Op2/08 – OPMS Entscheidung
Kopf
Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Peter NIEDERREITER als Vorsitzenden, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Mag. Norbert KNITTLER und Dr. Gerhard PRÜCKNER als rechtskundige Mitglieder sowie die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dipl.-Ing. Alfred KUTZELNIGG und Dr. Kurt EHRENDORFER als fachtechnische Mitglieder in den verbundenen Patentrechts- und Gebrauchsmustersachen der Antragsteller 1. Firma r ***** G m b H , 2. Herrn G***** , 3. Frau B *****, vertreten durch die Herren Patentanwälte Dipl.-Ing. Manfred BEER, Dipl.-Ing. Reinhard HEHENBERGER, Lindengasse 8, 1070 Wien, wider die Antragsgegnerin Firma *****A ***** G m b H , ***** vertreten durch Dr. Lindmayr Dr. Bauer Dr. Secklehner Rechtsanwalts-OG, Rosenauerweg 16, 4580 Windischgarsten, wegen teilweiser Nichtigerklärung des Patentes Nr 410 289 und des Gebrauchsmusters Nr 4 678 über die Berufung der Antragsteller gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 9. Oktober 2007, Zl N 1-3/2005-9 und NGM 3-5/2005-7, entschieden:
Spruch
1. Die erstantragstellende Partei R***** OEG wird auf r***** GmbH berichtigt.
2. Der Berufung der Antragsteller wird keine Folge gegeben.
Die Antragsteller sind schuldig, der Antragsgegnerin die mit EUR 3.944,18 bestimmten Kosten des Verfahrens (hierin enthalten EUR 657,36 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
G r ü n d e :
Am 26. Jänner 2000 wurde von der Antragsgegnerin (*****A***** GmbH) beim Österreichischen Patentamt eine Patentmeldung unter dem Titel "Verfahren und Vorrichtung zur Bildung einer dreiseitig begrenzten Ecke aus einem ebenflächigen plattenförmigen Material" eingereicht. Am 15. August 2002 wurde auf diese Anmeldung ein Patent mit der Nummer AT 410 289 B erteilt.
Am 29. März 2001 wurde von der Antragsgegnerin beim Österreichischen Patentamt eine Gebrauchsmusteranmeldung mit dem Titel "Verfahren und Vorrichtung zur Bildung einer dreiseitig begrenzten Ecke aus einem ebenflächigen plattenförmigen Material" eingereicht. Es wurden die Prioritäten der österreichischen Patentanmeldung AT 113/2000 vom 26. Jänner 2000 und der japanischen Patentanmeldung JP 11 135 224 vom 17. Mai 1999 beansprucht. Am 15. September 2001 wurde auf diese Anmeldung ein Gebrauchsmuster mit der Nummer AT 4 678 U2 erteilt.
Die Ansprüche 1-4 und 11-12 des Patents lauten:
1. Verfahren zur Bildung eines Eckbereiches aus einer ebenflächigen Platte, insbesondere Blechplatte, bei dem die der Ecke benachbarten Seitenränder über einen Großteil ihrer Längserstreckung parallel zu einem Seitenrand eines ebenflächigen Plattenteils um eine vorbestimmbare Höhe abgekantet werden und im Bereich auf die zu bildende Ecke zulaufend von dem abgekanteten Seitenrand bis zur Ebene des ebenflächigen Plattenteiles in einen räumlich geschwungenen Obergangsbereich umgeformt werden, worauf der vorgeformte Zuschnitt mit dem geschwungen verlaufenden Übergangsbereich auf ein eine vorbestimmte räumliche Außenform eines Eckbereiches aufweisendes Werkzeug so aufgelegt wird, dass sich der Obergangsbereich im Bereich der räumlichen Außenform eines Eckbereiches befindet und die Seitenränder an Seitenflächen des Werkzeuges anliegen, worauf der Bauteil zwischen dem Werkzeug und einer höhenverstellbaren Niederhalteplatte festgespannt und der Eckbereich mit einer Rollenanordnung ausgeformt wird, dadurch gekennzeichnet, dass den den, Eckbereich (10) ausformenden Seitenwänden (8) zugeordnete Stirnkanten (181) der Spannplatte (175) vor dem Festspannen des Bauteils (2) zwischen einer mit den Formflächen (36) des Werkzeuges (16) fluchtenden oder einer über diese Formflächen (36) im Wesentlichen um die Dicke (179) des Bauteils (2) vorragende Stellung positioniert werden und anschließend die Seitenwände (8) im Übergangsbereich und im Eckbereich (10) mit der Rollenanordnung (42) über ihre gesamte Höhe (206) zur Anlage an die dem herzustellenden Eckbereich (10) unmittelbar benachbarten Formflächen (36) des Werkzeuges (16) verformt werden und ein Überstand (194) im Eckbereich mit von dem Werkzeug (16) distanzierten Schneidelementen (38, 157, 158) abgetrennt wird.
2. Verfahren zur Bildung eines Eckbereiches aus einer ebenflächigen Platte, insbesondere Blechplatte, bei dem die Seitenränder abgekantet und zwischen den Seitenrändern im Eckbereich ein räumlich geschwungener Übergangsbereich gebildet und dieser in die gewünschte Form der Ecke durch Materialumformung mit einem Überstand im Eckbereich umgeformt wird, dadurch gekennzeichnet, dass der Bauteil (2) mit den dem Überstand (194) benachbarten freien Stirnflächen (193) von zumindest zwei einen Eckbereich (10) zwischen sich einschließenden Seitenwänden (8) auf zumindest ein eine Richtfläche (204) ausbildendes Auflageelement (205) aufgesetzt wird und der über die Richtfläche (204) in die vom ebenflächigen Plattenteil (6) entgegengesetzte Richtung vorragende Bereich des Überstandes (194) mit zueinander relativ verstellbaren Schneideelementen (38, 157, 158) abgetrennt wird, deren Schnittkanten (163, 164) in der Richtfläche (204) verlaufen.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Werk-zeug (16) drehbar auf einem Kulissenelement (127) gelagert ist und gegenüber diesem in unterschiedlichen Stellungen fixiert wird und dass das Kulissenelement (127) in einer zum ebenflächigen Plattenteil (6) des Bauteils (2) parallelen Ebene in einer unter 450 zur Symmetrieachse (135) der Rollenanordnung (42) verlaufenden Richtung [Doppelpfeil (149)] und in einer dazu senkrechten Richtung gemäß [Doppelpfeil (150)] zur Einstellung eines gleichmäßigen Abstandes (134) zwischen den Mantellinien (132) der Rollenanordnung (42) und den Formflächen (36) eingestellt wird.
4. Verfahren nach Anspruch 1 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Seitenwände (8) im Übergangsbereich und im Eckbereich (10) des Bauteils (2) durch einen Walzvorgang an die Außenform des Werkzeuges (16) im Bereich der Formflächen (36) angepasst werden.
11. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass an einem der beiden, insbesondere dem verstellbaren Schneidelement (158) Auflageelemente (205) für den Bauteil (2) vorgesehen werden.
12. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass eine Richtfläche (204) horizontal oder vertikal verläuft.
Die bekämpften Ansprüche 1, 2, 9, 10 und 24 des Gebrauchsmusters AT 4 678 U2 lauten:
1. Verfahren zur Bildung eines Eckbereiches aus einer ebenflächigen Platte, insbesondere Blechplatte, bei dem die Seitenwände abgekantet und zwischen den Seitenwänden im Eckbereich ein räumlich geschwungener Übergangsbereich gebildet und dieser in die gewünschte Form der Ecke durch Materialumformung mit einem Überstand im Eckbereich umgeformt wird, dadurch gekennzeichnet, dass der Bauteil (2) mit den dem Überstand (194) benachbarten freien Stirnflächen (193) von zumindest zwei einen Eckbereich (10) zwischen sich einschließenden Seitenwänden (8) auf zumindest ein eine Richtfläche (204) ausbildendes Auflageelement (205) aufgesetzt wird und der über die Richtfläche (204) in die vom ebenflächigen Plattenteil (6) entgegengesetzte Richtung vorragende Bereich des Überstandes (194) mit zueinander relativ verstellbaren Schneideelementen (38,151,158) abgetrennt wird, deren Schnittkanten (163, 164) in der Richtfläche (204) verlaufen.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Seitenwände (8) im Übergangsbereich und im Eckbereich (10) des Bauteils (2) durch einen Walzvorgang an die Außenform des Werkzeuges (16) im Bereich der Formflächen (36) angepasst werden.
9. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass an einem der beiden, insbesondere dem verstellbaren Schneidelement (158) Auflageelemente (205) für den Bauteil (2) vorgesehen werden.
10. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass eine Richtfläche (204) horizontal verläuft.
24. Schneidvorrichtung zum Beschneiden eines aus einer ebenflächigen Platte gebildeten Bauteils mit einem zwischen zwei aus einer ebenflächigen Platte abgekanteten Seitenwänden ausgebildeten Überstand in einem Eckbereich, bevorzugt mit einem feststehenden und einem verstellbaren Schneidelement, dadurch gekennzeichnet, dass ein Auflageelement (205) vorgesehen ist, welches zumindest eine Richtfläche (204) zur Aufnahme von den dem Überstand (194) benachbarten, freien Stirnflächen (193) von zumindest zwei einen Eckbereich (10) zwischen sich einschließenden Seitenwänden (8) aufweist, und dass dem über die Richtfläche (204) vorragenden Überstand (194) des Eckbereiches (10) relativ zueinander verstellbare Schneideelemente (157, 158) zugeordnet sind, deren Schnittkanten (163, 164) in einer die Richtfläche (204) aufnehmenden Ebene angeordnet sind.
Am 28. Feber 2005 beantragten die drei Antragsteller, das genannte Patent im Umfang der Ansprüche 2, 4, 11 und 12 kostenpflichtig für nichtig zu erklären. Weiters wurde beantragt, das genannte Gebrauchsmuster im Umfang der Ansprüche 1, 2, 9, 10 und 24 ebenfalls kostenpflichtig für nichtig zu erklären.
Die Antragsteller stützten ihren Antrag auf vorgelegte Patentschriften (JP 11135224 und DE 40 09 466 A1), auf Werkstattzeichnungen und Prospekte einer Rechtsvorgängerin der Erstantragstellerin sowie auf Kopien von Telefaxen und eidesstattlichen Erklärungen. Die Prospekte und Werkstattzeichnungen würden Maschinen offenbaren, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung alle Merkmale der Ansprüche 2, 4, 11 und 12 des bestrittenen Patents und alle Merkmale der Ansprüche 1, 2, 9, 10 und 24 des bestrittenen Gebrauchsmusters vorwegnehmen würden. Außerdem wären diese Zeichnungen und Prospekte vor dem Prioritätstag an verschiedene Kunden weitergegeben worden. Ein Prototyp einer Maschine, welche alle Merkmale der bestrittenen Ansprüche von Patent und Gebrauchsmuster aufgewiesen hätte, wäre vor dem Prioritätstag mehreren Kunden gezeigt worden.
Von der Antragstellerin wurde argumentiert, dass bei Kundenbesuchen bei den Firmen n***** und E**********im Sommer bzw Herbst 1999 mit Hilfe des Prospekts Beilage K alle Merkmale der bestrittenen Ansprüche von Patent und Gebrauchsmuster erläutert worden und außerdem auf dem Prospekt Beilage K alle Merkmale erkennbar seien. Dadurch sei eine neuheitsschädliche Veröffentlichung der Merkmale der bestrittenen Ansprüche gegeben. Zum Beweis dieser Behauptungen verwies der Vertreter der Antragstellerin auf die Zeugen.
Weiters argumentierte die Antragstellerin, dass spätestens im Herbst 1999 ein funktionierender Prototyp einer externen Eckschneidmaschine in der Werkshalle der Vorgängerin der Antragstellerin, der G*****, aufgestellt gewesen sei, welcher alle Merkmale der bestrittenen Ansprüche von Patent und Gebrauchsmuster aufgewiesen hätte. Dadurch, dass dieser Prototyp von mehreren Kunden gesehen worden sei bzw einzelnen Kunden vorgeführt worden sei, sei eine weitere neuheitsschädliche Veröffentlichung der Merkmale der bestrittenen Ansprüche gegeben.
Die Antragsteller beantragten zum Beweis ihres Vorbringens die Vernehmung zweier Zeugen und die Parteienvernehmung des Zweitantragstellers.
Die Antragsgegnerin beantragte, die Nichtigkeitsanträge abzuweisen und das Patent und das Gebrauchsmuster in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Die von der Antragstellerin beigebrachten Dokumente seien nicht geeignet, die Neuheit oder den erfinderischen Schritt der bestrittenen Ansprüche in Zweifel zu ziehen. Die kennzeichnenden Merkmale der bestrittenen Ansprüche des Patents und des Gebrauchsmusters seien in keiner der von der Antragstellerin beigebrachten Unterlagen erkennbar. Deswegen könne nicht einmal eine innere Vorbenutzung glaubhaft gemacht werden. Die beigebrachten Werkstattzeichnungen seien der Öffentlichkeit nicht zugänglich gewesen, was auch an den Schriftköpfen dieser Zeichnungen erkennbar sei, welche einen Geheimhaltungsauftrag enthielten. Auch seien die beigebrachten Telefaxe und eidesstattlichen Erklärungen nicht geeignet, glaubhaft zu machen, dass die Werkstattzeichnungen und Prospekte vor dem Prioritätstag der Öffentlichkeit bekannt waren, vielmehr handle es sich hier um Reklamationen und die Reaktionen darauf.
Im Prospekt seien die wesentlichen Merkmale nicht erkennbar. Es sei nicht belegt, dass den beiden Kunden, Firma I***** und Firma E*****, alle erfindungswesentlichen Merkmale mitgeteilt worden seien, noch, dass in der Werkshalle der Antragstellerin tatsächlich ein Prototyp gestanden sei.
In der Verhandlung vor der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts wurde außer Streit gestellt, dass die Werkstattzeichnungen niemals der Öffentlichkeit zugänglich gewesen seien. Außerdem zogen die Antragsteller den Antrag auf Nichtigerklärung des Anspruchs 4 des Patents zurück.
Die Nichtigkeitsabteilung führte das Beweisverfahren durch Vernehmung eines Zeugen und des Zweitantragstellers als Partei sowie durch Einsicht in die vorgelegten Urkunden durch. Die Nichtigkeitsabteilung traf folgende entscheidungswesentlichen Feststellungen:
Es sei nicht erwiesen, dass den beiden Kunden (I*****) die erfindungsgemäße Lösung präsentiert worden sei und dass den Kunden alle Merkmale der bestrittenen Ansprüche zur Kenntnis gebracht worden seien. Auch wenn den beiden Kunden alle Merkmale der bestrittenen Ansprüche zur Kenntnis gebracht worden wären und diese von den Kunden auch vollständig verstanden worden wären, so würde dies doch keine neuheitsschädliche Veröffentlichung im Sinne des § 3 Abs 1 PatG bedeuten, weil die am jeweiligen Gespräch beteiligten Mitarbeiter der beiden Kunden ein genau definierter und streng abgegrenzter Personenkreis gewesen sei. Nach geltender Rechtsprechung sei die Öffentlichkeit jedoch ein unbekannter, unbestimmter, unbegrenzter, nicht zur Geheimhaltung verpflichteter Personenkreis.
Die Nichtigkeitsabteilung begründete diese Feststellungen im Rahmen der Beweiswürdigung im Wesentlichen wie folgt:
Die Aussagen der beiden in der mündlichen Verhandlung vernommenen Personen würden sich nur in Ansehung des Prospekts K widersprechen. Hier sei die Aussage des Zeugen glaubwürdiger, weil er keine Parteistellung habe. Insbesondere sei dieser Zeugenaussage dort zu folgen, dass die Bezeichnung "C 100" für die Eckschneidemaschine erst im Jahr 2000 verwendet worden sei, weswegen der Prospekt Beilage K im September 1999 noch nicht existiert haben könne. Es erscheine unglaubwürdig, dass bei einer so geringen Anzahl an Kunden, nämlich 5-10, die den Prototyp gesehen hätten, sich keiner der beiden in der mündlichen Verhandlung vernommenen Personen an einen Namen eines Kunden erinnern habe können, zumal die Zahl der möglichen Kunden vom Zeugen mit ca 10 in Österreich und über 100 weltweit angegeben worden seien. Da die erste Eckschneidemaschine mit den Merkmalen der bestrittenen Ansprüche erst Mitte 2000 verkauft worden sei, erscheine es unglaubwürdig, dass schon acht bis zehn Monate vorher ein Prototyp mit den gleichen technischen Merkmalen in der Werkshalle gestanden wäre. Die Frage, warum der Prototyp denn verschrottet worden sei, habe von den vernommenen Personen nicht glaubwürdig beantwortet werden können. Insgesamt sei nicht ausreichend nachgewiesen worden, dass vor dem Prioritätstag der bekämpften Anmeldung ein Prototyp existiert habe, welcher alle Merkmale der bestrittenen Ansprüche aufgewiesen hätte und der Öffentlichkeit zugänglich gewesen wäre.
Die Nichtigkeitsabteilung resümierte in rechtlicher Hinsicht, dass die Behauptung des Zweitantragstellers: „Ich habe die Erfindung schon vor dem Prioritätstag gehabt und habe den Kunden I***** davon erzählt, außerdem hatte ich einen Prototyp, den ca 5-10 Kunden gesehen haben, an deren Namen ich mich nicht erinnern kann, wobei dieser Prototyp bereits verschrottet worden ist" für sich alleine nicht ausreichen könne, um ein aufrechtes Patent oder Gebrauchsmuster für nichtig zu erklären, wenn keine weiteren Beweismittel beigebracht werden, welche dieser Behauptung Substanz geben könnten. Dasselbe gelte für den nicht nachgewiesenen Fall, dass ein Prototyp existiert hätte, der alle Merkmale der bestrittenen Ansprüche aufgewiesen hätte und den Kunden vorgeführt worden wäre.
Zur Priorität des Gebrauchsmusters führte die Nichtigkeitsabteilung noch aus, dass der beanspruchte Zeitrang der japanischen Patentschrift hier irrelevant sei, weil eine neuheitsschädliche Vorveröffentlichung durch die Antragsteller nicht nachgewiesen worden sei. Zu diesem Thema gab die Nichtigkeitsabteilung dennoch (obiter) eine Sachbegründung mit dem Ergebnis, dass bei der Beurteilung der Neuheit und des erfinderischen Schritts des Gebrauchsmusters nicht auf den Zeitrang der japanischen Patentschrift sondern auf den Zeitrang der Anmeldung des österreichischen Patents (26. Jänner 2000) abzustellen sei, das alle Merkmale des bestrittenen Gebrauchsmusters aufweise.
Mit ihrer Berufung beantragen die Antragsteller die Abänderung dahin, das österreichische Patent im Umfang der Patentansprüche 2, 11 und 12 sowie das österreichische Gebrauchsmuster im Umfang der Ansprüche 1, 2, 9, 10 und 24 für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben und das österreichische Patent sowie das österreichische Gebrauchsmuster im vollen Umfang aufrechtzuerhalten.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Die Berufungswerber wenden sich gegen die "Meinung" der Nichtigkeitsabteilung, dass weder durch die Kundengespräche noch durch die Vorführung der Maschine (des Prototyps) in der Werkshalle eine Vorveröffentlichung aller Merkmale der bestrittenen Ansprüche im Sinne des § 3 Abs 1 PatG bzw GMG nachgewiesen sei und zitieren für ihre gegenteilige Meinung auf den Seiten 3 bis 9 sowie 13 bis 17 der Berufung einzelne Aussagen der von der Nichtigkeitsabteilung vernommenen Personen. Aus diesen Aussagen sei die Offenkundigkeit der Vorbenützung der konstruktiven Merkmale des Patents und des Gebrauchsmusters klar ableitbar. In rechtlicher Hinsicht wendet sich die Berufung erkennbar gegen die auf die geringe Zahl der Kunden (5-10) abstellende Begründung der Nichtigkeitsabteilung. Es seien im fraglichen Zeitraum nicht nur schon frühere Kunden, die im Besitz von Eckschneidemaschinen gewesen seien, sondern durch die Ausstellung der Maschinen in der Werkhalle auch unbestimmter Personenkreis im Rahmen von "normalen" Verkaufsgesprächen über die Technologie informiert worden.
Die Antragsgegnerin verweist in ihrer Rechtsmittelgegenschrift darauf, dass die Antragsteller den Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung nur unsubstantiell darlegten, weil nicht klar sei, welche Feststellungen bekämpft und welche Ersatzfeststellungen aufgrund welcher Beweisergebnisse begehrt werden. Die Rechtsrüge dürfe nicht von einem "Wunschsachverhalt" ausgehen. Im Übrigen führt die Antragsgegnerin Beweiswürdigungsargumente für das Ergebnis ins Treffen, dass keine offenkundige Vorveröffentlichung vorliege.
Zu diesen Parteivorbringen im Rechtsmittelverfahren ist Folgendes auszuführen:
I. In formeller Hinsicht ist vorauszuschicken, dass die erstantragstellende OEG (R***** OEG, FN ***** des Handelsgerichts Wien) mit Einbringungsvertrag vom 28. September 2005 in die r***** GmbH (FN ***** des Handelsgerichts Wien) eingebracht wurde. Die Parteibezeichnung der erstantragstellenden Partei ist auf diese Gesellschaft zu berichtigen (vergleiche 4 Ob 79/08h).
II. 1. Zur Behauptungs- und Beweislast:
Die neuheitsschädliche Vorveröffentlichung oder eine offenkundige Vorbenutzung hat der die Nichtigerklärung des Patents oder des Gebrauchsmusters beantragende Antragsteller nach Art, Zeit und Ort konkret anzugeben und nachzuweisen (Weiser, Patentgesetz, 100 mwN). Für das Beweisverfahren vor der Nichtigkeitsabteilung gelten gemäß § 120 Abs 1 PatG die Vorschriften der §§ 266 bis 383 ZPO sinngemäß, also auch der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 272 ZPO), ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln. Die für die gewonnene Oberzeugung maßgeblichen Gründe sind in der Entscheidung anzuführen (§ 272 Abs 3 ZPO).
2. Im Verfahren vor dem Obersten Patent- und Markensenat finden zwar gemäß der Verweisung des § 140 Abs 1 PatG (auch) auf § 120 PatG ebenfalls die zitierten Bestimmungen der ZPO Anwendung, gemäß § 140 Abs 2 PatG hat der Oberste Patent- und Markensenat aber keine neuen Beweise aufzunehmen. Diese Gesetzesbestimmung wird in ständiger Rechtsprechung dahin ausgelegt, dass immer dann im Berufungsverfahren keine Überprüfung der Beweiswürdigung stattfindet, wenn es um Beweismittel geht, die von der ersten Instanz unmittelbar aufgenommen wurden (Zeugenbeweis; Beweis durch Parteienvernehmung), die Glaubwürdigkeit der vernommenen Personen also auf dem unmittelbar gewonnenen Eindruck beruht. Wenn der Oberste Patent- und Markensenat keine Beweise aufzunehmen hat, kommt eine Nachprüfung der von der Tatsacheninstanz erfolgten Beweiswürdigung nicht in Frage (Op 1/83, PBl 1983, 164; Op 4/95, PBl 1999, 49; Weiser, aaO 372 f). Er ist an die auf unmittelbarer Beweisaufnahme beruhenden Feststellungen gebunden. Dabei kommt es nicht nur auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit sondern darauf an, dass es nicht angeht, aufgrund der geringeren Erkenntnismöglichkeiten der Rechtsmittelinstanz (mangels eigener Beweisaufnahme) die auf höherem Informationsstand beruhenden Erwägungen der ersten Instanz zu verwerfen und andere Feststellungen zu treffen. Auf die Beweiswürdigungsargumente der Berufungswerber ist daher im Einzelnen nicht einzugehen. Nur obiter sei bemerkt, dass mit den Berufungsausführungen gegen die lebensnahen Erwägungen der Nichtigkeitsabteilung keine Bedenken erzeugt werden.
3. Entscheidungswesentliche Aktenwidrigkeiten vermögen die Berufungswerber nicht aufzuzeigen. Insoweit sie sich in rechtlicher Hinsicht auf eine konkrete Offenbarung und Vorveröffentlichung der Merkmale des Patents und des Gebrauchsmusters berufen, gehen sie von einem bloß gewünschten, aber nicht festgestellten Sachverhalt aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 122 und 140 Abs 1 PatG sowie § 37 Abs 4 GMG iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.