G r ü n d e:

Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes sprach mit Entscheidung vom 5. November 2007, Nm 92/2007-2, die teilweise Löschung der Marke Nr 235 466 der Antragsgegnerin aus. Der Löschungsantrag seit dieser am 23. Juli 2007 zugestellt worden; die zur Erstattung der Gegenschrift eingeräumte Frist sei ungenützt verstrichen, weshalb gemäß § 42 Abs 3 MSchG ohne weiteres Verfahren antragsgemäß zu entscheiden gewesen sei. Diese Entscheidung wurde der Markeninhaberin am 22. November 2007 zugestellt.

Mit am 6. Dezember 2007 zur Post gegebenem Schriftsatz begehrte die Antragsgegnerin, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erstattung einer Gegenschrift zum Löschungsantrag zu bewilligen. Der Löschungsantrag samt Beilagen und Aufforderung zur Erstattung einer Gegenschrift sei am 23. Juli 2007 bei ihr eingelangt und mit einem Eingangsstempel versehen worden. Das Schriftstück samt Beilagenkonvolut sei sodann wegen seines Umfangs nicht per Telefax oder per Post an die Rechtsabteilung der Konzernmutter der Markeninhaberin übermittelt, sondern „offensichtlich vom Geschäftsführer persönlich“ zur Muttergesellschaft gebracht worden. Dort verliere sich allerdings die Spur des Antrags, der „erst infolge der Mitteilung über die erfolgte Löschung der Marke wieder gefunden“ worden sei. Der Antrag habe sich „in einem Konvolut unerledigter Papiere" befunden, der infolge der Veräußerung der Geschäftsanteile der Antragsgegnerin durch die Muttergesellschaft entstanden sei. Im Zuge dieses Veräußerungsvorgangs seien laufend „wahre Berge an Dokumenten“ in der Rechtsabteilung der Muttergesellschaft eingelangt, diese seien aber immer und ohne Verzögerung entsprechend bearbeitet worden. Aus einem „nicht mehr nachvollziehbaren Grund, der voraussichtlich in der hohen Zahl der übermittelten Dokumente sowie dem damit verbundenen Arbeitsdruck seine Ursache haben“ müsse, sei das Schriftstück des Patentamts „offensichtlich durch ein Versehen übersehen und nicht entsprechend bearbeitet“ worden. Die Mitarbeiter der Rechtsabteilung, allen voran die den Akt führende Sachbearbeiterin, hätten „keine Wahrnehmung darüber, wie die Aufforderung zur Äußerung zum Antrag in die Rechtsabteilung gelangt sein könnte und wie es zur Nichtbearbeitung gekommen“ sei. Erst durch die Zustellung des Löschungsbeschlusses vom 5. November 2007 am 22. November 2007 habe die Rechtsabteilung der Muttergesellschaft vom anhängigen Verfahren Kenntnis erlangt. Das zur Fristversäumung führende Verhalten sei – wenn überhaupt – der Sachbearbeiterin in der Rechtsabteilung der Muttergesellschaft zuzurechnen, aber als Versehen minderen Grades zu beurteilen. Die Sachbearbeiterin sei aus verschiedenen - im Schriftsatz näher ausgeführten - beruflichen und privaten Gründen unter hohem Druck gestanden, aber dennoch in der Lage gewesen, die beruflichen Anforderungen zu bewältigen. „Offensichtlich“ habe sie „aus nicht mehr nachzuvollziehenden Gründen“ das Schreiben des Patentamts im Hinblick auf die große Menge an übergebenen Unterlagen übersehen. Hierbei handle es sich aber nicht um eine auffallende Sorglosigkeit, sondern um ein Versehen minderen Grades, wie es bisher weder ihr, noch sonst einem Mitarbeiter im Konzern passiert sei.

Zur Bescheinigung ihres Vorbringens legte die Antragsgegnerin Urkunden vor und beantragte die Einvernahme von Auskunftspersonen; gleichzeitig holte sie die versäumte Handlung nach und erstattete eine Gegenschrift zum Löschungsantrag.

Die Löschungswerberin beantragte, den Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen.

Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes wies mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Von einem minderen Grad des Versehens könne deshalb nicht gesprochen werden, weil aus dem Sachverhaltsvorbringen der Wiedereinsetzungswerberin nicht hervorgehe, worin das Fehlverhalten der im Schriftsatz genannten Sachbearbeiterin liegen solle. Nach dem Vorbringen sei auch zweifelhaft, wer für das zur Fristversäumung führende Fehlverhalten verantwortlich sei; möglicherweise sei dem Geschäftsführer, der die Schriftstücke angeblich an die Rechtsabteilung weitergeleitet habe, ein Fehler passiert; welcher das sein könne, gehe aus dem Sachvorbringen nicht hervor. Ein „Wunder“, „unerklärliche Umstände“ oder ein „In- Verstoß-Geraten“ seien keine Wiedereinsetzungsgründe. Mangelhafte Organisation im Unternehmen der belangten Markeninhaberin gingen zu deren Lasten. Ob die namentlich genannte Sachbearbeiterin der Rechtsabteilung einer hohen Belastung ausgesetzt gewesen sei, sei nicht erheblich, weil gar nicht feststehe, ob die Fehlleistung ihr oder dem Geschäftsführer zuzuordnen sei. Wenn daher nicht feststehe, wie der Fehler passiert sei, könne nicht von einem einer bestimmten Person zurechenbaren minderen Grad des Versehens gesprochen werden. Habe die Wiedereinsetzungswerberin keinen Sachverhalt vorgetragen, aus dem ein zurechenbares Fehlverhalten minderen Grades hervorgehe, gehe das zu ihren Lasten.

Die Antragsgegnerin bekämpft diesen Beschluss mit Berufung und beantragt

dessen Abänderung dahin, dass dem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben werde.

Die Löschungswerberin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Die Berufungswerberin macht geltend, sie habe im Wiedereinsetzungsantrag ausgeführt, dass ihr Geschäftsführer das Schriftstück des Patentamts in der Zentrale ihrer Muttergesellschaft zur Weiterleitung an die dortige Rechtsabteilung abgegeben habe. Im Zusammenhang mit den Ausführungen über die übliche Behandlung von Behördenschriftstücken sei damit nachgewiesen worden, dass - abgesehen von der auch tatsächlich erfolgten persönlichen Überbringung der Unterlagen - der seit langen Jahren erprobte und funktionierende Verfahrensablauf eingehalten worden sei. Somit ergebe sich aus dem Wiedereinsetzungsantrag „eindeutig, dass nur die zuständige Sachbearbeiterin“ das zur Fristversäumung führende Verhalten gesetzt haben könne. Sie habe den Löschungsantrag samt Aufforderung zur Gegenäußerung übersehen, was dazu geführt habe, dass sich die Spur der Unterlagen - bis zur Wiederentdeckung nach Zustellung des Löschungserkenntnisses – in ihrem Büro verliere und das Schriftstück nicht weiterbehandelt worden sei. Zwar sei die Formulierung „wenn überhaupt“ im Wiedereinsetzungsantrag sprachlich unglücklich gewählt, weil sie - aus dem Zusammenhang gerissen - so verstanden werden könne, als wäre der Wiedereinsetzungswerberin unklar, wer das zur Fristversäumnis führende Verhalten zu verantworten habe; im Gesamtkontext des Wiedereinsetzungsantrags zeige sich aber eindeutig, dass sich diese Formulierung nur auf den Grad des Verschuldens beziehen könne, indem sie dessen überdurchschnittliche Geringwertigkeit betonen solle.

Wer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach einer den Erfindungsschutz betreffenden Vorschrift einen kraft dieser Vorschrift ohne weiteres eintretenden Rechtsnachteil zur Folge hat, hat einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Eine Versäumung, die auf einem minderen Grade des Versehens beruht, hindert die Wiedereinsetzung nicht (§ 42 Abs 1 MSchG iVm § 129 Abs 1 PatG). Der Antragsteller hat die zur Begründung des Antrages dienenden Umstände anzuführen und glaubhaft zu machen (§ 131 Abs 1 PatG).

Eine der Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demnach, dass ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis die Partei an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung gehindert haben muss (vergleiche § 146 Abs 1 ZPO). Unter dem Begriff „Ereignis“ ist in diesem Zusammenhang jedes Geschehen zu verstehen, wobei die Entstehungsursache von außen oder von innen kommen kann (Fink, Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Zivilprozessrecht 64 mwN). Unvorhergesehen ist ein Ereignis, mit dem die Partei nicht gerechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht verhindern konnte, auch wenn sie den Eintritt dieses Ereignisses voraussah (Fink aaO 67 mwN).

Behauptet die Partei nicht einmal das Vorliegen eines bestimmten Ereignisses, auf Grund dessen sie an der Vornahme einer Prozesshandlung gehindert war, so ist ihr Antrag mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen abzuweisen (Deixler-Hübner in Fasching/Konecny2 II/2 § 146 ZPO Rz 4 mN aus der Rsp des VfGH).

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Vorinstanz den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht abgewiesen. Im Wiedereinsetzungsantrag wird nämlich kein konkretes - für die Fristversäumnis kausales - Verhalten einer bestimmten Person behauptet. Folgt man dem Vorbringen, bleibt vielmehr völlig unklar, welches Handeln oder Unterlassen die Versäumnis herbeigeführt hat, und ob dafür der Geschäftsführer der Markeninhaberin, die zuständige Sachbearbeiterin der Rechtsabteilung der Muttergesellschaft oder eine dritte Person verantwortlich sind.

Die Antragsgegnerin hat selbst keine Erklärung dafür, wie es dazu kommen konnte, dass der ihr zugestellte Schriftsatz - der „offensichtlich vom Geschäftsführer persönlich“ zur Zentrale der Muttergesellschaft gebracht worden ist - dort verloren gegangen, unbearbeitet geblieben und erst nach Zustellung des Löschungserkenntnisses im Büro der Rechtsabteilung der Muttergesellschaft wieder aufgefunden worden ist: sie spricht in ihrem Antrag von einem „nicht mehr nachvollziehbaren Grund, der voraussichtlich in der hohen Zahl der übermittelten Dokumente sowie dem damit verbundenen Arbeitsdruck seine Ursache haben“ müsse, weshalb das Schriftstück des Patentamts „offensichtlich durch ein Versehen übersehen und nicht entsprechend bearbeitet“ worden sei. Anhand von Spekulationen allein kann aber weder beurteilt werden, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorliegt, das die Tatbestandsvoraussetzungen des § 129 Abs 1 PatG (§ 146 ZPO) erfüllt, noch, ob ein Fehlverhalten minderen Grades vorliegt.

Der Berufung ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht - ausgehend von 36.000 EUR Bemessungsgrundlage - auf § 42 Abs 1 MSchG iVm § 134 Abs 2 PatG.

Rückverweise